- SAS - Killer im Dienst der Queen - Trixx, 12.02.2003, 17:17
- Re: SAS - Killer im Dienst der Queen ** not only to kill but also to spend - Herbi, dem Bremser, 12.02.2003, 18:11
SAS - Killer im Dienst der Queen
-->http://www.zeit.de/2003/07/SAS_Text
SPEZIALEINHEITEN
Vollstrecker im Dienste der Queen
Die 250 gefürchteten Elitesoldaten vom Special Air Service Regiment sind Großbritanniens geheimste Waffe im Krieg und im Antiterrorkampf. Ein Aussteiger bricht das Schweigegebot
Von Reiner Luyken
Die A438 führt aus der mittelenglischen Marktstadt Hereford in die walisischen Berge. Man muss aufpassen, die Abzweigung nach Credenhill nicht zu verpassen. Der Ortsname steht in kleinen Buchstaben an der Weggabelung, von der aus sich eine unscheinbare Straße durch regenfeuchtes Weideland windet. Nach gut zwei Kilometern taucht eine Ansammlung von zwölf größeren und zwei Dutzend kleineren Gebäuden auf, deren Bezeichnung auf keinem Plan vermerkt ist. Auf Luftverkehrskarten ist das mysteriöse Areal als Sperrzone markiert; es ist von einem doppelten Sicherheitszaun eingefasst, auf einer Tafel steht: „Diese Einrichtung unterliegt den Geheimhaltungsgesetzen von 1911 und 1933. Fotografieren und Anfertigung von Skizzen verboten“.
Hier haben geheimnisumwitterte Kämpfer ihr Zuhause, die schattenhaften „Killer im Dienst der Queen“, wie sie einer ihrer ehemaligen Offiziere genannt hat: das SAS, das 22. Special Air Service Regiment. Eine Elitegruppe, nur 250 Mann stark, die überall, wo es kriselt und kracht in der Welt, im Namen Großbritanniens zum Einsatz kommt. Im Kampf gegen Terrorismus ist die Einheit die am meisten gefürchtete britische Waffe. In einem erneuten Konflikt mit dem Irak wird sie gewiss eine maßgebende Rolle spielen - ähnlich wie im Golfkrieg 1991, als hinter feindlichen Linien abgesetzte SAS-Kommandos irakische Fernmeldeverbindungen zerstörten und alliierte Kampfbomber auf Scud-Raketen ansetzten. Es gibt Hinweise aus London, dass SAS-Kämpfer bereits im Irak unterwegs sind. Diesmal könnten die Soldaten für Anschläge auf die Machtelite eingesetzt werden, unter Umständen sogar gegen Saddam Hussein. Mit dieser Truppe mischt Großbritannien militärisch in der Weltpolitik mit und nimmt Einfluss auf internationale Konflikte. Die SAS-Soldaten bilden die machtpolitische Stütze eines Landes, dessen Streitkräfte trotz mancher Pannen nationale Identität stiften. Nur ganz selten erhascht die Ã-ffentlichkeit einen Blick auf die Aktionen des Regiments, das von britischen Medien so gut wie nie kritisch beleuchtet wird. Wer sich mit dem SAS anlegt, macht sich sehr schnell einflussreiche Feinde bis in die höchsten Etagen der Politik.
Im Herbst 2001 nahmen Fernsehteams in Afghanistan Briten auf, die Arabertücher ums Gesicht geschlungen hatten, jedoch durch ihre weißen Landrover als Militärpersonal zu erkennen waren. Das Londoner Verteidigungsministerium identifizierte sie nur als „Kämpfer mit Spezialfähigkeiten“. Im Oktober 2002 vergab die Regierung zwölf hohe militärische Auszeichnungen „für Tapferkeit und hervorragende Pflichterfüllung“ zu Zeiten des Afghanistan-Krieges. Die Empfänger blieben anonym. Weder ihr Rang noch ihr Regiment wurde genannt. Alles spricht dafür, dass es SAS-Soldaten waren.
Vor mehr als 20 Jahren, am 5. Mai 1980, wurde das SAS bei einem Sturmangriff auf die Londoner Botschaft des Iran aus umliegenden Häusern gefilmt und fotografiert. Der britische Geheimdienst konfiszierte die Filme und zerstörte die Negative. Das Botschaftsgebäude war von sechs Mitgliedern einer Tarnorganisation des Irak besetzt worden. Die Terroristen waren mit irakischen Pässen in Großbritannien eingereist. Der Irak hatte sie ausgebildet, finanziert und mit Waffen versorgt. Nach sechs Tagen vergeblicher Bemühungen um eine friedliche Beilegung trat der Polizeichef von London das Kommando auf Geheiß Margaret Thatchers an den Befehlshaber des SAS ab. Die Elitesoldaten seilten sich vermummt vom Dach der Botschaft ab, sprengten die schusssicheren Fenster aus ihren Rahmen, warfen Rauchbomben und Schockgranaten in die Räume und sprangen in das Gebäude, das gerade zu brennen begann.
„Wenn das SAS in Aktion tritt, muss man mit Toten rechnen“
Robin Horsfall war einer der SAS-Soldaten, die damals an der Erstürmung teilnahmen. Er ist 45 Jahre alt, immer noch athletisch gebaut und immer noch begeistert von der Aktion. „Man hatte uns klar gemacht“, erinnert er sich, „dass wir vor dem Gesetz für unsere Aktionen selbst verantwortlich sein würden, wie Polizisten. Eigentlich ein Witz. Polizisten haben eine völlig andere mentale Einstellung. Sie werden nicht dafür ausgebildet, Leute umzulegen. Wir wurden darauf gedrillt, zu töten. Wenn das SAS in Aktion tritt, muss man sich damit abfinden, dass es Tote gibt. Wir wollten die Terroristen killen. Wir hofften, dass sie sich nicht ergeben würden. Dafür lebten wir, dafür hatten wir trainiert.“
In 17 Minuten waren 22 von 23 Geiseln befreit und fünf der sechs Terroristen erschossen. Horsfall selbst hatte einen der Terroristen getötet; das Botschaftsgebäude sah aus wie nach einem Bombenangriff. Ein Soldat schickte sich an, den einzigen überlebenden Terroristen, als der gefesselt auf dem Rasen vor dem Haus lag, zurück in das brennende Gebäude zu führen und zu exekutieren. Horsfall legte seinem Kameraden die Hand auf die Schulter und sagte: „Komm, leg den Mann wieder hin.“ Das geschah nicht aus Mitleid. Es hatte einen Befehl gegeben: möglichst wenig Tote, auf allen Seiten.
Horsfall ist hin- und hergerissen zwischen der Tötungsideologie des SAS und persönlichen Skrupeln. Er spottet über Leute, die für den rücksichtslosen Umgang mit Waffen wenig Verständnis aufbringen, und über eine liberale Welt, in der man politisch korrekt handeln müsse. Plötzlich sagt er aber auch: „Ich war ein psychisch versauter junger Mann.“ Damals habe seine Hingabe an das militärische Ethos ihn geschützt. Als er viele Jahre später in Mosambik Regierungstruppen trainierte, tötete er einen Angreifer der FRELIMO, einer Stellvertreterarmee Südafrikas, mit einem Messer. Um sich selbst Wagemut zu beweisen, sagt er, habe er sich in Gefahr gebracht. Als er den Mann erdolcht hatte, hätten ihm die Tränen in den Augen gestanden. Er habe sich übergeben müssen. Bis dahin hätte er sich immer vorgemacht, ein gnadenloser Killer zu sein. Dann aber habe er sich als jemanden erlebt, vor dem es ihn ekelte.
Als Horsfall mit neuer Selbstwahrnehmung zurück ins friedliche Hereford kam, konnte er es nicht mehr ertragen, wie Leute sich über Kleinigkeiten aufregten. Darüber, dass in ihrem Burger von McDonald’s nicht genug Gurken waren, oder über die Unpünktlichkeit der Babysitterin. Er konnte sich in das normale Leben mit all seinen Oberflächlichkeiten nicht mehr einfügen. Als ihm die Schwierigkeiten über den Kopf wuchsen, begab er sich in psychologische Behandlung und erkannte, dass die meisten seiner Probleme auf seine Erfahrungen als Soldat zurückgingen.
Wir fahren an der Kaserne des Regiments vorbei, dem Horsfall fünf seiner zwölf Soldatenjahre lang angehörte. Die Einfahrt wird von schwer bewaffneten Militärpolizisten kontrolliert. „Hier bleiben wir lieber nicht stehen“, sagt er, „das könnte brenzlig werden - ich bin hier persona non grata.“ Horsfall war schon lange aus dem Regiment ausgetreten, als er, wie er das nennt, „geächtet“ wurde. Das kam so: Eines Abends geriet er in einem Pub in eine Schlägerei. Er sei angegriffen worden, sagt er, habe sich gewehrt, drei Gegner verletzt, einen davon schwer. Gewalt wird gewaltsam beantwortet - das ist die Devise des SAS. Die Prügelei wurde vor einem Schwurgericht verhandelt. Die Schöffen sprachen Horsfall frei: Er habe in Selbstverteidigung gehandelt. Aber das Regiment vergab ihm nicht. Während des Verfahrens kam seine Identität als ehemaliges Mitglied des SAS zur Sprache, wurde in der Presse breitgetreten und machte die Geheimorganisation zum Gesprächsthema. Das war gegen die Regel. Horsfall wurde aus der Vereinigung der Veteranen ausgeschlossen.
Ein Kämpfer wird Priester und von den Kameraden geächtet
Einen seiner alten Freunde, den das SAS ebenfalls brandmarkte, trieb die Ächtung zum Selbstmord. Der hatte nach zwölf Jahren seinen Abschied genommen und war Priester geworden. Er hatte ein Buch über seine Bekehrung vom Elitesoldaten zum Gottesdiener geschrieben und es zur Zensur beim Verteidigungsministerium eingereicht. Das Ministerium hatte keinen Einspruch erhoben. Aber das Regiment behandelte ihn wie einen Verräter. „Die maßgeblichen Leute im Regiment sind schrecklich nachtragend“, sagt Horsfall. „Für sie gelten nur ihre eigenen Gesetze, wie bei den Freimaurern.“
Jenseits der Kaserne liegt das Dorf Credenhill, eine bescheidene, fast schäbige Backsteinsiedlung. Eine Straße führt ins Dorf hinein, eine andere hinaus. Es gibt ein winziges Postamt, eine Bäckerei mit matten Schaufensterscheiben, eine selten besetzte Arztpraxis, einen billigen Supermarkt und ein chinesisches Restaurant. Oberhalb der Straße steht eine kleine, 900 Jahre alte Kirche. In einem ehemaligen Herrenhaus, das seinen Glanz lange verloren hat, ist heute ein Altersheim untergebracht. Mehr ist über die Umgebung der SAS-Zentrale nicht zu sagen.
Wir kehren um und halten auf der dem Kasernengelände gegenüberliegenden Straßenseite an. Viel sieht man nicht. Große Hallen, Hangars und barackenähnliche Gebäude. Hier befinden sich die Waffenarsenale. Jedes Mitglied des Regiments kann sich seine Gewehre und Pistolen selbst aussuchen. Hier stehen auch die „Pink Panthers“, offene Wüstenfahrzeuge, die zuletzt im Golfkrieg zum Einsatz kamen und wie Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg wirken. Im berüchtigten „Killing House“, einem mit Hartgummimatten ausgekleideten Bauwerk, üben die Soldaten die Erstürmung von Häusern mit Rauchgranaten, Schockbomben und scharfen Salven aus Maschinenpistolen und Handfeuerwaffen. Das Chaos, der Rauch und der Lärm sind lebensecht. In den Zimmern sitzen Geiselnehmer und Opfer. Die „Terroristen“ sind Attrappen, die „Geiseln“ lebende Personen. Bis zu 400 Schüsse gibt jeder Soldat in einer Trainingsrunde ab - immer in Bewegung, immer nur wenige Zentimeter an den Köpfen der „Geiseln“ vorbei. 1985, erzählt Horsfall, sei ein Soldat gestorben, als der bei diesem Training in das Schussfeld eines Kollegen geraten sei.
Horsfall rutscht auf dem Autositz nervös hin und her. In Credenhill kennt jeder jeden. Alles werde bemerkt, sagt er. Den Bauern im Umland entgehe nicht einmal, wenn ein bisschen Schafscheiße am falschen Platz liege. Jeder Fremde falle hier sofort auf. Ein idealer Ort für eine geheime Einrichtung. Wahrscheinlich, meint Horsfall, würden wir jetzt von einer der auf hohen Masten montierten Kameras gefilmt. „Wenn wir viel länger stehen bleiben, kommt eine Polizeistreife und will wissen, was wir hier tun. Dann wird’s kompliziert. Die können es ziemlich ungemütlich für uns machen.“
Am Ortsausgang kommen wir an einer Abenteuerschule vorbei, in der ein ehemaliger SAS-Mann und Mount-Everest-Bezwinger berufsmüde Manager und schwer erziehbare Stadtkinder nach den Ertüchtigungsgrundsätzen des Regiments stählt. Der ehemalige SAS-Soldat ist so auskunftsbereit, als herrsche hier ständig Ausnahmezustand. Seiner Meinung nach hätte es „sicherheitssensitive Konsequenzen“, wenn er etwas über das Zusammenleben von Dorf und Kaserne erzählte. Über seine schon lange zurückliegende Zeit im Regiment bemerkt er: „Die Mehrheit der Einsätze in aller Welt, an denen ich teilnahm, blieb der Ã-ffentlichkeit verborgen. Ich glaube fest daran, dass Staatsgeheimnisse für immer geheim bleiben sollen.“
Versuche der Regierung, den Geheimhaltungscode zu lockern, scheitern immer wieder am Einspruch des SAS. Auf der Internet-Seite des Verteidigungsministeriums taucht der Name der Einheit nicht einmal auf. Gibt man das Kürzel oder den vollen Namen der Truppe als Suchbegriff ein, bekommt man zur Antwort: „Sorry, no results“ - und das trotz des Freedom of Information Act, eines im Jahr 2000 verabschiedeten Gesetzes, das den abgeschotteten britischen Staatsapparat offener machen sollte. Ruft man im Verteidigungsministerium mit der Bitte um Informationen über das SAS an, holt man sich eine höfliche Abfuhr - „no comment“. Nichts wird bestätigt, nichts dementiert.
Die von offizieller Seite aufrechterhaltene, abstruse Fiktion, dass es die Spezialeinheit gar nicht gebe, hat einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Die Regierung kann sich anstandslos von den Aktivitäten der Truppe distanzieren, wie 1986, als Zeitungsberichte das SAS bezichtigten, den gegen die Sowjetunion kämpfenden afghanischen Mudschaheddin Raketen geliefert zu haben, mit denen diese Zivilflugzeuge vom Himmel schossen. Die sowjetische Führung legte wütend Protest ein, die britische Regierung wusste angeblich von nichts.
Private Firmen vermieten ehemalige Elitesoldaten
Das Geheimregiment SAS wurde 1941 als Sabotageeinheit gegen Rommels Truppen in Nordafrika aufgestellt. Hitler gab persönlich Befehl, alle gefangenen Mitglieder der Einheit hinzurichten. Bis heute ist die Operationsgrundlage des Regiments dieselbe geblieben. Trupps von meistens nur vier, manchmal sechs hoch spezialisierten Soldaten attackieren ihre Ziele. Einer von ihnen ist in der Regel als Sanitäter ausgebildet, ein anderer spricht die jeweilige Landessprache fließend, ein weiterer ist Scharfschütze, der einen Menschen auf 550 Meter töten kann. Alle Soldaten sind für Nahkampf, Sturmangriff und Sabotage ausgebildet. Oft tragen sie einheimische Kleidung. Jede der vier „Schwadronen“ des Regiments trainiert im Turnus Antiterrorkampf.
In den sechziger und siebziger Jahren wandelte sich die ursprünglich rein militärische Einheit zusehends zu einem Instrument britischer Politik in der Schattenwelt zwischen Krieg und Diplomatie. Oft wurden die Einsätze des SAS nicht mehr vom Verteidigungsministerium, sondern vom Innen-, vom Außenministerium oder direkt vom Premierminister kontrolliert. Kaum eine Hand voll Leute weiß über die Operationen Bescheid, die oft derart prekär sind, dass sie, sollten sie selbst Jahre später bekannt werden, Großbritanniens Beziehungen zu anderen Staaten in eine Krise führen könnten. So jedenfalls wird der maßlos strenge Geheimhaltungscode gerechtfertigt. Dessen Gralshüter sind die am längsten dienenden Mitglieder des Regiments, die Feldwebel und Oberfeldwebel. Ihre Macht strahlt bis ins Zivilleben aus. Nach der Armeekarriere schieben sie sich die besten Posten in einer global arbeitenden „Sicherheitsindustrie“ zu.
Firmen wie Defence Systems Limited (DSL) oder Saladin in London, die Bodyguards und Söldner an Industrielle, an Stars, Politiker, Potentaten und Regierungen in aller Welt vermieten, sind der privatisierte Arm britischer Militärpolitik - und zugleich hoch profitable Unternehmen. Der Mietsatz für einen SAS-trainierten Kontraktsoldaten liegt nach Horsfalls Angaben bei 1500 Euro pro Tag. Die Soldaten selbst werden mit 750 Euro entlohnt. Viele Ehemalige können sich ihr Brot nur noch als freischaffende Legionäre erwerben. Wer einmal gegen den ungeschriebenen Code der Feldwebel verstoßen hat, kommt auf die schwarze Liste und erhält keine Aufträge mehr.
Robin Horsfall bildete nach seiner Armeekarriere im Sold der DSL Infanteristen in Sri Lanka für den Kampf gegen tamilische Rebellen aus. Was er dort erlebte, war selbst einem hart gesottenen SAS-Kämpfer wie ihm zu viel: systematische Erschießungen gefangener Rebellen und Hinrichtungen durch um den Hals gelegte, brennende Autoreifen, angeordnet von der einheimischen Offizierskaste. Er bekam ein Angebot der Tamilen, auf ihrer Seite zu kämpfen - das Know-how der SASler ist bei allen Kriegsparteien hoch begehrt. Das Vorhaben scheiterte allerdings am Einspruch des Londoner Außenministeriums gegen den Einsatz von Briten auf beiden Seiten des Bürgerkrieges.
Horsfall erzählt das, während wir in die Brecon Beacons im walisischen Bergland fahren, jenes unwirtliche Gelände, in dem die Physis von Aspiranten vor der Aufnahme in das Regiment getestet wird. Auf ihrem Plan stehen immer ausgedehntere und immer schnellere Märsche, 18 Tage lang. Wer eine Phase nicht schafft, fliegt raus. SAS-Soldat zu werden erfordert erbarmungsloses Durchhaltevermögen, eiserne Selbstdisziplin und absolute Hingabe. Nur die widerstandsfähigsten Soldaten der britischen Armee melden sich überhaupt an, meistens Angehörige von Elitetruppen wie den berüchtigten „Paras“, den Fallschirmspringern. Die Aufnahmeprüfung wurde 1953 von einem Veteranen des Dschungelkrieges in Malaysia ersonnen. Sie hat unter Armeefanatikern Kultstatus. In einem Internet-Chatroom tauschen sie ihre Durchhaltetipps aus.
Der Gewaltmarsch am 18. Tag geht 65 Kilometer bergauf und bergab über 7000 Höhenmeter mit einem über 20 Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken und einem Gewehr in der Hand. All das muss, mitten im Winter, in weniger als 20 Stunden und größtenteils in der Dunkelheit absolviert werden. Der Rekord liegt bei 14 Stunden. Jedes zweite Jahr stirbt ein Soldat bei dem Härtetest unter oft extremen Wetterbedingungen.
Dem Härtetest in den walisischen Bergen folgt für die wenigen, die ihn problemlos überstanden haben, eine fünftägige Treibjagd. Die Männer werden ohne Proviant und nur mit einem abgerissenen Mantel als Schutz vor dem Wetter in einer ihnen unbekannten Landschaft ausgesetzt und von einem Infanteriebataillon durch Wälder und Wiesen gehetzt. Sie müssen unentdeckt bleiben, die Verfolger austricksen und sich von dem ernähren, was sie finden. Danach kommt ein 24-stündiges Verhör mit allerlei Arten der Erniedrigung auf sie zu - Entkleidung, Schlafentzug, Lärmfolter, Irreführung, Beschimpfungen. Die Probanden dürfen nur ihren Namen, Rang, Dienstnummer und Geburtsdatum preisgeben. Sonst nichts. Wer sich dazu verleiten lässt, mehr auszusagen, scheidet aus.
In den letzten Stunden des Verhörs begann Horsfall, an Verfolgungswahn zu leiden. Aber er überstand die Tortur. Als einer von sieben der ursprünglich 57 Kandidaten erhielt er die Baskenmütze mit dem SAS-Emblem, einem feuergeflügelten Dolch mit dem Motto: Wer wagt, gewinnt. Die Uniformmütze zu bekommen, sagt er, war für ihn das höchste aller Gefühle. „Junge Männer wollen Helden sein. Sie wollen, dass jeder zu ihnen aufsieht.“
In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens führte das SAS meist geheime Rückzugsgefechte und antikommunistische Stellvertreterkriege in den entferntesten Ecken des ehemaligen Empire, in Malaysia und Birma, Borneo und Aden. Außerhalb der Armee wusste kaum jemand, dass es das 22. Special Air Service Regiment überhaupt gab. Anrüchig wurde es erstmals Mitte der siebziger Jahre, als bekannt wurde, dass SASler in Nordirland Dienst taten, getarnt als einfache Soldaten oder als Zivilisten, oft langhaarig und schnauzbärtig. Irische Nationalisten behaupten, SAS-Soldaten hätten in der so genannten shoot to kill-Kampagne IRA-Mitglieder planmäßig exekutiert, und führen als Beleg das Jahr 1984 an: Zeugen wollen beobachtet haben, dass SAS-Soldaten in Dunloy in der Grafschaft Antrim zwei Männer zunächst verwundet und danach erschossen hätten. Sieben derartige Vorfälle angeblicher Hinrichtungen listen sie auf, an vorderster Front die Ereignisse in Loughall 1987, wo acht IRA-Männer und ein Unbeteiligter in einem vom SAS gelegten Hinterhalt umkamen. Der IRA-Trupp war allerdings gerade dabei - das wird gern unterschlagen -, eine Polizeistation in die Luft zu sprengen. Der international umstrittenste Schlag des Regiments gegen die IRA fand im fernen Gibraltar statt. Vier SAS-Männer schossen in der britischen Enklave 1988 drei unbewaffnete IRA-Mitglieder auf offener Straße nieder. Die drei, protokollierte später die spanische Polizei, hatten ein für den nächsten Tag geplantes Bombenattentat vorbereitet.
Er sei bei keiner dieser Aktionen dabei gewesen, sagt Horsfall. Er kenne die genauen Umstände nicht. „Doch wenn wir schossen“, sagt er, „schossen wir, um zu töten.“ Die IRA sei ein sehr harter Gegner. „Immer“, meint Horsfall, „unterlagen wir aber beim Waffengebrauch denselben Beschränkungen wie die reguläre Armee. Wir beschwerten uns darüber. Die IRA brach alle Kriegsregeln und folterte und mordete, und wir sollten uns benehmen wie brave Bobbys.“ Was nicht heißt, dass es keine inoffiziellen Exekutionen gab. Aber „nach einem tödlichen Schusswaffengebrauch ist es nicht so wichtig, was man getan hat, sondern dass man es im richtigen Licht darstellt“.
Mit dem spektakulären, im Fernsehen übertragenen Sturm auf die Londoner Botschaft des Iran erfuhr der Ruhm des Regiments seinen ersten Höhepunkt. Das SAS wurde zum Inbegriff eines unter der Eisernen Lady wieder erstarkten Landes. Selbst die britische Heeresführung begann, an den Mythos SAS, an die beschworene Unbesiegbarkeit der Einheit, zu glauben. Im Falklandkrieg 1982 sollte die Schwadron, der Horsfall angehörte, in Argentinien landen, um mit französischen Exocet-Raketen bestückte Kampfbomber zu sprengen. Die hatten zwei Schiffe der britischen Flotte versenkt. Einmal dort gelandet, gab es allerdings kaum ein Entkommen. Den Soldaten würden vor ihrer Entdeckung durch argentinische Wachmannschaften nur wenige Minuten bleiben, ihr Zerstörungswerk zu verrichten.
Der Initiator der Mission, Sir Peter de la Billiere, wird gemeinhin als der perfekte britische Kommandeur beschrieben. 40 Dienstjahre, Einsätze in aller Welt, später Befehlshaber der britischen Truppen im Golfkrieg. Im SAS wird jede Aktion zuvor von allen Beteiligten debattiert. Widerspruch regte sich. „De la Billiere erwartete von uns, schutzlos in den Abgrund zu springen“, berichtet Horsfall. „Wir suchten nach besseren Lösungen, dasselbe Ziel zu erreichen. Er verunglimpfte uns dafür als Feiglinge. Die Aktion wurde schließlich abgeblasen, weil eine Aufklärungsmission scheiterte.“ Ein damals im Regiment dienender SAS-Offizier gibt zu, dass sich das Regiment von dem damals ausgebrochenen Zwist bis heute nicht ganz erholt hat. Obwohl die Falklandmission für das SAS ein Fiasko war, förderte Margaret Thatcher die Truppe nach besten Kräften. Sie gewährte den Kommandanten direkten Zutritt zu Downing Street 10 und zur britischen Geheimdienstzentrale in Cheltenham. Das waren bis dato nicht dagewesene Privilegien für eine Militäreinheit.
Nach dem Golfkrieg 1991 verwandelte die britische SAS-Verehrung sich in einen Heldenkult. Ein Soldat des Regiments veröffentlichte unter dem Decknamen Andy McNab ein Buch über die Mission Bravo Two Zero. Das Buch wurde ein Verkaufsschlager, der Autor Millionär. Es handelt von einer Mission hinter feindlichen Linien. Dem Buch folgten weiterer Enthüllungsgeschichten, deren Protagonisten sich wie Rambos durch die Welt ballern. Im Herbst 2001 publizierte ein Tom Carew einen, wie es auf dem Einband heißt, „Internationalen Bestseller über den Geheimkrieg des SAS in Afghanistan“. Der Schmöker hatte eine Startauflage von 100000 Exemplaren. Der Fernsehsender BBC fand heraus, dass Carews richtiger Name Philip Sassarego ist und er nie, wie behauptet, dem Regiment angehörte. Seit 1991 muss sich jeder SAS-Angehörige schriftlich verpflichten, niemals etwas über seine Dienstzeit zu veröffentlichen. Auch Bravo Two Zero sei zu 90 Prozent Fiktion, behauptet Horsfall. Das hätten ihm Mitglieder der Patrouille persönlich berichtet. Sogar Andy McNab habe das zugegeben, als er, Horsfall, ihn einmal zufällig getroffen habe.
In Wahrheit, sagt Horsfall, sei Bravo Two Zero ein völlig verbocktes Unternehmen gewesen. Andys Fehler. Dessen Entscheidung sei es gewesen, anstatt mit einem Geländefahrzeug zu Fuß in die Wüste auszurücken. Auf der Flucht vor den Irakern hätten die britischen Soldaten sich untereinander zerstritten. Einer habe sich das einzige Gewehr mit Nachtvisier geschnappt, damit konnte er in der Dunkelheit die irakischen Stellungen ausmachen. Er sei nach Syrien entkommen. Ein anderer, der den Grenzfluss zu durchschwimmen versuchte, sei erschossen worden, ein dritter in der Wüste gestorben. Auf zwei Grabsteinen im Friedhof der Sankt-Martins-Kirche in Hereford stehen die Namen der beiden Opfer des Unternehmens Bravo Two Zero, Vince Philips und Bob Consiglio. Der Irak schickte die Leichen nach Hause.
Es regnet ohne Unterlass. Das Wasser füllt die Pfützen und läuft an Baumrinden und Steinmauern herab. Die Kriegsgräber des Regiments stehen in drei Reihen. An einer Mauer sind Plaketten mit den Namen von Gefallenen angebracht, deren Leichname nicht geborgen wurden. Horsfall wandert entlang der Gräber. Viele seiner alten Freunden sind hier bestattet. Etliche waren mit ihm als Jungsoldaten bei den Fallschirmjägern. Einer bekam in einem Hinterhalt der IRA eine Kugel in den Kopf. Ein anderer, ein katholischer Ire - groß, muskulös, schweigsam - stürzte in Kenia ab. Ein anderer Ire kam bei einem Hubschrauberabsturz im Falklandkrieg ums Leben.
Dann sind da noch die Soldaten, die Selbstmord begingen. Fünf insgesamt. Bei vier von ihnen, davon ist Horsfall überzeugt, hatten die Freitode mit posttraumatischem Stress zu tun. Der typische SAS-Soldat sei introvertiert und von tiefer Unsicherheit getrieben. Die Berufung ins Regiment gilt immer nur für drei Jahre. Bei jedem Fehler droht die härteste Sanktion: Rückkehr in die alte Einheit. Die Soldaten dürfen oft nicht einmal ihren Frauen sagen, in welcher Mission sie unterwegs sind. Das hat Folgen. Die Scheidungsraten seien horrend.
Der älter gewordene Robin Horsfall sagt: „In Wirklichkeit sind wir ganz normale Menschen mit den gleichen Ängsten wie andere Menschen auch. Wir sind Väter, die sich um ihre Kinder sorgen.“ Aber der junge Horsfall war selbst ein schonungsloser Kämpfer. Die Rohheit wurde ihm lange vor der Aufnahme in das SAS eingeimpft, bei den Fallschirmjägern, wo er als 15-Jähriger seine Armeekarriere begann. Jeder Streit wurde dort mit Fäusten ausgetragen, ein von den Feldwebeln gut geheißener Umgang der jungen Rekruten. Skandalöse Vorfälle in der Soldatenausbildung führen dieser Tage immer häufiger zu öffentlichen Untersuchungen und Gerichtsverfahren. In der Truppe, sagt Horsfall, habe es zum guten Ton gehört, sich als der viehischste Typ hervorzutun. Er erwähnt als Beispiel einen Kameraden, der in einem Pub ohne geringsten Anlass mit einem Kopfstoß auf einen Gast losgegangen sei, den er noch nie vorher getroffen hatte. Der Mann fiel zu Boden, rappelte sich wieder auf. Als er auf den Beinen stand, entschuldigte sich der Soldat - und verpasste dem Opfer erneut einen Stoß mit dem Kopf. Dreimal tat er das, nur um seine Macht über einen anderen Menschen zu beweisen. Um zu zeigen, wie gnadenlos er misshandeln kann.
Die Armee, das SAS, sei dennoch seine Rettung gewesen, sagt Horsfall. Er war Schulversager, hasste seinen rabiaten Stiefvater und wäre früher oder später wohl im Gefängnis gelandet. Die Armee habe nachgeholt, was Schule und Familie versäumt hätten: Mathematikunterricht, Englisch, Geschichte. Er habe gelernt, was Zugehörigkeit, Teamwork und Verantwortungsbewusstsein bedeuten. Und er wurde im Laufe der Zeit immun gegen Anfeindungen.
Es gab da einen perversen Ritus, der auf gegenseitiger Erniedrigung beruhte. Als Horsfall zum ersten Mal - noch als Fallschirmjäger - in Nordirland stationiert war, lernte er, wie man dort als innerlich abgehärteter Soldat patrouilliert: „In den protestantischen Vierteln pfiffen wir katholische Melodien, in den katholischen Vierteln stimmten wir protestantische Weisen an. Wir wollten alle und jeden reizen, damit sie uns hassen lernten. Wir genossen es, gefürchtet zu werden.“
Das entmenschlichte Benehmen scheint sich so gar nicht mit Horsfalls idealistischer Beteuerung zu vertragen, dass ein Land aggressive Soldaten brauche, um die Dinge zu beschützen, für die es sich zu leben lohne - Demokratie, Freiheit, Kultur. Worum es diesem SAS-Soldaten damals wirklich ging, kommt ganz nebenbei heraus. In letzter Instanz, sagt er irgendwann, habe er nie fürs Vaterland und die Queen oder für das Regiment und seine Kameraden gekämpft. Das Regiment sei schließlich auch nur eine Ansammlung von Menschen mit all ihren leidigen Emotionen, voller Missgunst, Unwillen und Bitterkeit. In letzter Instanz, sagt er, sei es ihm immer nur um sich selbst gegangen. „Ich wollte mir beweisen, dass ich der beste Soldat der Welt bin.“
(c) DIE ZEIT 07/2003
<ul> ~ http://www.zeit.de/2003/07/SAS_Text</ul>

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