- Auszüge aus der Regierungserklärung Schröders - Palstek, 14.03.2003, 10:41
Auszüge aus der Regierungserklärung Schröders
-->14/03/2003 (10:36)
Auszüge aus der Regierungserklärung Schröders
Berlin, 14. Mär (Reuters) - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat am Freitag im Bundestag in seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung milliardenschwere Investitionshilfen angekündigt. Zudem bekräftigte er, dass ein Irak-Krieg noch vermieden werden könne.
Im Folgenden Auszüge aus de Regierungserklärung Schröders:
ZUM KÜNDIGUNGSSCHUTZ
"Wir müssen auch den Kündigungschutz für Arbeitnehmer und Unternehmer besser handhabbar machen. Das gilt insbesondere für die Kleinbetriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern. Im Falle betriebsbedingter Kündigungen soll der Arbeitnehmer zwischen der Klage auf Weiterbeschäftigung und einer gesetzlich festgelegten Abfindungsregel wählen können. Schließlich werden wir die Sozialauswahl so umgestalten, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Leistungsträger unter den Beschäftigten im Unternehmen gehalten werden.
Statt der Sozialauswahl nur nach starren Kriterien wie Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit sollen die Prioritäten auch direkt zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebern erarbeitet werden. Für Existenzgründer werden wir die maximale Befristung von Arbeitsverhältnissen auf vier Jahre verdoppeln.
Existenzgründer werden zudem in den ersten vier Jahren von den Pflichtbeiträgen an die Handwerks- und Industrie- und Handelskammern frei gestellt. Deshalb wollen wir vor allem kleine Betriebe künftig deutlich besser stellen. Wir werden das Steuerrecht für Kleinstbetriebe radikal vereinfachen."
ZU ARBEITSMARKTPOLITIK
"Wir wollen das Ziel nicht aufgeben, dass jeder, der arbeiten kann und will, dazu auch die Möglichkeit bekommt. Wir sind dabei, die Bundesanstalt für Arbeit so umzubauen, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen kann - nämlich Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln und sie nicht bloß zu verwalten.
Allerdings erwartet die Bundesregierung hier deutlichere und raschere Fortschritte, als bisher sichtbar geworden sind.
Unser System der Arbeitsvermittlung hat unverkennbare Schwächen. Wir haben die nötigen Reformen angepackt. Aber jetzt müssen die Unternehmen diese Angebote auch annehmen. Wir werden den Arbeitsmarkt über die Hartz-Reformen hinaus öffnen, Schwarzarbeit zurückdrängen und unsere Bemühungen verstärken, dass genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Wir brauchen deshalb Zuständigkeit und Leistungen aus einer Hand. Damit steigern wir die Chancen derer, die arbeiten können und wollen. Das ist der Grund, warum wir Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen. Und zwar einheitlich auf eine Höhe, die in der Regel dem Niveau der Sozialhilfe entsprechen wird."
ZU HILFEN FÜR DIE KOMMUNEN
"Wir werden in diesem Jahr die Investitionskraft der Kommunen nachhaltig stärken. Gemeinsam mit den Bundesländern wird die Bundesregierung deshalb den finanziellen Spielraum der Kommunen nachhaltig erweitern. Dabei setzen wir auf folgende Maßnahmen:
Erstens: Zur sofortigen Entlastung der Gemeinden beabsichtigt die Bundesregierung sie von ihrem Beitrag zur Finanzierung des Flutopferfonds zu befreien. Das bringt Mehreinnahmen in Höhe von 800 Millionen Euro.
Zweitens: Das Steuervergünstigungsabbaugesetz und die Abgeltungssteuer werden voraussichtlich noch in diesem Jahr zu Mehreinnahmen von rund einer Milliarde Euro führen.
Drittens werden wir die Kommunen ab dem 1.1. 2004 von der Zahlung für die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger entlasten.
Das heißt: Für bis zu eine Million Sozialhilfe-Empfänger wird künftig die Bundesanstalt für Arbeit materiell zuständig sein.
Die Gemeinden werden dadurch in Milliardenhöhe entlastet.
Viertens wird die Bundesregierung zum 1.1. 2004 die Gemeindefinanzen grundlegend reformieren. Zur Zeit arbeitet eine Kommission, an der Sie (die Opposition) beteiligt sind, mit Hochdruck an der Umsetzung der Reform. Im Mittelpunkt wird eine erneuerte Gemeindesteuer stehen, die die Einnahmen verstetigt und den Gemeinden mehr Eigenverantwortung gibt.
Fünftens werden wir über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Investitionsvolumen von insgesamt 15 Milliarden Euro mobilisieren: sieben Milliarden für ein kommunales Investitionsprogramm und noch einmal acht Milliarden für die private Wohnungsbausanierung. Für diese Mittel wird der Bund eine attraktive Refinanzierung sicherstellen.
Wir werden dafür weder neue Schulden aufnehmen noch die Steuern erhöhen."
ZUR FISKALPOLITIK UND ZUM STABILITÄTSPAKT
"Die dramatische Wirtschaftslage zwingt uns dazu, eine neue Balance zwischen Konsolidierung, konjunkturellen Impulsen und steuerlicher Entlastung zu schaffen. Wir werden dabei nicht den Weg gehen, einseitig und egoistisch nur diejenigen zu entlasten, die heute aktiv sind, die Kosten aber durch Verschuldung den nächsten Generationen aufzubürden. Dies ist kein verantwortbarer Weg.
Deshalb halten wir am Ziel der Haushaltskonsolidierung und an dem im Stabilitätspakt vereinbarten Rahmen fest. Dieser Pakt darf aber nicht statisch interpretiert werden. Er lässt vielmehr Raum für unvorhergesehene Ereignisse und muss auch diesen Raum lassen. Phasen der wirtschaftlichen Schwäche - und wir sind in einer solchen Phase - dürfen nicht mit prozyklischer Politik beantwortet werden. Und wir müssen uns die Möglichkeit erhalten auf tiefergehende Brüche der Weltwirtschaft als Folge internationaler Ereignisse zu reagieren. Auch diese Möglichkeit gibt der Stabilitätspakt. Der Verweis auf den Stabilitätspakt und die europäische Verantwortung darf zudem keine Ausflucht sein: Auch in der jetzigen Situation müssen und Wachstumsimpulse gesetzt werden und dies wollen wir auch."
ZU REFORMNOTWENDIGKEIT
"Ich habe das Stichwort genannt: Mut zur Veränderung auch gerade im Innern unseres Staates. Um unserer deutschen Verantwortung in und für Europa gerecht werden zu können, müssen wir zum Wandel im Innern bereit sein. Entweder wir modernisieren, und zwar als soziale Marktwirtschaft. Oder wir werden modernisiert und zwar von den ungebremsten Kräften des Marktes, die das Soziale beiseite drängen.Heute ist der Umbau des Sozialstates, ist seine Erneuerung unabweisbar geworden - und zwar nicht, um ihm den Todesstoß zu geben, sondern ausschließlich, um die Substanz des Sozialstaates beizubehalten.
ZUM IRAK-KONFLIKT
"In den vergangenen Tagen und Wochen hat die Bundesregierung ihre Anstrengungen nochmals verstärkt, diese Krise politisch zu lösen. Gemeinsam mit unseren französischen Freunden, aber auch mit Russland, China und der Mehrheit des Weltsicherheitsrats sind wir mehr denn je davon überzeugt, dass die Abrüstung Iraks von Massenvernichtungsmitteln mit friedlichen Mitteln herbeigeführt werden kann und muss. Die Berichte der Waffeninspekteure zeigen, dass der Irak unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft inzwischen besser kooperiert und aktiver.
Die Zerstörung der El-Samud-Raketen ist ein sichtbares Zeichen tatsächlicher Abrüstung. Das beweist: Die Inspektionen und die Inspekteure sind ein wirksames Instrument, das jetzt nicht beendet werden darf. Es ist immer noch möglich, diesen Konflikt friedlich zu lösen. Mit einem ausgedehnten Inspektionsregime können wir nachhaltige und nachprüfbare Abrüstung erreichen. Und deshalb war und bleibt es richtig, dass wir auf der Logik des Friedens beharrt haben, statt in eine Logik des Kriegs einzusteigen. Der Irak muss unter internationaler Kontrolle umfassend und nachvollziehbar abrüsten - damit auch die Wirtschaftssanktionen, unter denen vor allem das irakische Volk leidet, gelockert und schließlich aufgehoben werden können. Das sind die Bedingungen, unter denen Frieden und Freiheit gedeihen können. Wir sollten daran festhalten mit all unserer Kraft, dass diese Bedingungen erfüllt werden."
Wir werden sowohl unsere Verantwortung als auch unsere mitgestaltete Rolle in einer multipolaren Weltordnung des Friedens und des Rechts nur dann umfassend wahrnehmen können, wenn wir auf der Basis eines starken, geeinten Europa tun. Es geht um die Rolle Europas in der internationalen Politik. Aber es geht auch um die Unabhängigkeit unserer Entscheidung in der Welt von morgen."
ZU EUROPAPOLITIK
"Dieses Europa ist mehr als die Summe seiner Institutionen und mehr als der gemeinsame Binnenmarkt. Es ist die Idee des geeinten Kontinents, der Kriege, der Nationalismen überwunden hat. Heute kann Europa Frieden und Stabilität, Gerechtigkeit und wirtschaftliche Chancen auch exportieren.
Deshalb müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie verbessern. Dies ist die Grundidee meiner gemeinsamen industriepolitischen Initiative mit Staatspräsident Chirac und Premierminister Tony Blair, die wir mit unseren Partnern auf dem Gipfel nächst Woche in Brüssel diskutieren müssen."

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