- 2000 Steuerfahnder sind 60 Milliarden Schwarzgeld auf der Spur - manolo, 23.03.2003, 22:41
2000 Steuerfahnder sind 60 Milliarden Schwarzgeld auf der Spur
--><font size="6">Kurz vor
Luxemburg
lauert
der Zasterfahnder </font>
60 Milliarden Euro Steuern wurden im letzten Jahr in Deutschland hinterzogen.
Aber der Staat hat aufgerüstet, um Betrügern auf die Schliche zu kommen
Spannende Reportage
von Butz Peters
Zwölf Uhr mittags. Eine Landstraße hinter Bitburg, wenige Kilometer vor der Grenze zu Luxemburg. Ein deutscher Zöllner in seiner leuchtend gelben Weste mustert scharf die vorbeirollende Fahrzeugschlange. Der schwarze 7er-BMW da - der könnte ein Kandidat sein. Er hebt die Kelle und winkt den Wagen auf einen Parkplatz. Dort fragt sein Kollege das Pärchen im Auto, ob jemand mehr als 15 000 Euro dabei habe. Beide verneinen. Nun nehmen zwei Zöllner den Wagen auseinander. Bauen Türverkleidungen ab, durchsuchen Koffer, inspizieren Kulturbeutel, Slips und BHs.
So sieht er aus, der alltägliche Kampf gegen Geldwäsche und Schwarzgeldtransfers nach Luxemburg auf ein heimliches Konto. Der Kampf deutscher Zöllner gegen deutsche Steuerzahler, die mit allen Mitteln die deutsche Zinsabschlagsteuer sparen wollen.
Wenige Meter weiter schimpft ein 82-Jähriger wie ein Rohrspatz. Der grauhaarige Herr kann nicht verstehen, was schlimm daran sein soll, dass ein 40 000-Euro-Geldbündel in seiner Brieftasche steckt. Noch eine Minute zuvor hatte er die 15 000-Euro-Frage, die der Zöllner auch ihm stellte, verneint."Deshalb leiten wir jetzt ein Bußgeldverfahren gegen den Mann ein", sagt Einsatzleiter Werner Thiel."Außerdem bekommt das Finanzamt eine Kontrollmitteilung." Dort wird der ältere Herr nun einiges zu erklären haben.
Auf 173 Millionen erklärungsbedürftiger Euro sind die Bitburger Fahnder bei Leuten gestoßen, die mal eben nach Luxemburg wollten - in drei Jahren. Das Sieben-Mann-Team ist eine von 42 mobilen Kontrollgruppen des Zolls, seit fünf Jahren sind sie im Einsatz.
In Zeiten, in denen sich immer neue Löcher im Etat auftun, hat der Staat massiv gerüstet, um Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen. 60 Milliarden Steuern werden im Jahr hinterzogen, schätzen Fachleute. Tag für Tag bringen Bundesbürger zehn bis 15 Millionen Euro ins Ausland. Allein 300 bis 400 Milliarden sind im Ausland heimlich gebunkert - mehr als der diesjährige Bundeshaushalt (252 Milliarden Euro).
Die Methoden, wie die"schwarze Marie" gemacht wird, sind vielfältig. Besonders beliebt ist der doppelte Einkauf: Ein Unternehmer, sagen wir ein Obsthändler, kauft einen Teil der Ware offiziell ein, sagen wir 60 Prozent. Den Rest besorgt er woanders. Die Einnahmen aus diesen schwarzen 40 Prozent Obst verschweigt er dem Finanzamt. Da er Löhne und Miete von den legalen 60 Prozent absetzt, gehen von der schwarz verkauften Ware nur die Kosten für deren Einkauf ab. Der Rest ist seins. 50 000 bis 100 000 Euro lassen sich so im Jahr schwarz einnehmen, berichten Steuerfahnder. In der Gastronomie betrage die"Mogelrate 30 bis 40 Prozent", schätzt Dieter Ondracek, Präsident der deutschen Steuer-Gewerkschaft.
Oder eine Firma beauftragt ein angebliches Beratungsunternehmen im Ausland und setzt die"Rechnungen" bei der Steuer als Ausgaben ab."Wir hatten allein im vergangenen Jahr mehrere Fälle, bei denen für wertlose Gutachten je über 100 000 Euro ins Ausland überwiesen wurden", berichtet Hans-Joachim Hesse, Leiter der Steuerfahndung Essen."Üblicherweise fließen 90 Prozent davon zurück" - auf verschlungenen Pfaden, bis hin zu Notaranderkonten.
Oder der kleine gemeine Mehrwertsteuerbetrug: Wer Waren aus Deutschland ausführt, erhält die 16 Prozent zurückerstattet. Das machen sich Betrüger zunutze. Sie täuschen Ausfuhren vor, die gar nicht erfolgt sind. Roland Hack von der Polizei Herzogenaurach deckte so einen Fall auf; vor ihm liegen Berge gefälschter Adidas-Rechnungen:"Mit großem technischen Know-how haben sie Kriminelle täuschend ähnlich nachgemacht. Es war schwierig, die Unterschiede gegenüber einem Original zu entdecken." Die Rechnungen wurden auf Ausfuhrbescheinigungen geheftet und mit falschen Zollausfuhrstempeln versehen. Die Täter kassierten Millionen
Mittlerweile 2000 Steuerfahnder versuchen in Deutschland, den Betrügern auf die Schliche zu kommen. Keine andere Behörde arbeitet so einträglich. Jeder Steuerfahnder sorgt dafür, dass jedes Jahr rund 800 000 Euro ins Staatssäckel kommen - die meisten von ihnen verdienen per anno 40 000 bis 50 000 Euro. Brutto. Jeder Steuerfahnder bringt dem Fiskus also rund 750 000 Euro ein.
Um den immer weiter um sich greifenden Steuerschwindel aufzudecken, setzen die Beamten verstärkt auf systematische Ermittlung - den Branchenvergleich etwa: Eine"Richtsatzsammlung" der Finanzverwaltung enthält Erfahrungswerte, wie hoch der Gewinn in jeder Branche ist. Bei einer Gastwirtschaft mit 200 000 Euro Umsatz sind das neun bis 33 Prozent, bei einer Autowerkstatt bis zu 250 000 Euro sechs bis 21 Prozent. Bleibt ein Unternehmen in seinen Steuererklärungen deutlich hinter diesen Werten zurück, fragen die Finanzbeamten, woran das liegen mag. Etwa, weil geschummelt wird?
Haben die Fahnder diesen Verdacht, suchen sie gezielt nach Anhaltspunkten in den Buchhaltungsunterlagen."Bei Rechnungen über den Kauf von Kohlesäurepatronen in einem Lokal oder von Kondomen in einem Bordell rechnen wir hoch, wie der Umsatz tatsächlich gewesen sein muss", sagt der Berliner Steuerfahnder Lübke. Hinzu kommen Kontrollmitteilungen: Macht jemand Ausgaben beim Finanzamt geltend, schicken die Steuerbeamten eine Mitteilung darüber ans Finanzamt dessen, der das Geld erhalten hat, damit die Kollegen überprüfen können, ob es stimmt.
Ebenso läuft es bei jenen Geldbündeln, die der Zoll im Grenzgebiet findet - zum Beispiel bei einem Metzgermeister aus Nordrhein-Westfalen. Der war mit einem Koffer voll Schwarzgeld nach Luxemburg gefahren. Dort sagten ihm die Konditionen der Banken nicht zu. So reiste er mit dem Geld im Koffer wieder zurück und kam in eine Zollkontrolle."Als er zu Hause vorfuhr, erwarteten wir ihn schon vor der Tür", berichtet der Essener Zollfahnder Hesse - und lächelt:"350 000 Euro Schwarzgeld waren aufgeklärt, ruck, zuck."
Die Fernsehreportage zum Thema brachte das ZDF letzten Donnerstag um 0.00
Uhr:"Verbrechen in Deutschland - Butz Peters ermittelt".
Butz Peters ist Rechtsanwalt, Buchautor und Fernsehjournalist.

gesamter Thread: