- Vererben und in Rente gehen - kizkalesi, 16.03.2003, 11:58
Vererben und in Rente gehen
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Vermögen zu Lebzeiten übertragen und daraus eine Altersvorsorge ableiten - bei richtiger Gestaltung ein Steuersparmodell
von Frank Heidemann und Dietrich Ostertun
Wer sein Vermögen lebzeitig weiterreicht und sich dafür eine Rente ausbedingt, kann erhebliche Steuervorteile genießen. Bis vor kurzem konnte die Frage nach einem Steuersparmodell daher uneingeschränkt bejaht werden. Für die Gegenwart ist dies nicht mehr so generell möglich, da auf Grund von Neuregelungen aus diesem Steuersparmodell auch schnell ein Steuergrab werden kann:
Mit Wirkung zum 1. November 2002 hat das Bundesfinanzministerium ein Schreiben erlassen, in dem die einkommensteuerliche Behandlung von so genannten Versorgungsleistungen neu geregelt wurde. Im Rahmen der Neuregelung wird die verschärfende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von der Finanzverwaltung übernommen und generell angewandt. Dazu folgender Beispielsfall: Ein Vater überträgt nach seinem Rückzug aus dem Erwerbsleben im Jahr 1997 sein selbst genutztes Haus sowie sein Einzelunternehmen an seinen Sohn gegen Versorgungsleistungen, also Leibrenten oder dauernde Lasten.
Im Jahr 2003 muss der Sohn auf die schlechte Wirtschaftslage reagieren und schichtet sein übernommenes Vermögen um: Der väterliche Betrieb wird an einen Dritten verkauft und der Erlös hieraus in ein profitableres Unternehmen investiert.
Die grundsätzlichen Steuervorteile einer solchen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sind vor allem folgende: Erstens kann der Sohn seine Zahlungen als Sonderausgaben abziehen, und korrespondierend hierzu versteuert sie der Vater als sonstige Einkünfte. Auf diese Weise lassen sich Einkünfte verschieben und damit Unterschiede in den Ertragsteuersätzen der Beteiligten nutzen. Die Feinsteuerung erfolgt über die Ausgestaltung der Versorgungsleistung: Bei (konstanten) Leibrenten sind nur die Ertragsanteile zu erfassen, bei (veränderlichen) dauernden Lasten dagegen die volle Höhe der Leistung. Der zweite Vorteil liegt darin, dass die Übertragung trotz Rentenzahlung als unentgeltlich behandelt wird:
Im Gegensatz zum Verkauf kommt es nicht zur Realisierung von stillen Reserven und zur Versteuerung von Veräußerungsgewinnen. Drittens ist es erbschaft- und schenkungsteuerlich vorteilhaft, dass das Vermögen bereits auf die Zielperson übergegangen ist - alle Wertzuwächse erzielt der Sohn, ohne dass eine spätere steuerpflichtige Übertragung von Todes wegen oder durch Schenkung hierfür erforderlich wird. Viertens schließlich bietet diese Gestaltung einen Liquiditätsvorteil für alle Beteiligten: Der Sohn könnte vielleicht einen Kaufpreis weder selbst tragen noch finanzieren (Stichwort: Basel II), und der Vater benötigt lediglich ratenweise Versorgungsleistungen für seinen Lebensbedarf.
Nach der neuen Rechtslage kann für die vom Vater selbst genutzte Wohnung keine steuerbegünstigte Versorgungsrente mehr vereinbart werden. Gleiches gilt für Immobilien, die der Übernehmer, hier also der Sohn, bewohnt.
Wenigstens gelten diese Verschärfungen des Rentenerlasses im Rahmen einer Übergangsregelung nur für Neufälle, das heißt obligatorische Rechtsgeschäfte über die Vermögensübertragung, die ab dem 1. November 2002 rechtswirksam abgeschlossen wurden. In unserem Beispiel liegt ein Altfall vor, daher können die Beteiligten auch in 2003 die steuerlichen Vorteile nutzen. Bei Neuverträgen hingegen scheitert dies.
Die aus wirtschaftlicher Notwendigkeit resultierende Vermögensumschichtung des Sohnes ist längst kein exotischer Fall mehr, sondern für viele traurige Realität.
Rund 40.000 Unternehmensinsolvenzen in 2002 sprechen eine klare Sprache. Will der Sohn sein Vermögen retten, so muss er flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können und sein Vermögen umschichten, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Ein solches Handeln zeugt zwar von wahrem Unternehmergeist, wird neuerdings jedoch steuerlich bestraft:
Nach alter Rechtslage war die Umschichtung im sechsten Jahr nach der Übertragung steuerunschädlich. Bei Umschichtungen ab dem 1. November 2002 findet die Neuregelung Anwendung und wird bei den Beteiligten erst ungläubiges Staunen und dann Entsetzen auslösen: Durch die Vermögensumschichtung wird steuerlich eine Wandlung der beabsichtigten Schenkung in einen Unternehmenskaufvertrag unterstellt. Folglich ist zu prüfen, ob der Vater bei der fingierten „Veräußerung" an den Sohn stille Reserven realisiert und einen Veräußerungsgewinn erzielt hat.
Somit führt eine - an sich wirtschaftlich richtige - Handlung des Sohnes zu einem steuerlichen Fiasko: Der Vater muss ohne sein Zutun einen Gewinn versteuern, den er nicht nur nie beabsichtigt, sondern auch faktisch nie erhalten hat. Daher drängt sich die Frage auf: Wie kann man sich dagegen schützen?
Hier kann der Steuerjurist weiterhelfen. In allen Neufällen kann er die Vor- und Nachteile einer vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen errechnen und anderen Gestaltungen gegenüberstellen (zum Beispiel Nießbrauchslösung oder Familien-Vermögensverwaltungsgesellschaft).
Auch gilt es, Ausnahmen zu nutzen, in denen eine Vermögensumschichtung doch nicht steuerschädlich ist. In Altfällen wird zum Schutz des Übergebers (hier: des Vaters) jedoch häufig anzustreben sein, dem Übernehmer (hier: dem Sohn) die steuerschädliche Weiterveräußerung zu untersagen und ihm - bei Zuwiderhandlung - die hieraus resultierenden Steuernachteile aufzubürden. Da die Steuernachteile bei Vermögensumschichtungen früher kaum vorhergesehen wurden und werden konnten, ist in Altverträgen üblicherweise keine entsprechende Regelung vorhanden, die den Übergeber schützen könnte. Deshalb bedarf es einer Vertragsänderung zwischen Übergeber und Übernehmer.
Daran wird der Übernehmer, wenn überhaupt, nur schweren Herzens mitwirken, weil er sich gerade der Flexibilität begeben würde, die unternehmerisches Denken häufig erfordert. Verhandlungsgeschick ist somit gefragt. Es verbleibt als Fazit: Die vorweggenommen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen eignet sich nur noch in bestimmten Fällen als eine Steuerspar-Gestaltung und will gut überlegt sein. Insbesondere ist - auch in Altfällen - bei Vermögensumschichtungen größtmögliche Vorsicht geboten.
Frank Heidemann und Dietrich Ostertun,
Rechtsanwälte bei KPMG PRIVATE

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