- Ein Mann mit Durchblick - Eichel über Banken - Popeye, 07.03.2003, 09:13
- Re: 'Finanzplatz Frankfurt in Auflösung' - sehr schön beobachtet und formuliert (owT) - dottore, 07.03.2003, 09:22
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Ein Mann mit Durchblick - Eichel über Banken
-->Finanzminister widerspricht"kakophonischem Krisengerede"
Eichel: Banken sind in keiner dramatischen Lage / Berater kreiden Geldinstituten Fehler an
jja. FRANKFURT, 6. März. Bundesfinanzminister Hans Eichel sieht die Lage der Banken nicht als dramatisch an."In das kakophonische Krisengerede in Gutachten kann ich nicht einstimmen", sagte Eichel am Donnerstag auf einer Veranstaltung des Institute for Law and Finance in Frankfurt. Damit spielte er auf ein Thesenpapier der Unternehmensberatung McKinsey an, in dem es hieß, der Finanzplatz Frankfurt befinde sich in Auflösung. Eichel räumte aber"bedeutende Probleme" der Branche ein. Eine"Kreditklemme" für den Mittelstand gebe es jedoch nicht, sagte der Sozialdemokrat. Die Mittelständler müßten jedoch lernen, auch Beteiligungskapital aufzunehmen. Außerdem dürfe nicht zuviel Geld aus den Unternehmen entnommen werden, mahnte er. Die Bildung von Eigenkapital werde hingegen nicht durch eine zu starke Steuerbelastung erschwert."Ich kann nicht dauernd die Steuern senken", wies er entsprechende Aussagen von Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz zurück. Durch"skandalöse Machenschaften" an der Börse und das Platzen der Technologiebranche seien zudem die Anleger in Aktienkapital stark verunsichert worden.
Eichel wies darauf hin, daß er mit dem"Finanzmarktförderplan 2006" auch die Verbriefung von Kreditrisiken mittels eigener Zweckgesellschaften erleichtern wolle (F.A.Z. vom 6. März). Dies werde zur Senkung des Zinsniveaus für Unternehmenskredite beitragen. Die Frage, ob die im"Steuervergünstigungsabbaugesetz" vorgesehenen Kontrollmitteilungen auch der Vorbereitung einer Sozialabgabenpflicht auf Kapitaleinkünfte dienen könnten, verneinte er:"Dafür gibt es keine Pläne." Notwendig seien diese Überprüfungen aber etwa, um den Mißbrauch staatlicher Sozialtransfers zu verhindern.
Der Mitverfasser des McKinsey-Thesenpapiers, Frank Mattern, warnte in der Podiumsdiskussion die Finanzbranche davor, in"irrationale Larmoyanz" zu verfallen. Doch ermögliche der sehr stark zersplitterte Bankenmarkt in Deutschland keine"auskömmlichen Margen". Mattern forderte ein strengeres Kostenmanagement:"Der Jahresgewinn mancher britischen Bank überschreitet sogar die Marktkapitalisierung der deutschen Geldinstitute." Gesunde Banken könne es nur bei Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum geben.
Der Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke von der Universität Erlangen-Nürnberg sah die Banken mit ihren Kostensenkungsprogrammen bereits auf dem richtigen Weg. Anleger ließen sich allerdings nur durch höhere Renditen zu den Aktien zurückbringen. Auch müßten sie sichergehen können, daß sie nur ein ökonomisches, nicht aber auch ein Betrugsrisiko zu tragen hätten. Fahrholz verlangte zudem einfachere Regeln für die"Riester-Rente", die bislang"schlicht nicht funktioniert". Nur durch Reformen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und im Gesundheitswesen könne die Volkswirtschaft wieder wachsen. Auch müßten die Banken den Kunden deutlicher sagen, daß selbst die Telekom-Aktie keine Volksaktie und kein sicheres Rentenpapier sei. Der Unternehmensberater David Marsh von Droege & Comp. hielt den deutschen Banken auch eigene Fehler vor. Er bezeichnete es als"Ironie der Geschichte", daß sie zu spät versucht hätten, mit dem Investment-Banking einen Platz an der Sonne zu erobern. Dazu hätten sie Investmenthäuser in England gekauft, während die dortigen Institute nunmehr ihr Geld im Privatkundengeschäft auf dem Heimatmarkt verdienten. Zudem sei der Londoner Finanzplatz ein"Kriegsgewinnler des Euro". Dieser sei eingeführt worden, um die deutschen Banken zu schwächen, sagte er. Dem widersprach Eichel nicht."Die Einführung des Euro war eine politische Entscheidung", unterstrich er."Sonst wäre die deutsche Einheit von Frankreich nicht akzeptiert worden - aus ihrer Sicht war die Wiedervereinigung ein Alptraum, der nur dadurch erträglich wurde." Da Deutschland hierdurch seine Alleinstellung mit der D-Mark verloren habe, müsse das Land nun offensiv in den gemeinsamen Markt hineingehen und Hindernisse abbauen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2003, Nr. 56 / Seite 19

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