- Kritisches über Illig, für Toni u. dottore - Kleinanleger, 14.10.2000, 14:23
- Re: Kritisches über Illig, für Toni u. dottore - Jochen, 14.10.2000, 14:39
- Re: Kritisches über Illig, für Toni u. dottore - Und Metakritik, massiv! - dottore, 14.10.2000, 15:24
- Re: Karl d.G - - - Metakritik, massiv! - - - Jetzt ist Toni aber häppy: - Toni, 14.10.2000, 18:57
- Re: Karl d.G auch nützlich fürs Business - Toni, 14.10.2000, 19:57
- Re: Jetzt ist Toni aber häppy - Warum wurde"gefälscht"? Und Beispiel Israel: - dottore, 15.10.2000, 12:58
- Re: Warum wurde"gefälscht"? - Historikerschlachtfest - Toni, 15.10.2000, 13:27
- Tolle Ausführung, dottore. Siehe dazu auch de.sci.geschichte (owT) - Kleinanleger, 15.10.2000, 20:16
- Re: Warum wurde"gefälscht"? - Historikerschlachtfest - Toni, 15.10.2000, 13:27
- Re: Bezahlen und Lesen in der Karolingerzeit - Toni, 16.10.2000, 10:20
- Re: Bezahlen und Lesen in der Karolingerzeit - dottore, 16.10.2000, 11:30
- Re: Illig & Co. - Toni, 16.10.2000, 20:11
- Re: Illig & Co. Und Toni wird selbst mir unheimlich (bist Du der CIA?) ;-) - dottore, 16.10.2000, 20:28
- Re: Illig & Co. Und Toni ist halt manchmal etwas bescheuert. - Toni, 16.10.2000, 20:53
- Re: Illig & Co. Und Toni wird selbst mir unheimlich (bist Du der CIA?) ;-) - dottore, 16.10.2000, 20:28
- Re: Illig & Co. - Toni, 16.10.2000, 20:11
- z.B. http://home.ivm.de/~Guenter/index.html (owT) - Kleinanleger, 16.10.2000, 19:55
- Re: z.B. http://home.ivm.de/~Guenter/index.html (mkT) - Toni, 16.10.2000, 20:14
- So klein ist die Welt. (owT) - Kleinanleger, 16.10.2000, 20:31
- Re: z.B. http://home.ivm.de/~Guenter/index.html (mkT) - Toni, 16.10.2000, 20:14
- Re: Bezahlen und Lesen in der Karolingerzeit - dottore, 16.10.2000, 11:30
- Re: Karl d.G - - - Metakritik, massiv! - - - Jetzt ist Toni aber häppy: - Toni, 14.10.2000, 18:57
Re: Jetzt ist Toni aber häppy - Warum wurde"gefälscht"? Und Beispiel Israel:
Hi Toni,
schönen Dank (hier wird ja wirklich über Tod & Teufel debattiert).
>Als sich bei meinen frühen Studien Hinweise auf mittelalterliche Fälschungen häuften, begann ich zu sammeln, stellte dann aber bald fest, dass es bereits dicke Bücher darüber gab, und so konnte ich mir weitere Mühen sparen. Bei den (Urkunden-) Fälschungen handelte es sich wohl öfters nicht einmal um"böse" Absicht, sondern um einen Akt der Sichtbarmachung göttlichen Willens in der Welt. Und da die Leute keine Zeitachse im Hirn hatten wie wir heute (s. Gurjewitsch), sondern wie die Kinder gedacht haben müssen (morgen habe Wauwau gesehen, gestern will ich Schokolade), war es ein leichtes, ganze Völker an der Nase herumzuführen.
Warum wurde gefälscht? Die Literatur dazu ist ja wirklich kolossal, selbst Prof. Theo Kölzer, unser führender Diplomatiker zieht immer mehr Urkunden aus dem Verkehr (vgl. u.a. seine"Studien zu den Urkundenfälschungen des Klosters St. Maximin vor Trier (10.-12.Jh.)" Thorbecke 1989). Kölzer bereitet eine Edition der merowingischen Urkunden vor, kommt aber damit so Recht nicht aus dem Knick, er ahnt die Katatrophe und erklärte Faußner (sinngemäß): Ich weiß, ich weiß, aber was soll ich machen? (Der Bonner Lehrstuhl wäre nämlich weg).
Prof. Horst Fuhrmann, lange Zeit Vorsitzender des Historikerverbandes und Hg. der"Monumenta Germaniae Historica" hatte das ganze vor Jahren schon ins Rollen gebracht, vgl."Fälschung im Dienste der Wahrheit" in seinem"Überall ist Mittelalter" (Beck, 1996). Fuhrmann hat einen eleganten Ausweg angeboten:"Allen diesen Fälschungen (er bezieht sich zunächst auf theologische Texte, d.) ist eigentümlich, dass sie zur Zeit ihrer Entstehung kaum gewirkt haben. Sie hatten, von der Entstehungszeit her gesehen, antizipatorischen Charakter." Und später (!) habe eine"entsprechend veränderte Welt die Fälschungen aufgenommen."
Diese Theorie des"Fälschens auf Vorrat" ist natürlich Humbug. Es ist wohl ganz anders und ganz einfach gewesen:
Als die Klöster und Kirchen ihr Eigentum übernahmen, gab's noch kein Eigentumsrecht in dem Sinne, dass es ihnen jemand hätte streitig machen können. Der Bauer, der auf seinem Hof wirtschaftete, wurde auch nicht gefragt: Wo ist eigentlich der Grundbuchauszug, der beweist, dass dieser Hof dir gehört?
Es waren neue, bisher eigentumslose Gebiete, die man sich an-eignete, also zum ersten Mal überhaupt zum"Eigen" machte. Niemand hätte aus einer Rechtsposition heraus dies in Frage gestellt. Einzig Macht hätte sie vertreiben können, weshalb die ersten Klöster und Kirchen Befestigungs- und Wehranlagen waren (Mauern, Turm). Sie waren auch paramilitärisch gesichert, wie die Literatur berichtet.
Als dann die ersten"Herrscher" auftraten und ein Ober-Eigentum (jus expropriationis usw.) beanspruchten, mussten entsprechende Titel ausgefertigt werden, die gerichtsverwendbar waren. Da war dann entsprechender Stress. Und um die Ansprüche zurückweisen zu können, mussten"frühere" Herrscher erfunden werden, mit entsprechenden Urkunden, die das Eigentum als vor langer Zeit schon verliehen auswiesen (Ludwig der Fromme, Nachfolger KdGs heißt so, weil er fast das ganze nutzbare Reichsterritorium fromm verschenkt hatte). Diese Kaiser kannte keiner mehr (weit zurück datiert, obendrein in eine Zeit, die keinerlei Datierung kannte) und sie waren obendrein der Einfachheit halber ausgestorben, so dass ein rechtliches Faktum geschaffen war, dem nicht mehr widersprochen werden konnte.
Und so kamen halt die"Karolinger" in die Welt. Ihre Existenz musste mit Stories über ihr Leben und Streben unterfüttert werden, damit das Ganze auch"echt" wirkte. Begleitend traten dann die Theologen auf, die ein Eigentum an Kirchen usw. rechtfertigten (z.B. Thomas von Aquin sehr ausführlich).
Das Problem bei Klöstern und Kirchen liegt nämlich darin, dass sie als"juristische Personen" Eigentum hatten - etwas, das die Antike in der Form überhaupt nicht kannte. Diese"Entpersonalisierung" des Eigentums (das der jeweilige Abt bzw. Pfarrer oder Bischof nur"verwaltete") ist - so gesehen - eine grandiose Leistung und die neue Theorie wurde dann von den Juristen des kanonischen Rechts unterfüttert, indem sie die entsprechenden"Belegstellen" aus der Antike nachlieferten.
Ich neige daher dazu, bei den"Urkunden" die"echten" von den"gefälschten" zu unterscheiden."Echte" sind solche, die in der Zeit des aufkommenden Streits um das Eigentum tatsächlich existentes Eigentum"wasserdicht", als gerichtsverwendbar machten. Die Tatbestände, die sie beurkundeten, existierten wirklich."Gefälschte" Urkunden sind solche, die im nachhinein zusätzliche Eigentumsansprüche erfunden haben. Von diesen hat sich die Forschung bereits verabschiedet, von den ersteren noch nicht. Beide Urkundenarten wurden aber erst ab dem 10. Jh. fabriziert.
Mit welcher Chuzpe inzwischen vorgegangen wird, zeigte gerade erst die Ausstellung"Das Jahrtausend der Mönche" über das Kloster Werden (Essen) 799 - 1803". Da wurde unter Nr. 165 das"Gründungsprivileg" Karls des Großen für Werden 26. April 802 gezeigt und gleichzeitig (!) wurde diese Urkunde als"Fälschung, angefertigt Anf. 11. Jh." bezeichnet (vgl. a. Hägermann,"Die Urkundenfälschungen auf Karl den Großen. Eine Übersicht, in: Fälschungen im MA 3 (MGH Schriften 33,3). Inzwischen sind von den 262 überlieferten Urkunden KdGs 104 als Fälschung oder als"zweifelhaft" decouvriert.
Aber eine anerkannt gefälschte Urkunde in einer wissenschaftlichen Ausstellung zu präsentieren, ist schon frech! Die Ausstellung wurde am 25. März 1999 eröffnet und lief bis 27. Juni.
>Seine eigene Nicht-Existenz tut KdG allerdings keinen Abbruch. Die Welt will Supermänner sehen, und der in allem Denkbaren gebildete 2-Meter-Hüne KdG ist alleweil sympathischer als einer von den neuzeitlichen Rambo-, 007- und 3-Tage-Bart-Typen.
Wunderbar und völlig richtig! Dazu: Karl-Ernst Geith:"Carolus Magnus - Studien zur Darstellung Karls des Großen in der deutschen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts", Francke 1977. Damals wurde der Supermann"entdeckt" und vermutlich auch erfunden, evtl. wenige Jahrzehnte früher. Und ein"Heiliger" war er der Einfachheit halber dann auch gleich.
>Ich nehme an, dass die Forschung zur allfälligen 300-Jahre-Lücke weiterläuft, denn die Schnittstellen zu angrenzenden Kulturkreisen müssen klar definiert werden. Erst dann gibt's Cannae.
Cannae läuft auf breiter Front, buchstäblich. Heinsohn hat in"Zeitensprünge" 3/99 den Beweis für Israel geliefert. Das ist vor allem wichtig, da es keine andere Kultur gibt, die fast lückenlos durch Schriften dokumentiert ist, wie die jüdische und nirgends mehr ausgegraben wurde als im Heiligen Land.
Heinsohn zitiert Dubnow"Weltgeschichte des jüdischen Volkes" 1926:"Aus den ersten drei Jahrhunderten der musulmanischen Ära dringen zu den Geschichtsschreibern fast gar keine Nachrichten über die Geschicke der Juden im arabischen Palestina." Warum wohl? Weil es diese Zeit nicht gegeben hat.
Moshe Gil hat zwar 1992"A History of Palestine 634-1099" veröffentlicht (hebr. 1983), aber er kann das Problem nicht lösen, warum die Synagogenkultur im 8. Jh. ohne erkennbaren Täter untergeht und die Auslöschung der jüdischen Synagogenkultur durch die Kreuzritter im Jahre 1099 ohne archäologischen Befund bleibt.
Die Antwort ist ganz einfach: Das jüdische Palestina blühte bis zum Einfall der Kreuzfahrer. Klartext: Die 300 Jahre sind eine Phantomzeit.
>Grossen Dank für den hochinteressanten Exkurs,
>und herzliche Grüsse
>von Toni
Es wird noch viel, viel dicker kommen für die Historiker, mein Wort drauf. Dies nur Mal eben schnell.
Lieben Gruß zurück
d.
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