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Verschuldet und erpressbar
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Heimlich unterstützt auch das jordanische Königreich die US-Truppen beim Angriff auf Bagdad. An der Grenze zum Irak erwarten Flüchtlingshelfer den großen Ansturm.
Die Störche sind schon da. Drei, vier Wochen früher als sonst. Auf der Durchreise von Afrika nach Europa sind sie zu Tausenden rings um die Sümpfe bei Asrak niedergegangen. So viele Störche gab es hier seit einem halben Jahrhundert nicht mehr.
Nach der Hochrechnung der"Königlichen Gesellschaft für den Schutz der Natur" müssten hier unter normalen Umständen bis Ende des Monats fast 100 000 Vögel Station machen.
Die Umstände sind aber nicht normal. Auf der benachbarten Luftwaffenbasis Asrak sind in den vergangenen Tagen ein paar Dutzend noch größere Vögel gelandet: Transportmaschinen der U. S. Air Force, die Männer und Material für die Schlacht gegen Saddam Hussein brachten.
Die Flieger und die Flugzeuge machen eine Menge Lärm, und das mögen Störche gar nicht. Deshalb sind die Scharen in den letzten Tagen wieder kleiner geworden.
Die Rechtsgrundlage für die Stationierung der amerikanischen Flugzeuge in Asrak ist nicht bekannt. Es heißt, sie sind einfach gelandet - ohne Genehmigung. Die Regierung hat lange vor Kriegsbeginn erklärt, das Königreich Jordanien werde bemüht sein, sich aus dem drohenden Konflikt herauszuhalten - ein schwer zu realisierender Vorsatz für ein Land, das eine lange gemeinsame Grenze mit dem Irak und über 400 Millionen Dollar Schulden bei den Vereinigten Staaten hat.
Am Donnerstag meldet die"Jordan Times" auf Seite eins, Informationsminister Mohammad Adwan habe den Verdacht zurückgewiesen, sein Land lasse sich als Operationsbasis für den Irak-Krieg missbrauchen. Gleich neben Adwans Dementi wird vermeldet, dass Washington den Jordaniern Mittwoch die eigentlich fällige Rückzahlung von 177 Millionen Dollar gestundet hat. Der Redakteur wird sich was gedacht haben, als er die Nachrichten nebeneinander platzierte.
Das Königreich Jordanien ist hoch verschuldet und erpressbar. Gar keine Frage, dass die Amerikaner auch von Jordanien aus operieren. Wie viele, das weiß nicht mal die Regierung.
Die US-Botschaft hat kürzlich von einem Notar einen Vertrag mit einer Großwäscherei beurkunden lassen, in der das Waschen und das Bügeln von täglich 14 000 Kleidungsstücken vereinbart wurden. Die Amerikaner machten, was sie wollten, sagen auch westliche Diplomaten. Mit dem alten König Hussein wären sie so nicht umgesprungen. Aber Nachfolger Abdullah II. ist kein Mann, der sich gegen seine übermächtigen amerikanischen Freunde auf Dauer durchsetzen kann.
Hinter Ruweischid auf der Straße zur irakischen Grenze sind nur noch Reisende mit Sondergenehmigung zugelassen. Und die Angehörigen des christlichen Halassa-Beduinenstamms, die zwei oder drei Staatsbürgerschaften haben. Seit altersher besitzen sie uneingeschränkte Freizügigkeit in Jordanien, Saudi-Arabien und im Irak.
In der Teestube neben dem Checkpoint sitzen Beduinen und schauen"al-Dschasira". Schweigend. Stundenlang. Von der Straße aus hört man alle fünf bis zehn Minuten ein Flugzeug starten. Man kann sie nicht sehen, aber der Lärm lässt die Fensterscheiben vibrieren. Die Airbase gleich unmittelbar an der irakischen Grenze haben die Amerikaner ebenfalls in Beschlag genommen. Was sie hier machen?"Allah alam", sagt der Verkehrspolizist auf der Kreuzung im Ortszentrum."Das weiß nur Allah allein." Gleich am Ortseingang hat das Komitee Cap Anamur seine Zelte aufgeschlagen. Die siebenköpfige deutsche Besatzung soll sich bereithalten, wenn der große Flüchtlingsansturm einsetzt.
Das Informationsministerium in Amman hat den Bau von zwei großen Flüchtlingscamps bei Ruweischid bekannt gegeben. Doch das Projekt kommt nicht recht vom Fleck. Ein paar Kilometer hinter dem Ort hat der Rote Halbmond, die Schwesterorganisation des Roten Kreuzes, hundert Vier-Mann-Zelte aufgebaut. Das ist alles. Davon ist weniger als die Hälfte belegt. Kein Vergleich zu dem Chaos im letzten Golf-Krieg, als hier fast eine Million Flüchtlinge durchgeschleust wurden.
"MOGADISCHU IM FRIEDEN, DAS IST NOCH SCHLIMMER ALS BAGDAD IM KRIEG."
Vormittags ist ein Buskonvoi mit schwarzafrikanischen Gastarbeitern und Studenten aus Bagdad hier angekommen. Keine ausgemergelten, abgerissenen Gestalten, sie gleichen eher Touristen. Aber jetzt sind sie mittellos. Die letzten Dinare haben ihnen die Busfahrer abgeknöpft. Adam Jahja aus Kassala im Nordosten des Sudan hat neun Monate in einem Bagdader Krankenhaus als Laufbursche gearbeitet. Dann holte ihn eine Knochenkrankheit ein. Weil er kein Geld für die Operation und für Medikamente hatte, reiste er ab. Sonst wäre er gestorben.
Burhan ad-Din aus dem somalischen Mogadischu hat Computertechnik in Bagdad studiert. Er musste den Irak verlassen, weil seine Abteilung an der Universität geschlossen wurde. Jetzt fürchtet er, dass sie ihn nach Somalia ausweisen."Mogadischu im Frieden", sagt er,"das ist noch schlimmer als Bagdad im Krieg."
Auf den letzten 250 Kilometern bis zur irakischen Grenze ist der Verkehr dünn. Tanker, die noch immer Rohöl vom Irak nach Jordanien bringen, Militärlaster, ein weißer Uno-Landcruiser. Auch in Richtung Irak sind noch Reisende unterwegs, meist Kaufleute. Selbst im Krieg kann man in Bagdad noch Geschäfte machen. Araber brauchen kein Visum für den Irak.
Ein betagter Brasilianer ist auf dem Weg nach Bagdad, um gegen den Krieg zu protestieren. Im Namen seiner Frau, einer gebürtigen Irakerin, die aus Gesundheitsgründen nicht mitkommen konnte. Er hat sich reichlich mit Proviant und Arznei eingedeckt. Aber etwas fehlt ihm."Salassil - where I buy salassil in Bagdad?" Er will sich an ein Gebäude ketten. Doch er hat keine Kette. Ob er die in Bagdad kaufen kann?
Bestimmt. Inschallah.
ERICH WIEDEMANN, VOLKHARD WINDFUHR

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