- Der Staat sind wir - Privatwirtschaft hilft Finanzminister bei Gesetzentwürfen - Popeye, 27.02.2003, 07:53
Der Staat sind wir - Privatwirtschaft hilft Finanzminister bei Gesetzentwürfen
-->Die Dresdner Bank und die Deutsche Börse helfen Hans Eichel
Mitarbeiter in das Finanzministerium entsandt / Konkurrenten fürchten Wettbewerbsverzerrung
rit. BERLIN, 26. Februar. Mitarbeiter der Dresdner Bank und der Deutschen Börse AG sind im Herbst vergangenen Jahres in das Bundesfinanzministerium (BMF) entsandt worden. Für die Dauer von zwei Jahren sollen sie die BMF-Mitarbeiter in den Referaten"Finanzmarktgesetzgebung" und"Börsen- und Wertpapierwesen, Finanzplatz Deutschland" unterstützen.
Dieser Vorgang ist in der deutschen Finanzwirtschaft nicht unumstritten: Mitarbeiter mit Wettbewerbsinteressen an ein Bundesministerium zu entsenden, das öffentliche Aufgaben wahrnehme, sei aus übergeordneten staatspolitischen Gesichtspunkten fragwürdig, lautet die Kritik. Manche Konkurrenten von Dresdner Bank und Deutscher Börse fürchten, daß hier möglicherweise zu ihren Lasten Einfluß auf den Gesetzgeber genommen werden könnte. Außerdem wird moniert, daß die beiden Mitarbeiter während der Entsendungszeit nicht vom BMF bezahlt werden.
Die Deutsche Börse bestätigte auf Anfrage, daß sie nach wie vor für das Gehalt ihres entsandten Mitarbeiters aufkommt. Dem Vernehmen nach bekommt die Dresdner Bank die Gehaltszahlungen für den nach Berlin delegierten Mitarbeiter, der zuletzt für Dresdner Kleinwort Wasserstein gearbeitet hat, von den privaten Banken ersetzt.
Nach Ansicht von Jörg Walter, Chef der Berliner Börse, ist dieses Vorgehen ordnungspolitisch sehr bedenklich. Es sei eine originär staatliche Aufgabe, die Interessen Deutschlands in EU-Finanzmarktfragen wahrzunehmen. Außerdem gerate die gebotene Neutralität des Finanzministeriums durch den Einfluß privater Unternehmen in Gefahr."Das sehen wir mit großer Besorgnis", sagte Walter dieser Zeitung. Außerdem fürchtet Walter, daß die bislang vertrauensvolle Zusammenarbeit der Regionalbörsen mit dem BMF wegen des direkten Einflusses der Deutschen Börse AG negativ berührt werden könnte.
Die Entsendungsaktion geht auf eine Initiative des Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Banken, Rolf Breuer, zurück: Ende Januar 2002 hat er Finanzminister Hans Eichel die Mitarbeit der Kreditwirtschaft bei Fachaufgaben des - in Finanzmarktfragen personell stark unterbesetzten - BMF angeboten. Und dieses Angebot hat Eichel dankend angenommen:"Im Interesse des deutschen Finanzplatzes sollten wir diese Möglichkeit intensiv nutzen", heißt es in dem Antwortbrief des Finanzministers an Breuer vom 20. März 2002.
Bei anderen Verbänden wie dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und dem Bundesverband Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken fiel Breuers Manöver freilich nicht auf fruchtbaren Boden:"Wir haben keine Mitarbeiter abgeordnet, denn ein solches Vorgehen entspricht nicht unserer Grundauffassung", sagte ein DSGV-Sprecher.
Der Verband deutscher Hypothekenbanken (VDH) sieht das Ganze hingegen positiv:"Dadurch können die Interessen der Kreditwirtschaft bei der Kapitalmarktgesetzgebung in Brüssel adäquater vertreten werden", sagte VDH-Hauptgeschäftsführer Louis Hagen dieser Zeitung.
Die Commerzbank hat niemanden in das BMF abgestellt, will die Aktion aber auch nicht in Bausch und Bogen verurteilen. Gleichwohl mahnte Commerzbank-Sprecher Ulrich Ramm:"Das Finanzministerium muß sehr genau darauf achten, daß es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt." Grundsätzlich stellte Ramm fest:"Unser Staat sollte es nicht nötig haben, fremdbezahlte Kräfte für sich arbeiten zu lassen."
Die Dresdner Bank wies den Vorwurf der Interessenkollision entschieden zurück:"Unser Mitarbeiter ist kein Lobbyist der Dresdner Bank", sagte Banksprecher Hartmut Knüppel. Es gehe vielmehr darum, dabei zu helfen, daß Gesetzentwürfe und Verwaltungsvorschriften, die die Kreditwirtschaft tangieren, möglichst unbürokratisch und kostenschonend umgesetzt werden können. Dabei sei die Materie oft so kompliziert, daß die Exekutive die entsprechenden Experten gar nicht vorhalten (geschweige denn bezahlen) könne. Im übrigen sei dies kein ungewöhnlicher Vorgang: Auch die staatliche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) werde von der Kreditwirtschaft finanziell stark unterstützt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2003, Nr. 49 / Seite 17

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