- Arbeitsmarkt: Mit 50 zum alten Eisen /"Nur noch Schrott" (aus Spiegel 13/03) mT - Sascha, 24.03.2003, 04:49
- Re: Arbeitsmarkt: Mit 50 zum alten Eisen - ein wirklich gutes Posting! thanx (owT) - susi, 24.03.2003, 09:22
- Re: No Problem - Euklid, 24.03.2003, 09:35
- Arbeitslosigkeit in Deutschland - Sascha, 24.03.2003, 10:31
- Re: Arbeitslosigkeit in Deutschland - Worldwatcher, 24.03.2003, 12:43
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- Re: Weiter so, Deutschland - Tassie Devil, 25.03.2003, 01:16
- Re: Weiter so, Deutschland - olé Dickschiff-Capitán / grandioser Beitrag - Koenigin, 25.03.2003, 09:16
- Re: Weiter so, Deutschland / grandioser Beitrag von TD / *zustimm* oT - - Elli -, 25.03.2003, 19:19
- Re: Weiter so, Deutschland - olé Dickschiff-Capitán / grandioser Beitrag - Tassie Devil, 26.03.2003, 14:50
- Re: Weiter so, Deutschland - olé Dickschiff-Capitán / grandioser Beitrag - Koenigin, 25.03.2003, 09:16
- Re: Arbeitsmarkt: Mit 50 zum alten Eisen - ein wirklich gutes Posting! thanx (owT) - susi, 24.03.2003, 09:22
Arbeitsmarkt: Mit 50 zum alten Eisen /"Nur noch Schrott" (aus Spiegel 13/03) mT
--><font size=5>"Nur noch Schrott"</font>
<font color="#FF0000">Führungskräfte ab 50, die arbeitslos werden, haben kaum Chancen, noch mal einen neuen Job zu finden. Tausende ehemalige Chefs stehen auf der Straße</font>.
Von Bruno Schrep
Kürzlich ist dem Personalchef Jochen Möller wieder diese Frau Mitte 50 eingefallen, die so gern weitergearbeitet hätte. <font color="#FF0000">Sie liebte ihren Job, war viele Jahre im Betrieb und brauchte das Geld, aber das zählte nicht</font>.
Die Ältere passe nicht ins moderne junge Team, befand die Geschäftsführung, außerdem sei sie längst nicht so motiviert und leistungsfähig wie die anderen. <font color="#FF0000">Die Frau sei einfach zu alt</font>.
Gegen eine kleine Abfindung und mit großem Druck hat Personalchef Möller sie <font color="#FF0000">aus der Firma gedrängt, freundlich im Ton, aber hart in der Sache, das ging ganz schnell</font>. Gern tat er es nicht. Aber er war noch neu im Unternehmen, wollte sich bewähren, und die Geschäftsleitung verlangte es.
Heute bereut der Personalchef die Entscheidung. Für ihn ist Unvorstellbares wahr geworden: <font color="#FF0000">Er selbst, der Personalchef Möller, die Führungskraft, wird nicht mehr gebraucht. Einen wie ihn will niemand mehr haben</font>: <font color="#FF0000">zu alt</font>. Möller ist 52.
<font color="#FF0000">Der Mann, der in mehreren mittelständischen Unternehmen Herr aller Personalakten war, der beförderte und abmahnte, mit entschied, wer eingestellt und wer entlassen wurde, sucht seit fast eineinhalb Jahren vergebens einen Job</font>.
<font color="#FF0000">Jochen Möller ist eines von vielen Opfern des Jugendwahns</font>. <font color="#FF0000">Rund 60 Prozent aller deutschen Unternehmen beschäftigen keine Mitarbeiter über 50</font>. Über eine Million Menschen dieser Altersgruppe sind arbeitslos, <font color="#FF0000">darunter immer mehr leitende Angestellte</font>. Tausende ältere Bosse stürzten in den letzten zehn Jahren aus den Chefetagen in die Arbeitslosigkeit.
Betroffen sind vor allem Führungskräfte aus dem mittleren Management: <font color="#FF0000">Betriebsleiter, Controller, Marketingmanager, Verwaltungschefs. Diesen Männern und Frauen über 50 wird nicht zugetraut, in schweren Zeiten flexibel und stark genug zu sein </font>- eine absurde Entwicklung. Denn ganz oben, in den absoluten Führungszirkeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sitzen wie selbstverständlich die Bellheims.
Der 65-jährige Lothar Späth lenkt noch immer die Geschicke von Jenoptik, der 60jährige Hartmut Mehdorn bestimmt die Richtung bei der Bundesbahn. VW-Personalvorstand Peter Hartz, Erfinder des nach ihm benannten Arbeitsmarktkonzepts, ist auch schon 61. Aufsichtsratsboss Rolf Breuer, oberster Kontrolleur der Deutschen Bank, wird demnächst gar schon 66.
Bei Jochen Möller beginnt der Abstieg mit dem Aufstieg in die oberste Spielklasse: Ein Headhunter wirbt ihn von seiner Firma ab, vermittelt ihm einen Posten als Personalleiter eines großen Unternehmens. Möllers Anfangsgehalt, <font color="#FF0000">über eine viertel Million Mark</font>, soll schon nach kurzer Einarbeitungszeit erhöht werden. Seinen Dienstwagen darf sich der Neue selbst aussuchen, das Handy wird ihm zugeschickt.
Einen Tag vor Dienstantritt findet Möller in seinem Briefkasten verhängnisvolle Post: Die Firma ist pleite, der Vertrag hinfällig."Da wusste ich, es wird schwer", erinnert sich Möller. <font color="#FF0000">Doch er hat nicht geahnt, wie schwer."Der Möller, der ist schnell wieder oben", denkt er anfangs,"der hat so gute Beziehungen, der ist in der Branche bekannt wie ein bunter Hund." Von wegen</font>.
"Nach den ersten Fehlschlägen reagierte er noch gelassen", sagt seine Ehefrau, 49. <font color="#FF0000">Doch nach 300 vergeblichen Bewerbungen hat sich das längst geändert</font>.
"Wenn nur vage Aussicht auf eine Anstellung besteht, ist er ein paar Tage gut gelaunt", schildert die Frau. Nach der üblichen Absage beginne der übliche Streit, der Ehemann schreie aus nichtigem Anlass."Die Heizung wird zu heiß.""Das Licht brennt zu lange.""Die Waschmaschine ist zu laut."
<font color="#FF0000">Tatsächlich schreit er seine Wut über etwas anderes heraus:"Zu alt. Zu alt. Zu alt.</font>"
Viel zu alt jedenfalls, wenn jemand erst einmal draußen ist wie Möller."Unsere Führungskräfte sind zwar alle weit über 50", hat ihn kürzlich ein Manager belehrt."Aber keiner käme je auf die Idee, jemand über 45 einzustellen.""Dann kann ich mir ja einen Strick nehmen", hat Möller geantwortet.
Zur Wut kommt Scham. <font color="#FF0000">Niemand sollte bis vor kurzem wissen, dass der erfolgreiche Personalchef Möller arbeitslos ist, selbst die eigene Mutter nicht</font>. <font color="#FF0000">"Alles paletti"</font>, antwortet der 52-Jährige, wenn sich jemand nach seinem Job erkundigt. <font color="#FF0000">Hartnäckigen Nachfragern schwindelt er vor, er sei jetzt freiberuflicher Berater</font>.
<font color="#FF0000">"Arbeitslosigkeit ist doch kein Verbrechen", argumentiert die Ehefrau, plädiert für mehr Offenheit - lange vergebens</font>.
<font color="#FF0000">Soll etwa herauskommen, dass die Ehefrau putzen geht, für zehn Euro die Stunde, weil das Geld vom Arbeitsamt nicht reicht, um die Zinsen für das Haus zu bezahlen?</font> Soll bekannt werden, dass sich die früher so gut situierten Möllers keinen Urlaub mehr leisten können, nur noch bei Aldi einkaufen, nicht mehr ins Restaurant essen gehen?
<font color="#FF0000">Der 13-jährige Sohn moniert schon mal, dass der Vater, statt zu arbeiten, immer so mies gelaunt zu Hause sitzt</font>. Beschwert sich, dass nie Geld da sei. Ist sauer, weil er den neuen Computer nicht bekommt. Macht sich über das Auto, Baujahr 1986, lustig, das seit Möllers letztem Job den Dienstwagen ersetzt:"In diese voll peinliche Kiste steige ich nicht ein."
Die Kinder von Auto-Manager Hans-Helmut Naumann sind schon aus dem Haus. Ansonsten ist der Manager in einer ähnlich verzweifelten Lage wie Jochen Möller, ist er doch auch schon 52. <font color="#FF0000">An diesem Morgen ist er besonders wütend</font>. Mit einem Ruck ist er vom Frühstückstisch aufgestanden, hat die Zeitung auf den Fußboden geknallt und wortlos die Wohnung verlassen.
In Rage versetzt hat ihn die großformatige Anzeige eines"weltweit operierenden Industrieunternehmens", das eine"überzeugende Führungspersönlichkeit" sucht."Hoch qualifiziert" soll der Kandidat sein,"flexibel","belastbar" und"durchsetzungsfähig" - Eigenschaften, die Naumann zu besitzen glaubt. <font color="#FF0000">Für ihn ist es jedoch sinnlos, sich zu bewerben</font>. Denn, so heißt es in der Anzeige weiter:"Der ideale Bewerber ist nicht über 45 Jahre."
Karl-Heinz Ruppert, 61, kennt solche Anzeigen. Und er weiß, welche Verbitterung sie auslösen. Im Berufsbildungszentrum Augsburg betreut Ruppert ein Dutzend arbeitsloser Führungskräfte über 50, darunter Ex-Personalchef Möller und Ex-Auto-Manager Naumann."Brückenschlag 50 plus" heißt das Projekt. Viele von Rupperts Klienten hat das Arbeitsamt geschickt. Vorwiegend Männer, alle mit dem Malus"schwer vermittelbar". <font color="#FF0000">Das klingt wie"schwer erziehbar" oder"schwer erträglich"</font>.
Ruppert hält Kontakt zu Firmen, die ältere Führungskräfte einstellen. Vielleicht. Vor allem aber versucht er, den zerschundenen Selbstwert seiner Kandidaten aufzumöbeln. Die fühlen sich, wie einer zynisch formuliert,"wie Schrott": nichts mehr wert, zu nichts mehr zu gebrauchen.
<font color="#FF0000">"Macht euch nicht klein, tretet nicht als Bittsteller auf"</font> beschwört Ruppert seine Leute. Wenn jemand beim Simulieren von Bewerbungsgesprächen zu devot auftritt, fährt der 61-Jährige dazwischen. <font color="#FF0000">"Denken Sie daran: Sie können was, Sie wissen was, Sie stellen was dar. Sie finden wieder etwas."</font>
Auto-Manager Naumann ist da skeptisch. <font color="#FF0000">Aus seinem Schreibtisch zieht er einen Ordner mit Hunderten Absageschreiben hervor, eines höflicher als das andere. Eines verlogener als das andere</font>.
In keinem Brief steht, Naumann sei zu alt. Stattdessen wird ihm immer wieder bescheinigt, wie"interessant" seine Bewerbung sei. <font color="#FF0000">Dass seine Unterlagen auf Grund seines Alters sofort aussortiert wurden, hat er stets erst durch hartnäckige telefonische Nachfragen herausgekriegt</font>.
Der gelernte Bankkaufmann, der in großen Autohäusern Vertrieb und Verwaltung leitete, der seinen letzten Job wegen Insolvenz der Firma verlor, hat es gerade mal geschafft, zu einem einzigen Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. <font color="#FF0000">Dabei hat er, um wieder arbeiten zu können, vieles versucht: sich für untergeordnete Positionen beworben. Weit weniger Geld gefordert, als er zuletzt verdiente. Ein Jahr Probezeit angeboten. Ergebnis: null</font>.
Eigener Kommentar: Es ist schon derb was mit den über 50-jährigen geschieht aber bei den Jungen wird es - aus eigener Erfahrung - auch immer schlimmer was an DIESEM Arbeitsmark in DIESEM Land abgeht. Abzocke pur! Echte Leistung und Können wird scheinbar kaum noch belohnt oder wird falsch gemessen mit sog. Asessment-Centern und solch einem Riesenschund und Müll!
Um sich selbst zu disziplinieren, hält Naumann eisern an Ritualen fest. Steht morgens um sechs Uhr auf wie früher, zieht den Businessanzug mit Weste an, als müsste er gleich ins Büro, sucht nach dem Frühstück im Internet und in Zeitungen nach Stellenanzeigen, schreibt Bewerbungen, ruft Firmen an. Stemmt zweimal die Woche in einem Fitness-Studio Gewichte.
Doch all das ist kein Ersatz für einen, der bis vor einem halben Jahr 12 bis 14 Stunden täglich verhandelte, Anordnungen traf, Sitzungen leitete. <font color="#FF0000">Der jetzt aushalten muss, dass niemand mehr anruft, niemand Entscheidungen verlangt. Der sich immer häufiger gegen den zersetzenden Gedanken wehren muss, wegen dieses verdammten Alters überflüssig zu sein</font>.
Immerhin: Dank des Einkommens von Naumanns Ehefrau, einer Sekretärin, <font color="#FF0000">kann der soziale Abstieg bislang kaschiert werden</font>. Ob das dem arbeitslosen Warenhausgeschäftsführer Manfred E., 53, auf Dauer auch gelingt, scheint fraglich.
Der hat auf hohem Niveau gelebt, jedenfalls bis vor zweieinhalb Jahren. Penthouse-Wohnung im Frankfurter Nobelvorort Königstein inklusive Schwimmbad und Sauna. Ein dickes Auto, na klar, dazu ein flottes Cabrio für die Gattin.
Warum auch nicht? Er hat doch glänzend verdient, war immer auf der Erfolgsspur. <font color="#FF0000">Manfred E., der Überflieger, der Mann, der von ganz unten kam</font>. Manfred E., der als Schlipsverkäufer angefangen hat und zum Leiter riesiger Einkaufszentren aufgestiegen ist, in Hamburg, in Frankfurt, in Dortmund.
Ein Siegertyp, der damals, nach der Wende, im wilden Osten große Verbrauchermärkte aus dem Boden gestampft hat mit allem Drumherum, vom Blumenladen bis zum Möbelhaus. Der sich mit seinen Bossen zoffte, nie klein beigab, notfalls einfach zur Konkurrenz wechselte. Und jetzt?
"Restbestände aus besseren Zeiten", erklärt der Langzeitarbeitslose Manfred E., deutet auf ein paar schicke Möbel, die nun in seiner kleinen Berliner Mietwohnung stehen. Die muss bald für drei reichen: E.s Ehefrau ist schwanger. <font color="#FF0000">Die Ersparnisse sind aufgebraucht</font>. Noch reicht die Arbeitslosenhilfe, monatlich 1100 Euro, um den Haushalt zu bestreiten. Doch schon bald, befürchtet er, muss das Sozialamt einspringen."Unvorstellbar", sagt Manfred E.
<font color="#FF0000">Empfänger von Stütze hat er immer als Versager eingeschätzt, als Faulenzer. Sollen arbeiten, dachte er</font>.
Als er nach Auslaufen seines letzten Vertrags nicht gleich was Passendes findet, bleibt Manfred E. gelassen. Die Konjunktur, beruhigt er sich, die schlechte Nachfrage.
Und die 5 vorneweg bei der Altersangabe im Lebenslauf? Ach was. Alter, was heißt schon Alter? Man ist so jung, wie man sich fühlt. Erst recht, wenn man jünger aussieht, wenn man noch so fit ist, so voller Elan, etwas Neues anzupacken.
Das Schlüsselerlebnis kommt, als ein Manager zum Aufbau eines Flughafen-Einkaufscenters gesucht wird. Die knapp 30-Jährige, die das Vorstellungsgespräch führt, schwärmt mehrfach von den"young professionals" in ihrer Umgebung, mustert den 53-Jährigen mitleidig. Ob er denn glaube, da noch hineinzupassen?
Eigener Kommentar: Wenn es nur so wäre. Diese young professionals werden doch heute auch schon gegeneinander ausgespielt und im Lohn gedrückt das es nur so kracht. 100 Bewerbungen auf eine Stelle sind scheinbar mittlerweile das Minimum. Ich hätte mal gerne eine Statistik welche die durchschnittliche Anzahl pro Bewerbungen pro Stellenanzeige o.ä. seit 1950 zeigt. Aus dieser würde man vermutlich das Grauen herauslesen können das in den letzten Jahren mehr und mehr kam und sich wohl auch noch leider - ob wir wollen oder nicht - mehr und mehr fortsetzen wird.
Ein anderes Mal, in Hamburg, wähnt sich Manfred E. schon am Ziel. Der Chef will ihn, der Vertrag ist unterschriftsreif, nur ein Mitbewerber ist noch in der engeren Wahl. Der, Ende 20, taucht in Jeans auf und bekommt prompt den Job.
Der Gang zum Arbeitsamt, für Manfred E. eine tiefe Demütigung, bringt neue Ernüchterung. Nicht nur, dass der Sachbearbeiter seinen Gruß nicht erwidert. Er gibt ihm auch, neben Formularen, einen deprimierenden Dreisatz mit:"Wir haben nix für Sie.""Wir kriegen nix für Sie.""Wir können nix für Sie tun."
E. paukt trotzdem weiter Sprachen, besucht Messen, belegt Computerkurse, um für den Tag X gerüstet zu sein. <font color="#FF0000">"Vielleicht geschieht ja ein Wunder"</font>, hofft er.
An so ein Wunder glaubte Personalchef Jochen Möller, als er kürzlich in der"FAZ" die Anzeige eines führenden Software-Herstellers entdeckte. Die Firma suchte einen"Senior"-Personalleiter: selbständig, mit fundiertem Wissen im Sozial- und Arbeitsrecht und mit viel Erfahrung.
"Ich bin der Mann, den Sie suchen", stellte sich Möller am Telefon vor."Wie alt sind Sie denn?", fragte der Gesprächspartner."52.""Leider viel zu alt.""Aber Sie suchen doch einen Senior", wendete Möller ein. Der Mann am anderen Ende lachte. <font color="#FF0000">"Senior heißt bei uns maximal 35." </font>
[b] Eigener Kommentar: Mehr oder weniger schockiert laß ich diesen Artikel den mir ein Freund per eMail zusandte und welcher vermutlich morgen im Spiegel abgedruckt ist.
Leider könnte ich den ganzen Artikel fast schon ausdrucken und persönlich unterschreiben. Er enthält in vielen, vielen Punkten leider die Wahrheit.
In einem Punkt widerspreche ich dem Autor bzw. den Autoren jedoch zumindest ein wenig. Es wird ein wenig so dargestellt als seien die jungen Bewerber die Glücklichen! Das muß ich widerlegen. Ich denke eher es ist so, daß man über 50 gar keine und überhaupt gar keine Chance mehr hat und als junger Akademiker der mal Führungskraft werden will eine Chance die zwar größer ist aber auch alles andere als groß.
Normal sind die Zustände am Arbeitsmarkt schon lange nicht mehr in Zeiten in denen Akademiker die sich nicht gleich selbständig machen und nicht gleich ein finanzielles Risiko in der derzeitigen Konjunkturlage eingehen wollen nur noch mit Putzfrauenlöhen bezahlt werden. Vor kurzem habe ich mal diese Datenbank namens Gehaltscheck im Internet sorgfältig durchstöbert. Mir ist dabei aufgefallen, daß Leistung fast gar nicht mehr oder nur noch in wenigen Einzelfällen wirklich entlohnt wird. Das bestätigt mir die Aussage vieler im Leben stehender Menschen die das schon behauptet haben. Es ist zwar richtig, daß ein Hausjurist nach zahlreichen Jahren Studium und Abitur noch ein paar hundert Euro mehr verdient als Menschen direkt nach ihrer Ausbildung bei einem Ausbildungsabschluß welcher"nur" Realschule erfordert aber zu welchem Preis?
Ich kenne viele Beispiele in denen manche zwar BRUTTO(!) 25% mehr verdienen als andere aber durch ihre unbezahlten Überstunden, die Verantwortung die sie tragen müssen, die erhöhte Flexibilität die verlangt wird und die größeren Steuern die gezahlt werden müssen und die geringeren Förderungen und Vergünstigungen des Staates im Endeffekt den gleichen Stundenloh bzw. das gleiche Arbeit-Nutzen-Verhältnis erreichen.
Und gerade diese Thematik wird in vielen Unis und Fachhochschulen in Deutschland derzeit diskutiert. Ich sitze ja in diesen Quellen und möchte das auch verbreiten. Es muß endlich wieder Leistung entlohnt werden in diesem Land.
Ein Beispiel für leistungsungerechte Entlohnung ist auch mein eigener Bruder. Er hat den Realschulabschluß gemacht, danach eine Ausbildung zum Industrieelektroniker bei einer nahmhaften deutschen Firma (im M-DAX) und ist nun im 1. Berufsjahr. Er verdient etwa 2200 Euro Brutto pro Monat. Die Firma zahlt einen für die Arbeit gerechten Lohn. Es gibt Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, es gibt eine betriebliche Sonderzulage im Monat März was bedeutet, daß in diesem Monat der Bruttolohn um 65% erhöht ist und es wird stritk nach Tarif (IG-Metall) gearbeitet. Die Schichten sind in diesem Unternehmen eingeteilt und"nach meiner Schicht folgt sozusagen die nächste" was dazu führt, daß fairerweise kaum Überstunden anfallen. Und das macht dieses Unternehmen obwohl es wie fast alle Unternehmen derzeit auch von der Konjunktur hart getroffen ist. Ich gönne es meinem Bruder jedoch und wünsche ihm, daß er weiter kommt und noch ein wenig aufsteigt. Alles in allem hat mein Bruder gut 2500 Euro Brutto im Monat wenn man die erwähnten Sonderzahlungen auf die einzelenn Monate umlegt.
Doch wenn ich mich aus meiner Bruderrolle versuche zu entkoppeln und es möglichst objektiv betrachte so fallen mir die krassen Fehler auf die im Entlohnungsssystem der BRD existieren. So habe ich den Tarifvertrag für aprobierte Apotheker vorliegen. Demnach erhält jemand der in einer Krankenhausapotheke oder in einer Apotheke allgemein eingestellt ist als Apotheker im 1. Berufsjahr rund 2800 Euro Brutto.
Der Unterschied: Hier muß man erst mal Abitur machen und erst mal 8 Semester Pharmazie o.ä. studieren. Das bedeutet sieben Jahre mehr oder weniger Einkommensverzicht oder eben Doppelbelastung (Studium+Arbeit) und auch Kosten für die Ausbildung selbst welche entstehen.
Der studierte Apotheker oder die Apothekerin kann das verlorene Einkommen in ihrem Leben kaum noch wirklich wieder reinholen.
Dies ist jedoch nur ein Beispiel. Bei Ingenieuren ist es oft ähnlich genauso wie bei Hausjuristen. Die einzige Zuflucht die es gibt ist sich selbständig zu machen doch das ist ein hohes Risiko in jungen Jahren oder ins Ausland abzuwandern was auch sehr sehr viele machen und über was ich selbst auch mehr und mehr nachdenke wenn ich mir diese Sauerein anschaue die hier laufen in diesem Land.
Man kann natürlich jetzt leicht sagen, daß dies alles die Folgen des"freien" Marktes sind und sich das von selbst regelt nach dem üblichen Muster:
Wenig Verdienst --> Keiner studiert den"Scheiß" mehr --> Weniger Angebot dieser Arbeitskräfte auf dem Markt --> steigende Preise (in diesem Fall: Die Löhne) --> Es gibt wieder mehr Menschen die das Fach studieren --> Angebot steigt --> Preis bzw. Löhne sinken --> Weniger studieren den"Scheiß" --> und die Kette geht von vorne los...
Ja der Markt regelt vieles nur sind wir scheinbar an einem Punkt angelangt bei dem für nahezu alle Berufe ein Überangebot an Arbeitskräften besteht bis auf weniig Ausnahmen bei den wirklichen Top-Arbeitskräften oder einzelnen Mangelberufen. Im Großen und Ganzen wird dies ja durch steigende Arbeitslosenzahlen sowohl bei Akademikern als auch bei älteren Arbeitnehmern als auch bei jüngeren Arbeitnehmern als auch bei Abgängern vom Gymnasium als auch bei Abgänger der Realschule als auch bei augebildeten jungen Menschen bestätigt.
Ich selbst habe den Eindruck, daß man bei den"normalen" (ich meine das nicht abwertend!!!) Berufen den Lohn durch diese Umstände natürlich nach unten drücken konnte und auch gedrückt hat und heute ist man an einem Punkt an dem man nicht mehr viel senken kann um nicht den Lohn soweit zu denken, daß der Arbeitnehmer weniger hat als ein Sozialhilfeempfänger der häufig bis um elf Uhr schlafen kann. Die Gewerkschaften geben zwar Kontra aber sind häufig mehr oder weniger auch machtlos bei einem extremen Überangebot von Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt. Bei den"höheren" Berufen welche eine höhere Qualifikation erfordern (Abitur, Hochschulstudium, Promotion...) macht man das gleiche. Auch hier gibt es in vielen Bereichen (Betriebswirtschaft, teilweise bei den Ingenieuren oder anderen Studienfächern) einen Überhang an Arbeitnehmern und das trotz starker Auswanderungsbewegungen. Hier hat man den Lohn ebenfalls gedrückt oder hat tolle nichtssagende Titel wie beispielsweise den"Facility Manager" geschaffen oder Kompetenzen erweitert. Mehr und mehr werden auch diese Arbeitnehmer gedrückt und ausgequetscht. Ich höre es fast täglich von vielen Bekannten oder den Eltern von Freunden was hierzulande so läuft. Man bekommt Überstunden aufedrückt das es nur so knallt. Naja ich denke kaum das diese Menschen den Überstunden abgeneigt sind. Nur: Diese Überstunden werden mehr oder weniger erpresst statt bezahlt. Es gilt in diesem Marktumfeld - um seinen Arbeitsplatz zu wahren - als total normal, daß man locker mal eben fünf bis zehn UNBEZAHLTE Überstunden macht. Macht man's nicht steht schon ein anderer an der Tür der das mit sich machen läßt weil die Menschen verzweifelt sind in der Suche nach Arbeit.
Der Spiegel-Artikel hat mir sehr gut gefallen. Nicht zuletzt weil ich während meines Projektstudiums in einem Unternehmen in der Buchhaltung einen Arbeitnehmer kennengelernt habe welcher ein Studium mit gutem Abschluß hatte,"nur" rund 40 Jahre alt war, vorher bei einem anderen Unternehmen sehr gut gearbeitet hatte im Finanzbereich und sogar Prokura hatte und nebenbei noch Leiter des EDV-Bereich war. Heute arbeitet der Mann für m.E. einen Hungerlohn als Buchhalter und ist der Trottel des Betriebes. Er hat zwei Kinder und seine Frau hat ebenfalls studiert. Sie ist Biologin und hat auch keinen Job mehr bekommen und ist jetzt - durch die Verpflichtungen der Versorgung der Kinder/Familie - gezwungen sich bei einer Arztpraxis als Aushilfe ausplündern und ausbeuten zu lassen.
Gleichzeitig fördert man von Seiten der Regierung mit radikaler Streichung von Arbeitslosengeld und ähnlichen Dingen die Konkurrenz unter den Arbeitnehmern noch regelrecht an. Die Folgen sind in meinen Augen klar: Das Problem das einfach zu wenige Arbeitsplätze da sind wird nicht an der Wurzel angepackt, vielmehr verstärkt man lediglich den Druck auf die Arbeitnehmer irgendwelche"zumutbaren" Jobs anzunehmen und mehr und mehr unter Preis oder für Billigst-, Mindest- und Hungerlöhne zu arbeiten. Dies wird die Löhne und Gehälter am Ende nur noch weiter nach unten in Richtung Sozialhilfe drücken und am Ende fragen wir uns dann, egal ob wir Industrieelektroniker, angestellter Hausjurist oder Sekretärin sind warum wir eigentlich noch arbeiten wenn wir noch 20 Euro (wenn überhaupt) mehr bekommen als wenn wir von der Sozialhilfe leben würden.
Leistung muß endlich wieder mehr erkannt werden
Leistung muß endlich wieder gerechter bezahlt werden
Eine Bezahlung von Überstunden sollte m.E. im Gesetz verpflichtend verankert werden. Die Folge könnte natürlich sein, daß damit das Grundgehalt sinkt. Aber dadurch wird auch automatisch als Folge der Effekt eintreten, daß die Leute mehr und mehr merken wie stark sie eigentlich ausgeplündert werden wenn sie ihr GRUNDGEHALT dann mal sehen.
Um aber kurz auf den Spiegel-Artikel zurückzukommen. Ich kann es nur bestätigen. Viele Menschen geben sich in diesem Alter dann plötzlich auf. Der einzige Trost der vielleicht bleibt ist, daß sie nicht alleine sind. Es sind mittlerweile keine Einzelfälle mehr und es ist eher die Regel. Gerade die Menschen die relativ viel erreicht haben, ihr Leben lang auf vieles verzichtet haben um sich was zu erarbeiten, richtig"hingeglotzt" haben was die Arbeit angeht haben es dann - wenn sie mit 50 oder älter - arbeitslos werden umso schwerer. Bevor der Sozialstaat nämlich hilft muß in den meisten Fällen erst mal das gesamte schwer erarbeitet Vermögen verzehrt werden und das geht schneller als mancher wahr haben mag wenn man mal 12 oder 18 Monate arbeitslos ist und die Kosten weiter laufen. Doch viele Menschen machen auch - wie der Spiegel-Autor - richti schreibt einen entscheidenden persönlichen Fehler. Sie geben es nicht zu, aus falschem Stolz, daß es nicht mehr so läuft. Das finde ich falsch denn die Leute werden vielleicht zum"alten Eisen" gezählt aber sind es noch lange nicht. Nur sie selbst wissen was sie können und auch der beste und klügste Kopf ist NUR EIN MENSCH. Wir alle sind nur Menschen und auch die größten Forscher und Doktoren können nicht immer nur Erfolge haben. Nur meistens ist es gerade für diese sehr sehr stark gebildete Bevölkerungsschicht oft sehr schwer wenn sie nach 10, 20, 30 Erfolgsjahren auch mal erfolglose Jahre durchleiden. Sie verschweigen es ihren Verwandten, ihrer Mutter (wie im Spiegel-Artikel erwähnt) und ihrem Vater und selbst ihren Freunden, ziehen sich zurück, geben sich auf, lassen sich gehen. In meinen Augen jedoch ist es alles andere als eine Niederlage wenn man viel erreicht hat und mal mit 50 eben keinen Job hat. Viel zu oft machen sich gerade diese Mensche sogar scheinbar selbst was vor und verstreuen Optimismus wo keiner ist und auf der anderen Seite sind sie gereizt, genervt und gestresst und voller Zukunftsangst und weil sie den Optimismus verstreuen wo dieser nicht ist fragen sich Außenstehende oft woher die Aufregung, der Streß und die Verzweiflung oder das"komische" Verhalten dieser Menschen herkommt.
Scheinbar ist es bei Männer ein teilweise vorhandenes"Phänomen", daß diese ab und an nicht zugeben wollen wenn sie arbeitslos geworden sind. Es gibt Männer die schämen sich für den Verlust ihres Arbeitsplatzes derart stark, daß sie es nicht mal ihrer Familie oder Ehefrau mitteilen. Sie gehen morgens aus dem Haus und kommen abends wieder und tun oft monatelang so als sei alles in Ordnung. Ich kann dieses verhalten einerseits verstehen weil diese Männer nicht als"Looser" und Verlierer da stehen wollen. Aber auf der anderen Seite kann ich es auch nicht verstehen. Denn für was hat man eine Familie und Freunde und Verwandte wenn man ihnen nicht mal etwas anvertrauen kann. In einer zusammenhaltenden Familie halten die Menschen zusammen und es mag anfangs für so manche Familie ein Schock sein wenn der"Papa" arbeitslos ist aber wenn man die Fakten auf den Tisch legt ist es meist für alle Beteiligten besser da man sich gegenseitig viel besser helfen, unterstützen und Mut machen kann. Und heute ist Arbeitslosigkeit schon lange keine Schande mehr. Scheinbar sind bei vielen aus ihrer Jugend noch die Bilder von Vollbeschäftigung und Gastarbeitern im Kopf fest verankert. Fest verankert die Zeiten in denen es praktisch keine Arbeitslosigkeit gab. Doch heute ist Arbeitslosigkeit keine Ausnahme mehr sondern eher schon ein häufig vorkommender Schicksalsschlag.
Ich kann daher nur an alle Arbeitslosen (egal ob über oder unter 50) appellieren: Gebt euch nicht auf, legt die Fakten auf den Tisch, macht euch nichts vor (die meisten die euch gut kennen merken es so und so irgendwie an eurem anderen Verhalten), bleibt realistisch und verfallt nicht in total übertriebenen Optimismus oder Pessimismus. Nur ihr selbst wißt was ihr könnt.
Man kann nur hoffen, daß die Zustände in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt bald wieder besser werden. Doch ich glaube eher das Gegenteil wird in den nächsten Jahren - längerfristig betrachtet - der Fall sein.
Viele Grüße an das Forum,
Sascha, Deutschland im Jahr 2003

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