- 2 Beiträge, die man sich in aller Ruhe durchlesen sollte - rocca, 13.02.2003, 02:56
- Worauf man beim surfen nicht alles stösst - rocca, 13.02.2003, 03:13
- Sehr schöner Beitrag - Nachfrager, 13.02.2003, 10:13
- Re: Worauf man beim Ssurfen nicht alles stösst ** pro mo viert - Herbi, dem Bremser, 13.02.2003, 11:19
- Jükü gib mit bitte rote Karte, oder am besten Zwei rot/rot; - Turon, 13.02.2003, 08:25
- Hallo Turon, ;-) - stocksorcerer, 13.02.2003, 08:52
- Re: Jükü gib mit bitte rote Karte, oder am besten Zwei rot/rot; / Nöö... - -- ELLI --, 13.02.2003, 09:45
- Re: Jükü gib mit bitte rote Karte, oder am besten Zwei rot/rot; / Nöö... - rocca, 13.02.2003, 11:52
- rocca, bitte weiter so! - sehr wichtig - - Charade, 13.02.2003, 16:07
- Re: rocca, bitte weiter so! - sehr wichtig - / Puplava-Link... - - ELLI -, 13.02.2003, 16:12
- Worauf man beim surfen nicht alles stösst - rocca, 13.02.2003, 03:13
2 Beiträge, die man sich in aller Ruhe durchlesen sollte
-->Ich weiss ja, dass hier oft schnell geschossen wird. Man sollte aber nicht nur die Leute mit ihren nationalen Emotionen diesseits und jenseits des Atlantik beachten, sondern auch die nachdenklichen und erfahrenen ernst nehmen. Ob man nun ihre Ansicht teilt oder nicht.
Nur Saddam kann den Krieg stoppen
Hanspeter Born
Wie die meisten Europäer halten auch die Schweizer einen Angriff auf den Irak für unsinnig und die Amerikaner für eigennützige Kriegstreiber. Doch könnte es sein, dass Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice mehr über die Bedrohung weiss als Peter Bichsel?
Er spielt mit kalkuliertem Risiko: Saddam Hussein zählt auf die Achse Paris-Moskau-Berlin.
Krieg ist nie klinisch sauber und trifft immer Unschuldige. Alle Vorsicht und aller guter Wille können nicht verhindern, dass Bomben zivile Ziele treffen, dass Kinder und Frauen getötet oder verstümmelt werden. Genau vor zwölf Jahren schilderte der damals höchste US-General, Colin Powell, seinem Präsidenten, Bush senior, die Realität des Landkriegs: «Ein Schlachtfeld ist kein schöner Anblick. Man sieht den verbrannten Oberkörper eines Jungen aus dem Tankturm hängen, während explodierte Munition im Innern den Rest der Mannschaft in Stücke gerissen hat.»
Krieg ist die Hölle. Wer Krieg führen will und kein Unmensch ist, muss einen triftigen Grund dafür haben. Krieg ist für die meisten von uns nur dann moralisch berechtigt, wenn er ein noch grösseres Übel verhindert. Wenn die Uno oder einzelne Nationen in Ruanda rechtzeitig militärisch eingegriffen hätten, hätte ein Morden, das 800000 Menschen das Leben kostete, verhindert werden können. Ein Krieg in Ruanda wäre besser gewesen als der Völkermord, der sich ereignete.
Jetzt, da im Persischen Golf der Countdown läuft, macht sich jedermann Gedanken über den offenbar kaum mehr abwendbaren Krieg. Wie gefährlich ist Saddams biologisches und chemisches Waffenarsenal? Wie weit fortgeschritten ist sein Projekt zum Bau von Nuklearbomben? Stellt Saddam eine so unmittelbare Gefahr für den Frieden im Nahen Osten und für die Sicherheit der USA dar, dass er mit einer militärischen Invasion gestoppt werden muss? Würde nicht eine geduldige Eindämmungs- und Abschreckungspolitik den Diktator unschädlich machen? Bei der Beantwortung dieser Fragen kann man in guten Treuen geteilter Meinung sein. In der Schweiz wie in ganz Europa ist die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung der Auffassung, ein Krieg gegen Saddam sei nicht nur unnötig, sondern verwerflich.
Dass man den Krieg ablehnt, ist eine Sache. Die andere ist die Begründung für die Ablehnung. Die Schweizer Illustrierte hat unter so genannten Promis eine Umfrage durchgeführt. Wie erwartet, ist die Prominenz für den Frieden. Was erstaunt, sind die Gründe, die angeführt werden. Fast durchs Band weg unterstellen die befragten Politiker, Philosophen, Theologen, Schriftsteller, Wissenschaftler, Tennisspielerinnen, ehemaligen Skigrössen und so weiter der US-Regierung, insbesondere George W. Bush, die niedrigsten Motive.
So weiss der Modedesigner Hannes Bühler, dass es Bush «nur ums Erdöl» geht, und regt sich über dessen «scheinheiliges Getue» auf. Für den Schönheitschirurgen Cédric George ist «der Krieg, den George W. Bush vorhat, kompletter Unsinn». Der Schauspieler Stefan Gubser hat entdeckt, dass ein Krieg gegen den Irak «ein Machtspiel und Profilierungsplattform für die USA» wäre. TV-Moderatorin Alenka Ambroz, die, wie sie sagt, bei ihrer Arbeit versucht, Hintergründe aufzuzeichnen, glaubt, «wer Krieg führen muss, hat bereits verloren». Den Kabarettisten Viktor Giacobbo erschreckt es, dass Bush «so wenig Opposition aus der Bevölkerung erfährt», und er ist enttäuscht darüber, «wie sich Tony Blair Bush unterordnet».
Die Meinung wird von unseren Denkern und Dichtern geteilt. Der Philosoph Hans Saner, stellt die (rhetorische) Frage, ob Bush, der den Krieg mit einem Auftrag Gottes rechtfertige, damit «die mageren ökonomischen und politischen Ergebnisse seiner Präsidentschaft» verdecken wolle. Hans Küng, der Theologe und Universaldenker, stellt die (wohl ebenfalls rhetorische) Frage, wer die grössere Gefahr für den Weltfrieden sei, Bush oder Saddam?
Wenn wir die von der Schweizer Illustrierten eingefangenen Meinungsäusserungen zusammenfassen, ergibt sich das Bild eines von allen guten Geistern verlassenen, von religiösem Wahn besessenen US-Präsidenten, der, getrieben von arroganten imperialen Machtansprüchen und im Schlepptau der amerikanischen Erdölindustrie, sich auf das «Feindbild» Saddam einschiesst und damit den Nahen Osten, ja unsere ganze geplagte Welt mit einem sinnlosen Krieg in den Abgrund stürzen will.
Nun steht aber der «fehlgelenkte, pseudoreligiöse Eiferer» (Chemie-Nobelpreisträger Richard Ernst) nicht allein da mit seiner «verzerrten Weltsicht». Die Schweizer Promis übersehen, dass die wichtigsten aussenpolitischen Berater Bushs, darunter Staatssekretär Powell und dessen Stellvertreter Richard Armitage, die beide als «Tauben» gelten, geschlossen hinter der Irak-Politik ihres Chefs stehen. Unterstützt wird Bushs Forderung nach einer bedingungslosen Entwaffnung Saddams, nötigenfalls mit Krieg, auch von den führenden demokratischen Senatoren Joe Lieberman, Christopher Dodd, Bob Graham, Joe Biden (um nur aussenpolitisch besonders engagierte Politiker zu nennen), von den ehemaligen Sicherheitsberatern demokratischer Präsidenten Zbigniew Brzezinski und Sandy Berger und schliesslich von Bill Clinton, der sich selber acht Jahre lang als Präsident mit Saddam Hussein herumschlagen musste. Sind auch diese erfahrenen, als besonnen geltenden demokratischen Aussenpolitiker plötzlich zu Kriegstreibern, religiösen Spinnern oder Söldlingen der Ã-llobby geworden?
Vielleicht sollte man sich auch in der Schweiz einmal ganz schüchtern die Frage stellen, ob nicht möglicherweise Bill Clinton eine fundiertere Vorstellung über die von Saddam ausgehende Gefahr hat als Adolf Muschg oder Peter Bichsel. Ist nicht denkbar, dass Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice über mehr Informationen und vielleicht sogar ein besseres Urteilsvermögen verfügt als unsere «Tagesschau»-Moderatorin Beatrice Müller?
Der Graben, der sich in der Beurteilung der Irak-Frage zwischen Amerika und Europa aufgetan hat, hat sicher etwas mit unterschiedlicher Denkweise zu tun. Mag ja sein, dass die Amerikaner vom Mars sind und wir von der Venus, dass sie eine robustere Einstellung zu Macht und Gewalt haben als wir. Die Differenzen können aber auch daher rühren, dass innerhalb der Eliten oder der politisch interessierten Kreise der USA und Europas der Wissensstand unterschiedlich ist.
Seit dem Ende des Kalten Kriegs und dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind die USA die einzige Supermacht und spielen, ob sie es wollen oder nicht und ob wir es wollen oder nicht, die Rolle des Weltpolizisten. Als es im Balkan drunter und drüber ging und Europa hilflos zuschaute, sorgte Washington für Ordnung. Wenn Indien und Pakistan sich in die Haare geraten, schlichtet Washington. Die USA allein haben die politischen und militärischen Muskeln, um Aggressoren in die Schranken zu weisen oder Konfliktparteien zur Räson zu bringen. Bei Krisen ist die Uno regelmässig machtlos, es sei denn, die USA engagierten sich. Die Rolle als Ordnungshüterin auferlegt den USA eine grosse Verantwortung, der sie vielleicht nicht immer gewachsen sind, die sie aber ernst nehmen.
Kaum jemand in Europa sieht sich durch Saddam Hussein gefährdet. Wir wissen, dass er sein Botulin, sein Anthrax, sein Rizin und sein Aflatoxin nicht gegen uns einsetzen wird. Selbst wenn er noch Scud-Raketen besitzt und selbst wenn er in ein paar Jahren eine Nuklearbombe gebaut haben sollte, brauchen wir uns nicht zu fürchten. Wenn man sich von einem Problem nicht direkt betroffen fühlt, hat man in der Regel auch keinen Anlass, sich eingehend damit zu befassen. Die wenigsten von uns kennen den Inhalt auch nur einer der 17 Uno-Sicherheitsrats-Resolutionen, die Saddam seit 1991 missachtet hat. Kaum jemand hat eine Ahnung über die geheimen Waffenprojekte Saddams, an denen Abertausende von Wissenschaftlern arbeiten und für die er Unsummen ausgibt. Im Grunde genommen sind uns diese Resolutionen und diese Projekte auch egal.
Die einschlägigen Kreise in den USA können sich solche Gleichgültigkeit nicht leisten. Sie sind spätestens seit dem Überfall Saddams auf Kuwait im August 1990 gezwungen, sich mit dem Irak und seinem Diktator eingehend zu beschäftigen. Dies gilt nicht nur für das Aussenministerium, das Pentagon, die Geheimdienste, den Kongress und andere offiziellen Stellen, sondern auch für private Institutionen wie die zahlreichen Think-Tanks. Man schaue sich die Websites beispielsweise des Council on Foreign Relations, des Carnegie Endowment for International Peace oder der Brookings Institution an, die alle über wissenschaftliche Mitarbeiter verfügen, die sich vollzeitlich über der Irak-Frage den Kopf zerbrechen und dazu Artikel und wissenschaftliche Papiere publizieren. Die Gelehrten und Experten, die in der Irak-Frage Bescheid wissen, werden auch regelmässig zu den Hearings verschiedener Kongressausschüsse zitiert und dort von den Senatoren und Repräsentanten ausgequetscht. Auch in amerikanischen Fernsehsendungen - etwa «Final Edition» auf CNN, bei uns jeweils am Sonntag um 18 Uhr zu sehen - kommen regelmässig Politiker und Experten zum Zug, die der Irak-Frage viel Zeit gewidmet haben und die nicht einfach ins Blaue hinausplappern, wie dies in Schweizer Talk-Shows, in denen das Thema Irak zur Sprache kommt, leider üblich ist.
Seit anderthalb Jahren wird die Diskussion um einen Irak-Krieg in den USA mit besonderer Intensität geführt. Und spätestens seit dem Auftritt Bushs vor der Uno im letzten September hat sich ein beide politischen Parteien umspannender Konsens herausgebildet. Wenn Powell redet, dann sagt er, was auch Clinton (Bill und Hillary), Senator McCain (Bushs wichtigster republikanischer Widersacher), Joe Lieberman (Spitzenreiter der demokratischen Papabili) und Henry Kissinger denken. Für die Amerikaner steht ausser Frage, dass Saddam Massenvernichtungswaffen besitzt und dass er diese raffiniert vor den Inspektoren versteckt. Die in der Sicherheitsratsresolution 687 von 1991 festgehaltenen
Waffenstillstandsbedingungen verlangten von Saddam, dass er diese Waffen meldet und vernichtet. Hätte er dies getan, wären die gegen ihn verhängten scharfen Sanktionen aufgehoben worden.
Doch Saddam misst den illegalen Waffen für seine machtpolitischen Pläne derartige Bedeutung bei, dass er es zwölf Jahre lang vorgezogen hat, sein Volk unter den Sanktionen schmachten zu lassen und auf Milliarden von Ã-leinnahmen zu verzichten, statt sich dieser Terror- und Erpressungsinstrumente zu entledigen. Bis zum fatalen 11. September 2001 hat jede amerikanische Regierung versucht, mit Sanktionen und mit gezielten Militärschlägen (wie 1998) Saddam von einem Ausbrechen aus seinem «Käfig» abzuhalten. Der Anschlag auf das World Trade Center war ein Alarmsignal, obschon Saddam damit nichts zu tun hatte. Die plötzlich sensibilisierte Administration Bush wollte sich nie mehr der Gefahr eines Überraschungsangriffs aussetzen.
Dass Saddam das Sanktionsregime fortwährend aushöhlte und nach Abzug der Inspektoren 1998 mutmasslich an seinem Aufrüstungsprogramm weiterbaute, führte in Washington zu einer Neubewertung der Bedrohungslage. Die Amerikaner fürchten, dass Saddam, wenn man ihn nicht entwaffnet, in wenigen Jahren die Atombombe besitzen wird und dass er seine chemischen und vor allem biologischen Kampfstoffe terroristischen Organisationen zuspielen könnte. Angesichts der Tatsache, dass Saddam in zwei Angriffskriegen gegen Iran und Kuwait eine Million Iraker geopfert hat, dass er gegen Iran und gegen Kurden Giftgas eingesetzt hat, dass er die eigene Bevölkerung mit brutalsten Methoden unterdrückt und dass er seit Jahrzehnten die Vorherrschaft in der arabischen Welt anstrebt, ist für Washington das Risiko, das er darstellt, zu gross, um ihn weiter gewähren zu lassen. Die Alternative für die Amerikaner ist: entweder Entwaffnung Saddams heute, wenn nötig durch Krieg, oder die Gewissheit eines viel gefährlicheren und blutigeren Kriegs in ein paar Jahren.
Irak-Kenner wie Kenneth Pollack, der sich seit Mitte der achtziger Jahre als CIA-Analytiker und bis 2001 als Mitarbeiter von Clintons Nationalem Sicherheitsrat fast ausschliesslich mit dem Irak beschäftigt hat, vergleichen die Situation mit 1938. Wenn damals England und Frankreich Hitler militärisch gestoppt hätten, wäre der Menschheit die Tragödie des Zweiten Weltkriegs erspart geblieben.
Washington will unter allen Umständen die Entwaffnung Saddams. Wenn dies ohne Krieg geht, durch freiwillige Abgabe der Waffen oder durch den Sturz oder die Flucht Saddams, umso besser. Der als Falke verschriene Verteidigungsminister Rumsfeld betont bei jeder Gelegenheit, dass ihm nichts lieber wäre, als wenn Saddam und seine Getreuen ins Exil gehen würden. Aber wenn es nicht anders geht, werden die USA, ob mit einer neuen Uno-Resolution oder ohne, an der Spitze einer «Koalition der Willigen» Saddam entwaffnen. Sie werden Krieg führen, auch wenn dies der Achse Paris-Berlin-Moskau, dem Papst und der öffentlichen Meinung in Europa, Asien und Afrika missfällt.
Wie gross sind die Chancen, dass die Welt um einen Krieg herumkommt? Angesichts der Tatsache, dass Washingtons Entschlossenheit, Saddam zu entwaffnen, und zwar bald, in Eisen gegossen ist, hängt jetzt alles von Saddam ab. Er allein kann den Krieg noch verhindern, indem er einlenkt oder (auf welche Weise auch immer) verschwindet. Die Friedenshoffnungen der Welt ruhen paradoxerweise auf dem Mann, der an Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit jeden anderen Diktator bei weitem übertrifft. In seiner langen Karriere, die den einst gedungenen Killer an die Spitze des fortgeschrittensten Lands der arabischen Welt geführt hat, hat Saddam bewiesen, dass er ein grosser Überlebenskünstler ist. Er war der starke Mann des Iraks, als noch Nixon im Weissen Haus sass. Er hat dessen Nachfolger Ford, Carter, Reagan, Bush I und Clinton überdauert. Die Coupversuche und Anschläge auf sein Leben lassen sich kaum mehr zählen. Immer ist er seinen Feinden entkommen oder hat ihn eine günstige Fügung gerettet.
Seine Biografen weisen darauf hin, dass er ein Spieler ist, der Risiken eingeht, aber nur kalkulierte. Er griff den Iran an, weil er glaubte, er könne das Regime der Ajatollahs in wenigen Wochen überrennen. Er marschierte in Kuwait ein, weil er annahm, dass ihn die USA gewähren lassen würden. Jedes Mal, wenn ihm bedeutet wurde, dass eine Aggression Konsequenzen haben würde - wie bei einem zweiten Aufmarsch gegen Kuwait oder einer Truppenkonzentration an der syrischen Grenze -, ist er zurückgewichen.
Die apokalyptische Geste bleibt aus
Er ist kein Hitler, der im Bunker Selbstmord begeht. Besässe er schon heute eine Rakete mit atomarem Sprengkopf, die Tel Aviv erreichen könnte, wäre vorstellbar, dass er versuchen würde, mit einer letzten selbstmörderischen Verzweiflungstat in die Geschichtsbücher einzugehen. Aber er besitzt diese Rakete nicht. Auch seine anderen Vernichtungswaffen reichen nicht aus zu einer apokalyptischen letzten Geste. So darf man annehmen, dass letzten Endes Saddam ein Weiterregieren ohne Massenvernichtungswaffen oder ein komfortables Exil der sicheren Vernichtung seiner Person und seines engsten Kreises vorziehen wird.
Er wird allerdings erst das Handtuch werfen, wenn er weiss, dass das Spiel unwiderruflich aus ist. X-mal hat die Zeit ihn gerettet, und so versucht er auch jetzt wieder, durch geschickte Konzessionen (oder Scheinkonzessionen) eine Verlängerung des Mandats der Inspektoren zu erreichen. Da es ihm in der Vergangenheit immer wieder gelungen ist, den Sicherheitsrat zu spalten, wird er auch das wieder versuchen. Bei seinem Unterfangen, auf Zeit zu spielen, bis in den USA der Kriegswille erlahmt, zählt Saddam auf Paris, Moskau und Berlin. Wenn es Chirac, Putin und Schröder wirklich um den Frieden geht, müssten sie jetzt Saddam nicht neue Hoffnung schöpfen lassen, sondern eine zweite Uno-Resolution mit einem unmissverständlichen Ultimatum unterstützen. Erst wenn Saddam weiss, dass er die ganze Welt gegen sich hat, wird er nachgeben.
Aus der Weltwoche, Schweiz
Und dann noch ein Beitrag von Spiegel, der hier nicht geliebt wird, dessen Ängste und Sorgen man aber durchaus ernst nehmen sollte
Es gibt notwendige Kriege“
Paul Spiegel, Zentralratsvorsitzender der Juden, sieht die Ã-ffentlichkeit in einem „Dornröschenschlaf“
Paul Spiegel: Ich kenne keine einzige Demonstration in Deutschland gegen Saddam Hussein
Foto: dpa
DIE WELT: Sie haben zur Irak-Debatte erklärt, nicht Demonstranten, sondern die Rote Armee habe Auschwitz befreit. Wollten Sie damit die aktuelle Lage mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg vergleichen?
Paul Spiegel: Wir haben heute zwar eine andere Situation, aber sie ist vergleichbar. Wieder geht es um einen Diktator, der sein eigenes Volk opfert und ins Verderben führt. Es gibt eigentlich keine gerechten, aber notwendige Kriege. In welcher Situation wären wir heute speziell in Deutschland, wenn damals die Alliierten nicht gegen Hitler Krieg geführt hätten? Wenn damals die Alliierten wie heute beispielsweise Franzosen und Deutsche gesagt hätten: Nein, wir wollen keinen Krieg, wir sind generell gegen Kriege - dann wäre das eine Katastrophe für Deutschland und Europa gewesen. Und deswegen habe ich gesagt, die Konzentrationslager sind nicht von Demonstranten, sondern von amerikanischen und russischen Soldaten befreit worden.
DIE WELT: Warum hat dann gerade die deutsche Bevölkerung so wenig Verständnis für die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Irak?
Spiegel: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Auch heute erwartet die ganze Welt, dass sich Deutschland im Nahen Osten engagiert. Wer dagegen ist, ist der Großteil der deutschen Bevölkerung. Ich habe auch Verständnis, dass die Deutschen sagen, genug, wir wollen nicht mehr. Dabei ist Deutschland schon auf dem Balkan militärisch engagiert. Natürlich ist es viel einfacher, gegen einen Krieg zu sein, als zu begründen, warum man für einen Krieg ist. Ich frage mich aber auch, wenn ich jetzt wieder die vielen Demonstrationen sehe, wo sind diese Friedensdemonstranten in den letzten zehn Jahren gewesen, als Saddam Hussein seine Mitbürger umgebracht und immer wieder mit Krieg gedroht hat. Ich kenne keine einzige Demonstration in Deutschland gegen Saddam Hussein. Kaum jemand spricht auch davon, dass die Amerikaner und Engländer das irakische Volk von diesem Diktator befreien wollen.
DIE WELT: Befürworten Sie auch einen Präventivkrieg?
Spiegel: Selbstverständlich bin ich gegen Krieg. Was Kriege bedeuten, haben ich und meine Familie nun wirklich zu spüren bekommen. Und auch meine Verwandten und Freunde in Israel haben unter Kriegen gelitten. Doch klar ist, dass Saddam Hussein sowohl für sein Volk wie auch für die gesamte Region eine große Gefahr darstellt. Die Frage heißt also, können und wollen wir mit dieser Gefahr leben oder nicht? Wenn wir das nicht wollen, ist ein Angriff auf ihn möglicherweise ein Verteidigungskrieg. Wenn wir uns vorstellen, dass Saddam Hussein in der Lage wäre, chemische oder atomare Waffen über große Entfernungen zu befördern, was tun wir dagegen - wenn wir überhaupt noch dazu in der Lage sind? Deswegen ist die Frage nicht so einfach aus abstrakt moralisch-ethischen Gründen zu beantworten. Klar ist auch, dass wir nicht immer Amerika als Weltpolizisten allein lassen und uns bequem zurücklehnen können.
DIE WELT: Auf Transparenten in Deutschland wird nicht Saddam Hussein, sondern George W. Bush als Kriegstreiber attackiert.
Spiegel: Ich kann das nicht nachvollziehen und verurteile das entschieden. Man kann nicht die Vereinigten Staaten von Amerika, denen Deutschland wirklich die Freiheit zu verdanken hat, heute hier als Verbrecher darstellen.
DIE WELT: Sie äußern damit eine deutlich andere Haltung als die beiden christlichen Kirchen in Deutschland.
Spiegel: Ich spreche als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland für die Gemeinschaft der Opfer. Die Juden in der ganzen Welt haben auch ein ganz besonderes Verhältnis zu Israel. Denn dieses kleine Land und seine Menschen sind direkt bedroht durch Saddam und seine fürchterlichen Waffen. Deswegen haben wir gerade wegen dieser akuten Bedrohung ein ganz anderes Verhältnis zum möglichen Krieg als die beiden christlichen Kirchen. Ich habe große Angst davor, Saddam Hussein weiter sein gefährliches Spiel treiben zu lassen. Und ich hoffe nicht, dass Deutschland eines Tages aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und es dann vielleicht zu spät ist.
DIE WELT: Wie geht es nach dem Staatsvertrag mit dem Zentralrat und der Bundesrepublik Deutschland weiter?
Spiegel: Der Staatsvertrag ist ein wirkliches historisches Ereignis, das es bisher in der Geschichte Deutschlands noch nicht gegeben hat. Damit kommen wir wirklich auf den allerdings noch weiten Weg zur Normalität. Das ist wichtiger als die finanzielle Ausstattung, über die abenteuerliche Geldsummen durch die Welt schwirren. Tatsächlich handelt es sich nur um drei Millionen Euro. Damit sind wir endlich in der Lage, die Arbeit zu leisten, die man von uns erwartet. Denn wir können zur Betreuung der 83 jüdischen Gemeinden - und zur Wahrnehmung unserer politischen und kulturellen Interessen - in Deutschland mehr Personal einstellen. Auch damit sind wir auf dem Weg zum unbefangeneren Miteinander. Die volle Normalität im Umgang mit Juden und Nichtjuden wird aber weder mir noch meinem Nachfolger gelingen. Das, was vor knapp 58 Jahren in Deutschland zu Ende gegangen ist, wird uns noch lange gefangen halten. 58 Jahre sind im Leben eines Menschen sehr, sehr viel. Aber in historischen Dimensionen ist es nur ein Wimpernschlag. Dass aber in den letzten Jahren 70 000 Juden nach Deutschland gekommen sind und sich für Deutschland entschieden haben, ist ein großer Vertrauensbeweis in die Menschen dieses Landes.
DIE WELT: Sind Sie für die Aufnahme eines Gottesbezuges in die Präambel einer EU-Verfassung?
Spiegel: Ja. Da wir alle an einen und denselben Gott glauben, alle drei großen Religionen in Europa, sehe ich keinen Grund, warum das nicht so sein soll. Wenn die Präambel auf die verschiedenen monotheistischen Religionen ausgerichtet ist, sehe ich da kein Problem.
DIE WELT: Erwarten Sie irgendwann ein Ende des Antisemitismus?
Spiegel: Es ist eine Hoffnung. Der Antisemitismus kann endgültig überwunden werden, wenn endlich alle Menschen in Deutschland begreifen würden, dass Antisemitismus nicht nur ein Angriff auf Minderheiten wie etwa Juden ist, sondern ein Angriff auf die Gesamtgesellschaft. Antisemitismus ist in Wirklichkeit Menschenfeindlichkeit. Wenn alle das endlich einsehen, dann ist in Deutschland kein Platz mehr für Antisemitismus.
Das Gespräch führten Helmut Breuer und Gernot Facius
Artikel erschienen am 13. Feb 2003 Die Welt/ Welt am Sonntag
Ich weiss, dass Paul Spiegel hier nicht ernst genommen wird. Ich persönlich teile auch nur wenige seiner Ansichten! Aber seine ÄNGSTE, die nehme ich durchaus ernst!

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