- Der Geruch des Krieges (Uri Avnery, Telepolis) - beni, 13.02.2003, 10:39
- wurde schon gestern nacht gepostet - nix für ungut:-) - Praxedis, 13.02.2003, 10:44
Der Geruch des Krieges (Uri Avnery, Telepolis)
-->Der Geruch des Krieges
Uri Avnery 12.02.2003
Der Gründer der israelischen Friedensbewegung Gush Shalom über die Interessen der USA und die Folgen eines Irak-Krieges für Israel
In diesem Krieg geht es nicht um Terrorismus.
In diesem Krieg geht es nicht um Massenvernichtungswaffen.
In diesem Krieg geht es nicht um Demokratie im Irak.
In diesem Krieg geht es um etwas anderes.
Thema Terrorismus: Saddam Hussein ist ein grausamer Diktator, aber die Idee, er könnte mit Usama bin Ladin in Verbindung stehen, ist lächerlich. Saddam führt die irakische Sektion von Al-Baath, einer ausgesprochen säkularen Partei. Bin Ladin ist ein islamischer Fundamentalist, und Al-Qaida zielt auf die Zerstörung aller säkularen Regime im Nahen Osten. Der Beamte, der diese Lüge erfunden hat, ist entweder ein Ignorant oder ein Zyniker, der glaubt, er kann die gesamte Menschheit wenigstens eine Zeit lang zum Narren halten.
Thema Massenvernichtungswaffen: Die USA unterstützten Saddam, als er tödliches Giftgas gegen die Iraner einsetzte (und deren kurdische Verbündete im Irak). Damals waren die USA daran interessiert, dass die Iraner gestoppt wurden. Heute gibt es chemische und biologische Waffen in den meisten Ländern dieser Region, dazu gehören Ägypten, Syrien und Israel, und eines davon besitzt Atomwaffen.
Thema Demokratie: Die interessiert die Amerikaner einen Dreck. Einige ihrer besten Freunde in der islamischen Welt sind Diktatoren - ein paar von ihnen grausamer als Saddam, ein paar weniger grausam. Ganz nach dem alten amerikanischen Sprichwort:"Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn."
Also, worum geht es bei diesem Krieg? Um Ã-l
Ein starker Ã-lgeruch liegt in der Luft. Wer ihn nicht wahrnimmt, kann nicht verstehen, was passiert. Aber wenn man erfasst hat, worum sich hier alles dreht, erscheint das zynische und heuchlerische Vorgehen von Bush & Co. total logisch.
Dies also sind die amerikanischen Kriegsziele:
Aneignung der gewaltigen Ã-lreserven des Irak, die zu den größten der Erde zählen;
die amerikanische Kontrolle der nahe gelegenen Ã-lvorräte im Kaspischen Meer sichern;
die indirekte amerikanische Kontrolle über das Ã-l der Golfstaaten wie Saudi-Arabien, Kuwait und Iran verstärken.
Die Macht über den Großteil der Ã-lreserven des Planeten wird die Amerikaner letzten Endes von den Launen des Ã-lmarktes befreien. Ihre Hand, und zwar ausschließlich ihre Hand, wird am Ã-lhahn drehen. Die Amerikaner allein werden weltweit den Ã-lpreis festlegen. Wenn sie die Preise steigen lassen möchten, werden sie steigen. Wenn die Amerikaner wollen, dass sie fallen, werden sie fallen. Mit einer einzigen Handbewegung werden sie den Volkswirtschaften Deutschlands, Frankreichs und Japans einen vernichtenden Schlag versetzen können. Kein Land der Erde wird sich gegen Amerika stellen können. Kein Wunder, dass Deutschland und Frankreich diesen Krieg ablehnen. Er ist gegen sie gerichtet.
Daraus folgt, dass die Amerikaner nicht in den Irak einrücken, dort die Demokratie einführen und wieder gehen. Diese Vorstellung ist lächerlich. Die USA erobern den Irak, um dort zu bleiben, Jahre und Jahrzehnte lang. Ihre physische Präsenz in der arabischen und muslimischen Welt wird eine neue geopolitische Realität schaffen.
Natürlich ist das nicht das erste Mal, dass ein großes Imperium seine Militärmacht benutzt, um seine wirtschaftliche Vorherrschaft voranzutreiben. Die Geschichte ist voller Beispiele dafür. Tatsächlich könnte man sagen, dass die gesamte Geschichte ein Beispiel dafür ist. Aber es hat noch nie eine Supermacht wie die USA gegeben, die ihre gewaltige Militärmaschinerie einsetzt, um für Generationen ihre Herrschaft über die Weltwirtschaft zu sichern. Von diesem Standpunkt aus wird der kommende Krieg gegen den Irak - ein"kleiner" Krieg, militärisch betrachtet - historische Bedeutung haben.
Sicher wird Bush versuchen, eine Regierung mit irakischem Personal einzusetzen, um die amerikanische Besetzung zu bemänteln und ihr eine gewisse Legitimierung zu verleihen. Eine Unzahl Freiwilliger steht schon bereit, um als Quislinge zu dienen. Bush könnte aber auch einen neuen Saddam Hussein bevorzugen, einen neuen Diktator.
Aber Krieg ist Krieg. Ein Krieg beginnt in der Regel mit einem gut zurechtgelegten Plan. Doch auch der"beste" Plan, hinter dem die mächtigste Militärmacht steht, kann schief gehen. Die arabischen Massen könnten sich gegen ihre von Amerika unterstützten, korrupten, desinteressierten Regierungen erheben. Die Türken könnten ein Massaker im Nord-Irak verüben, um die Kurden ein für alle Mal niederzuschlagen und niemand kann wissen, wohin das führt. Die heiligen Stätten der Schiiten im Süden des Irak, nahe der Grenze zum Iran, könnten ein Problem werden.
Wie wird sich das alles auf Israel auswirken?
Oder, um das alte Sprichwort zu verwenden:"Ist es gut für die Juden?" Die Beziehungen zwischen Bush und Scharon sind fast symbiotisch. Die massive Präsenz der USA in unserer Region stärkt aus Scharons Sicht Israel und wird es ihm ermöglichen, seine verborgenen Pläne auszuführen. Doch, wie man auf hebräisch sagt,"steckt im dicken Schwanz des Schafes ein Dor"".
Die dauerhafte Besetzung des Irak wird die USA in eine Art"arabische" Macht verwandeln, mit einem vitalen Interesse an Stabilität und Ruhe in der Region. Sie werden mit allen Mitteln versuchen, Chaos in den arabischen Staaten zu verhindern - vor, während und nach dem Krieg. Scharon und seine Generäle dagegen sind an so viel Chaos wie möglich interessiert, um Millionen Palästinenser auf die andere Seite des Jordans zu"verlegen". Es gibt also einen klaren Interessenkonflikt zwischen Bush und Scharon.
Scharon ist extremistisch, aber vorsichtig. Er weiß, dass er Bush keinesfalls verärgern darf. Er wird behutsam vorgehen. Er hat sehr viel Geduld und ist sehr, sehr stur. Er wird versuchen, von Bush die Erlaubnis zu bekommen, Palästinenser abzuschieben (zumindest einige), Arafat zu ermorden ("Wenn Saddam, warum nicht Arafat?") und das palästinensische Volk niederzuschlagen.
Bush dagegen will, dass Israel sich sehr ruhig verhält. Möglicherweise wird er die israelische Bedrohung dafür einsetzen, um auch die Araber ruhig zu stellen. Er wird den arabischen Führern drohen, die große Angst vor einem Aufstand ihrer Bevölkerung haben. Wenn die arabischen Staatschefs nicht für Ruhe sorgen, könnte er Scharon von der Leine lassen.
Ist all das gut für Israel? Bezogen auf unsere Wirtschaft, Gesellschaft und Sicherheit lautet die Antwort: Nein. Wir treten ein in ein Zeitalter des Abenteurertums, mit dem Abenteurer Nr. 1 an der Spitze unseres Staates. Die Erde wird beben in unserer Region und niemand kann die Gefahren vorhersehen, die auf uns zukommen. Nur eines ist sicher: Der Frieden wird dadurch nicht kommen.
Ich gehöre nicht zu denen, die gelassen über Krieg sprechen können. Ich habe den Krieg gesehen, ich kenne sein Gesicht. Ich sehe die Tausenden, die getötet, die Zehntausenden, die verwundet und verkrüppelt werden, die Hunderttausenden, die zu Flüchtlingen werden, die zerstörten Familien und das Meer von Leid und Tränen.
Ich schließe mich den Millionen weltweit an, die NEIN sagen.
Übersetzung von Robert Levin aus"Gush Shalom International release" Feb 9, 2003
The Smell of War
Gush Shalom
<ul> ~ http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/14168/1.html</ul>

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