- Malil-Newslwtter vom 18.2.2003 - QuertreiBär, 18.02.2003, 22:51
- muß natürlich heißen: Malik-Newsletter - QuertreiBär, 18.02.2003, 22:52
- Re: muß natürlich heißen: Malik-Newsletter / da er vom 15.02. ist,.... - - ELLI -, 18.02.2003, 23:01
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - -- ELLI --, 18.02.2003, 23:05
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - daxput, 18.02.2003, 23:26
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - - ELLI -, 18.02.2003, 23:40
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - daxput, 18.02.2003, 23:52
- ähnlich wie einem Deja Vu.... (owT) - daxput, 18.02.2003, 23:53
- Die meisten »Zufälle« sind alles andere als unwahrscheinlich - HB, 19.02.2003, 00:02
- Re: Die meisten »Zufälle« sind alles andere als unwahrscheinlich - QuertreiBär, 19.02.2003, 00:25
- Re: Vollmond? Senile Bettflucht?! ;-) (owT) - JLL, 19.02.2003, 00:32
- noch so ne Geschichte - SchlauFuchs, 19.02.2003, 08:33
- Dazu passt auch das Folgende - silvereagle, 19.02.2003, 12:51
- Re: Und auch das: - dottore, 19.02.2003, 13:05
- Re: Die meisten »Zufälle« sind alles andere als unwahrscheinlich - QuertreiBär, 19.02.2003, 00:25
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - daxput, 18.02.2003, 23:52
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - - ELLI -, 18.02.2003, 23:40
- Re: Faszinierend! wer kann mir das erklären??? - daxput, 18.02.2003, 23:26
- muß natürlich heißen: Malik-Newsletter - QuertreiBär, 18.02.2003, 22:52
Die meisten »Zufälle« sind alles andere als unwahrscheinlich
-->Walter Krämer in"Denkste!":
....................................
Zufall und Wahrscheinlichkeit
»Es ist wahrscheinlich, daß das Unwahrscheinliche geschieht.«
Aristoteles
Die meisten »Zufälle« sind alles andere als
unwahrscheinlich
Ein Zufall ist ein Ereignis, das äußerst unwahrscheinlich ist. Die-
ser populären Sicht der Dinge schließe ich mich vorerst einmal
an. Wenn am 8. 8. des Jahres 1988 die Freibäder von München
den 888.888. Besucher zählen, so ist das ein Zufall, und eine Mel-
dung in der Zeitung wert. Und noch größer wird der Zufall,
wenn der Besucher 8 oder 88 ist und in der Achtenwalder Straße
18 wohnt.
Solche Zufälle passieren uns nur selten. Aber sie passieren. Der
Franzose C. Flammarion berichtet von einem Messieur De-
schamps, der einmal als Knabe von einem Messieur de Fontgibu
einen Plumpudding erhält. Zehn Jahre später sieht besagter De-
schamps einen Plumpudding in einem Pariser Restaurant; er will
ein Stück davon bestellen, aber der Plumpudding ist bereits be-
stellt, und zwar von Messieur de Fontgibu. Viele Jahre später
wird Deschamps zu einem Plumpudding geladen, wobei er be-
merkt, jetzt fehle nur noch Fontgibu. Darauf öffnet sich die Tür,
und ein uralter, desorientierter Greis tritt ein: Messieur de Font-
gibu. Er hatte sich in der Adresse geirrt und war rein zufällig in
dieses Haus geraten (nach C. G. Jung).
Oder ein Mann mit Namen George D. Bryson mietet sich in
einem Hotel in Louisville, Kentucky ein, und bekommt das Zim-
mer 307. Darin angekommen, findet er einen Brief, adressiert an
George D. Bryson, Zimmer 307. Reichlich verstört fragt er an der
Rezeption, wie das geschehen könne - niemand wisse, wo er sich
befinde, und erst recht hätte doch niemand vorher seine Zimmer-
nummer kennen können - wobei sich herausstellt, daß der ei-
gentliche Adressat des Briefes, ein George D. Bryson aus Mon-
treal, der vorher dieses Zimmer innehatte, soeben abgefahren war
(nach A. K. Dewdney).
Oder zwei weder verwandte noch verschwägerte Soldaten
werden in das gleiche Lazarett gebracht. Sie sind beide 19 Jahre
alt, haben beide eine Lungenentzündung, kommen beide aus
Schlesien, dienen beide als Freiwillige in einer Transportkompa-
nie und heißen beide Franz Richter (nach Paul Kammerer).
Oder eine kürzlich aus Tschechien nach Deutschland übersie-
delte Frau mit Vornamen Janina, Mutter zweier Kinder, telefo-
niert mit ihrer Freundin Eva in Prag, Mutter dreier Kinder, zum
zweiten Mal verheiratet. Die beiden reden etwa zehn Minuten,
dann kommen Janina doch Bedenken, sie habe sich verwählt.
Und sie hat sich tatsächlich verwählt. Aber die Dame am anderen
Ende der Leitung heißt tatsächlich Eva, hat drei Kinder, ist zum
zweiten Mal verheiratet, und eine ihrer Freundinnen namens Ja-
nina ist kürzlich mit zwei Kindern nach Deutschland ausgereist
(berichtet eine meiner Studentinnen, die Tochter von Janina).
Solche Zufälle erstaunen und amüsieren uns immer wieder.
Oft betreffen sie so wie oben gleiche Zahlen, Namen und Begrif-
fe, oft auch Dinge, die wir nach langer Zeit und völlig unverse-
hens Wiedersehen, so wie die handgemalte Wandtapete, die der
große Carl Zuckmayer, nachdem sie ihm im österreichischen Exil
im Gasthof des Carl Mayr bei Salzburg zum ersten Mal begegnet
war, nach langen Jahren in einer amerikanischen Intellektuellen-
villa wiederfindet: »Viele Jahre nach meiner Flucht aus dem be-
setzten Ã-sterreich«, schreibt er in Als wär's ein Stück von mir,
»wurde ich drüben in Amerika einmal von Freunden aus meiner
Vermonter Farm- und Waldeinsamkeit weggeholt, um einen
amerikanischen Schriftsteller kennenzulernen, der sich einige
kleine Autostunden weit in einer Ortschaft des alten, kolonialen
Neu-England angesiedelt hatte.« Nach einer ausgiebigen Haus-
besichtigung und nach langem Drängen Zuckmayers schließt
dieser ein unbeheiztes und deshalb nicht bewohntes letztes Gar-
tenzimmer auf, worin fein säuberlich an der Wand verklebt die
Originaltapete aus Salzburg hängt, »als hätte Carl Mayr soeben
den letzten Farbtupfen aufgesetzt«.
»War die schon immer hier?« fragt Zuckmayer und erfährt,
daß es von diesem Stück weltweit nur drei Exemplare gibt. »Die-
se da war nach Europa verkauft worden und wurde durch einen
Kunsthändler vor ein paar Jahren nach Amerika zurückverkauft.
Zuletzt kam sie aus Osterreich.«
»Dies ereignete sich ungefähr um die Zeit, als Carl Mayr in
Henndorf starb«, schreibt Zuckmayer. »Mir ist aber, als hätte ich
ihn vorher noch in seinem Gartenzimmer besucht.«
Solche unverhofften Wiedersehen werden uns in diesem Kapi-
tel noch mehrmals beschäftigen. Hier gleich noch ein paar weite-
re:
Ein amerikanischer Soldat, aus dem Ersten Weltkrieg heimge-
kehrt, findet am Strand von Brooklyn eine angeschwemmte
Waschbürste - eigentlich nichts besonderes, aber es war seine ei-
gene, die gleiche, die mehrere Jahre zuvor mit einem Truppen-
transporter und zahlreichen Kameraden des Soldaten nach einem
deutschen U-Boot-Angriff vor der französischen Atlantikküste
untergegangen war (nach P. G. Crean). Oder eine Mutter aus dem
Schwarzwald läßt ihren vierjährigen Sohn photographieren. Den
Film bringt sie nach Straßburg zum Entwickeln, dann bricht der
Erste Weltkrieg aus - sie holt den Film nicht ab. Zwei Jahre später
kauft sie in Frankfurt einen neuen Film, um ihre inzwischen ge-
borene Tochter aufzunehmen. Jedoch erweist sich der Film als
doppelt belichtet, und auf der ersten Aufnahme ist niemand an-
derer zu sehen als ihr zwei Jahre vorher photographierter Sohn.
(Offenbar war der alte, in Straßburg vergessene und nicht ent-
wickelte Film auf irgendeine Weise wieder in den Handel geraten;
nach C. G. Jung). Oder ein seekranker Nordseefahrer übergibt
den Wellen mit seinem Mageninhalt auch noch sein künstliches
Gebiß; einige Monate später erhält er es aus dem Magen eines Ka-
beljaues unter großer Anteilnahme aller Medien zurück (so ge-
schehen in Holland Ende 1994), oder die auf einem Flohmarkt
gekaufte Tabaksdose mit der eingravierten Inschrift »Falls gefun-
den, bitte zurückgeben an XY« landet ausgerechnet bei dem Nef-
fen von XY, und so weiter.
Vermutlich hat so mancher Leser dieser Zeilen zu solchen
Wiedersehen wie auch zu anderen Zufällen seine eigene Ge-
schichte. Ich selbst z.B. lese in Der Teufel in der Wissenschaft von
Gerhard Prause und Thomas von Randow über den berühmten
Lehrsatz von Fermat: Es ist unmöglich, eine ganzzahlige Potenz
größer als zwei einer natürlichen Zahl als Summe zweier ganz-
zahliger Potenzen darzustellen. Dieses Theorem war jahrhunder-
telang unbewiesen und umstritten und dient in diesem Buch als
Beispiel eines Irrtums in der Wissenschaft. Dann schlage ich die
Zeitung dieses Tages auf und lese: »Mathe-Rätsel jetzt gelöst -
Als Beglückung empfinden führende Mathematiker auf der Welt,
daß das wohl bekannteste Rätsel der Mathematik jetzt gelöst ist
... Nachdem Generationen von Profi- und Amateur-Mathemati-
kern an der strengen Beweisführung gescheitert waren, gelang
dem Briten Wiles die Verifizierung des Fermat'schen Theorems.«
Da mußte ich mich dann doch sehr wundern, und habe lange
über diesen Zufall nachgedacht.
Viele Menschen sehen nun hinter solchen Zufällen nicht den Zu-
fall, sondern ein System. Zuckmayer etwa scheint zu glauben,
Gott im Himmel selber hätte ihn von Carl Mayr aus Salzburg
grüßen wollen - »gleichsam von einer Fährte gezogen, bestand
ich darauf, ihn [den Raum mit der Tapete] zu sehen.« Der Biologe
Paul Kammerer, ein großer Sammler von Zufällen aller Art, ver-
mutete dahinter ein »Gesetz der Serie« als einen »Ausdruck des
Beharrungsgesetzes der in seiner Wiederholung mitspielenden
Objekte«, der große Psychologe C. G. Jung eine »Gleichzeitig-
keit zweier verschiedener psychischer Zustände« und der Philo-
soph Arthur Schopenhauer eine »Gleichzeitigkeit des kausal
Nichtzusammenhängenden, das man ›Zufall‹ nennt«, die er
durch unsichtbare Querverbindungen zwischen verschiedenen
Schicksalen zu erklären sucht. »Alle Ereignisse im Leben eines
Menschen ständen demnach in zwei grundverschiedenen Arten
des Zusammenhangs«, schreibt er: »erstlich, im objektiven, kau-
salen Zusammenhang des Naturlaufs; zweitens, in einem subjek-
tiven Zusammenhange, der nur in Beziehung auf das sie erleben-
de Individuum vorhanden und so subjektiv wie dessen eigene
Träume ist...«
Über diese Theorien will ich hier auch überhaupt nicht rich-
ten. Ob sie das wahre Leben gut oder schlecht beschreiben, ob sie
reine Hirngespinste oder echte Fortschritte in unserem Weltver-
ständnis sind, lasse ich einmal dahingestellt. Wichtig für unsere
Zwecke ist allein, daß wir diese Theorien für die Erklärung un-
wahrscheinlicher Ereignisse überhaupt nicht brauchen. Denn bei
aller wohlverdienten Verblüffung: all die oben aufgeführten wun-
dersamen Ereignisse sind bei näherem Hinsehen weit weniger
verwunderlich, als sie uns zunächst erscheinen; selbst wenn sich
alle diese seltsamen Geschehnisse genauso zugetragen haben soll-
ten wie berichtet, ist das dennoch weit weniger erstaunlich als die
meisten glauben, und auch ohne das Wirken Gottes, ohne
»Querverbindungen zwischen verschiedenen Schicksalen« und
ohne die »Gleichzeitigkeit verschiedener psychischer Zustände«
sehr leicht zu erklären.
Wenn etwa Kammerer sich wundert, daß jemand in der
Straßenbahn eine Fahrkarte bekommt mit der gleichen Nummer
wie sein Theaterticket für den Abend, und am gleichen Tag zu
Hause angerufen wird von jemand mit nochmals der gleichen
Nummer, so finde ich das überhaupt nicht wunderlich. Derglei-
chen Dinge sollte man im Gegenteil sogar erwarten. Natürlich
würde ich mich sehr erstaunen, wenn das mir selbst geschähe;
aber daß es irgendjemandem irgendwann einmal geschieht, ist al-
les andere als unwahrscheinlich.
Genauso ist es äußerst unwahrscheinlich, daß sich zwei Men-
schen namens Richter in der von Kammerer beschriebenen Weise
in ihrem Leben erstmals treffen. Aber daß in irgendeinem Laza-rett
des ersten Weltkriegs irgendwelche zwei Verwundete irgend-
ein Leiden, irgendeinen Nachnamen und irgendein Geburtsjahr
gemeinsam haben, ist eine ganz andere Sache; das ist alles andere
als unwahrscheinlich, das ist fast schon zu erwarten.
Sehen wir uns die Wahrscheinlichkeit eines solchen unwahr-
scheinlichen Geschehens an einem Vorfall einmal an, der mir sel-
ber gestern zugestoßen ist: »Bald glaube ich an UFOs«, sagt mei-
ne Frau zu mir, als ich von der Universität nach Hause komme.
Ihr war die Glühbirne der Küchenlampe durchgebrannt, und
gleich darauf auch noch die Lampe in der Flurleuchte. »Und
dann schalte ich die Treppenhausbeleuchtung ein«, berichtet sie,
»und - blups - geht die Lampe auch kaputt.«
Da sie aber eine erste Fassung dieses Kapitels schon gelesen
hatte, hat sie diese Affäre dann doch als belanglos abgetan.
Dann setzen wir uns zum Abendessen nieder, und - blups -
brennt die Eßtischlampe durch. Und als ich zufällig später vor
die Haustür sehe, ist auch die Außenlampe durchgebrannt.
Also doch ein UFO?
Inklusive aller Schreibtisch-, Garagen-, Nachttisch-, Badezim-
mer- und Was-weiß-ich-noch-Lampen haben wir rund dreißig
Glühbirnen im Haus. Daß fünf oder mehr davon an einem einzi-
gen Tag durchbrennen, ist zwar sehr unwahrscheinlich - wenn je-
de Birne im Mittel ein Jahr hält, geschieht das nur mit einer
Wahrscheinlichkeit von etwa einem tausendstel Prozent (für Ex-
perten: ich habe dazu einmal etwas weltfremd unterstellt, daß die
dreißig Glühbirnen unabhängig voneinander und je mit Wahr-
scheinlichkeit eins zu siebenhundert an einem konkreten Tag
durchbrennen) -, aber daß dies irgendwann, an irgendeinem Tag
einmal geschieht, ist viel wahrscheinlicher: binnen der neun Jah-
re, die wir schon das Haus bewohnen, mit einer Wahrscheinlich-
keit von rund drei Prozent - nicht so viel, daß meine Frau und ich
uns hätten sagen müssen: »Na endlich, das wird aber Zeit«, aber
auch nicht so wenig, um deshalb gleich Poltergeister oder UFOs
zu bemühen (eine noch viel bessere Erklärung ist natürlich, daß
die Glühbirnen wegen einer Überspannung alle zusammen aus-
gefallen sind).
Selbst das Erlebnis des Herrn Bryson ist so gesehen recht all-
täglich. Wenn wir einmal grob gerechnet unterstellen, daß ein
Amerikaner im Durchschnitt zehn Landsleute mit dem gleichen
Namen, Vornamen und gegebenenfalls auch Mittelnamen hat,
und daß pro Jahr alle Hotelbetten der USA zusammen rund
zwanzig Millionen Mal den Besitzer wechseln, so haben bei ei-
nem konkreten Besitzerwechsel nur mit einer Wahrscheinlichkeit
von eins zu zwanzig Millionen Vorgänger und Nachfolger den
gleichen Namen. Aber bei zwanzig Millionen Besitzwechseln
pro Jahr steigt die Wahrscheinlichkeit dafür schon auf über sech-
zig Prozent, wie man unter gewissen Annahmen bezüglich der
Häufigkeit der Namen leicht ausrechnet, und über mehrere Jahre
hinweg können wir einen solchen »Zufall« fast mit Sicherheit er-
warten.
Genauso wären vermutlich sowohl Sie wie ich über einen
Haupttreffer im Lotto mehr als überrascht; die Wahrscheinlich-
keit dafür beträgt rund l zu 14 Millionen, und daß dies ausge-
rechnet mir passiert, ist äußerst unwahrscheinlich.
Trotzdem - irgendwem passiert es immer. Fast jedes Wochen-
ende hat jemand sechs Richtige im Lotto. Mit anderen Worten,
ein Ereignis, das nur ganz selten einem selbst begegnet, begegnet
irgendjemandem mit großer Sicherheit.
Damit haben wir auch schon einen der häufigsten Trugschlüsse
zu Wahrscheinlichkeiten aufgespürt: »Weil etwas für mich selber
unwahrscheinlich ist, muß es generell sehr unwahrscheinlich
sein.« Stattdessen muß man immer fragen: »Wie wahrscheinlich
ist es, daß es mir passiert?« und »Wie wahrscheinlich ist es, daß es
irgendwem passiert?« Die erste Wahrscheinlichkeit ist in der Re-
gel klein, und deshalb sind wir im Eventualfall auch zu Recht
sehr überrascht. Die zweite Wahrscheinlichkeit ist dagegen sehr
viel größer, und oft sogar so groß, daß wir das fragliche Ereignis
so wie einen Haupttreffer im Lotto fast mit Sicherheit erwarten
können.
Parapsychologie und Todesträume
Ein gutes Beispiel für scheinbar unwahrscheinliche, aber bei
näherer Betrachtung fast schon sichere Ereignisse sind die
berühmten Todesträume. Jemand träumt, daß jemand anders
stirbt - und der andere stirbt. »Einer meiner Bekannten sieht und
erlebt im Traum den plötzlichen und gewaltsamen Tod eines
Freundes, mit charakteristischen Merkmalen«, schreibt C. G.
Jung. »Der Träumer befindet sich in Europa und sein Freund in
Amerika. Ein Telegramm am nächsten Morgen bestätigt den Tod
und ein Brief etwa zehn Tage später die Einzelheiten...«
Oder der Schauspieler Alec Guinness, zu Besuch in Hol-
lywood, bekommt das neue Auto von James Dean gezeigt. »Ich
weiß nicht wieso, aber das Auto gefällt mir nicht«, sagt Alec
Guiness zu James Dean. »Fahre besser nicht damit. Sonst bist Du
nächste Woche tot.« Und wie wir wissen, war James Dean die
nächste Woche tot.
Solche Ereignisse seien derart unwahrscheinlich, so Jung, daß
der Zufall als Erklärung ausscheide und man nach anderen Ursa-
chen suchen müsse, etwa den von Jung propagierten »akausalen«
oder »telepathischen« Koinzidenzen, welche quasi als Verbin-
dungsfenster für mehrere von Jung vermutete parallele Welten
dienen, in denen wir Menschen, von unseren parallelen Existen-
zen nichts wissend, gleichzeitig und mehrfach existieren. So soll
etwa der französische Psychologe Dariex errechnet haben, daß
die Wahrscheinlichkeit einer »telepathischen« Todeswahrneh-
mung nur eins zu vier Millionen betrage, woraus Jung dann
schließt, daß »die Erklärung eines derartigen Falles als Zufall...
mehr als viermillionenmal unwahrscheinlicher [ist] als die ›tele-
pathische‹ bzw. als die akausale, sinngemäße Koinzidenz«.
Dieses Argument ist aber falsch. Selbst wenn wir die Dariex-
sche Wahrscheinlichkeit einmal gelten lassen, und uns auch an ih-
rer seltsamen Behandlung durch Jung nicht weiter stören - diese
Zahl ist kein Beweis für Telepathie. Im Gegenteil. Wenn wir die
eins zu vier Millionen einmal so interpretieren, daß ein Todesfall
unter vier Millionen von jemand anderem geträumt wird, so kön-
nen wir bei neunhunderttausend Todesfällen jedes Jahr in
Deutschland alle vier bis fünf Jahre mit einer solchen wundersa-
men Ahnung rechnen.
Vermutlich gibt es aber »wahre« Todesträume noch viel öfter.
Wenn wir einmal sehr vorsichtig schätzen, daß jeder Bundesbür-
ger im Durchschnitt einmal im Leben vom Tod eines anderen,
ihm oder ihr bekannten Menschen träumt, kommen bei achtzig
Millionen Menschen in Deutschland pro Nacht mehr als zwei-
tausend Todesträume vor - ungefähr so viele wie tatsächlich
Menschen sterben. Wenn wir weiter einmal unterstellen, die Op-
fer in den Todesträumen wären zufällig unter allen Bundesbür-
gern ausgewählt, so beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß minde-
stens ein Todesfall eines bestimmten Tages in der Nacht zuvor
von jemand anderem geträumt wird, rund acht Prozent, was pro
Jahr an durchschnittlich dreißig Tagen eine wahre Todesahnung
produziert.
Diese Todesahnungen sind aber ein lupenreines Produkt des
Zufalls und haben mit übersinnlichen Wahrnehmungen oder mit
irgendeiner Vorsehung nicht das mindeste zu tun. Sie sind so
häufig oder selten wie zweiköpfige Kälber, Tod durch Blitzschlag
oder Schnee im Juni - in einem konkreten Einzelfall sehr un-
wahrscheinlich, aber irgendwann und irgendwo mit Sicherheit zu
finden.
In Wahrheit sind die nur durch Zufall wahren Todesträume
vermutlich sogar noch häufiger als oben ausgerechnet. Denn in
dieser Rechnung habe ich angenommen, die Todesträume wären
zufällig auf alle achtzig Millionen Bundesbürger verteilt; außer-
dem habe ich nur solche Träume gezählt, deren »Opfer« gleich
am nächsten Tag versterben, und angenommen, daß jeder
Mensch im Mittel nur einmal im Leben vom Tode eines anderen
träumt. Wenn wir zusätzlich noch erlauben, daß Menschen viel-
leicht mehr als einmal im Leben Todesträume haben, oder daß
Menschen in Lebensgefahr öfter in den Todesträumen ihrer Mit-
menschen auftreten als andere, und wenn wir auch solche To-
desträume mitzählen, deren »Opfer« erst binnen einer Woche
oder binnen eines Monats nach dem Traum versterben, so wer-
den wahre Todesträume nochmals häufiger; sie werden sozusa-
gen fast alltäglich, so selten wie Regen im April.

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