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- "Nur eine Frage von Tagen" - Sascha, 24.03.2003, 03:32
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- "Relativ surrealistisch" - Sascha, 24.03.2003, 03:41
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- Die Amerikaner hatten kein Verdun - Praxedis, 24.03.2003, 03:18
"Nur eine Frage von Tagen"
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Saddam Husseins ehemaliger Generalstabschef und persönlicher Berater, Nisar al-Chasradschi, über die Verteidigungsstrategien Bagdads und die Rolle des irakischen Militärs
SPIEGEL: Wenn Sie einen Angriff zum Sturz Saddam Husseins befehligen müssten, wie würden Sie vorgehen?
Chasradschi: Wochenlange Bombenangriffe wären fatal. Sie würden das Land in Schutt und Asche legen. Das wäre die Hölle. Die Iraker würden dies als Angriff auf das Volk verstehen und die Amerikaner nicht als Befreier begrüßen. Natürlich will Washington seine Hightech-Bomben und Raketen einsetzen, um möglichst nicht einen Soldaten zu verlieren. Aber die Amerikaner werden auch bei einer Invasion zu Land leichtes Spiel haben.
SPIEGEL: Dort rechneten US-Planer eigentlich mit starken Verteidigungsringen: den ersten, 300 000 Soldaten des Heeres, direkt an den Landesgrenzen.
Chasradschi: Saddam hat aus dem Golfkrieg 1991 gelernt. Deshalb wird er den Invasionstruppen keinen Widerstand auf breiter Front und mit traditionellen Mitteln entgegensetzen. Er wird seine Truppen schnell zurückziehen und sich vor allem auf die Verteidigung Bagdads sowie vielleicht noch einiger wichtiger Städte konzentrieren.
SPIEGEL: An welche denken Sie?
Chasradschi: An Basra als Zentrum des Südens, Ramadi im Westen und Baakuba im Osten. Und natürlich wird er versuchen, im Norden die Erdölfelder um Mossul und Kirkuk zu halten.
SPIEGEL: Wie lange können Saddams Festungen dem Ansturm widerstehen?
Chasradschi: Nur wenige Tage oder Wochen - vorausgesetzt, es gelingt den Amerikanern rasch, den Kontakt der Truppen mit Bagdad zu unterbinden. Wenn die Helikopter mit den US-Elitetruppen kommen und die Verbindungen der irakischen Armee ins Hauptquartier gekappt sind, wird die Moral der Verteidiger bald zusammenbrechen. Für Saddam will niemand wirklich den Kopf hinhalten.
SPIEGEL: Bislang hatten die Generäle zu ernsthaftem Widerstand gegen Saddam nicht den Mut.
Chasradschi: Sie werden dazu auch im Krieg nur bereit sein, wenn die US-Regierung ihnen die richtigen Signale gibt: dass der Irak nicht zerstört, die Armee nicht zerschlagen wird, ihre Kommandeure nicht verfolgt werden. Die Militärs, aber auch einflussreiche Funktionäre der regierenden Baath-Partei haben Angst, dass Washington sie alle als Kriegsverbrecher behandelt und ihnen ein neues Nürnberg droht.
SPIEGEL: Weil er seiner regulären Armee misstraut, verlässt sich Saddam in Bagdad ganz auf die Republikanische Garde, die den Amerikanern einen erbitterten Stellungskrieg liefern soll.
"OHNE EINE STARKE ARMEE WERDEN STAMMESKÄMPFE ODER KONFLIKTE ZWISCHEN DEN RELIGIONSGRUPPEN DAS LAND INS CHAOS STÜRZEN."
Chasradschi: Auf diese 150 000 Mann ist Saddam sehr stolz. Sie sind seine Elitetruppen, sind exzellent ausgebildet und trainiert, und sie verfügen über bessere Waffen. Aber selbst das bedeutet im Ernstfall nicht viel.
SPIEGEL: Immerhin sollen sie den Invasoren in der Hauptstadt einen möglichst langen Häuserkampf liefern, in der Hoffnung, so die Massen in der arabischen Welt für Saddam zu mobilisieren.
Chasradschi: Saddam will ein zweites Stalingrad. Aber die Rechnung wird nicht aufgehen. Die Einwohner Bagdads werden eine Auseinandersetzung, bei der um jedes Haus blutig gekämpft wird, nicht unterstützen und vorher fliehen.
SPIEGEL: Dann gibt es noch die Spezialkommandos der Republikanischen Garden. Wie werden die reagieren?
Chasradschi: Die Loyalität dieser Eliteeinheiten wird völlig überbewertet. Sie sind zwar Patrioten, aber ihre Treue gilt dem Land, nicht Saddam. Wenn die Amerikaner vor Bagdad stehen, hat Bush fast schon gewonnen. So sehr sich Saddam dort auch verschanzt: Selbst in der Hauptstadt wird seine Niederlage nur eine Frage von Tagen, höchstens Wochen sein.
SPIEGEL: Und was ist mit den angeblich zu allem entschlossenen Volksmilizen und Selbstmordkommandos, die in martialischen Aufmärschen durch die Straßen Bagdads paradierten?
Chasradschi: Über diese so genannten Freiwilligen kann ich nur lachen. Das sind oft nur nette Mädchen, die ein perfekt funktionierender Machtapparat für diese Demonstrationen zusammentreibt. Der geltungssüchtige Saddam beherrscht die Kunst der Propaganda virtuos.
SPIEGEL: Vor einem Sieg über Saddam steht die Befürchtung, dass ein in die Enge getriebener Diktator Massenvernichtungswaffen einsetzen könnte, auch wenn die Uno-Inspektoren nichts gefunden haben.
Chasradschi: Das muss grundsätzlich nichts bedeuten. Saddam ist ein Meister des Versteckens. Jeder General, jeder Befehlshaber weiß immer nur so viel, wie er unbedingt wissen muss.
SPIEGEL: Halten Sie einen Gegenschlag mit Massenvernichtungswaffen also noch für realistisch?
Chasradschi: Auf verborgene Arsenale mit Chemiewaffen, die großflächig aus der Luft eingesetzt werden müssen, gibt es keine ernst zu nehmenden Hinweise. Dass er aber biologische Kampfstoffe besitzt, von denen schon kleinste Mengen genügen, Tausenden den Tod zu bringen, halte ich für wahrscheinlich. Wenn Saddam Biowaffen hat, wird er sie auch einsetzen.
SPIEGEL: Trotz aller Ungewissheiten ist die irakische Exil-Opposition bereits dabei, das Fell des Bären zu verteilen. Sie streitet über künftige Machtpositionen.
Chasradschi: Da gibt es sehr viele verschiedene Gruppen mit höchst unterschiedlichen Eigeninteressen. Für mich ist das Wichtigste, die Einheit des Landes zu bewahren. Dazu ist nur das Militär in der Lage. Ohne eine starke Armee werden Stammeskämpfe oder die Konflikte zwischen den Religionsgruppen der Schiiten und Sunniten sowie zwischen den Kurden im Norden das Land ins Chaos stürzen. Dann droht uns eine dunkle Zukunft.
SPIEGEL: Als Stabilitätsgarant planen die Amerikaner die Einsetzung eines Militärgouverneurs. Werden Ihre Landsleute das akzeptieren?
Chasradschi: Viele sind inzwischen sogar bereit, den Teufel zu akzeptieren, allerdings höchstens für ein paar Monate. Die Iraker wollen ihre Geschicke selbst bestimmen.
SPIEGEL: Welche Rolle spielen Sie dabei?
Chasradschi: Ich lasse mich von niemandem vereinnahmen. Ich bin ein Mann des Militärs. Ich spiele meine eigene Rolle beim Sturz Saddams.
SPIEGEL: In Dänemark wird immer noch gegen Sie ermittelt wegen Ihrer angeblichen Verantwortung für die Giftgasangriffe auf die kurdische Stadt Halabdscha 1988.
Chasradschi: Diese Aktion unterstand Saddam persönlich und wurde befehligt von seinem Cousin Ali Hassan al-Madschid. Ich bin sicher, dass sich meine Unschuld schon bald herausstellen wird. Außerdem bin ich hier keinesfalls untätig. Ich stehe in enger Verbindung mit vielen Exil-Irakern und habe auch enge Kontakte in mein Land.
INTERVIEW: DIETER BEDNARZ, MANFRED ERTEL

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