- Die Raketen - Praxedis, 24.03.2003, 13:56
Die Raketen
-->von Robert Fisk
The Independent / ZNet 22.03.2003
Der von Saddam am häufigsten benutzte Präsidentenpalast, ein Gebäude wie ein riesiger Wall, 20 Stockwerke hoch, explodierte einfach vor meinen Augen in einem Feuerkessel, einer 30 Meter hohen Flammenwand und mit einem Geräusch welches meine Ohren noch eine Stunde danach dröhnen lies. Das gesamte, massiv befestigte Bauwerk erschütterte nach dem Einschlag. Dann schlugen vier weitere Cruise-Missiles ein.
Das ist die stärkste Bombardierung welche Bagdad seit mehr als 20 Jahren des Krieges erlitten hat. In der ganzen Stadt ließen Explosionen letzte Nacht den Boden beben. Zu meiner Rechten fing das Ministerium für Waffenbeschaffung Feuer, ein langes Gebäude mit einem Säulengang, welcher der Fassade des Pentagons ähnelt, als fünf Cruise-Missiles in den Beton einschlugen.
In einer Operation welche offiziell dazu gedacht war"Schock und Ehrfurcht" zu erwecken, war Schock kaum das richtige Wort dafür. Die wenigen Iraker in den Straßen um mich herum, welche wohl keine Freunde Saddams waren, wie ich vermute, fluchten in ihren Bart hinein.
Von hoch gebauten Gebäuden, Läden und Häusern kam der Knall von aufschlagendem Glas, als die Schockwellen in beiden Richtungen über den Tigris liefen. Minute auf Minute kamen die Raketen herein. Viele Iraker hatten wie ich den Fernsehfilm jener Unheil verkündenden B52- Bomber gesehen, wie jene nur sechs Stunden zuvor von Großbritannien weggeflogen waren. Die B52-Bomber, welche fast sicherlich von außerhalb des irakischen Luftraums feuerten, waren der Tod auf Termin.
Polizeiwagen fuhren schnell durch die Straßen, ihre Lautsprecher wiesen die Fußgänger an Unterschlupf zu Suchen oder sich unter dem Schutz der großen Gebäude zu verstecken. Das machte alles besser. Als ich neben einem Block von Läden auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses hockte, verpasste mich knapp ein Schauer von Glas der von den oberen Fenstern kam, als die Schockwellen auf sie trafen.
Entlang der Straße konnte man einige Iraker sehen wie sie von ihren Balkonen starrten, Scherben von zerbrochenem Glas neben ihnen. Jedes mal wenn eine der goldenen Feuerblasen über der Stadt flog, duckten sie sich im Haus bevor die Schockwelle sie erreichte. Zu einem Zeitpunkt, als ich unter einer Baumgruppe stand, kam eine Welle von Cruise-Missiles nicht hoch über mir vorbei, und der Schrille Ton ihres Fluges war fast so zerstörerisch wie die Explosionen die folgten.
Ich frage mich, wie jemand dies ohne die Sprache eines militärischen Berichts beschreibt, die Definition der Farbe, die Dezibel der Explosionen? Als die Cruise-Missiles hereinkamen klang es als würde jemand riesige Fetzen Seide in der Luft zerreißen und die Schockwellen wurden zu einer Art furchterregendem Pendant der Flammen.
Es liegt etwas Anarchistisches in der Natur aller Menschen, wenn es zu ihrer Reaktion auf Gewalt kommt. Die Iraker um mich herum standen da und schauten, wie ich es tat, wie riesige Feuerzungen aus den oberen Stockwerken des Palastes Saddams schossen, und hoch in den Himmel ragten. Seltsamerweise funktionierte das Stromnetz weiterhin und überall um uns herum wechselten die Verkehrslichter weiterhin zwischen Rot und Grün. Anzeigetafeln bewegten sich im Schauer der Schockwellen und die Flutlichter warfen weiterhin ihr Licht auf die öffentlichen Gebäude. Über uns konnten wir sehen wie die massiven Rauchwolken begannen sich über Bagdad zu bewegen, weiß von den Explosionen und schwarz von den brennenden Zielen.
Wie hätte jemand sich wehren können? Wie konnten die Iraker jemals glauben, dass sie sich mit ihrer kaputten Technologie, nach ihren 12 schwächenden Jahren der Sanktionen, gegen die Computer dieser Raketen und dieser Flugzeuge wehren könnten? Es war dieselbe alte Geschichte: unaufhaltsame, unhinterfragbare Macht.
Nun ja, könnte man sagen, könnte man nicht ein angemesseneres Regime angreifen? Aber das ist nicht worum es geht. Denn die Botschaft der Angriffe der letzten Nacht war die selbe wie jene der Angriffe am Donnerstag, and die von all den Angriffen in den Stunden die noch kommen werden: dass man den Vereinigten Staaten gehorchen muss. Dass die EU, die UNO, und die Nato, dass nichts in ihrem Weg stehen darf. Und tatsächlich, überhaupt in ihrem Weg stehen kann.
Zweifelsohne wird der irakische Minister für Information diesen Morgen wieder zu uns allen sprechen, und dabei bleiben, dass der Irak durchhalten wird. Wir werden es sehen. Aber wie viele Iraker fragen nun eine offensichtliche Frage: wie viele Tage? Nicht weil sie die Amerikaner oder die Briten in Bagdad haben wollen, und obwohl sie dies von tiefstem Herzen wünschen mögen. Sondern weil sie wollen, dass diese Gewalt endet: was, wenn man darüber nachdenkt, genau das ist, warum die Angriffe stattfanden.
In der letzten Nacht kamen die Berichte über die im Angriff getöteten Zivilisten herein, was, wenn man die Intensität der Cruise-Missile Angriffe betrachtet, nicht überraschend ist. Es stellte sich heraus, dass die riesigen Militärbaracken in Rashid, vielleicht die größten im Irak, ein weiteres Ziel waren.
Aber das symbolische Zentrum dieses Angriffes sollte ganz klar der Hauptpalast von Saddam sein, mit seinen Villen, Fontänen, Säulenvorbauten und Gärten. Und, klarerweise, sahen die Flammen welche letzte Nacht an den Fassaden des Palastes leckten wie das Feuer eines Scheiterhaufens aus.
<ul> ~ ZNet Deutschland</ul>

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