- Die Briten mögen Blair nicht mehr: Dafür wird er teuer bezahlen - stocksorcerer, 19.02.2003, 16:54
Die Briten mögen Blair nicht mehr: Dafür wird er teuer bezahlen
-->SPIEGEL ONLINE - 19. Februar 2003, 15:52
URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,236845,00.html
Briten gegen Blair
"Dafür wird er teuer bezahlen"
Von Michael Sontheimer, London
Tony Blair lässt sich von einer Million Anti-Kriegsdemonstranten in London ebenso wenig beeindrucken wie von der immer lauter werdenden innerparteilicher Opposition. Trotzig hält er an seinem Kriegskurs fest - und ist dabei, nicht nur seine eigene politische Karriere zu ruinieren, sondern die gesamte Labour Party.
London - In den Tagen nach der größten Demonstration in der britischen Geschichte dominiert der Millionenmarsch noch immer das Stadtgespräch."Blair will einfach nicht zuhören", ärgerte sich ein Mann in einem Zeitungsladen in Nord-London. Ein anderer Kunde stimmte ihm zu, nicht ohne anzufügen:"Aber dafür wird er noch teuer bezahlen." Eine ältere Lady prophezeite:"Im Sommer haben wir einen neuen Premierminister."
So unpopulär wie in diesen Tagen war Tony Blair noch nie. Sämtliche Meinungsumfragen zeigen, dass der einst überaus beliebte Premierminister mit seinem Kriegskurs und der engen Allianz mit George W. Bush seine Popularitätsmarken auf einen historischen Tiefstand gebracht hat. Und erstaunlicherweise legt es der sonst ängstlich auf die Demoskopie schielende Blair ganz offenkundig darauf an, noch unpopulärer zu werden.
Während über eine Million Antikriegs-Demonstranten in London zum Hydepark marschierten, erklärte der Chef der Labour Party auf dem Parteitag in Glasgow den Delegierten, dass der Sturz Saddam Husseins ein"humanitärer Akt" sei. Da die meisten Briten sich nicht genügend von Saddam und seinen bislang unauffindbaren Massenvernichtungswaffen bedroht fühlen, versucht der Premier es jetzt mit Moralisieren. Hatte er bisher die Entwaffnung des Irak als Ziel benannt, predigt er nun im Stile eines eifernden Missionars den Regimewechsel. Die Befreiung der geknechteten Iraker ist demnach das Gebot der Stunde."Ich bitte die Demonstranten", so der Premier bei seiner letzten Pressekonferenz,"auch anderen Argumenten zuzuhören."
"Er ist ein mutiger Führer"
Das Zuhören wird allerdings nicht viel helfen, denn seit einem halben Jahr warnt Blair wie eine Gebetsmühle vor dem"bösen Tyrannen" Saddam, doch je öfter er sich wiederholt, umso mehr Briten lehnen seine Kriegspläne ab. Nach der letzten Meinungsumfrage billigen nur noch 49 Prozent einen Feldzug mit Uno-Mandat, ganze neun Prozent einen Alleingang Blairs mit seinem engsten Verbündeten George W. Bush.
"Er ist ein mutiger Führer", pries ihn der US-Präsident gerade wieder."Ich bin stolz, dass er ein Freund ist." Blair mag sich von solchen Lobpreisungen geschmeichelt fühlen, doch für sein Ansehen bei seinen Landsleuten sind sie Gift. Die Mehrheit der Briten nämlich, so haben Demoskopen ermittelt, sehen den US-Präsidenten schlicht als"Gefahr für den Weltfrieden".
Da bereits mindestens ein Drittel der 411 Labour-Abgeordneten im Unterhaus Blairs Kriegskurs offen ablehnen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann in seiner eigenen Partei eine offen Revolte ausbricht. Doch für Blair ist das Bündnis mit Bush offenbar wichtiger als das Schicksal der Labour Party.
Seit seinem Wahltriumph im Mai 1997 ist die Regierungspartei von über 400.000 Mitgliedern auf weniger als 270.000 geschrumpft. Ihre Schulden werden auf umgerechnet 10 bis 15 Millionen Euro geschätzt. Immer mehr Gewerkschaften haben ihre Spenden reduziert oder ganz eingestellt.
Schlechte Karten bei Kommunalwahlen
Falls Blair mit Bush und ohne die Uno in einen Krieg zieht, so schätzen Parteifunktionäre, würden mindestens noch einmal ein Drittel der verbliebenen Mitglieder der traditionsreichen Partei den Rücken kehren.
Vor diesem Hintergrund rechnen Parteifunktionäre damit, dass sie bei den Kommunalwahlen am 1. Mai rund 500 Sitze verlieren werden. Besonders in umkämpften Gemeinden lassen sich keine Aktivisten mehr für den Wahlkampf mobilisieren.
Fatal für Blair und seine Regierung ist auch, dass sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt haben. Zu oft haben ihre"spin doctors" genannten PR-Leute, allen voran der einstige Boulevard-Journalist und heutige Kommunikatons-Chef in Downing Street, Alistair Campbell, manipuliert und gelogen - und sich dabei auch noch erwischen lassen.
Das zynischste Beispiel für den beständigen Versuch, die Medien und die öffentlichen Meinung mit allen Mitteln zu beeinflussen, lieferte die Regierung just am 11. September 2001, als die PR-Beraterin des Verkehrsministers Jo Moore folgende E-Mail absetzte:"Heute ist ein guter Tag, schlechte Nachrichten zu beerdigen." Erst nach Wochen und einer wütenden Medienkampagne wurde die skrupellose PR-Frau entlassen.
Man übt sich in Selbsttäuschung
Gefördert wird Blairs potenziell selbstmörderischer Kurs durch jenen traditionell verengten Blick der Medien und der politischen Klasse auf der Insel, der mit dem alten Spruch:"Nebel, der Kontinent ist abgeschnitten" am besten charakterisiert ist. Nicht willens und in der Lage über den Tellerrand der anglophonen Welt hinauszublicken, Europa weitgehend ignorierend, übt man sich beharrlich in Selbsttäuschung.
So hatte sich besonders die konservative Presse über die Wochen an der angeblichen internationalen Isolation der Regierungen in Paris und Berlin delektiert - bis Hans Blix und der Uno-Sicherheitsrat die Propagandisten auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Nur vier Tage später jedoch trompetete die"Sun" schon wieder:"Die Welt stellt sich gegen Frankreich."
Dass sich viel eher die Briten gegen Blair stellen, hat hingegen die"Guardian"-Kolumnistin Polly Toynbee, ein Freundin und treue Propagandistin des Premierministers erkannt. Sie hält seine"Blutsbrüderschaft mit Bush" für tendenziell tödlich und warnt:"Wenn Blair mit Bush und ohne die Uno in den Krieg zieht, geht er unter."
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....also muß wohl langsam etwas passieren, damit die UN auf Kriegskurs gebracht wird. Wahrschau CIA, Wahrschau SAS, Wahrschau wer auch immer. [img][/img]
winkääää
stocksorcerer

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