- die maske ist unten - orwell, 22.03.2003, 22:12
- Re: die maske ist unten - stocksorcerer, 22.03.2003, 22:26
die maske ist unten
-->www.nationeuropa.de
Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr:
USA demaskieren sich
Von Karl Richter
Schläge auf den Hinterkopf fördern bekanntlich die Denkfähigkeit. Rund
zwei Dutzend Intellektueller, die die FAZ dieser Tage zu Wort kommen
ließ, können ein Lied davon singen. Für die meisten von ihnen war
Amerika jahrzehntelang der Hort des Guten, der Freiheit, der
Demokratie. Um so verstörter reagierten sie jetzt auf die Rempeleien
des Donald Rumsfeld, der Deutschland und Frankreich bündig als das
"alte Europa" heruntergemacht und als"Problem" bezeichnet hatte.
Manche, wie der unsägliche Alt-68er Jürgen Habermas, der
postmoderne Großschwätzer Peter Sloterdijk oder der spanische
Ex-Kommunist und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels
Jorge Semprun, ringen in ihren Statements hörbar mit den Tränen,
wären am liebsten noch im Widerspruch die besseren Amerikaner. Geht
aber nicht, Washington ist sauer.
Fadenscheinigster Kriegsgrund aller Zeiten
Verstörung auch beim Unions-Fußvolk. Bislang ebenfalls eine Domäne
der Amerikahörigkeit, kommt man auch hier mit 50 Jahren Verspätung in
der Wirklichkeit an. Das tut weh. Als der Münchner
CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler zu einer Veranstaltung
mit dem Nahost-Experten Peter Scholl-Latour einlädt, der seinen Hörern
reinen Wein über die US-Absichten im Nahen Osten einschenkt,
sprechen die beiden vielen aus der Seele."Jahrzehntelang war die Welt
für den normalen CSU-Anhänger ziemlich klar in Gut und Böse
eingeteilt", berichtet die"Süddeutsche Zeitung" über die Veranstaltung,
"und die Guten waren immer die Amerikaner. Plötzlich gerät für viele ihr
tiefverwurzeltes, positives Amerika-Bild ins Wanken."
Man muß sich wundern, daß es so lange dauerte. Im Vorteil ist jetzt wie
immer, wer die Realität einfach zur Kenntnis nimmt. Krieg gegen den
Terror? Achse des Bösen? Alles Fassade. Wahr ist, daß Amerika die
Maske fallen läßt. Wahr ist, daß der Anti-Terror-Krieg lange vor dem 11.
September 2001 geplant war. Die nicht vorhandenen
Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein sind der
fadenscheinigste Kriegsgrund, den sich Washington jemals
herbeifälschte.
Was heute dem Irak widerfährt, haben zuvor hundert andere Länder
erfahren, die US-Interessen im Weg standen, sich nicht fügten, auf die
Wahrung ihrer Souveränität pochten. Sie wurden weggebombt,
entlaubt, domestiziert zu Satrapen und Speichelleckern. Die
amerikanische Geschichte der letzten hundert Jahre ist eine Blutspur
der Dehumanisierung, die sich über den Globus zieht.
Dies vergessen zu haben, gehört zu Europas schlimmsten Sünden der
letzten 50 Jahre. Es rächte sich, weil die Europäer selbstzufrieden,
hedonistisch und träge wurden im Bewußtsein, der große Verbündete
werde es schon richten. Das war bequem, so lange östlich der Elbe die
Panzermassen des Warschauer Paktes lauerten. Es wurde tödlich,
sobald die kommunistische Bedrohung wegfiel, denn mit ihr fiel jede
Beschränkung, die Amerika bis dahin in Zaum gehalten hatte.
Aus Tradition maßlos
Maßlosigkeit begleitete Amerikas Aufstieg, Maßlosigkeit macht es heute
so gefährlich. Die Vereinigten Staaten wurden groß durch ihre Absage
an alles, was sich die Alte Welt in 2000 Jahren Geschichte erkämpfen
mußte, durch Leid, Krieg und viel bittere Erfahrung: die Regelung des
Friedens, des Zusammenlebens, des Wettbewerbs, selbst des Krieges
durch eine Rechtsordnung, die bis 1914 dem Chaos Grenzen setzte.
Zumindest in Europa, denn die Neue Welt probte längst für den Tag, da
sie die Alte beerben und freie Bahn haben würde. Im amerikanischen
Bürgerkrieg (1861-1865) lieferte sie das erste Exempel des totalen
Krieges, exekutiert am unterlegenen Süden, ein Menetekel künftiger
Massenmorde.
Der Nordstaatengeneral Philipp Sheridan besuchte wenige Jahre später
das preußische Hauptquartier im deutsch-französischen Krieg und
zeigte sich verwundert über die humane Behandlung der französischen
Zivilbevölkerung durch die vorrückenden Deutschen. Als er gefragt
wurde, wie man sie denn sonst behandeln solle, erwiderte er, der
feindlichen Zivilbevölkerung dürfe man nichts anderes übrig lassen als
die Augen zum Weinen."Für die Amerikaner", schreibt Alain de Benoist,
"war Politik immer schon ein zugleich kommerzielles, militärisches,
religiöses und moralisches Unterfangen. (...) Amerika hat den,Auftrag',
die ganze Welt nach seinem Ebenbild umzugestalten. Als,auserwähltes'
Volk hat es zugleich das Recht, der Welt seinen Willen aufzudrängen -
wer sich dagegen auflehnt, wird als Verkörperung des,Bösen'
verteufelt."
Auf die Unterwerfung des Südens folgte die koloniale Einvernahme des
eigenen lateinamerikanischen Hinterhofes, der Krieg gegen Spanien,
herbeimanipuliert durch die Versenkung der"Maine", und 1917 der
Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Amerikas Schatten ist seither nicht
mehr von Europa gewichen. Die ersten Opfer waren England und
Frankreich, die sich bei Uncle Sam bis über beide Ohren verschuldet
hatten. Den gleichen Fehler beging Großbritannien, als es nach
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Schritt für Schritt das Empire an
Washington verschleuderte. Gleichzeitig wurde Deutschland
plattgebombt, eine in der Geschichte beispiellose Meisterleistung der
Vernichtung, deren Würdigung man in Jörg Friedrichs Bestseller"Der
Brand" nachlesen kann:
"Zur Multiplikation von Bränden in einem Stadtgebiet prüften die
Amerikaner die Verletzlichkeiten in Modellanalyse. Dazu bauten sie
deutsche und japanische Versuchsstädte auf, um Einzelheiten zu
klären. Das Prinzip, daß Zivilquartiere dem konzentrierten
Brandwaffeneinsatz aus der Luft nur Blößen boten, ließ sich unschwer
erkennen. (...) Die 2,7 Millionen Tonnen Bomben, welche die
Westverbündeten auf den europäischen Kriegsschauplatz werfen,
davon 1.356.828 auf Deutschland, [vermelden] eine immense
Produktionsschlacht. Der gesamte alliierte Apparat von Wissenschaft,
Technik, Industrie und Organisationen, der auf diesem Kriegsschauplatz
1.440.000mal einen Bomber und 2.680.000mal einen Begleitjäger in die
Luft hob, verdient es, der größte Militärgigant aller Zeiten zu heißen."
Nur am Rande: Wer im Bomben-Holocaust an Deutschland allen Ernstes
einen Akt der"Befreiung" sehen will, nötig um der Installation der
Demokratie willen, der wird natürlich auch die nächsten amerikanischen
Bombenteppiche gutheißen. Nur so lassen sich die ferngesteuerten
Auftritte der Schäuble, Pflüger und Co. in diesen Wochen erklären,
während das Washingtoner Regime dem Irak unverhohlen die
vernichtendsten Luftangriffe aller Zeiten angekündigt hat.
Deutsche Politiker haben in den letzten Jahrzehnten durch ihre
Helotentreue Amerika gegenüber Unsägliches angerichtet. Unvergessen,
daß sich die Bundesrepublik erst 1999 grundgesetzwidrig an einem
Angriffskrieg beteiligt hat, gegen Jugoslawien, nachdem US-Präsident
Clinton Außenminister Fischer exakt eine Viertelstunde Bedenkzeit gab.
Kolonialvölker verstehen diese Tonart. Um so schwerer wiegt, was sich
Bundeskanzler Schröder seit ein paar Monaten leistet.
Inzwischen erübrigt sich die Frage, was Schröder bei seinem"Nein" zu
den amerikanischen Kriegsplänen geritten hat. Vieles spricht dafür, daß
alles nur als Wahlkampfgag gedacht war. Doch dann gingen die
Rempeleien aus Washington zu weit, und Zurückrudern war ohne
Gesichtsverlust nicht mehr möglich. Der"deutsche Weg" wurde zum
Selbstläufer. Ein echter Treppenwitz der Geschichte.
Mittlerweile stellt Washington Deutschland in eine Reihe mit Kuba und
Libyen, wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in
unnachahmlicher Weise der Weltöffentlichkeit mitteilte. Auch Frankreich
muß sich vorsehen. Der partielle Gleichklang zwischen Paris und Berlin
läßt in Washington die Alarmglocken schrillen. Prompt formierte sich
gegen das deutsch-französische Zusammenspiel eine Allianz alter und
neuer Satrapen, initiiert vom spanischen Regierungschef Aznar und
Englands Premier Blair. Der CDU-Europaabgeordnete Brock sprach von
einem"Wettlauf der Vasallen" (womit er seiner Parteichefin schmerzhaft
ans Schienbein trat).
Man muß sich aber davor hüten, in Bundeskanzler Schröder und dem
französischen Staatspräsidenten Chirac Lichtgestalten eines
europäischen Sonderwegs zu sehen. Beide haben sich dem Souverän
als chronische Wahlbetrüger und Opportunisten unvergeßlich gemacht;
Chirac eilt seit seinem Wahlsieg im Frühjahr 2002 der Ruf des
"supermonteur" voraus - Superlügner. Dennoch: Sollte sich die Initiative
der beiden Staatsmänner zur Keimzelle einer
Los-von-Amerika-Bewegung mausern, dann hätte selbst der
populistische Gag des"deutschen Weges" noch Sinn gehabt.

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