- Warum Bush diesen Krieg führen muss - Sascha, 11.02.2003, 17:09
Warum Bush diesen Krieg führen muss
-->Psychoanalyse
<font size=5>Warum Bush diesen Krieg führen muss</font>
Getrieben von Versager-Komplexen, gestärkt vom fundamentalistischen Gotteswahn: George Bush ist für den Psychoanalytiker und Theologen Eugen Drewermann besessen davon, einen noch besseren Krieg als sein Vater zu führen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE seziert Deutschlands umstrittenster Kirchenkritiker die Psyche des US-Präsidenten.
Eugen Drewermann, 63, ist der meistgelesene und umstrittenste deutsche Theologe. Von 1979 bis 1991 lehrte er an der katholisch-theologischen Fakultät in Paderborn Dogmatik. Dann wurde ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Ein Jahr später wurde er vom Priesteramt suspendiert. Drewermann, der auch Psychoanalyse studiert hat, hat mehr als 70 Bücher veröffentlicht und betreibt eine psychoanalytische Praxis.
SPIEGEL ONLINE: Herr Drewermann, US-Präsident George W. Bush benutzt oft religiöse Vokabeln: Er spricht von der <font color="#FF0000">Achse des"Bösen"</font>, vom <font color="#FF0000">"Kreuzzug" gegen den Terror</font>. Nach dem Absturz der Raumfähre"Columbia" zitierte er den Propheten Jesaja, häufig schließt er Reden mit der Formel:"Gott schütze Amerika". Ist Bush ein überzeugender Christ?
Drewermann: Seine Rhetorik verrät sein Bemühen, die Ã-ffentlichkeit mit religiösen Vorstellungen von seiner Art der Machtausübung zu überzeugen, insbesondere von den monumentalen Möglichkeiten eines Kreuzzuges gegen das Böse.
SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen hat die Einteilung der Menschheit in Gut und Böse?
Drewermann: Eine solche bipolare Betrachtungsweise der Geschichte ist ideologisch außerordentlich gefährlich und psychologisch geradezu blind. Man bedient sich der Mythen des persischen Dualismus zur Begründung einer absoluten Skrupellosigkeit. Merkt man denn nicht, dass man alles, was man böse nennt, längst in die eigene Praxis übernommen hat?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie etwa Saddam Hussein und George W. Bush gleichsetzen?
Drewermann: <font color="#FF0000">Wer wie Bush gegen den Terrorismus kämpft, potenziert das Unheil</font>. Die Amerikaner sollten der Welt ein Beispiel geben für <font color="#FF0000">effektive Abrüstung</font>, und sie <font color="#FF0000">sollten die Unsummen von Geld, das sie in den Krieg investieren, einsetzen zum Kampf gegen die Gründe des Krieges</font>. Die Amerikaner haben <font color="#FF0000">ihre Ausgaben zur Bekämpfung der Armut in der Welt gerade auf 1,7 Milliarden Dollar reduziert. Das ist nicht einmal so viel, wie sie in zwei Tagen fürs Militär ausgeben</font>.
SPIEGEL ONLINE: Sie halten Bush offenbar eher für einen Verbrecher als für einen Anhänger Jesus von Nazarets.
Drewermann: Wer aus dem Neuen Testament die <font color="#FF0000">Pflicht zum Präventivkrieg herausliest</font>, <font color="#FF0000">wer aus der Bergpredigt die Legitimation nimmt, Hunderttausende Menschen mutwillig zu töten, hat entweder das Christentum nicht verstanden, oder er entfernt sich mit Siebenmeilenstiefeln davon. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn man den Weg Christi gehen will</font>.
SPIEGEL ONLINE: Warum benutzt Bush dennoch religiöse Sprache?
Drewermann: Es geht darum, die Stimmen aus dem amerikanischen Bibelgürtel zu gewinnen. Sie sind das religiöse Zünglein an der Waage. Inzwischen ist es üblich, sich als Präsident mit der Aura der Gotterwähltheit darzustellen. Damit verbunden ist die Stilisierung der USA als"God's own country". <font color="#FF0000">Man lebt dort in dem Wahn, als große Nation von Gott für die Lenkung der Weltgeschicke eine besondere missionarische Berufung zu besitzen</font>.
SPIEGEL ONLINE: Rührt daher die Intoleranz der amerikanischen Regierung gegenüber der deutschen Haltung im Irak-Konflikt?
Drewermann: Bush verschiebt den religiösen Absolutheitsanspruch auf machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Ziele. Daher seine Haltung: <font color="#FF0000">Wer nicht für uns ist, ist gegen uns</font>. In diesen Zusammenhang muss man die unglaubliche Hybris einordnen, mit der Bush sich weigert, einem ihm nicht wie ein Hund nach dem Stöckchen springenden Bundeskanzler auch nur die Hand zu geben. <font color="#FF0000">Über einen derartig chauvinistischen, schein-religiös motivierten Allseligkeitsanspruch kann man nur erschrecken</font>.
SPIEGEL ONLINE: Ist diese Haltung der amerikanischen Regierung allein auf Bush zurückzuführen?
Drewermann: In gewissem Sinne ist Bush Opfer einer Geisteshaltung, die bei den Evangelikalen, den Rechten und den Fundamentalisten christlicher Prägung außerordentlich tief geht. Darüber hinaus hat er sich mit einer Ministerriege aus der Zeit des Golfkrieges seines Vaters umgeben. Sein Vize Dick Cheney ist mit dem Ã-l-Ausrüster Halliburton zum Großlieferant fürs Pentagon aufgestiegen, Colin Powell erscheint zwar moderat, war aber in Wirklichkeit nie etwas anderes, als der jeweiligen Macht untertan. <font color="#FF0000">Condoleezza Rice ist eine absolut ehrgeizige Dame und predigt nichts als Krieg</font>. <font color="#FF0000">Paul Wolfowitz beglückt die Welt mit der Vorstellung, dass ein Krieg im Irak weltweit Wohlstand, Demokratie und Menschenrechte bringen werde</font>.
SPIEGEL ONLINE: Wenn fundamentalistische Positionen bei Bush anschlagen, wie ist seine Psyche gestrickt?
Drewermann: Psychoanalytisch dürfen wir annehmen, dass sich die religiöse Grundeinstellung <font color="#FF0000">nach den verinnerlichten Werten der Eltern richtet</font>. Bush senior hatte schon im ersten Krieg gegen den Irak 1991 gesagt, der Ausgang des Krieges könne nur der Sieg des Guten sein. <font color="#FF0000">Dieser Sieg des Guten hat im Irak allein mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet und Hunderttausende zu Krüppeln gemacht</font>. <font color="#FF0000">Die Embargopolitik hat mehr als eine Million Menschen in den Tod gedrückt. Wie kann man das Wort"gut" auf eine derart grausame Weise intonieren</font>?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Bushs Irak-Politik sei eine Synthese aus Vaterkomplex und religiösem Fundamentalismus?
Drewermann: Die religiöse Komponente kann sich mit der Beendigung seiner <font color="#FF0000">Alkoholismus-Probleme </font>verbunden haben. Alkoholiker kompensieren schwere Minderwertigkeitskomplexe - <font color="#FF0000">Bush galt über Jahre als der Versager der Familie </font>- durch die Droge und durch Loyalität und Jovialität. <font color="#FF0000">Trocken geworden, als Bekehrte sozusagen, strengen sie sich dann an, die verinnerlichten Maßstäbe ihres Über-Ichs perfekt zu erfüllen</font>. Für George W. verschmelzen Gott und sein Vater zu dem Auftrag, einen <font color="#FF0000">noch größeren und noch besseren Krieg zu führen als der eigene Vater </font>- mit dem Beistand des Vaters im Himmel. Das alles ist eine Verzahnung aus <font color="#FF0000">individueller Neurose und sozialpsychologischem Wahn</font>: ein <font color="#FF0000">Überbietungssyndrom und eine Weltbeglückungskomponente</font>.
SPIEGEL ONLINE: Besteht Hoffnung, dass sich der Präsident aus dieser Verfangenheit befreien kann?
Drewermann: Man müsste mit dem potenziellen Gegner, dem Irak, reden und gemeinsam Wege aus der Krise suchen. <font color="#FF0000">Das versuchen die Europäer</font>. Doch Bush - <font color="#FF0000">im Alleinbesitz von Weisheit und Macht - verweigert dies der Welt</font>. Er ist die einstudierte Sprechpuppe des Pentagons und der Ã-lindustrie.
SPIEGEL ONLINE: Sie bezeichneten Krieg einmal als eine Krankheit. Sitzt der Infektionsherd in Washington oder in Bagdad?
Drewermann: Der Infektionsherd sitzt in jedem, der glaubt, Probleme mit Gewalt lösen zu können. Der Krieg ist das Resultat der Wahnidee, dass man aus den Mündungsrohren der furchtbareren Kanonen und der effizienteren Raketensilos <font color="#FF0000">Recht herbeibomben </font>könnte. Der Krieg ist das Scheitern, Menschen gerecht zu werden.
SPIEGEL ONLINE: Ein Scheitern, zu dem Saddam Hussein wesentlich beiträgt.
Drewermann: Der Irak stellt keine wirkliche Gefahr dar. Das Gerede vom Besitz der Atomwaffen wird nicht einmal mehr von Condoleezza Rice aufgelegt, simpel, weil es nicht stimmt. Die chemischen Waffen haben nach Auskunft von Scott Ritter, der bis 1998 die Waffenkontrollen im Irak geleitet hat, eine Verfallszeit von fünf Jahren. Das heißt, es gibt solche Bestände nicht mehr. Es sei denn, sie wären in der Zwischenzeit unter dem außerordentlich strengen Auge der amerikanischen Kontrollen nachgerüstet worden. <font color="#FF0000">Dafür gibt es definitiv nicht den geringsten Beweis</font>. <font color="#FF0000">Die Amerikaner haben selbst behauptet, alles, was sich auf dem Boden bewegt, könnten sie sehen - und zerstören</font>.
SPIEGEL ONLINE: Wie kommen Sie zu ihrer optimistischen Einschätzung? Im Irak werden angeblich 8500 Liter Anthrax versteckt.
Drewermann: <font color="#FF0000">Kein Geringerer als Donald Rumsfeld hat den Irak 1983 in den Besitz der Milzbranderreger gebracht, als er Saddam Hussein als Kettenhund gegen die Ajatollahs im Iran scharf machen wollte</font>. <font color="#FF0000">Rings um den Irak herum existiert übrigens kaum ein Staat, der nicht über solche Mittel verfügt</font>.
SPIEGEL ONLINE: Das macht den Irak nicht besser.
Drewermann: <font color="#FF0000">Man kann aber nicht einen Staat einseitig abrüsten wollen, wenn man mit dem Faktor eins zu tausend all das im eigenen Arsenal hält, was man beim anderen abschaffen will</font>. <font color="#FF0000">Der Irak ist im Vergleich zu anderen aufgerüsteten Staaten wie eine Ratte gegenüber einem Elefanten</font>.
SPIEGEL ONLINE: Sehen Sie keinen Unterschied darin, dass die USA demokratisch konstituiert sind, im Irak aber ein Diktator herrscht?
Drewermann: <font color="#FF0000">Der Unterschied wird immer hinfälliger. In den USA können Sie sich die Macht kaufen</font>. Mit der Folge, dass Bush nun den Interessen der Rüstungs- und Erdölindustrie huldigen muss, von denen er gesponsert wurde. Wir haben keine Demokratie, sondern eine Plutokratie in den Vereinigten Staaten. Der Wahlkampf ist daher eine <font color="#FF0000">inhaltsleere Propagandashow</font>. Ein Großteil der Amerikaner bleibt selbst der Präsidentenwahl fern.
SPIEGEL ONLINE: Seit dem 11. September ist den meisten Amerikanern zumindest die Sicherheitspolitik nicht gleichgültig.
Drewermann: Es ist vor allem die Angst, die die Amerikaner dazu bringt, sich hinter ihrem Präsidenten zu scharen. Es gibt keine Medien mehr, die das amerikanische Volk objektiv informieren könnten. Die Regierung ist inzwischen so zynisch, <font color="#FF0000">die Medien in die propagandistische Kriegführung einbinden zu wollen</font>.
SPIEGEL ONLINE: Noch gibt es aber eine garantierte Freiheit der Presse.
Drewermann: <font color="#FF0000">Nur nominell. De facto erleben sie die Pressefreiheit doch so, dass die Medien von den 25.000 Menschen der amerikanischen Friedensbewegung, die vor dem Weißen Haus gegen den Krieg demonstrieren, kaum noch Notiz nehmen</font>. Kritische Stimmen wie Gore Vidal, Noam Chomsky oder Howard Zinn <font color="#FF0000">können schreiben oder sagen, was sie wollen, sie haben keine Resonanz in den Medien</font>. Auch in Deutschland wird es immer schwieriger, eine kriegskritische Meinung offen zu äußern, obwohl die Regierung sich gegen eine Beteiligung am Irak-Krieg ausgesprochen hat.
Das Gespräch führte Alexander Schwabe
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,234547-2,00.html[/b]

gesamter Thread: