- Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Nachfrager, 10.04.2003, 17:27
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Denis, 10.04.2003, 17:50
- Großartig - Euklid, 10.04.2003, 18:02
- Drei schöne Antworten... - Nachfrager, 10.04.2003, 18:55
- "Anti-Amerikanismus" ist.... - stocksorcerer, 10.04.2003, 18:20
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Wolfhart Willimczik - Inventor, 10.04.2003, 18:58
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 19:04
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 20:08
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 20:30
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 20:44
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 20:30
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 20:08
- Wie bitte? - Turon, 10.04.2003, 19:12
- Re: Wie bitte? - Inventor, 10.04.2003, 21:50
- Re: Wie bitte? - Turon, 11.04.2003, 01:26
- Re: Wie bitte? - Inventor, 10.04.2003, 21:50
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Tempranillo, 10.04.2003, 19:40
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 20:33
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 20:41
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 21:00
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 20:41
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Inventor, 10.04.2003, 20:33
- Re: Nochmal zum Thema"Anti-Amerikanismus" hier im Board - Euklid, 10.04.2003, 19:04
- Re:"Anti-Amerikanismus" ist fast immer ein haltloser Vorwurf, der hervorgeholt - André, 10.04.2003, 19:09
- Re:"Anti-Amerikanismus" ist fast immer ein haltloser Vorwurf, der hervorgeholt - Euklid, 10.04.2003, 19:23
- Re:"Anti-Amerikanismus wie Amerikanismus" als Mittel zum bösen Zweck - André, 10.04.2003, 19:43
- Re:"Anti-Amerikanismus" ist fast immer ein haltloser Vorwurf, der hervorgeholt - Euklid, 10.04.2003, 19:23
- 55 Gründe mit den USA nicht solidarisch zu sein - HB, 10.04.2003, 19:53
55 Gründe mit den USA nicht solidarisch zu sein
-->In"55 Gründe mit den USA nicht solidarisch zu sein - und schon gar nicht bedingungslos" (kann als PDF-Datei überall im Internet runter geladen werden) schreibt Till Bastian:
.............................................................................
Vorwort
Die Torheit des Anti-Amerikanismus-Vorwurfs
In den Vereinigten Staaten von Amerika ist zu Beginn dieses
Jahres das Buch »1001 Ways to Celebrate Being American«
des dort sehr bekannten Bestsellerautors Gregory J. P. Godek
erschienen. Wie immer man zu derartigen Ratschlägen
stehen mag - es hat den Anschein, als gäbe es auch diesseits
des Atlantik genügend Politiker, die bei einer derartigen
Feier des American way of life liebend gerne mit von der Partie
wären, und »in diesem unserem Land« allemal. Denn
hier in der Bundesrepublik Deutschland gerät jeder, der sich
der vom politischen Establishment unisono geforderten
Solidarität mit »Amerika« lieber verweigert, sofort in den
Verdacht, »antiamerikanisch« zu sein. Was immer damit gemeint
sein mag, dieser Vorwurf hat die Wirkung eines Keulenschlages,
der jeder ernsthaften Diskussion sofort ein
Ende setzt. Wer so gebrandmarkt wird, ist - so der Tenor der
veröffentlichten Meinung - als Gesprächspartner nicht mehr
ernst zu nehmen, er hat sich gewissermaßen selbst einen
politischen Totenschein ausgestellt. Entsprechend vielfältig
(und oft auch lächerlich) sind die Rituale, mit denen sich
Deutsche jedweder politischen Couleur in Interviews und
Talkshows von diesem Bannfluch befreien möchten - nach-zufragen,
was mit dieser Unterstellung eigentlich gemeint
sein soll oder gar mit einer Gegenkritik zu antworten,
kommt nur den wenigsten in den Sinn, so groß ist die Angst,
sich selber ins Abseits zu manövrieren, wenn der vermeint-liche
Makel nicht sofort getilgt werden kann. Und, obwohl
sich leicht zeigen läßt, daß das Wort vom »Antiamerikanis-mus«
ohne Zweifel zu den dümmsten Schlagworten gehört,
die je in die öffentliche Diskussion Eingang gefunden haben
- es entfaltet ganz offensichtlich seine Wirkung, man muß
sich mit der darin enthaltenen Unterstellung auseinander-setzen,
ob man will oder nicht.
Einen guten Ansatzpunkt dazu hat der Fraktionsvorsit-zende
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Peter
Struck, geliefert, der seine Rede vor dem Deutschen Bun-destag
unmittelbar nach den Terroranschlägen in New York
und Washington am 11. September 2001 mit einem von ihm
selbst wohl als eindrucksvolle »Solidaritätsadresse« emp-fundenden
Satz gekrönt hat: »In dieser Stunde sind wir alle
Amerikaner!«
Nun gibt es gewiß allen Grund, über die Entführung zweier
Verkehrsflugzeuge, die dann kurz nacheinander gezielt in
die beiden Türme des höchsten Gebäudes der Stadt New
York gesteuert wurden, wobei über 3000 Menschen umka-men,
Entsetzen und Schrecken in einem Ausmaß zu empfin-den,
das zunächst einmal sprachlos macht. Wenn dann die
Abgeordneten eines demokratisch gewählten Parlamentes
versuchen, ihre eigenen Gedanken und Empfindungen in
Worte zu fassen, fällt ihnen dies vermutlich ebenso schwer
wie vielen anderen Menschen auch. Als Ausdruck einer
mehr oder minder hilflosen Mitleidsbekundung mögen sol-che
Worte (die ja bewußt an John F. Kennedys Satz »Ich bin
ein Berliner« anknüpfen) allenfalls hingehen - als politische
Aussage jedoch sind sie fatal. Denn alle Befangenheit, alle
Betroffenheit darf nicht dazu verleiten, daß Ohnmacht,
Trauer und möglicherweise auch Abscheu sofort mit politi-
sehen Phrasen überdeckt werden, die nicht nur in eine poli-tisch
verhängnisvolle Richtung weisen - nämlich in die
einer »uneingeschränkten Solidarität« -, sondern obendrein
noch von sachlichen Fehlern strotzen.
Die Fehlerhaftigkeit beginnt mit simplen Tatsachen aus dem
Gebiet der Geographie. Was wir »Amerika« nennen, ist ein
Kontinent, der seinen Namen dem deutschen Kartographen
Martin Waldseemüller verdankt - dieser gebürtige Freibur-ger
hatte ihn anno 1507 als »America« auf einer von ihm ge-zeichneten
Weltkarte als erster verwendet, da er den italie-nischen
Seefahrer Amerigo Vespucci irrtümlicherweise für
den »Entdecker« jener sagenumwobenen »Neuen Welt« ge-halten
hatte. Es gehört offenkundig zu den unausrottba-ren,
die Wirklichkeit aber leider über jedes erträgliche Maß
hinaus vereinfachenden - und gerade deshalb bezeichnen-den
- Mystifikationen der in Deutschland zur Gewohnheit
gewordenen Politrhetorik, daß nahezu immer die Konföde-ration
der »United States of America«, die USA, gemeint
sind, wenn umgangssprachlich von »Amerika« gesprochen
wird. Es scheint, als würde dieser Kontinent im Weltbild
vieler Mitbürger am Grenzfluß Rio Grande enden, der - wie
jeder »Westernfreund« weiß - die USA und Mexiko vonein-ander
trennt! Und so, wie jenes »Amerika« eben nicht nur
aus den USA besteht, ist umgekehrt jene Einstellung, die in
der Perspektive von Peter Struck, seinem CDU-Kollegen
Friedrich Merz und vielen anderen deutschen Politikern als
»Antiamerikanismus« gelten mag, nämlich ein kritisches,
möglicherweise sogar vorurteilsbehaftetes Verhältnis zu
den politischen Aktivitäten der USA und ihrer Regierun-gen,
in wenigen Regionen der Welt derart stark ausgeprägt
wie ausgerechnet in Amerika südlich des bereits erwähnten
Rio Grande, also in Mexiko, in Nicaragua, in Brasilien, Ar-gentinien
und so fort - in amerikanischen Staaten also, in
denen die Politik der »Yankees« im Norden des Kontinents
aus verschiedenen, zum Teil historisch durchaus nachvoll-ziehbaren
Gründen von einem Großteil der Bevölkerung
nicht eben positiv bewertet wird. Oder haben die Leserin-nen
und Leser dieses Buches schon davon gehört, daß sich -beispielsweise
- in Mexiko die Regierung danach gedrängt
hätte, Einheiten des eigenen Militärs nach Übersee abzu-kommandieren,
um so den Anti-Terror-Feldzug der USA in
Afghanistan zu unterstützen? Das politische Establishment
in der Bundesrepublik Deutschland, das, besorgt um die
eigene Rolle als bündnispolitischer Musterknabe, eben dies
so überaus eilfertig getan hat, bedarf ganz offensichtlich
des Nachhilfeunterrichtes nicht nur im Fach Geographie,
sondern auch in Geschichte, speziell in der Geschichte je-ner
Teile Amerikas, die nicht zu den USA gehören (und
das ist flächen- und bevölkerungsmäßig die Mehrheit des
Kontinents!).
In Wahrheit verhält es sich wohl genau anders herum: Eben
jenes deutsche politische Establishment leidet an einem ge-radezu
krankhaften, oft äußerst duckmäuserisch-peinlich
ausgeprägten Amerikanismus - soll heißen: an einer Nei-gung
zum vorauseilenden Gehorsam, ja geradezu zur Lie-bedienerei
gegenüber dem »großen Partner« jenseits des
Atlantischen Ozeans. Ähnliches gilt übrigens auch für weite
Teile der deutschen Presse- und Medienlandschaft. Daß im
vorliegenden Buch deshalb sehr viele Zeitungen aus ande-ren
Ländern zitiert werden, hat eben darin seinen guten,
allerdings auch unerfreulichen Grund.
Um all dies abschließend noch einmal zu verdeutlichen,
möchte ich jetzt einen Parteifreund des ganz besonders
»amerikanistischen« CDU-Politikers Friedrich Merz zitie-ren,
nämlich Jürgen Todenhöfer, der immerhin achtzehn
Jahre lang - nämlich von 1972 bis 1990 - entwicklungspoliti-
scher Sprecher der CDU/CSU im Deutschen Bundestag ge-wesen
ist. Er hat einen ganz hervorragenden Artikel mit
dem Titel »Der Flop. Über den Umgang mit der Wahrheit im
Antiterrorkrieg« verfaßt, erschienen in der Süddeutschen
Zeitung vom 11. Februar 2002 (und nebenbei bemerkt: sol-che
im besten Sinne des Wortes »radikalen« Gedanken hätte
ich gar zu gerne irgendwann im Winter 2001/2002 irgendwo
von einem führenden Politiker der GRÜNEN gelesen - aber
bei dieser einst aus der Friedensbewegung heraus entstan-denen,
heute so überaus staatstragenden Partei herrschte in
dieser Frage ja nur noch betretenes Schweigen...). Am Ende
des bemerkenswerten Essays von Todenhöfer heißt es:
»Selten ist in der westlichen Welt ein so zentrales Thema so
uncouragiert behandelt worden. Aus >uneingeschränkter
Solidarität< ist uneingeschränkte Unterwürfigkeit gewor-den,
und das ist uneingeschränkt traurig. Merkt niemand,
daß wir dabei sind, die militärische Führung der Welt zu ge-winnen,
die moralische Glaubwürdigkeit aber zu verspie-len,
ohne die der Terrorismus nicht zu besiegen ist?«
Diesen Sätzen habe ich nichts hinzuzufügen - außer viel-leicht
der vagen Hoffnung, daß mein Buch eine Debatte an-stoßen
möge, die schon längst überfällig ist, die aber in der
veröffentlichten Meinung bisher nicht den ihr gebührenden
Platz gefunden hat. Sie wird sich diesen Platz erkämpfen
müssen, auch gegen den Widerwillen der Unterwürfigen,
die in blinder Gefügigkeit der US-Regierung durch alle poli-tischen
Winkelzüge und Abenteuer folgen. Denn nach den -glaubwürdigen
- Äußerungen des gegenwärtigen US-Präsi-denten
George W. Bush war jener Krieg in Afghanistan, den
Jürgen Todenhöfer sehr zu Recht als »völkerrechtswidrig«
bezeichnet hat, nur die erste Schlacht im groß angelegten
Feldzug gegen den Terrorismus, und er ist gewiß nicht die
letzte gewesen. Höchste Zeit also für alle mündigen Bürge-
rinnen und Bürger, sich selbst eine Meinung zu bilden, be-vor
im Deutschen Bundestag abermals verkündet wird, wir
seien alle Amerikaner und insofern, der gemeinsamen Werte
wegen, auch in bedingungsloser Solidarität vereint.
Und ich bin kühn genug, auch eine zweite Hoffnung noch
nicht aufzugeben - nämlich die, daß gegen den Willen der
Parlamentsmehrheit die Mehrheit der Bevölkerung wieder
in einer Haltung zusammenfindet, die die außerordentlich
couragierte, im März 2002 verstorbene politische Publizistin
Marion Gräfin Dönhoff bereits beim antiirakischen »Golf-krieg«
Januar/Februar 1991 kurz und bündig mit den fol-genden
Worten zusammengefaßt hat: »Lieber Drückeberger
als Mittäter« (Die Zeit, 15. März 1991).
Es wäre sehr zu wünschen, daß auch elf Jahre später viele
Deutsche diese Mahnung beherzigen.
1)
Jener irakische Diktator Saddam Hussein, den der 43. US-Präsident
George W. Bush in seiner »Botschaft zur Lage der
Nation« vom Januar 2002 als Teil einer »Achse des Bösen«
bezeichnet hat (und gegen den ein Militärschlag der USA
allem Anschein nach unmittelbar bevorsteht), hat erst durch
US-Militärhilfe und durch kräftige Unterstützung der US-Geheimdienste
zu dem werden können, was er heute ist.
Noch Anfang 1990, kurz vor der Annektierung Kuwaits,
bezeichnete eine Expertise der US-Army Saddam Hussein
ausdrücklich als »Stabilitätsfaktor im Mittleren Osten«
(Quelle: D. V. Johnson, St. C. Pelletiere, L. R. Rosenberger:
Iraqi Power and U.S. Security in the Middle East, US Army
War College, Pennsylvania 1990). Ein Mann, der heute als
Personifikation des Bösen gilt, ist also einst ein umworbener
Bündnispartner gewesen.
Eine Politik, die solche Windungen und Wendungen mög-lich
macht - und auf den folgenden Seiten wird noch von
etlichen ähnlichen Beispielen die Rede sein - bedarf sorgfäl-tiger
Überprüfung, insbesondere durch den, der sich mit
ihr verbünden will. Dies gilt auch für die Bundesrepublik
Deutschland. Ein Bündnis mit einem Land, das sich selbst in
der Wahl seiner Verbündeten von Erwägungen leiten läßt,
die - vorsichtig gesprochen - diskussionsbedürftig sind,
wird gründlich abgewogen werden müssen.
2)
Es gibt noch etliche andere Facetten dieses viel zu selten dis-kutierten
Bündnis-Problems. Denn der von Diktator Sad-dam
Hussein geführten Regierung des Irak sind, als dieses
Land noch nicht zu den »Schurkenstaaten«, sondern zu den
Bundesgenossen der von den USA geführten »freien Welt«
zählte, eklatante Menschen- und Völkerrechtsbrüche im-mer
wieder stillschweigend gestattet worden. Dazu gehörte
etwa der militärische Überfall auf das Nachbarland Iran
im September 1980, ein eindeutiger Angriffskrieg (Saddam
Hussein hatte kurz zuvor das den Grenzverlauf zwischen
beiden Staaten regelnde Abkommen von Algier vor laufen-den
Fernsehkameras zerrissen); dazu gehörte auch der Ein-satz
von Giftgas gegen die kurdische Zivilbevölkerung im
eigenen Land am 16. März 1988, der mehr als 10 000 Opfer
forderte.
Nicht etwa diese und etliche andere Verbrechen ließen
Saddam Hussein in den Augen der vom 41. Präsidenten,
George Bush senior, geführten US-Regierung zum »Schur-ken«
werden, sondern einzig und allein die gewaltsame
Annektierung des Emirates Kuwait (2. August 1990) und
die damit möglicherweise verbundene Gefährdung der Ã-l-versorgung
der westlichen Welt. Eindeutige Beweise dafür,
daß Saddams Regime gegenwärtig, rund zehn Jahre nach
seiner Niederlage im Golfkrieg Anfang 1991, terroristische
Anschläge gegen US-Einrichtungen im Ausland oder gegen
die USA plant bzw. unterstützt, sind der Weltöffentlichkeit
von der US-Regierung bis heute nicht vorgelegt worden
(eine gute Übersicht dazu unter dem Titel »Die Spur ins La-byrinth«
in der Süddeutschen Zeitung vom 27. März 2002).
Wären diese Hinweise wirklich derartig eindeutig und
erdrückend, wie dies von der US-Regierung immer wieder
behauptet wird, so wäre es ja eigentlich nicht falsch, sie in
angemessener Form zu präsentieren - gemäß den »14 Punk-ten«,
die der 28. US-Präsident Thomas Woodrow Wilson am
8. Januar 1918 verlas, um nach dem Ende des Weltkrieges
eine neue, demokratische Weltordnung in die Wege zu lei-ten
und in denen es heißt, daß »Diplomatie immer offen und
vor aller Welt getrieben werden« soll.
3)
Wie sich an den zunächst freundschaftlichen, dann feind-lichen
Beziehungen zum Irak exemplarisch zeigen läßt, ge-hört
es zu einer ebenso bedauerlichen wie verhängnisvollen
Traditionslinie in der US-Außenpolitik, durch bedenken-loses,
aber »entschlossenes« Vorgehen Probleme zu schaf-fen,
die mit einer klügeren Politik möglicherweise hätten
vermieden werden können - Probleme, die jedoch dann,
wenn sie entstanden sind, mit großem Aufwand und mitun-ter
schrecklichen Folgen auch für Unbeteiligte, gewaltsam
wieder beseitigt werden. Weitere Beispiele sind leicht zu fin-den.
So hatte der US-Geheimdienst CIA maßgeblich dazu
beigetragen, im Iran die bürgerlich-nationale Regierung des
Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh zu stürzen
(19. August 1953), nachdem diese 1951 die größte Ã-lraffi-nerie
der Welt in Abadan verstaatlicht hatte. An die Stelle
dieser gewählten Regierung trat dann das autokratische Re-gime
des »Schah von Persien« Rezah Pahlevi, das beim ira-nischen
Volk im Verlauf von über dreißig Jahren allmählich
jeden Rückhalt verlor und schließlich Anfang 1979 von einer
durch schiitische Geistliche geführten Revolution gestürzt
wurde. Daß in der neu entstandenen »Islamischen Republik
Iran« die USA kein großes Ansehen genoß, kann angesichts
dieser Vorgeschichte kaum verwundern. Dennoch unter-stützten
die USA den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
des irakischen Diktators Saddam Hussein gegen den Iran,
der - unter anderem durch Giftgaseinsatz - in den acht Jah-
ren von 1980 bis 1988 rund eine Million Todesopfer forderte,
mit Waffenlieferungen und Geldmitteln, mit Informationen
ihrer Nachrichtendienste (beispielsweise durch Satelliten-bilder)
und sogar mit Militärberatern.
Das Problem liegt also nicht nur darin, daß in einer weitver-breiteten
US-amerikanischen Weltsicht, die leider auch die
Sicht der gegenwärtigen US-Regierung ist, die Welt in »Gut«
und »Böse«, in »Helden« und »Schurken« aufgeteilt ist - es
besteht auch in der Neigung, gegen die vermeintlich »größ-ten
Schurken« bereitwillig auf die Hilfe »kleiner Schurken«
zu bauen, die dann freilich rasch selbst in die Rolle des
»Schurken Nr. 1« aufrücken können. Dieses unerfreuliche
Spiel läßt sich im Grunde unbegrenzt fortsetzen - an ein
Ende käme es erst, wenn die ganze Welt total unter US-Kon-trolle
geraten wäre (eine Vision, die tatsächlich den Zielen
des gegenwärtigen Präsidenten George W. Bush recht nahe
zu kommen scheint). Der Rest der Welt kann allerdings an
der Verwirklichung dieses Zieles kein Interesse haben. Und
auch schon jetzt gibt es keinen Grund, sich mit einer Politik,
die sich immer wieder in derartige Probleme verstrickt,
»uneingeschränkt solidarisch« zu fühlen.
4)
Die fatale Neigung zu einer vor allem am kurzfristigen eige-nen
Vorteil interessierten Außenpolitik, die so ständig neue
Probleme schafft und trotz etlicher bitterer Erfahrungen an
einer vorbeugenden Verhinderung von Konflikten erstaun-lich
geringes Interesse zeigt, ist auch für den Dauerkrieg in
Afghanistan zumindest mitverantwortlich. Dort wurden zu-nächst
diverse islamische Freiheitskämpfer (die sogenann-ten
»Mudschaheddin«, denen am 16. April 1992 mit der
Eroberung Kabuls der Sturz der einst von der Sowjetunion
gestützten Zentralregierung gelang) und schließlich sogar
die sich durch besondere Radikalität auszeichnenden Tali-ban
von den USA nachhaltig unterstützt - auch nach der
Machtübernahme der Taliban in Kabul im März 1995 (erst
1998 kam es zum endgültigen Bruch). Diese Unterstützung
wurde gewährt, weil die wechselnden US-Regierungen stets
großen Wert darauf legten, erstens die Sowjetunion aus dem
Land zu drängen, das diese seit 1945 als Teil der eigenen
»Einflußsphäre« verstanden hatte (die Militärintervention
der UdSSR in Afghanistan hatte am 27. Dezember 1979 be-gonnen
und dauerte bis zum 15. Februar 1989), und sich
zweitens auf diese Weise ein möglichst großes Maß an Kon-trolle
über die Erdölvorkommen der Region zu verschaffen
(Quelle: J.-C. Brisard u. G. Dasquié: Die verbotene Wahrheit.
Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden, Zü-rich-
München 2002). Auch hier wurde also - wie zehn Jahre
zuvor Saddam Hussein im Nahen Osten - eine Bewegung
bzw. Regierung als »stabilisierender Faktor« mit großem
Aufwand und auf vielfältigen diplomatischen Wegen unter-stützt,
die später brüsk fallen gelassen wurde, nachdem sie
plötzlich in jene Hand gebissen hatte, von der sie zuvor über
lange Jahre hinweg gefüttert worden war. Mit einer länger-fristig
ausgerichteten, stärker an politischen Prinzipien
(etwa der Achtung der Menschenrechte) orientierten Poli-tik
hätte dieses »Auf und Ab«, das je nach Bedarf den
anderen eine rein tagespolitisch orientierte, interessenbe-stimmte
»Solidarität« abverlangt, möglicherweise vermie-den
werden können.
5)
Bei diesen und bei etlichen anderen Irrungen und Wirrun-gen,
wie sie für die US-Außenpolitik seit 1945 kennzeichnend
sind, waren offenbar nur selten Ziele wie das friedliche Zu-sammenleben
der Völker, die Schaffung einer gerechten
Weltwirtschaftsordnung oder die Durchsetzung der Men-schenrechte
und des Völkerrechts maßgeblich für die Politik
der wechselnden US-Regierungen unter den zehn Präsiden-ten
von Harry S. Truman (33. Präsident der USA, 1945-1953)
bis hin zu George W. Bush (43. und derzeitiger Präsident).
Entscheidend war offenbar stets vor allem der eigene natio-nale
Vorteil, insbesondere die Verfolgung wirtschaftlicher
Interessen und darunter wiederum besonders die Versor-gung
mit fossiler Energie, wie sie für die extrem energiela-stige
US-Volkswirtschaft außerordentlich wichtig ist. Die
Verfolgung derartiger Interessen ist nun keineswegs von
vorneherein oder grundsätzlich illegitim. Sie stellt aber in
jedem Fall eine eigennützliche Handlungsmaxime dar, die
nicht automatisch mit den Interessen aller anderen Men-schen
dieser Welt identisch ist. Was die US-Wirtschaftsinter-essen
betrifft, deren lokale Vorteile mit hohen globalen Schä-den
bezahlt werden müssen (siehe unten, die Abschnitte 9,
10 und 11), so werden diese Ziele ganz offensichtlich auch
auf Kosten vieler anderer Bürger der Erde angestrebt.
Selbstverständlich folgt auch die Außenpolitik anderer
Staaten - auch die der Bundesrepublik Deutschland - einem
ähnlichen Muster. Bei den USA herrscht aber seit dem
u. September 2001 die deutlich erkennbare Neigung vor,
den Rest der Welt in eine »Für uns oder gegen uns«-Ent-scheidung
zu zwingen, die der Lage der Dinge in keiner
Weise angemessen ist. Denn auch nach den Terroranschlä-gen
vom 11. September 2001 sind die Gegensätze in den
Interessen und in den strategischen Zielen nicht vom Tisch.
Vielmehr sind Konflikte auf den verschiedensten Ebenen
nach wie vor möglich und sogar wahrscheinlich. Daraus er-gibt
sich zwangsläufig, daß das außenpolitische Handeln
der jeweiligen US-Regierung von den Verbündeten der USA,
aber auch von der gesamten Weltöffentlichkeit in jedem
Einzelfall kritisch überprüft werden muß und keine Blanko-vollmacht
für eine Forderung nach bedingungsloser »Soli-darität«
beinhaltet.
6)
Auch gegenwärtig ist es noch so, daß die USA mit etlichen
diktatorisch regierten Staaten freundschaftlich verbunden
sind, so zum Beispiel mit dem konservativsten aller islami-schen
Länder, dem von einer wahabitisch orientierten Dy-nastie
geführten Königreich Saudi-Arabien oder - ein aktu-eller
Fall - mit dem diktatorisch regierten Usbekistan, das
seit dem 11. September 2001 als einer der wichtigsten neuen
Verbündeten gilt. Die Situation in Zentralasien könnte
durch diese Politik auf Dauer ähnlich entgleisen wie zuvor
im Nahen Osten (»Stabilitätsfaktor Saddam Hussein«) oder
in Afghanistan (»Stabilitätsfaktor Taliban«). Bezeichnen-derweise
sind gerade die USA dabei, hier »in ihrer uninfor-mierten
Überheblichkeit ein neues islamistisches Monster
zu schaffen. In Zentralasien unterstützen sie brutalste Dik-tatoren,
nur weil sie ihnen Stützpunkte zur Verfügung stel-len
und den Weg zum Ã-l ebnen... Demokratie und Men-schenrechte
spielen keine Rolle« - so Die Zeit vom 27. März
2002 (Quelle: A. Raschid: Heiliger Krieg am Hindukusch.
Der Kampf um Macht und Glauben in Zentralasien, Mün-chen
2002).
Es hängt offensichtlich stark von den bereits erwähnten »na-tionalen
Interessen« der USA ab - und diese werden wie-derum
von der jeweiligen US-Regierung mehr oder weniger
»elastisch« interpretiert-, ob solche »Diktaturen« als Freunde
oder als Feinde, als Verbündete oder als »Schurkenstaaten«
gewertet werden (und wie sich im Falle des Iraks gezeigt
hat, kann diese Wertung rasch und unter oft fragwürdigen
Bedingungen wechseln). Auch die Forderung der US-Re-gierung
an andere Staaten, Resolutionen der Vereinten Na-tionen
(UN) zu befolgen, passen häufig in das Schema,
Nützlichkeitserwägungen über politische Grundsätze zu
stellen. Eine derartige Forderung wird gegenwärtig - und
das durchaus mit Recht - wegen der von den UN wiederholt
geforderten Waffeninspektionen an den Irak gerichtet, wäh-rend
andererseits alle UN-Resolutionen, die Israel zum
Rückzug aus den seit 1967 besetzten Gebieten aufgefordert
bzw. deren völkerrechtswidrige Besiedlung verurteilt ha-ben,
keineswegs ähnliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Als Israels Ministerpräsident Scharon Ende April 2002 er-klärte,
über eine Auflösung israelischer Siedlungen in den
besetzten Gebieten nicht einmal diskutieren zu wollen,
hatte auch das keinerlei Sanktionsdrohungen der USA zur
Folge.

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