- Ortega zur Krise - dottore, 19.03.2003, 17:37
- Re: Ortega zur Krise / Vortrag 'ZEITENWENDE' von Ochsenfurt...... - -- Elli --, 19.03.2003, 17:42
Ortega zur Krise
-->Hi,
1942 hielt José Ortega y Gasset (1883-1955) einige Vorträge, die in den 1950ern auch auf Deutsch erschienen ("Das Wesen geschichtlicher Krisen"). Hinweise darauf auch im"Umbruch". Einige Absätze nochmals zum Nachdenken:
"Eine geschichtliche Krise tritt ein, wenn die Veränderung der Welt darin besteht, dass der Welt oder dem System der Überzeugungen der vorangehenden Generationen ein Zustand folgt, in dem der Mensch ohne diese Überzeugungen, also ohne Welt ist.
<b<Der Mensch weiß nicht mehr, was er tun soll, weil er in Wahrheit nicht mehr weiß, was er über die Welt denken soll. Deshalb steigert sich die Veränderung zur Krise und nimmt den Charakter einer Katastrophe an...[/b]
In Zeiten der Krise findet man sehr häufig falsche, geheuchelte Ansichten. Ganze Generationen verfälschen sich selbst, das heißt, sie flüchten sich in künstlerische Stilrichtungen, in Doktrinen, in politische Bewegungen, die unaufrichtig sind und die nur... Leere ausfüllen...
Das Leben als Krise bedeutet für den Menschen, in negativen Überzeugungen zu leben. Diese Situation ist schrecklich. Die negative Überzeugung, das Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich aller wichtigen Dinge, hindert den Menschen mit Bestimmtheit, Tatkraft, Vertrauen und aufrichtiger Begeisterung zu entscheiden, was er tun soll: er kann sein Leben nirgends einpassen, kann ihm keine klare Bestimmung geben.
Alles, was er tut, fühlt, denkt und sagt, geschieht ohne positive Überzeugung, d.h. ohne Wirksamkeit...
Da der Mensch im Grunde von nichts Positivem überzeugt ist, ist er auch zu nichts wahrhaft entschlossen, und mit größter Leichtigkeit werden die Massen von einem Extrem zum anderen übergehen.
In den Zeiten der Krise weiß man nicht recht, was der einzelne Mensch ist, weil er in der Tat nichts richtig ist: heute ist er das und morgen jenes.
Stellen Sie sich jemand vor, der im Freien vollkommen die Orientierung verloren hat: er macht ein paar Schritte in einer Richtung, dann wieder einige in einer andern, vielleicht in der entgegengesetzten.
Der Mensch hört auf, an das System der Welt zu glauben, an das er bisher geglaubt hat..."
Passt eigentlich gut für den Zustand, in dem wir uns befinden.
(Sollte keine schlechte Laune verbreiten) Gruß!

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