- Schwarzgeld: Mit Zuckerbrot und Peitsche /Fallbeispiele - doppelknoten, 23.02.2003, 22:22
Schwarzgeld: Mit Zuckerbrot und Peitsche /Fallbeispiele
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Mit Zuckerbrot und Peitsche will die Bundesregierung das Schwarzgeld aus dem Ausland zurückholen. Soll man oder soll man nicht?
von Alexander Busse
Justus Fischer-Zernin
Hamburg - Das Bundesfinanzministerium hat in dieser Woche die vorläufigen Eckdaten der so genannten Amnestie für Steuersünder veröffentlicht - und überall beginnt das Nachdenken: Der Finanzminister spekuliert, mit wie vielen Milliarden Euro die Steuersünder wohl die leeren Staatskassen füllen werden, und rechnet mit fünf. Die nervösen Steuerpflichtigen fragen sich: „Soll ich oder soll ich nicht?" Hier der aktuelle Stand der Dinge.
Wer bis Ende des Jahres sein Schwarzgeld meldet, soll mit einer einmaligen Zahlung von 25 Prozent auf dessen Wert am 1. Januar davonkommen. Bis zum 30. Juni 2004 kostet es dann 35 Prozent. Dies ist eine Zahlung auf das „inoffizielle" Vermögen per 1. Januar 2003, so dass dem reuigen Steuersünder fortan (nur) noch 75 Prozent des im Depotauszug per Ultimo 2002 ausgewiesenen (Schwarz-)Vermögens übrig bleibt.
Ob das ein fiskalisches Sonderangebot ist, hängt vom Einzelfall ab und lässt sich nur beurteilen, wenn man die 25-Prozent-Pauschalregelung mit der heute - und wieder ab Mitte 2004 - geltenden Lage vergleicht. Hinterzogene (Zins-)Erträge sind heute für einen Zeitraum von zehn - in der Praxis wegen zeitverzögerter Fristen meist zwölf - Jahren nachzuversteuern. Bereits dadurch kommen für den „einfachen Zinssünder", der gut verdient hat, Beträge zusammen, die spürbar über 25 Prozent liegen:
· Beispiel 1: Ein Anleger hat Ende 1992 umgerechnet 100.000 Euro nach Luxemburg getragen und dort „schwarz arbeiten lassen", also weder das Vermögen angerührt noch die Erträge abgezogen. Bei einem Durchschnittszins von sechs Prozent hat sich das Vermögen bis heute auf ungefähr 200.000 Euro verdoppelt. Zahlt der Anleger einen (Spitzen-) Steuersatz von 50 Prozent, sind über die Jahre Einkommensteuern von rund 56.000 Euro hinterzogen worden. Das entspricht 28 Prozent des Anfang 2003 vorhandenen Kapitals. Als Nachzahlung hinzu kommen die Steuerzinsen (6,0 Prozent pro Jahr).
Trotz erheblich unterschiedlicher Einzelfälle hat sich in der beratenden Praxis gezeigt, dass - abhängig von Anlage und Steuersatz - meist 25 bis 50 Prozent des noch vorhandenen Vermögens für Steuernachzahlungen draufgehen. Der jetzt im Zuge der Steueramnestie gewählte Satz von 25 Prozent liegt also an der Unterkante der Erfahrungswerte, ist damit oft aber kein „steuerliches Super-Sonderangebot".
Ganz anders sieht dies - wegen des Bewertungsstichtags 1. Januar 2003 - aus, wenn der Steuerpflichtige in den letzten Jahren der Börsenbaisse massive Vermögensverluste erlitten oder Schwarzgeld verbraucht hat:
· Beispiel 2: Wie im ersten Beispiel hat der Anleger bis 1999/2000 im Wesentlichen auf festverzinsliche Wertpapiere gesetzt. Dann aber konnte er dem Ruf der Aktienbörsen nicht widerstehen, hat weithin in Aktien umgeschichtet und dadurch massive Kursverluste hinnehmen müssen. Das Vermögen, das 1999 schon einmal 150.000 Euro betrug, ist dadurch wieder auf den ursprünglichen Wert von 100.000 Euro geschrumpft. Hier würden für die zinsstarken Altjahre (inklusive Steuerzinsen) Nachzahlungen von rund 35.000 bis 40.000 Euro fällig werden. Nach den Spielregeln der Steueramnestie sind aber nur 25.000 Euro (25 Prozent vom Restvermögen 2003) fällig. Dasselbe gilt, wenn das Schwarzgeld verbraucht ist. Die „normale" Nachzahlungspflicht nimmt darauf keine Rücksicht; die Amnestie schon: 25 Prozent nur auf das, was am 1. Januar dieses Jahres noch da war.
Sehr günstig wird es, wenn das „stille Vermögen" schon anfangs aus nicht versteuertem Geld stammt oder durch „Zuschüsse aus der Schwarzgeldkasse" aufgestockt worden ist. Hier kann es ohne die Neuregelung leicht zu Belastungen von 80 Prozent und mehr kommen.
Die Steueramnestie wird also voraussichtlich - aus individuell unterschiedlichen Gründen - im Vergleich zu den aktuellen Regelungen häufig deutliche Vorteile bieten. Aber Achtung: Die „Steuerschnäppchen-Saison" wird erst im Juli 2003 eröffnet. Wer heute schon die Nacherklärung abgibt, für den gelten noch die beschriebenen Normaltarife. Immer aber gilt: Wer vor der Meldung an das Finanzamt von der Steuerfahndung entdeckt wird, muss voll nachzahlen und überdies mit empfindlichen Strafen rechnen.
Zudem werden die Schwarzgeld-Steueroasen immer problematischer. Für die meisten EU-Staaten gibt es ein immer besser funktionierendes System des Informationsaustauschs zwischen den Finanzämtern; auch das Bankgeheimnis bröckelt allerorts. Ã-sterreich, Belgien und Luxemburg ziehen zwar noch nicht so recht mit, führen aber ab 2004 eine Quellensteuer auf Zinsen von 15 Prozent ein, die 2007 auf 25 Prozent und 2010 auf 35 Prozent ansteigt. Die Schweiz wird wohl nachziehen. Zwar wird es immer Länder geben, in denen Schwarzgelderträge quellensteuerfrei und ohne Meldung an den deutschen Fiskus erzielt werden können. Diese Schlupflöcher werden aber seltener und verlagern sich in politisch eher instabile Regionen - ist Guadeloupe wirklich ein sicherer Ort für eine Geldanlage? Bedenkt man schließlich auch, ob man das Schwarzgeldproblem seinen Erben hinterlassen möchte, so mag die Amnestieregelung selbst für bislang überzeugte Steuerhinterzieher attraktiv werden.
Für den Durchschnittssünder, der ohnehin nicht mehr ganz so gut schläft, ist der „25-Prozent-Befreiungsschlag 2003" eine echte Gelegenheit. Wer weiß, ob es so etwas noch einmal geben wird?
Die Autoren sind Anwälte für Steuerrecht bei Hammerstein und Partner in Hamburg.

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