- Al Dschasira ab März im Internet - stocksorcerer, 24.02.2003, 15:37
Al Dschasira ab März im Internet
-->Al Dschasira bietet ab März im Internet
die arabische Sicht der Dinge auf Englisch
24. Feb 13:16
Al Dschasira berichtet im Internet künftig in englischer Sprache. Die Chefredakteurin von AlJazeera.net, die Amerikanerin Joanne Tucker, tritt im Gespräch mit der Netzeitung Kritik an einseitiger Berichterstattung entgegen.
Von Florian Maass
«Die Berichte der US-Fernsehsender über den Irak-Konflikt sind doch reine Regierungs-Propaganda», beklagt Joanne Tucker. «Es gibt keine Hintergrundberichte, die Aufrüstung Husseins durch uns Amerikaner kommt nicht vor.» Die Informationslücke will die US-Bürgerin als Chefredakteurin des im März startenden englischsprachigen Online-Programms von Al Dschasira füllen. Im Sommer sollen dann alle Beiträge des arabischen Newsfernsehens mit englischem Voice-over dort verfügbar sein.
Auf der Suche nach dringend benötigten Werbegeldern versucht sich der bisher rein arabisch sendende Nachrichtenkanal aus Katar als Global Player. Ein englisches Vollzeit-TV-Programm folgt 2004. Der 1996 vom Emir Al Thani gegründet und finanzierte Sender sollte längst vom Geld des Regenten unabhängig sein. Sein Image erschwert das. Im arabischen Raum als Pionier des kritischen, unabhängigen Journalismus gefürchtet, ist der katarische Sender im Westen bisher als «Sprachrohr Bin Ladens» berüchtigt.
Klischeehafte Vorstellungen
Gut recherchierte Features über den Nahen und Mittleren Osten sollen sowohl das eigene Image als auch das der Region im Westen aufpolieren. «Nirgends auf der Welt gibt es eine so klischeehafte, falsche Vorstellung vom Nahen und Mittleren Osten wie in der westlichen Welt», beschreibt Tucker die Ausgangslage. «Gerade musste ich mir von einem holländischen Journalisten anhören, die ganze Region könne und wolle nur mit harter Faust regiert werden. Das ist nicht einfach falsch. Es ist das Gegenteil der Realität», ärgert sich Tucker. Sie ist überzeugt, dass es im Westen ein Bedürfnis nach tiefergehender Berichterstattung über die arabische Welt gibt. Von einem «sehr menschlichen» Standpunkt aus. Und aus Insidersicht.
Extra fürs Netz produzierte Filmbeiträge, Berichte über arabische Popkultur und Zeitgeist ergänzen die zentrale Politikberichterstattung. Tucker will aufklären über ein modernes, selbstbewusstes Arabien. «Auch hier wollen die Menschen selbstbestimmt und frei leben, eine Regierung wählen und abwählen können und die Innen- und Außenpolitik mitbestimmen. Doch der Westen geht davon aus, dass fundamentale Rechte für diese Region quasi von Natur aus nicht gelten.» Daher nehme etwa die US-Ã-ffentlichkeit die Haltung der Bevölkerung in den arabischen Ländern zum Irakkonflikt nicht ernst. «Die deutliche Mehrheit hier will keinen Krieg.»
Misstrauen gegen die USA
Verstanden fühlen sich die Menschen in der Region von der deutschen Regierung und den Friedensdemonstranten. «Wir berichten sehr ausführlich darüber. Es gibt den Menschen in der Region das Gefühl, nicht allein zu sein. Sie misstrauen den Motiven der US-Regierung. Zwanzig Jahre Erfahrungen mit amerikanischer Außenpolitik haben ihnen Saddam Hussein als Führer, Bürgerkrieg, Sanktionen und Leiden eingebracht- nicht Freiheit, Demokratie und die Möglichkeit, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.»
Al Dschasira lieferte laut Colin Powell den letzten Beleg für die Notwendigkeit eines Krieges. Mit der Ausstrahlung eines weiteren Bin Laden-Bandes, auf dem der Terrorchef die Moslems zur Verteidigung des Iraks aufrief. Colin Powell deutete das als Beleg der Kooperation zwischen Al Qaeada und Hussein. «Das ist an den Haaren herbeigezogener Unsinn», meint Tucker. «Wie die ganze amerikanische Kriegsrhetorik ist es ohne jede analytische oder sachliche Fundierung. Kein Wunder, dass eine Studenten-Seminararbeit der Kern der Argumentation vor dem UN-Sicherheitsrat war.»
Diskreditierung
Wird die Ausstrahlung der berüchtigten Bin Laden-Tapes redaktionsintern diskutiert? «Natürlich», sagt Tucker. «Wir überprüfen sie jedesmal auf Nachrichtenwert. Dieses Mal war es klar: Niemand wusste vorher, ob Bin Laden noch lebt. Dann ging es um das momentan bestimmende Thema, den Irak. Und die Haltung der Moslems dazu. Aber einige uns zugeschickte Bänder haben wir nicht ausgestrahlt.»
Die Darstellung Powells, er hätte von dem Band vor dessen Ausstrahlung gewusst, bestreitet sie. «Wir haben sie in der Nacht vor seiner Kongressrede ausgestrahlt.» Sie vermutet, dass die US-Regierung den Sender durch eine angebliche Zusammenarbeit beim arabischen Publikum diskreditieren will. «Wir geben keiner Behörde Bänder oder anderes Material», stellt sie klar. Einigen Arabern gelten die Mitarbeiter des Senders, seit er erstmals in der Region israelische Politiker zu Wort kommen ließ, als «Agenten Israels und der USA».
Im Palästina-Konflikt scheint die Berichterstattung tatsächlich parteiisch. Nur genau gegen die israelische Politik.
Märtyrer und Helden
Joanne Tucker, die bei der BBC in London lernte und sechs Jahre dort arbeitete, legt großen Wert auf faire Berichterstattung. Kein leichtes Anliegen in einer Region, in der palästinensische Selbstmordattentäter als Helden gelten. Auch im Nachrichtenblock Al Dschasiras werden sie «Dschahid» genannt. Märtyrer wäre eine mögliche Übersetzung. Oder eben Held.
«Jahid ist einfach die übliche arabische Bezeichnung für die Palästinenser, die ihr Leben für ihr Land oder ihre Religion opfern», erklärt Tucker.
Ungeprüfte Augenzeugenberichte
Während der Besetzung Dschenins durch die israelische Armee verkaufte Al Dschasira Augenzeugenberichte per Handy über Hunderte Tote unüberprüft als Nachricht. Joanne Tucker kann die Kritik nicht nachvollziehen: «Am Telefon war der Arzt des Krankenhauses. Ihm wurden Opfer in den Eingang geworfen. Aber er konnte sie nicht behandeln, denn die Isralis drehten ihm den Strom ab. In den westlichen Medien tauchte das nicht auf. Das ist doch der Skandal. Medienvertreter durften erst berichten, als Bulldozer alles weggeräumt hatten. Bis heute gibt es keine ernsthafte Untersuchung über Dschenin.»
Eine der BBC-Regeln lautet: Kein Thema zu seinem persönlichen Anliegen machen. Fair und neutral berichten. Gilt das auch für Al Dschasira, das gerade einen Kooperationsvertrag mit der BBC abschloss? «Absolut», meint Tucker. Aber ist der Sender nicht andererseits bemüht, ein Gegengewicht zur westlichen Berichterstattung zu schaffen? «Ja, genau das wollen wir», bestätigt die Amerikanerin ebenso sicher.
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winkääää
stocksorcerer
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