- "Und sie kommt doch … die Weltwirtschaftskrise II" - Pups, 13.02.2003, 12:09
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"Und sie kommt doch … die Weltwirtschaftskrise II"
--> Roland Leuschel
Deflation in Deutschland?
Und sie kommt doch … die Weltwirtschaftskrise II
Im Februar letzten Jahres stellte ich die Gretchenfrage des Anlegers: «Droht eine Weltwirtschaftskrise II? Oder stehen die Aktienbörsen vor einem neuen Aufschwung wie 1995?» Der zweite Teil der Frage ist inzwischen beantwortet, und die Antwort auf den ersten Teil, ich habe es bereits in den letzten Kolunmen angedeutet, lautet: «Ja die Weltwirtschaftskrise II steht vor der Tür!»
Nach dem Etatentwurf der amerikanischen Regierung für den Haushalt 2004 und den Projektionen bis 2008 soll die US-Wirtschaft wunschgemäss bis 2008 um durchschnittlich 3,3% pro Jahr wachsen. Fällt das US-Wachstum nur um einen halben Punkt niedriger als geplant aus, würde in den kommenden 10 Jahren kumuliert ein Defizit von 1.200 Milliarden Dollar im Haushalt entstehen. Dabei sind die Kosten eines eventuellen, aber wahrscheinlichen Irak-Krieges (100 bis 200 Milliarden Euro) noch nicht einmal eingerechnet. Der Chefökonom von Morgan Stanley, Stephen Roach, hält eine Deflation nach wie vor für das grösste Risiko für die Weltwirtschaft. Er glaubt, China werde als neuer Machtfaktor die deflationären Tendenzen in der Welt verstärken … Ich könnte Ihnen noch eine Reihe weiterer renommierter Ã-konomen präsentieren, die ähnlich pessimistisch sind. In einer Zeitungsanzeige, und dies ist beispiellos in der jüngeren US-Geschichte, verurteilen über 400 Ã-konomen die Bush-Steuerpläne, halten sie für schädlich und sozial ungerecht und nennen sie «fiskalischen Wahnsinn». Die Anzeige wurde in der New York Times veröffentlicht, und zu den bekanntesten Unterzeichnern gehören eine Reihe von Nobelpreisträgern. Stellen Sie sich als Anleger auf die Eventualität einer Weltwirtschaftskrise ein, sie würde einen Rückschritt in der Globalisierung bedeuten und könnte die Aktienmärkte noch einige Jahre belasten. Seien Sie misstrauisch bei all den politischen Absichtserklärungen, bei denen der Wunsch Vater des Gedankens ist. Das gilt auch für die deutschen Politiker (erinnern Sie sich an die Prognose des vorigen Wirtschaftsministers Müller von 3,0% Wachstum in diesem Jahr?), und schenken Sie Studien wie von Merrill Lynch «Warum Deutschland Deflation braucht und sie wahrscheinlich auch bekommt» durchaus Beachtung. Für den Chefstrategen Cesar Molinas wäre eine Deflation die plausibelste Lösung, um die innerhalb der europäischen Währungsunion zu Lasten der deutschen Wirtschaft entstandenen Ungleichgewichte zu beseitigen.
Es könnte also auf den deutschen Aktienmärkten vorrübergehend noch kräftig abwärts gehen; Die Welt veröffentlichte die Meinung von 32 führenden Investmentbanken, wonach der Dax noch bis 2.416 abrutschen könnte. Einige Chartanalysten sehen den Dax sogar unter 2.000 Punkten. Bleiben Sie ruhig und geduldig, und legen Sie Ihre Kauflimits in den Markt, wobei Sie im Falle von Allianz (65 Euro), Siemens (31 Euro) oder Daimler (25 Euro) also auch bei sogenannten Value-Aktien äusserst geizig sein sollten bei der Festlegung der Kauflimits. Für Panikreaktionen ist es jetzt zu spät. Im Februar 2001 habe ich bereits unter dem Titel «If you panic - please panic first!» darauf hingewiesen.
Lassen Sie sich von der plumpen Augenwischerei einiger Analysten und Investmentbanken nicht beirren, die behaupten, die amerikanischen Aktien seien erheblich preisgünstiger als die europäischen, und ausserdem wäre der Dollar nach wie vor die solideste Weltreservewährung. Erstens müssen Sie mit einer kräftigen Abwertung des Dollars rechnen (20 bis 30%), und ausserdem sind amerikanische Aktien nach wie vor teuer. Es stimmt, dass das KGV der Aktien des Standard & Poors 500 mit dem 16-fachen der für 2003 geschätzten Gewinne notiert und damit ungefähr auf dem Niveau der langjährigen Bewertung liegt. Sie sollten aber wissen, die langfristige Gewinnbewertung bezieht sich auf die nach der US-GAAP berechneten Gewinne, während es sich bei 2003 um die sogenannten operativen Gewinne handelt. Mit anderen Worten beide Gewinne sind nicht vergleichbar. Ein Beispiel: Der operative Gewinn der Unternehmen im S&P 500 ist seit Ende 1997 um 22% gestiegen, während der Gewinn pro Aktie um 3% zulegte. Dies hängt mit den ausgeübten Mitarbeiteroptionen zusammen, sie sollten eigentlich als Kosten in die G&V Rechnung Eingang finden, was bei der Berechnung der operativen Gewinne nicht geschieht (sie werden nur um einmalige Posten bereinigt). Aber vielleicht lieben die Anleger die Illusion, und mögen die «Inflation bei der Aktienausgabe», ebenso wie sie das Drucken von Geld durch Alan Greenspan & Co. lieben. Damit keine Unklarheiten entstehen: Wir werden uns noch 6 bis 12 Monate in einem Deflationsszenario bewegen und anschliessend riskieren wir eine Inflationsdekade wie in den 70er Jahren. Sowohl die japanische als auch die amerikanische Notenbank haben dazu die Voraussetzungen geschaffen. Einzige Ausnahme ist bisher die EZB. Aber die Gretchenfrage ist hier: «Wie lange hält sie diesen Druck noch aus?» Schliesslich hat zum Beispiel seit dem Jahr 2000 die Bank of Japan die monetäre Basis (=das direkt von ihr kontrollierte Geldangebot) um fast 50% erhöht, und bei den Amerikanern war das Geldwachstum um 10% kräftiger als das nominale Wachstum des Bruttosozialproduktes.
Bei Ihrer Asset Allocation berücksichtigen Sie in Zukunft mehr und mehr auch das physische Gold. Bisher hatte ich 3 bis 5% empfohlen, ich glaube Sie sollten den Anteil langsam anheben und von der augenblicklichen Schwäche des Goldes (360 bis 350 Dollar die Feinunze) profitieren. Auf dem im übrigen völlig ausgebuchten Goldbrief-Seminar (Weltfinanz- und Rentensystem vor dem Kollaps) in München Ende Januar wurde überzeugend an Hand von Charts dargelegt, dass es bei der Inflation im ganzen letzten Jahrhundert mehrere Zyklen gab, wobei vor jeder Inflationswelle ausnahmslos ein enormer Anstieg der Geldmengenzuwachsrate p.a. vorausging. Wenn ich Ihnen wie bisher Gold in physischer Form empfehle und nicht in Goldminen-Aktien, dann aus einem ganz einfachen Grund: Ich kann mich erinnern, dass beim Oktober- Crash 1987 Goldminen-Aktien genauso wie die anderen Aktien einbrachen.
Halten Sie nach wie vor 70 bis 80% in Cash und Triple A Kurzläufern, ein Krieg im Irak könnte an den Aktienbörsen Panik auslösen, und da müssen Sie zugreifen; denn die nächste Erholung, es wäre die dritte im Bärenmarkt 2000 bis 2014, kommt bestimmt und könnte sehr kräftig ausfallen. Nur wer in diesem Trading-Markt seine Chancen ausnutzt, kann nicht nur sein Kapital erhalten, sondern auch vermehren. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!
Roland Leuschel
13.02.2003

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