- Antiamerikanismus oder das böse Erwachen - Baldur der Ketzer, 08.04.2003, 21:59
- Re: Antiamerikanismus oder das böse Erwachen - chiron, 08.04.2003, 22:12
- Völlig unwidersprochen - stocksorcerer, 08.04.2003, 22:24
- Re: Völlig unwidersprochen - Baldur der Ketzer, 08.04.2003, 22:38
- Ja, finde ich auch spannend.... - stocksorcerer, 08.04.2003, 23:02
- hier hin - El Sheik, 09.04.2003, 00:12
- Re: Völlig unwidersprochen - Baldur der Ketzer, 08.04.2003, 22:38
Antiamerikanismus oder das böse Erwachen
-->Hallo,
nachdem Detailfragen über die beiden Ex-Türme zu Anpflaumereien führen, und wertvolle Gehirnkapazität für Feindlichkeiten im eigenen Heerlager belegt wird, ein Wort zum Thema Antiamerikanismus.
Ich bin zwar noch ein junger Schnösel, habe mir aber trotzdem meine Meinung aus den Überlieferungen gebildet.
Man hat - ich spreche primär für die Westdeutschen - den Amis eine Rolle eingeräumt, die nicht den Tatsachen entsprach, aber meist auch nicht widerlegt wurde.
Ich erinnere an Wehrmachtssoldaten und Zivilisten aus dem Einmarschbereich der roten Armee, die taten alles, um in amerikanische - und nicht in russische Gefangenschaft zu kommen.
Es ist schlimm, die Lebenserinnerungen von Betroffenen zu lesen. Die Amis galten als fair, edel, sie bürgten für Verpflegung und Schutz, für Freiheit und Wohlstand. Grob pauschaliert, aber ich denke, man kann das so stehen lassen.
Wie groß war die Verzweiflung, als Gefangene und Zivilisten von den US-Streitkräften an die rote Armee ausgeliefert wurden, als seien es ein paar Kisten Krautköpfe.
Da haben die Betroffenen und deren Angehörigen schon den ersten Knacks abbekommen, daß das nicht so ganz der Wahrheit entspricht von wegen Rosarot und so.
Die nächsten Dämpfer gabs auf den Hungerwiesen am Rheinufer. Etliche Lebenserinnerungen von deutschen Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft sprechen davon, daß sie immer fast am verhungern waren, aber sie sahen, daß die Russen überwiegend auch fast nichts hatten.
Selbst aus dieser katastrophalen eigenen Lage heraus entrüsten sie sich darüber, daß die Amis Gefangene bewußt verhungern lassen wollten, obwohl sie genug Verpflegung hatten.
Knacks 2.
Daß das amerikanische und britische Bomber waren, die die Städte in ein Inferno verwandelten, ist ohnehin klar, aber was ist das schon, wenn von der anderen Feldpostnummer auch die Flüchtlingstrecks auf der Ostsee abgeknallt wurden wie die Tontauben in der Kiesgrube.
Dann gings erst mal bergauf, auch mein Opa klaute bei den Amis Kaffee, ein anderer Bekannter schaffte das beutegut sogar mit der Militärpolizei aus den Kasernen bzw. Lagern, weil er mit denen teilte - ich kanns laut sagen, da erstens verjährt und der Betreffende mittlerweile eine höhere Warte einnimmt.
Im kalten krieg bürgten (?) die Amis für Schutz vor dem bösen Iwan, der doch eine Stunde entfernt zähnefletschend lauerte. Den Beweis konnte man eindrucksvoll an der Zonentodesgrenze sehen.
Ein Bekannter aus Halle erzählte mir, wie sehr der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) Halt gab und Hoffnung.
In Vietnam waren es ja wieder die bösen Kommunisten, was ja auch sichtbar stimmte, wer wollte schon freiwillig so dahinvegetieren?
In Affghanistan marschierten wiederum die bösen Kommunisten ein, begingen lt. Berichterstattung grausamste, unmenschlichste Verbrechen, wobei nur selten davon berichtet wurde, wie mittelalterlich-grausamst die Widerstandskämpfer mit gefangegen russischen Soldaten umgesprungen sein sollen, das paßte nämlich nicht ins Bild der Presse und öffentlichen Meinung. Vor lauter Entrösterung hat man die Russen ja sogar aus Olympia rausgedingst.
Tja. Da war die Welt noch klar und die Fronten waren übersichtlich.
Waren sie das?
Jetzt wird aller Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, daß das dort kein lieber Kumpel ist, sondern ein Machtgebilde, das zunächst den Eigennutz maximiert.
Die sind gar nicht tief gefallen, nein, die sind jetzt nur da, wo alle anderen auch sind und die Deutschen seit 1945 sowieso ihr Denkmal, nein, Schandmal um den Hals haben. - sie sind auf den Boden der Tatsachen runtergekracht - vorher standen sie nämlich auf einem hohen Podest, sie waren die Hochwürden unter den Nationen, unantastbar und verklärt.
Ob es nur die Bushisten sind samt einsoufflierenden Reserveindianern, die sich des Landes bemächtigt haben - oder ob es die konsequente historische Parallele zu allen Großreichen im Endstadium der Macht ist, ist eine andere Frage.
Die - mit Verlaub - idiotische (Un-)Rechtsordnung in den USA ist doch Ausdruck einer geistigen Degeneration, und maß man nicht oft die Evolution einer Nation mit deren Rechtsordnung (Primitive und Kannibalismus vs. römisches Recht)?
- die Folgen, ob nun bloß eine Machtergreifung stattgefunden hat oder die ganze USA kippt, jedoch sind gleich, es interessierte schließlich auch niemand, ob deutsche Städte nun demokratisch regiert wurden oder rot-weiß-schwarze Hakenkreuzfahnen zeigten, als der Vorkrieg und Krieg selbst stattfanden - man maß nur die Resultate, nicht die Motive.
Oder doch, man nahm Motive an, man definierte sie, als Sieger war das möglich.
Und so lief das Tribunal von Nürnberg unter dem Motto - Angriffskrieg als Verbrechen gegen die Menschheit.
Wieso beschweren sich die Amis, daß man sie an ihrem eigenen Senf mißt?
Die Zeiten haben sich geändert? Ja, allerdings. Früher hat der Dreck gestunken, heut wird er frech.
Trotzdem ist die Kritik am Vorgehen der Alliierten nicht nur eine menschliche Regung, sondern auch eine direkte Folge der ganzen jahrzehntelangen eigenen Umerziehung.
Womit man sieht, nichts ist völlig nutzlos.
Die ganze Entrüstung würde bei einem anderen Staat, meinetwegen Brasilien oder Argentinien beim Einmarsch nach Chile oder umgekehrt lange nicht derart groß sein wie beim definitionsmäßig erhabenen größten *Saubermann* aller Zeiten.
Guten Abend!

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