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Die Nacht von Captain Figlioli
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Ohne die Bulldozer vom 94. Pionierbataillon wäre der Einmarsch in den Irak vergangene Woche wahrscheinlich ausgefallen.
Es ist viel Verkehr auf der Straße zur Front. Wenn man diese 50 Meter Sandpiste, die durch die kuweitische Wüste nach Norden führt, überhaupt eine Straße nennen will.
Schützenpanzer und Lkw, die Munition, Essensrationen oder Wasser geladen haben, Mannschaftswagen mit Infanteristen, Kipplaster mit Kies ziehen ihre Spuren durch die Wüste. Dazu kommen Sattelschlepper, Kranwagen, Sanitätsfahrzeuge.
Es ist Donnerstag, nur noch wenige Stunden bis zum D-Day, dem Tag der amerikanischen Bodenoffensive. Auch Captain Scott Figlioli ist auf dem Weg zur Front, denn ohne ihn könnten auch die mutigsten Kämpfer in diesem Krieg nicht viel ausrichten. Ohne ihn würden sie den Gegner gar nicht erst erreichen.
Figlioli, 32, gehört zum 94. Pionierbataillon. Im V. Korps ist er der Herr der Bulldozer. Ein ganzes Dutzend Maschinen befehligt der normalerweise im bayerischen Hohenfels stationierte Soldat. Sie sollen heute Nacht die Dünen und künstlich aufgeschütteten Sandwälle beseitigen. Denn dort, wo die US-Armee in den Irak eindringen will, gibt es nur unwegsames Gelände und Sperrgebiete. Ein Dutzend Pisten durch die feindlichen Linien sollen bei abnehmendem Mond gegraben werden, nachdem die Minen geräumt, der Stacheldraht beseitigt und möglicher Widerstand ausgeschaltet worden ist.
Figlioli will seinen Bulldozer-Fahrern noch einmal Mut zusprechen, bevor sie mit dem Einsatz beginnen. Und zwar nicht per Feldtelefon, wie das Etappenhengste machen, sondern persönlich. Doch dazu muss er sie erst mal finden.
Das ist in diesem kriegerischen Gewimmel gar nicht so einfach. Einige Bulldozer wurden schon an die Front gebracht, andere stecken irgendwo fest. Seine Leute sind über einen 60 Kilometer langen Frontabschnitt verstreut. Um sich kundig zu machen, stoppt Figlioli mit seinem gepanzerten Geländewagen in einem der US-Militärcamps.
Zwei Lkw und ein Dutzend Soldaten begleiten den Amerikaner aus Florida. Während Figlioli mit einem Major die Einzelheiten klärt, stehen seine Leute, darunter auch eine Frau, vor ihren Fahrzeugen und rauchen. Sie bestaunen einen Marienkäfer, der einem Soldaten über den Handballen krabbelt und fragen sich, wie der Glücksbringer wohl in die Wüste gekommen ist.
Dann geht es plötzlich los. Die Soldaten hassen diesen langen, tiefen Sirenenlaut. Sie reißen ihre Gasmasken aus den grünen Taschen, stülpen sich die Geräte über die geschorenen Köpfe und rennen los. Eine Gruppe geht zwischen zwei Frontladern in Deckung. Niemand spricht. Saddam Husseins Raketen sind zwar nicht sehr präzise. Doch den Nerv der Truppe treffen sie genau. Manche Soldaten schließen ihre Augen, die Lider flattern hinter dem bruchsicheren Schutzglas. Der Atem geht schwer durch die Filter. Manche beten.
Nach 30 Minuten ist der Spuk vorbei. Saddams Rakete wurde in der Luft zerstört. Figlioli kann weiter seine Bulldozer suchen. Doch der Alarm hat den Zeitplan durcheinander gebracht. Es dämmert bereits. Und die Front ist im Dunkeln gar nicht so leicht zu finden.
Weil er gerade keine abhörsichere Funkfrequenz bekommt, weiß der Captain außerdem noch immer nicht, in welchem Abschnitt seine"Dozer" sind. Es ist spät, seine Truppe hat tagelang kaum geschlafen. Die Soldaten dösen auf ihren Autositzen, träumen von einer Badewanne oder einem bayerischen Bier.
Zischender Lärm weckt die Soldaten mitten in der Nacht auf. Raketen steigen krachend und qualmend in den Himmel, keine 100 Meter weit entfernt. Sind das"Patriots"? Holen die gerade eine angreifende"Scud" vom Himmel?
Figlioli befiehlt seine Leute brüllend in die ABC-Anzüge. Sie kriechen unter die Lkw. Jetzt peinigt die Soldaten Todesangst.
Der Schreck steckt dem Trupp noch in den Knochen als sich herausstellt, dass keine feindlichen Raketen anfliegen, sondern dass eine hinter einem Erdwall versteckte US-Einheit auf irakische Stellungen jenseits der Grenze feuert.
Im Norden blitzt es am Horizont, ein dumpfes Knallen ist zu hören. Die Offensive hat begonnen. Captain Figlioli ordnet den Rückzug zum Kommandozentrum an, weil er nicht in das Kreuzfeuer der eigenen Truppen geraten will.
Am Freitagvormittag geht dann alles ganz schnell: Um 11.07 Uhr marschiert Captain Fig, wie ihn seine Leute nennen, in den Irak ein. Die Stacheldrahtzäune sind bereits zerschnitten, die Erdwälle von den Bulldozern des 94. Pionierbataillons niedergewalzt. Die irakische Grenze ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse, auf einem Erdwall weht die amerikanische Flagge munter im Wind."Im Grunde ist ja alles gut gelaufen", sagt Figlioli tapfer und wischt sich den Staub aus den dunklen Haaren.
CLAUS CHRISTIAN MALZAHN

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