- Interview mit Gunnar Heinsohn:"A fight for love and glory" [d]/ lesenswert! - marocki4, 07.04.2003, 12:05
- Re: Dazu Koran, Sure 4 ("Die Frauen"): - dottore, 07.04.2003, 13:52
- Zeitenwende: Die Hybris des Hegemonen (NZZ) - marocki4, 07.04.2003, 14:30
- Re: Dazu Koran, Sure 4 ("Die Frauen"): - dottore - nereus, 07.04.2003, 14:54
- Re: Dazu Koran, Sure 4 ("Die Frauen"): - dottore - dottore, 07.04.2003, 16:09
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - ja, sehr lesenswert - nereus, 07.04.2003, 14:47
- lesenswert - silvereagle, 07.04.2003, 16:36
- Re: lesenswert - silberadler - nereus, 07.04.2003, 16:44
- 'Es geht ja nur ums Ã-l!' - silvereagle, 07.04.2003, 21:43
- Re: 'Es geht ja nur ums Ã-l!' - silvereagle - nereus, 08.04.2003, 11:32
- Re: Spitzenkommentar! MACHT! Da fällt mir auch der Vergleich Bush+Gates und Micr - Luigi, 08.04.2003, 12:04
- Re: 'Es geht ja nur ums Ã-l!' - silvereagle - nereus, 08.04.2003, 11:32
- 'Es geht ja nur ums Ã-l!' - silvereagle, 07.04.2003, 21:43
- Re: lesenswert - Uwe, 07.04.2003, 17:05
- Nein. - Zardoz, 07.04.2003, 18:08
- Re: Trotz des vehementen Neins, scheinen wir vielleicht... - Uwe, 07.04.2003, 19:03
- Ja... ;-) (owT) - Zardoz, 07.04.2003, 23:19
- Re: Trotz des vehementen Neins, scheinen wir vielleicht... - Uwe, 07.04.2003, 19:03
- Nein. - Zardoz, 07.04.2003, 18:08
- Re: lesenswert - silberadler - nereus, 07.04.2003, 16:44
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - ja, sehr lesenswert - Jochen, 07.04.2003, 19:41
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - Jochen - nereus, 07.04.2003, 21:29
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - Nereus - Jochen, 07.04.2003, 21:51
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - Jochen - nereus, 07.04.2003, 23:10
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - Nereus - Jochen, 07.04.2003, 21:51
- Re: Interview mit Gunnar Heinsohn:.. lesenswert! - Jochen - nereus, 07.04.2003, 21:29
- lesenswert - silvereagle, 07.04.2003, 16:36
- ist ja interessant, aber die Amis sind unfähig längerfristig zu denken - kingsolomon, 07.04.2003, 16:11
- lesenswert auch deshalb, weil allein das Thema Bevölkerungswachstum bei der - marocki4, 07.04.2003, 16:57
- Heinsohn schreibt Schwachsinn, wie er es meist zu tun pflegt. - JeFra, 07.04.2003, 21:44
- interessanter Beginn, seltsamer Schluss - silvereagle, 07.04.2003, 22:31
- Re: interessanter Beginn, seltsamer Schluss - JeFra, 08.04.2003, 00:11
- interessanter Beginn, seltsamer Schluss - silvereagle, 07.04.2003, 22:31
- Re: Dazu Koran, Sure 4 ("Die Frauen"): - dottore, 07.04.2003, 13:52
Zeitenwende: Die Hybris des Hegemonen (NZZ)
-->da stoße ich doch gerade noch auf folgendes...
danke aber auch für die Koran-Verknüpfung...hatte sowas schon geahnt.
Gruß
Abschied von der Globalisierung: Der Krieg im Irak markiert eine Zeitwende
Der britisch-amerikanische Feldzug durch ein Kerngebiet der arabischen Zivilisation markiert eine Zäsur in den Beziehungen zwischen dem Okzident und den nichtwestlichen Kulturen, die seit längerem in Vorbereitung ist. Im scheinbaren Zenit seiner Macht leitet der amerikanische Hegemon, wie vor einem Jahrhundert die Briten, den Anfang vom Ende der von ihm angestrebten Weltordnung ein.
Von Urs Schoettli
Das 19. Jahrhundert war das Säkulum des britischen Imperialismus, das 20. Jahrhundert wurde durch die zwei Weltkriege, die in massgeblichem Sinne auch europäische Bürgerkriege waren, zum amerikanischen Zeitalter. Erst wenige Jahre alt, kündigt sich das 21. Jahrhundert bereits machtvoll als das Zeitalter der nichtwestlichen Zivilisationen an. Die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen scheinen den Kassandren Recht zu geben, die schon seit längerem vor einem Krieg der Kulturen warnen. Gerade in düsteren Zeiten gilt es jedoch, die Option einer lichteren Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren. Nur wer dem Fehler verfällt, das Abendland als den Hort aller Kultur, aller Zivilisation, ja aller Menschlichkeit zu sehen, wird sich vor dem neuen Zeitalter fürchten müssen. Gelingt es dem Okzident, von seiner über ein Vierteljahrtausend gehegten Überheblichkeit gegenüber nichtwestlichen Kulturen auf friedlichem Wege zu einer ernsthaften Anerkennung der Gleichberechtigung aller Kulturen zu gelangen, so kann es zu einer wechselseitig fruchtbaren Koexistenz kommen, wie sie die Welt seit dem Anbruch des europäischen Kolonialismus nicht gekannt hat. Zuversichtlich muss stimmen, dass alle grossen nichtwestlichen Zivilisationen in ihrer Geschichte ihre Fähigkeit, den Okzident zu respektieren und mit ihm zusammenzuleben, sofern er sich weder als Konquistador noch als Kreuzritter gebärdet, unter Beweis gestellt haben.
Der Abschied vom Sahib
Als 1911 zum ersten und einzigen Mal mit George V ein King Emperor Indien, das Juwel des britischen Empire, besuchte und beim grossen Durbar in Delhi die Huldigung der versammelten Fürstenschaft des Subkontinents entgegennahm, schien die Zukunft des Weltreiches, in dessen Grenzen die Sonne nie unterging, auf alle Zeiten gesichert. Weniger als vier Jahrzehnte später sollte der Kampf gegen den British Raj, der massgeblich von einem schmächtigen Advokaten namens Mohandas Karamchand Gandhi, den Churchill als halb nackten Fakir abqualifiziert hatte, geführt wurde, in der Unabhängigkeit Indiens kulminieren. Der Wurm hatte sich schon seit einiger Zeit im Innersten einer Weltmacht festgesetzt, die sich von der Weltgeschichte dafür auserkoren hielt, das Schicksal von über einem Drittel der Menschheit zu bestimmen. Begonnen hatte es 1857 mit dem, was in britischer Version als «mutiny», Meuterei, bezeichnet wurde und was aus indischer Sicht der erste Unabhängigkeitskrieg war, und 1885 mit dem Tode Gordons bei der Belagerung von Khartum.
Seine monumentale, 1865 erschienene «Comprehensive History of India» beschliesst Henry Beveridge mit folgendem Ausblick: «Sollte dereinst der Tag kommen, dass Indien, als Folge der Entwicklung seiner Ressourcen durch britisches Kapital und als Folge der Erziehung seiner Menschen durch britische Philanthropie, seinen Platz wieder unter den Nationen als unabhängiger Staat einnehmen kann, dann lässt sich nicht mehr und nicht weniger feststellen, als dass die friedliche Beendung unseres indischen Imperiums unserem Land mehr Ruhm einbringen wird als jedes andere historische Ereignis.» Unverkennbar spiegelt sich in diesem Satz die Idee vom Empire als der «Bürde des weissen Mannes» wider. Weit über Beveridge hinaus bis in unsere Tage hinein hat sich dieses missionarische Selbstverständnis des weissen Sahib, in der nichtwestlichen Welt zum Rechten zu sehen, zu halten vermocht - von der Strafexpedition gegen die Boxer in China über die Harvardprofessoren, die 1997/98 während der Asienkrise den Thailändern, den Indonesiern und den Malaysiern die richtige Wirtschaftspolitik zu verordnen suchten, bis zu den heutigen selbsternannten Architekten einer völligen Neuordnung des Mittleren Ostens. Dabei schwang und schwingt auch weiterhin im Hinterkopf die Vorstellung vom selbstlosen und edlen weissen Ritter mit, der den rückständigen braunen, gelben und schwarzen Völkern nichts anderes als das verdiente Glück bescheren will.
Das britische Empire hatte seinen Ursprung in einem privaten Unternehmen, der East India Company. Es hatte mit kleinen Aussenposten, den sogenannten «factories», begonnen. Doch von Anfang an war der «Union Jack» mit dabei, und es sollte nur kurze Zeit dauern, bis der friedliche Austausch von Gütern um die gewaltsame Unterwerfung von Land und Leuten erweitert wurde. Auf den Schlachtfeldern Bengalens stieg Robert Clive zum «orientalischen Napoleon» auf. Europäische Rivalitäten drangen nach Asien vor, wo die Holländer bereits die Portugiesen marginalisiert hatten und ihrerseits von den Briten, die schliesslich mit den Franzosen ins Gehege gerieten, aus Indien vertrieben wurden. Der masslose Hunger nach stets mehr Kolonien markierte im 19. Jahrhundert die nahezu vollständige Aufteilung Afrikas unter den europäischen Imperialisten. Selbst eine zweitklassige nationalstaatliche Spätgeburt wie Belgien erhielt noch ihren Beuteanteil auf dem Schwarzen Kontinent. Als die weissen Mächte gegen Ende des 19. Jahrhunderts China ins Visier nahmen, hegten sie für das Reich der Mitte ähnliche Pläne, wie sie bereits in Afrika in die machtpolitische Realität umgesetzt worden waren. Wie tief das koloniale Denken und die imperialistische Arroganz sich verankert hatten, liess sich noch 1945 feststellen, als die Holländer, die in Asien eines der brutalsten Ausbeuterregime geführt hatten, nach der Vertreibung der Japaner aus Indonesien durch die Amerikaner es als selbstverständlich ansahen, sogleich wieder als Kolonialherren eingesetzt zu werden.
Von der Conquista in Mexiko und Peru über die Feldzüge nach Afghanistan und in den Sudan bis zur Eroberung des indonesischen Inselreichs und zu den Opiumkriegen in China, die Vorstösse der europäischen Kolonialmächte in alle Ecken und Enden der Welt zeichneten sich durch eine merkwürdige Kombination von Motiven und Rechtfertigungen aus. Auf der einen Seite mussten die eigenen Besitzungen und Verflechtungen aus Sicherheitsgründen stets weiter ausgeweitet werden. Das russisch-britische «great game» um Afghanistan ist ein klassisches Beispiel. Auf der andern Seite ging es darum, den «natives» die Errungenschaften der modernen Zivilisation zu bringen und sie aus der Tyrannei von barbarischen Herrschern und rückständigen Bräuchen zu befreien. Von zentraler Bedeutung war für die numerisch stets stark unterlegenen weissen Imperialisten die Taktik des «Teile und herrsche». In Indonesien banden die Holländer die chinesische Diaspora an sich, indem sie ihr gegenüber der einheimischen Bevölkerung wichtige materielle Privilegien verliehen. Besonders talentierte Meister des «divide et impera» waren die Briten. Die Welt leidet vom Mittleren Osten über den indischen Subkontinent bis nach Sri Lanka noch heute unter diesem Erbe.
Das Ende einer Weltordnung
Wie immer Washingtons geopolitische Ziele von den Politikern und Generälen beschrieben werden, als Krieg gegen den Terrorismus, als Feldzug gegen Tyrannen oder als präventive Warnung an die Exponenten der «Achse des Bösen», Tatsache ist, dass die USA seit dem Ende der Supermachtrivalität mit unterschiedlichen Strategien und einer breiten Palette von Instrumenten, die von der Wirtschaft über die Medien bis zur Diplomatie und Militärmacht reichen, an der Konsolidierung einer Pax Americana arbeiten. Es ist dieses Verhalten in der Geschichte nichts Neues und auch nichts spezifisch Amerikanisches. Jeder Hegemon strebt danach, die Welt nach seinen Vorstellungen und zu seinen Gunsten zu gestalten. Krieg gehört zwangsläufig zum Aufbau und zur Verankerung einer Weltordnung, Aufruhr und Chaos begleiten ebenso zwangsläufig ihren Niedergang. Gerade im Augenblick, da ein Hegemon auf dem Höhepunkt seiner Macht zu sein scheint, gilt es, darüber nachzudenken, wie der Niedergang verlaufen kann und was getan werden kann, um den Übergang zu einer neuen Weltordnung möglichst gewaltlos zu gestalten.
Woran wird die Pax Americana scheitern? Zwei Faktoren, die aus dem Untergang von früheren unilateralen Weltordnungen bekannt sind, stehen im Vordergrund: die Masslosigkeit des Machthungers und die unendliche Komplexität der Welt. Das Argument, dass eine so hoch entwickelte Gesellschaft wie die amerikanische eigentlich die Fähigkeit haben sollte, aus den offenkundigen Fehlern zu lernen, die den Sturz früherer Weltmächte verursachten, zielt an der wahren Natur des Sachverhalts vorbei. Das Streben nach Allmacht, nach Hegemonie hat eine Eigengesetzlichkeit, die sich dem vernünftigsten Planen entzieht. Es gleicht einem krebsartigen Geschwür, das sich auf einem Organismus ausbreitet und letztlich mit dessen Absterben selbst dem Untergang geweiht ist. Immer neue, echte oder eingebildete Sicherheitsbedürfnisse kommen hinzu, die es nötig werden lassen, über das bereits Erreichte, das bereits Eroberte hinauszugreifen. Indien war gross genug, doch der British Raj strebte nach Afghanistan, Burma und Tibet, stets im Bestreben, für seine Besitzungen ein Glacis der militärischen Sicherheit zu schaffen.
In einer Welt, deren begrenzte Ressourcen von einer unablässig wachsenden Milliardenbevölkerung beansprucht werden, kann auch die grösste Supermacht ihren Willen nicht mehr allein und vor allem nicht auf globaler Ebene durchsetzen. Die militärische, ökonomische und politische Logistik eines solchen Vorhabens müsste zwangsläufig in der völligen Überforderung enden. Wie dies abläuft, davon hat die Welt im Gefolge des Terrorangriffs vom 11. September 2001 einen Vorgeschmack bekommen. Die Solidarität und die Sympathie gegenüber den USA waren nach den feigen Attacken auf New York und Washington beispiellos. Es waren dies nicht nur flüchtige Emotionen, es stand dahinter auch viel Bewunderung für die amerikanischen Werte, die nun so offensichtlich durch die Emissäre des schlechthin Bösen bedroht wurden. Insbesondere in einer Welt, die seit dem Verschwinden der Sowjetunion vom Duopol der Abschreckung befreit war, war es die sogenannte «soft power», die Freiheit und Mobilität, der amerikanischen Gesellschaft, welche die Menschen in Amerikas Bann zog. All dies hat sich innert eineinhalb Jahren ins Gegenteil verkehrt. Der Hegemon hat auf die «hard power», im Ausland auf die Militärmacht, im Innern auf die Polizeimacht, gesetzt und ist damit in die Falle getappt, welche al-Kaida zum Zwecke der «Demaskierung des US-Imperialismus» gestellt hatte.
Mit der Hegemonie der USA wird endgültig die rund zweihundertjährige Vormacht des Okzidents zu ihrem Ende kommen. Es lässt sich keine andere westliche Macht ausmachen, die dereinst in Washingtons Fussstapfen treten könnte. Der offene Bruch zwischen den westlichen Alliierten in der Frage des Kriegs im Irak sollte auch nicht zur Annahme verführen, dass Kriegsgegner wie Frankreich und Deutschland bei der Entwicklung einer neuen internationalen Ordnung auf einen Sympathiebonus in der nichtwestlichen Welt werden zählen können. Insbesondere Paris dürfte sich durch seine Kriegsgegnerschaft bloss rasch vergänglichen Beifall geholt haben. Seine interventionistische Politik in Afrika, wo es sich gerne als Hegemon im Taschenformat aufführt, nährt ein weit verbreitetes Misstrauen über die wahren Absichten der französischen Aussenpolitik.
Dem Irak-Krieg zum Opfer gefallen sind die aussenpolitische Kompetenz und das internationale Ansehen der Europäischen Union. Die EU hätte eigentlich die Voraussetzung, dank ihrer inneren Vielfalt eine Alternative zum klassischen nationalstaatlichen Hegemonen zu sein. Sie hat diese Chance verpasst, indem es ihr nicht gelungen ist, eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln. In den Kapitalen Asiens ist seit der europäischen Zerstrittenheit über den Irak-Krieg der Gesichts- und Ansehensverlust der EU enorm. Auch angesichts der durch die Neubeitritte noch gewachsenen Komplexität der Organisation rechnet niemand mehr damit, dass die EU in absehbarer Zukunft auf der internationalen Bühne ein ernst zu nehmender Akteur sein können wird.
Auch wenn in den kommenden Monaten und Jahren intensiv daran gearbeitet werden wird, den durch den Irak-Krieg an den bestehenden internationalen Institutionen angerichteten Schaden zu beheben, so kann es kaum Zweifel geben, dass ein Kollateralschaden der amerikanischen Hegemonie die seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute internationale Ordnung betreffen wird. Im neuen Jahrhundert der nichtwestlichen Zivilisationen werden die Institutionen, die unter dem massgeblichen Einfluss des Okzidents aufgebaut worden sind, von Grund auf überholt oder gar durch völlig neue ersetzt werden müssen. Es geht dabei zunächst um die Machtstrukturen innerhalb der Vereinten Nationen. Mehr denn je ist in Frage zu stellen, weshalb vier der fünf permanenten Sicherheitsratsmitglieder weisse Nationen sein sollen. Insbesondere im Falle Grossbritanniens und Frankreichs, Ländern von europäischem Mittelmass, geht es schlicht um die Verhältnismässigkeit, wenn man bedenkt, dass aussereuropäische Regionalmächte wie Indien, Japan und Brasilien mit dem Katzentisch vorlieb nehmen müssen. Problematisiert werden muss aber auch die Zusammensetzung der G-8, ebenfalls ein Organ, in welchem, von Japan abgesehen, alle Mitglieder der weissen Welt angehören. Vor dem Hintergrund des dramatischen wirtschaftlichen Strukturwandels, der in den letzten zwei Jahrzehnten in China und Indien realisiert worden ist, muss man sich fragen, nach welchen Kriterien die in der globalen Wirtschaft in die Zweitrangigkeit abgestiegenen Länder Kanada, Italien, Grossbritannien und Frankreich sich zur Crème de la Crème der Wirtschaftsmächte zählen können.
Rückkehr des Nationalstaats
Zum Kollateralschaden des Feldzugs durch Mesopotamien gehört auch der bereits zuvor angeschlagen gewesene Globalisierungsprozess. Diese ziemlich ahistorische und höchstwahrscheinlich sehr kurzlebige Entwicklung hatte voll und ganz auf dem Primat der Wirtschaft aufgebaut und auf die fortschreitende Marginalisierung des Nationalstaates gesetzt. Nun hat der Hegemon, dessen Schoss die entscheidend von der amerikanischen Unternehmenswelt geprägte Globalisierung entsprungen war, der Welt zu Luft, Land und Wasser demonstriert, dass für ihn wieder die Politik, insbesondere die Sicherheitspolitik, die absolute Priorität hat. Der Krieg gegen den Terrorismus und die damit einhergehende fortlaufende Expansion der amerikanischen Sicherheitsinteressen, zu denen auch der Kampf gegen Saddam und weitere Tyrannen gehört, nimmt vor allem auf kurzfristige Wirtschaftsinteressen keine Rücksicht. Es ist wohl kein Zufall, dass die neue Politik des präventiven Erstschlags nicht nur zum Zeitpunkt kommt, da die USA mit keiner anderen Militärmacht mehr zu rechnen haben, sondern auch zum Zeitpunkt, da nach Enron und anderen Skandalen die Manager in der amerikanischen Ã-ffentlichkeit diskreditiert sind und kein Wirtschaftsführer sich getraut, die wirtschaftliche Vernunft des Feldzuges in Mesopotamien zu hinterfragen.
Wenn der Hegemon selbst, dessen Hätschelkind die Globalisierung einst war, den absoluten Primat der Politik und der nationalstaatlichen Interessenwahrung praktiziert, so wird sich diese Haltung wie ein Lauffeuer durch die Welt ausbreiten. Zunächst wird man dies vor allem im Mittleren Osten und in der islamischen Welt sehen. Weitere Herde eines neuen nationalen Selbstbewusstseins werden folgen, vor allem auch in Ostasien, wo Japan und China ohnehin nie wirklich vom jahrtausendealten Selbstverständnis der kulturellen Einzigartigkeit Abschied genommen haben. Möglicherweise wird Europa, so es ein Mindestmass an Konsens innerhalb der EU zu bewahren vermag, dieser neuen Welle des nationalstaatlichen Partikularismus entgehen können, auch wenn derzeit nicht abzusehen ist, wie sich die auch in der Ã-ffentlichkeit spürbaren national geprägten Vorurteile und Ressentiments so rasch beheben lassen werden. Das 21. Jahrhundert hat mit dem amerikanisch-britischen Einmarsch im Irak die Wiedergeburt des Primats des Nationalstaates erlebt. Es ist auch diese Rückkehr zum nationalstaatlichen Denken, welche den Anbruch des nichtwestlichen Zeitalters vorantreiben wird. Wo die Nation wieder im Zentrum steht, da müssen individuelle Ansprüche auf Komfort und Bequemlichkeit hintanstehen, und es scheint zumindest wahrscheinlich, dass ein durch lange Jahrzehnte des Wohlstands verweichlichter Okzident diese Umpolung nicht so effizient wird meistern können wie nichtwestliche Zivilisationen, die erst an der Schwelle zur Wohlstandsgesellschaft stehen oder die, wie im Falle Japans, schon immer die Sparsamkeit hochgehalten haben.
Urs Schoettli ist NZZ-Korrespondent in Peking und Tokio.

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