- Interview:"35 Lebensversicherer auf der Kippe" - Palstek, 14.03.2003, 17:09
Interview:"35 Lebensversicherer auf der Kippe"
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Den deutschen Lebensversicherern steht eine umfassende Konsolidierung bevor. Nahezu jeder vierte Anbieter der etwa 120 Anbieter stehe vor dem Aus. Das erklärte Marco Metzler, Versicherungsanalyst von Fitch Ratings in einem Interview mit EURO am Sonntag. EURO sprach mit Metzler über die jüngste Fitch-Studie zu den Lebensversicherern, den Abschreibungsbedarf und die Verbandskritik an den Zahlen
EURO: Herr Metzler, der Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Viele Versicherer stehen vor massiven Abschreibungen. Droht der deutschen Versicherungswirtschaft eine Pleitewelle?
Metzler: Noch nicht. Auf Basis der 2002er-Abschlüsse nach HGB ist bei vielen Lebensversicherern die Welt noch in Ordnung. Viele nutzen die 2002 eingeführte Regelung nach Paragraph 341b des HGB. Danach sind Abschreibungen auf Wertpapiere nur bei dauerhaften Kursverlusten zwingend. Das heißt, sofern eine Aktie länger als sechs Monate 20 Prozent unter ihrem Buchwert notiert. Für viele ist das ein Hintertürchen, über das sie bislang um Abschreibungen herumgekommen sind und stattdessen Stille Lasten gebildet haben.
EURO: Aber die Kursverluste sind doch dauerhaft, der Dax fällt weiter.
Metzler: Eben. Daher werden spätestens in den 2003er Bilanzen satte Abschreibungen fällig und dann kommt’s knüppeldick.
EURO: Wieso?
Metzler: Wir gehen alleine für 2002 von Abschreibungen und Stillen Lasten von 45 bis 50 Milliarden Euro aus, nur für die deutschen Lebensversicherer. Dem stehen Stille Reserven in Immobilien und festverzinslichen Wertpapieren von 10 bis 15 Milliarden gegenüber. Die lassen sich im Notfall aber kaum realisieren.
EURO: Bei den Abschreibungen gehen die Schätzungen weit auseinander. Andere Experten rechnen eher mit zehn bis 30 Milliarden. Woher diese Diskrepanz?
Metzler: Wenn Sie von den 45 bis 50 Milliarden die noch vorhandenen Stillen Reserven abziehen, kommen Sie auf ähnliche Ergebnisse.
EURO: Einige Versicherer gelten bereits jetzt als angeschlagen. Werden die das überleben?
Metzler: Wohl kaum.
EURO: Wer ist am stärksten bedroht?
Metzler: Vor allem kleinere und mittelgrosse Versicherer ohne starken Mutterkonzern. Für die dürfte es Ende 2003 ganz eng werden.
EURO: Wieviele wären das?
Metzler: Von den rund 120 Lebensversicherern in Deutschland dürften spätestens mit den Jahresabschlüssen 2003 und den bereits heute absehbaren Abschreibungen rund 35 auf der Kippe stehen.
EURO: Nun wirft Ihnen der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV „Panikmache“ vor. Ihre Studie hätte methodische Schwächen. Sie operierten mit veralteten Zahlen, heißt es.
Metzler: Der GDV hat bereits im November 2002 unsere Studie offiziell angefordert und auf der Mitgliederversammlung 2002 die Ergebnisse und Methodik geprüft. Von Vorständen, mit denen wir gesprochen haben und die auf dieser Sitzung anwesend waren, haben wir erfahren, dass die Methodik nicht in Frage gestellt wurde. Im Gegenteil, der von Fitch vorgestellte Stress-Test scheint als Vorlage für den im Dezember 2002 veröffentlichten GDV-Stress Test gedient zu haben. Beide beruhen auf Bilanzdaten, obwohl der GDV auch interne Daten der Mitglieder für einen derartigen Test verwenden könnte. Der GDV-Test greift darüber hinaus zu kurz. Es werden keine Schwankungen auf den Immobilienmärkten berücksichtigt. Ein grosser Teil der noch vorhandenen Stillen Reserven der Versicherer liegt jedoch im Immobilenbesitz.
EURO: Außerdem würden Sie bei der Hochrechnung auf mögliche Abschreibungen Verluste von Investment-Anteilen in Ihre Berechungen miteinbeziehen. Dabei seien nur rund ein Drittel der Investmentfonds in Aktien investiert. Wieso?
Metzler: Auch auf Investmentfonds sind Abschreibungen fällig. Wir haben jedoch bei unseren Berechnungen berücksichtigt, dass 60 Prozent der unter Aktien und Investmentanteilen ausgewiesenen Bestände bereits in festverzinslichen Wertapieren investiert sind. Das heißt nur auf 40 Prozent der Aktien und Investmentanteile haben wir einen 35prozentigen Kursverfall unterstellt. Der Dax ist bekanntlich 2002 um 44 Prozent gefallen. Daher sind unsere Annahmen sehr konservativ. Der tatsächliche Abschreibungsbedarf im Jahr 2002 könnte daher noch viel höher ausfallen. Die bisherigen Berichte über das Geschäftsjahr 2002 der AMB und der Mannheimer zeigen dies bereits.
EURO am Sonntag/Thomas Schmidtutz
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