- Wilhelm II., Schröder:"rotweinverhangen","Operettenpolitik" (FAZ) - dottore, 12.02.2003, 11:48
- Aber machte denn nicht schon... - Zardoz, 12.02.2003, 12:26
- Re:.."Operettenpolitik" (FAZ) - das les' ich nun und kann nicht anders - nereus, 12.02.2003, 12:56
- Das sehe ich ähnlich - stocksorcerer, 12.02.2003, 13:54
- Re:.."Operettenpolitik" (FAZ) - das les' ich nun und kann nicht anders - Tempranillo, 12.02.2003, 15:21
- Re:.."Operettenpolitik" (FAZ) - das les' ich nun und kann nicht anders - Euklid, 12.02.2003, 18:45
- Re: Spekulieren wir mal weiter, noch ist es nicht verboten - Tempranillo, 12.02.2003, 19:05
- Re:.."Operettenpolitik" (FAZ) - das les' ich nun und kann nicht anders - Euklid, 12.02.2003, 18:45
- Spiegel oder FAZ wer wird der" Völkische Beobachter" der USA in der BRD??? - almoehi, 12.02.2003, 13:06
- Re wer würde der Chefredakteur des *Stürmer neu*? Grübel? - Baldur der Ketzer, 12.02.2003, 18:53
- Re: Könnten Grimms Märchen weiterhelfen? - Tempranillo, 12.02.2003, 19:40
- Re wer würde der Chefredakteur des *Stürmer neu*? Grübel? - Baldur der Ketzer, 12.02.2003, 18:53
Wilhelm II., Schröder:"rotweinverhangen","Operettenpolitik" (FAZ)
-->Der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher heute (Auszüge):
Wilhelm Zwo läßt ganz herzlich
grüßen
Schröders Berlinale: Auftritt Wilhelm Zwo
Immer falsch beurteilt zu sein, zu sehen, wie meine
wiederholten Freundschaftsangebote mit mißtrauensvollen
Augen nachgeprüft werden, stellt meine Geduld auf eine harte
Probe.
Wilhelm II. am 28. Oktober 1908 im"Daily Telegraph".
Jetzt hat er seine"Daily Telegraph"-Affäre. Jetzt hat er einen
Grad an Verantwortungslosigkeit erreicht, der aus seiner
Regierung ein Regiment und aus seinem Stil einen persönlichen
macht. (...)
Schröders linker Wilhelminismus ist umgekehrter Größenwahn.
Da wir die Schlechtesten der Welt nicht mehr sind, wollen wir
die Besten werden. Der Mann, der nach dem 11.September
gedankenlos von"uneingeschränkter Solidarität" redete, redet
jetzt genauso absolut von uneingeschränkter Nichtsolidarität.
Wer zwang ihn zum einen wie zum anderen?
Er läßt seine Regierung in München, wo sich achtundzwanzig
Außen- und Verteidigungsminister trafen, darunter die Vertreter
Rußlands und Amerikas, vor aller Augen ins offene Messer
laufen. Er läßt, wie der"Tagesspiegel" weiß, am
Donnerstagabend im Bundeskanzleramt Rotwein auffahren. Er
tafelt mit Redakteuren des"Spiegels". Ob er einfach nur redet
oder ob ihm die"Spiegel"-Redakteure die Zunge lösen, darüber
gehen die Meinungen auseinander. Jedenfalls ist der Chef der
Regierung die Hauptquelle jener Nachricht, die Carsten Voigt
am Abend im Fernsehen"Indiskretion" nennen wird.
Und man muß sich die Szene welthistorisch vor Augen führen,
um sie wirklich zu genießen: In Berlin befinden sich keine
achtundzwanzig Minister verbündeter Staaten. In Berlin trifft
man zu dieser Stunde George Clooney, Heidi Klum, Dustin
Hoffman, Roger Moore, Christopher Lee und Michael Douglas.
Dazu: Glitzer, Film-, Gesellschafts-, Klatschjournalisten,
Smokings. (...)
Als Schneeglaskugel nämlich, so scheint es, sieht Gerhard
Schröder die Welt, als ein Spielzeug, das die Komplexität der
Welt auf Teletubbies reduziert. (...)
(...)so weiß doch jeder in Berlin und anderswo, daß
Schröder der Informant in eigener Sache war.
Eine Sache von der, wenn nicht alle Zeichen trügen, keiner der
anderen Beteiligten irgendetwas wußte; weder der Außen-,
noch der Verteidigungsminister, noch Frankreich; ein Plan, der
nur ausgeheckt und weitergegeben worden zu sein scheint,
weil und damit er nicht funktioniert - eine Form mutwilliger
Nichtpolitik, die zwischen James Bond und Dracula, zwischen
Roger Moore und Christopher Lee in der Tat besser
aufgehoben zu sein scheint, als bei der Münchner
Sicherheitskonferenz.
Wäre der Vorgang nicht so unglamourös, so traurig, so
rotweinverhangen, man würde von Operettenpolitik reden. Es
fehlt nur die Tapetentür, durch die der Regierungschef nach
Plazierung der journalistischen Bombe verschwindet.
Er macht
Politik nicht mit den Mitteln des Diskurses, des Kabinetts oder
der Konferenz. Er macht Politik noch nicht einmal mit den
Mitteln der Medien und des Journalismus'.
Seine Art der Politik
ist zunehmend fiktionale Politik, und sie ist darin dem
Mummenschanz Wilhelms II. durchaus verwandt. Schröder
produziert fiktionale Ereignisse - heißen sie nun Rürup oder
Hartz (auch durch den"Spiegel" vorthematisiert) oder Gerster.
Diese Fiktionalisierung von Entscheidungsprozessen, die es
weder als Prozesse gibt, geschweige denn, daß sie überhaupt
als Entscheidungen anstehen, hat bei der sogenannten
Nato-Blauhelm-Initiative ihren weltpolitischen Höhepunkt
gefunden. Es ist nichts anderes als die Hartz-Nummernoper mit
anderen Mitteln.
Wie lange wird die deutsche Ã-ffentlichkeit auf diese Form von,
sagen wir: romantisch zurückhaltend, Traumpolitik noch
hereinfallen?
Zwar trägt er (Schröder) keine
Kostüme wie Wilhelm II., aber rhetorisch hat er sich längst
bedient. Nicht nur Oskar Lafontaine ist die Schwundrhetorik
aufgefallen, mit der der Regierungschef vom Nein zum Krieg
"gegen" den Irak bis zum Nein zum Krieg"im" Irak sprach.
Was also meint er? Was meinte er, als er im niedersächsischen
Wahlkampf mit Blick auf den Irak davon sprach, er werde
nicht aufhören für"Frieden im nahen Osten (!)" zu kämpfen?
Die Pazifisten hören aus alledem nur: Frieden, unconditional
peace. Es könnte sein, daß sie noch nicht einmal zu ahnen
begonnen haben, was Schröders Friede heißt.
FRANK SCHIRRMACHER

gesamter Thread: