- Demokratie im Nahen Osten - Israels Kriegsziele - André, 05.03.2003, 23:22
Demokratie im Nahen Osten - Israels Kriegsziele
-->Artikel 2: Zeit-Fragen Nr. 8 vom 3. 3. 2003
Demokratie im Nahen Osten? - Israels Kriegsziele
von Stephen Sniegoski, USA
In seiner Rede vor dem neokonservativen American Enterprise Institute am 26. Februar sprach Präsident George W. Bush von einer Umwandlung des Nahen Ostens, welche durch die von Amerika initiierte Demokratisierung des Irak herbeigeführt würde. «Ein befreites Irak kann die Macht der Freiheit verdeutlichen, um diese wichtige Region umzuwandeln, indem man Millionen Menschen zu Hoffnung und Fortschritt verhilft», sagte er. Diese Botschaft erwärmte die Herzen seiner neokonservativen Zuhörer, da sie ja den Krieg befürwortet hatten als ein Mittel, um den ganzen Nahen Osten für einige Zeit zu verändern.
Eine Umwandlung der Region geht auch Hand in Hand mit den Ansichten, die von israelischen Regierungsbeamten vertreten werden. «Das Bagdad nach Saddam könnte eine Welle von weitreichenden Schockwirkungen auf Teheran, Damaskus und Ramallah auslösen», sagte Efraim Halevy, nationaler Sicherheitsberater des Premierministers Ariel Sharon, kürzlich in einer Rede in München. Er sagte weiter: «Wir hoffen auf eine grössere Stabilität, auf eine gesteigerte Zuversicht vom Persischen Golf bis zur Atlantikküste Marokkos.»1
Wahrscheinlich glaubt Präsident Bush wirklich an dieses Märchen von der Demokratie: Geplant ist ein «demokratischer» Irak - gleichzeitig versuchen die Vereinigten Staaten, die türkische Regierung mit dem Angebot zu bestechen, dass man ihr, wenn sie den Krieg unterstützt, territoriale Zugeständnisse in den von Kurden bewohnten Gebieten des nördlichen Irak machen würde. Aber würden die israelische Regierung (und ihre amerikanischen neokonservativen Anhänger) wirklich stabile, demokratische Regierungen im Nahen Osten wollen, wenn dies machbar wäre? Wohl kaum! Die ihre Völker vertretenden Regierungen des Nahen Ostens würden Israel gegenüber zumindest ebenso feindselig eingestellt sein wie die heute bestehenden Regime, und wahrscheinlich wären sie sogar noch feindseliger.
Stabile demokratische Regierungen wären in militärischer und diplomatischer Hinsicht wirksamere Gegenspieler des jüdischen Staates. Natürlich würde Israel jeden moralischen Glanz verlieren, den es jetzt noch hat, wenn die Regierungen anderer Staaten des Nahen Ostens demokratischer wären als Israel selbst, mit all seinen besetzten Gebieten. Es wäre schwieriger, dem diplomatischen Druck eines demokratischen Irak, Iran, Syrien und Saudi-Arabien zu widerstehen als dem leeren Geschwätz seiner gegenwärtigen nichtrepräsentativen autoritären Herrscher. Man könnte sicher Druck ausüben auf Israel, seine Massenvernichtungswaffen zu vernichten und die zahlreichen Uno-Resolutionen einzuhalten, die es gegenwärtig nicht befolgt. Die Demokratiemodelle des ganzen Nahen Ostens könnten dazu dienen, Israel selbst die Demokratie aufzuzwingen, was das Ende des Jüdischen Staates bedeuten würde.
Aber wie israelische Regierungsbeamte und amerikanische Neokonservative gut wissen, ist all dieses Gerede über Demokratie im Nahen Osten einfach ein flüchtiger Wunschtraum oder eine Vertuschung der Realitäten der Macht. Israelische Führungspersönlichkeiten jedoch hoffen sicher auf eine Umwandlung der ganzen Region. Wie der israelische Generalstabschef Moshe Yaalon es formuliert hat, würde ein Angriff auf Irak ein geopolitisches «Erdbeben» auslösen.2 Eine amerikanische Invasion und Besetzung des Irak würde infolge des bei den Massen verstärkten Anti-Amerikanismus den ganzen Nahen Osten destabilisieren. Pro-amerikanische Regime - wie Saudi-Arabien, Ägypten und die Golf-Emirate - müssen damit rechnen, gestürzt zu werden. Die Vereinigten Staaten könnten versuchen, die Ordnung durch militärische Mittel wiederherzustellen und Marionettenregierungen zu installieren. Auch würde der antiamerikanische Aufruhr in der Region die Vereinigten Staaten näher an ihren einzigen Verbündeten, das Israel der Hardliner, heranrücken.
Die Idee der Destabilisierung des Nahen Ostens ist ein Langzeitthema bei den israelischen strategischen Denkern, speziell bei den Rechten. Ein bedeutender Artikel, der diese These skizzierte, wurde von Oded Yinon formuliert und trug den Titel «Eine Strategie für das Israel der achtziger Jahre». Dieser erschien im Publikationsorgan «Kivunim» der World Zionist Organisation im Februar 1982. In der Zusammenfassung dieser Strategie stellte Israel Shahak in seinem Buch «Der zionistische Plan für den Nahen Osten» fest, dass Yinons Artikel einen genauen und detaillierten Plan für das heutige zionistische Regime (von Sharon und Eitam) für den Nahen Osten wiedergibt. Dieser Plan beruht auf der Aufteilung der gesamten Region in kleine Staaten und der Auflösung aller existierenden arabischen Staaten. Shahak fuhr fort: «Israel muss zum Überleben erstens eine imperiale regionale Macht werden und zweitens die gesamte Region in kleine Staaten aufteilen, wobei alle existierenden arabischen Staaten aufgelöst werden. Wie klein diese neuen Staaten werden, hängt von ihrer ethnischen oder religiösen Zusammensetzung ab. Folgerichtig ist die zionistische Hoffnung, dass die religiös fundierten Staaten Israels Satelliten und ironischerweise die Quelle seiner moralischen Legitimation werden.»3
Man kann ohne weiteres annehmen, dass Premierminister Sharon nicht weich oder senil geworden ist, so dass all dieses Gerede über nahöstliche Demokratien für ihn nur so viel wie Zuckerguss über den harten Realitäten des Krieges und der Machtpolitik ist. Zweifellos sieht Sharon die Situation mit den gleichen kalten realistischen Augen, wie er es in den frühen achtziger Jahren tat. Israel ist zu einer militärischen Supermacht mit Nuklearwaffen und Interkontinentalraketen geworden. Aber in den Augen der Zionisten des rechten Flügels ist die Gefahr für Israel grösser als zuvor mit der schnell wachsenden palästinensischen Bevölkerung in Israel und in den besetzten Gebieten, die die jüdische Identität des Staates bedrohen, Israels einzige Daseinsberechtigung. Auf Grund der amerikanischen neokonservativen Unterstützer Israels, die sich in den einflussreichen aussenpolitischen Positionen in der Bush-Administration befinden, ist es offensichtlich, dass die Vereinigten Staaten als Israels Stellvertreter in seiner militärischen und diplomatischen Politik im Nahen Osten dienen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Krieg im Nahen Osten einen Flächenbrand auslösen wird, sowie die Möglichkeit, dass die Vereinigten Staaten die gesamte Region erfolgreich militärisch dominieren, stimmt mit den Zielen der strategischen Denker Israels überein. Aus der Perspektive der Sharon-Regierung würde sowohl Chaos als auch amerikanische Kontrolle ein zufriedenstellendes Ergebnis sein, das ihr die Gelegenheit geben würde, das Problem der palästinensischen demographischen Bedrohung (durch Vertreibung oder andere Mittel) ohne Einmischung von aussen zu «lösen».
Kurz gesagt: Der Krieg versetzt Israel in eine Win-win-Situation. Nur Präsident Bushs Traum von stabilen demokratischen Staaten im Nahen Osten läuft den strategischen Plänen Israels entgegen, so dass Premierminister Sharon und seine Anhänger dieses utopische Szenario als so gut wie nichtig ansehen. •
1 James Bennett, Israel Says War on Iraq Would Benefit the Region, New York Times, February 27, 2003. www.nytimes.com/2003/02/27/international/middleeast/27ISRA.html
2 Adam McConnel, Israeli sources say war imminent; Iran and Syria next, Malaysiakini, February 14, 2003. www.malaysiakini.com/foreignnews/200302140111046662808.php
3 Israel Shahak, ed. and trans., The Zionist Plan for the Middle East (Belmont, Mass.: Association of Arab-American Universitiy Graduates, Inc., 1982). www.geocities.com/roundtable_texts/zionistplan.html
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Die Kraft der öffentlichen Meinung
nr. In einem Interview mit der «Frankfurter Rundschau» vom 22. Februar hat sich Phyllis Bennis, Nahost-Expertin am Washingtoner Institute für Policy Studies, über die Aussichten der Friedensbewegung geäussert.
«Einer der profiliertesten Analysten der 'New York Times' hat [...] geschrieben: Es gibt jetzt wieder zwei Supermächte - die USA und die weltweite öffentliche Meinung.»
Blockaden von US-Basen in Deutschland hält Bennis für angemessen: «Wissen Sie, es geht schon viel zu lange so, dass die USA in Deutschland tun und lassen können, was sie wollen, ohne sich um die öffentliche Meinung der Deutschen scheren zu müssen.»
Noch, so denkt Bennis, kann der Krieg verhindert werden: «Sehen Sie, es gibt zurzeit eine hochinteressante Gemengelage in den USA. Da sind ja nicht nur die Leute, die auf die Strasse gegen. [...] Schauen Sie sich die Kirchen an. In Vietnam hat es ein Jahrzehnt gedauert, bis die Kirchen sich klar gegen den Krieg ausgesprochen haben. Diesmal haben sie schon den Mund aufgemacht, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat. Bushs Regierung ist zwar enorm religiös geprägt. Aber ich denke, sehr viele Amerikaner [...] werden sehr nervös, wenn ein Präsident für sich beansprucht, dass seine Politik von ganz oben gedeckt wird. [...]Dagegen gibt es eine breite ökumenische Front. [...] Es gibt da ausserdem hochrangige Militärs.
Da ist zum Beispiel General Anthony Zinny, der sich kritisch geäussert hat. Auch General Norman Schwarzkopf hat sich im Fernsehen eindeutig gegen diesen Krieg ausgesprochen. Und Wesley Clark, der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber, hat ebenfalls seine Stimme erhoben und gesagt: «Wir werden womöglich nicht so gewinnen, wie wir uns das vorstellen, es wird kein sauberer Krieg und kein schneller. [...]» Dann gab's da vor kurzem eine sehr bemerkenswerte Anzeige im «Wall Street Journal» von rund 15 Spitzenspendern der Republikanischen Partei. Da stand ganz eindeutig an die Adresse von Bush: «Wir haben euren Krieg vor zwölf Jahren unterstützt, wir haben den Krieg in Afghanistan unterstützt, aber wir wissen nicht, warum ihr erneut gegen Irak ins Feld ziehen wollt. Wir fühlen uns betrogen, wir wollen unser Geld und unser Land zurück.ð [...] Selbst Teile der Ã-lindustrie haben sich deutlich gegen Krieg ausgesprochen. [...] Deswegen müssen wir den Druck aufrechterhalten. Wir haben nur noch zwei oder drei Wochen Zeit. Der Zulauf am 15. Februar war grossartig. Aber wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen...»
Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/

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