- Erfahrungen mit Streit-Foren: - No_Fear, 13.04.2003, 20:50
- Re: Erfahrungen mit Streit-Foren: - MC Muffin, 13.04.2003, 22:54
- Re: Erfahrungen mit Streit-Foren: - Turon, 14.04.2003, 00:58
- Re: Erfahrungen mit Streit-Foren: - Turon, 14.04.2003, 01:01
- Re: Erfahrungen mit Streit-Foren: - Frank, 13.04.2003, 23:09
- Re: Erfahrungen mit Streit-Foren: - MC Muffin, 13.04.2003, 22:54
Erfahrungen mit Streit-Foren:
-->Erfahrungen mit Streit-Foren:
Thorwald C. Franke (c) 13.04.2003
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Inhalt:
- Definition
- Einige Phänomene
- Ergebnisfindung der Diskussion
- Resultat
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Definition:
Ich definiere Streit-Foren als Foren, auf denen
um Themen gestritten wird. Auf denen also nicht
Themen behandelt werden, denen die Teilnehmer
eher leidenschaftslos gegenüber stehen.
Politik-Foren sind natürlich das beste Beispiel.
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Einige Phänomene:
Man kann endlos diskutieren,
schwätzt gegen die Wand hin.
Es gibt wenige, die wirklich mitdenkend
diskutieren und Einsichten und Erkenntnisforschritte
erzielen bzw. erzielen wollen. Sie gehen in der Masse
unter.
Die meisten...:
-... wollen ihr"Programm" durchziehen. Wollen
ihre Ideen sich durchsetzen sehen.
Haben ein Sendungsbewußtsein für ihre
Ideen, wollen für sie Werbung machen.
Sie wollen kein Diskussionsergebnis
erzielen, sondern siegen. Oft ist ihnen
die Wahrheit total egal, Hauptsache die
Richtung stimmt.
Um mit Horkheimer/Adorno zu sprechen:
Sie folgen einer"Ticketmentalität".
Und das mit beachtlicher Aggressivität
und Selbstgefälligkeit.
-... sind intellektuell unfähig zu folgen,
missverstehen, bleiben nicht bei
einmal gewonnener Erkenntnis,
sondern fallen wieder zurück,
usw.
Dadurch sind sie im Endeffekt
genauso wie die, die ihr Programm
durchziehen wollen, die kein
Diskussionsergebnis erarbeiten wollen,
sondern die siegen wollen.
- Provokateuere: Trolle, die inhaltlich völlig
indifferent sind, sondern nur aufreizen
möchten. Hier geht es erst recht nur
um"Sieg", und nicht um ein Diskussionsergebnis.
-...
Wenn man gegen eine deutliche Mehrheit
im Forum, oder gar ganz allein antritt, hat man
den Nachteil, dass die anderen sich
gegenseitig Witze, Meinungen, Argumente
über einen zuspielen,
ein Mittel der Auseinandersetzung,
das einem selbst nicht zur Verfügung steht.
Wer gegen eine Mehrheit antritt, hat zudem das
Problem, das er auf wesentlich mehr Postings
antworten muss, als jeder einzelne seiner Gegner.
Die Ressourcen Zeit und Nerven werden ungleich
verknappt.
Wenn die vertretene Meinung exzeptionell ist,
führt dies in der Regel noch nicht zur Jagd
der anderen auf einen.
Wohl aber, wenn man konsequent ist. Und das
will man ja sein. Sonst macht es keinen Sinn.
Man wird regelrecht in Diskussionen hineingezogen,
d.h. man wird derart dumm angemacht, dass man einfach
antworten muss.
Vor allem, wenn einem Meinungen unterstellt werden,
die man gar nicht hat. Vorwürfe gemacht werden, die
unberechtigt sind. Man will dann richtigstellen,
man will ja nicht vor den anderen Forenteilnehmern
in ein falsches Licht geraten, und verstrickt sich,
kommt nicht mehr raus.
Eine schwächere aber auch vorhandene Versuchung
ist es, einfach denkende Menschen mit der Widerlegung
ihres Schwachsinns zu konfrontieren, sie ob ihrer
Dummheit beschämen zu wollen, aus der heraus sie
sich erdreisten, das Gute in den Schmutz zu ziehen.
Natürlich: Vergebliche Liebesmühe.
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Ergebnisfindung der Diskussion:
Es geht wie gesagt nicht um die Findung eines
Ergebnisses aus der Diskussion heraus, sondern
um den"Sieg", das heißt die Durchsetzung
einer Meinung. Die Unterbutterung einer anderen.
Es ist leider so.
Wer nicht die Zeit hat, dauerhaft und konsequent
dranzubleiben, der hat keine Chance sich durchzusetzen,
weil er irgendwann aufhören muss - dann schlagen die
Wellen der anderen Diskutanten über ihm zusammen.
Praktisch geht die Diskussion wirklich endlos,
und der hat gesiegt, sonnt sich im Sieg, muss nicht
groß mehr argumentieren für sich, der die
anderen Forenteilnehmer auf seiner Seite hat!
Wenn alle sich gegen einen zusammenrotten, vielleicht
sogar noch der Forenmaster inklusive, dann hat
der einzelne verloren.
Da kann er dann noch posten, was er will. Seine
Postings stoßen nur noch auf eine Mauer der
Empörten bzw. Belustigten.
Somit gibt es niemals einzelne Sieger, die Sieger
sind immer das Kollektiv, und es gibt immer nur einzelne
Verlierer, ein Kollektiv verliert niemals!
Kann man dem Verlierer ein disqualifizierendes Etikett
anhängen, z.B."Nazi","Troll" o.ä.,
und sperrt der Forenmaster einen Verlierer aufgrund
dieser Disqualifizierung, so ist der Sieg total.
Wahrheit, Fakten, Belege, Argumente entscheiden
überhaupt nicht über den Sieg. Über den Sieg
entscheidet die soziale Gruppe, die das Forum
bildet, nach Mode, nach Zeitgeist, nach Sympathie
für oder wider eine Meinung und für oder wider
die einzelnen Forenteilnehmer.
Selten sind Siege gerecht, und niemals deshalb,
weil die Forenteilnehmer gerecht sein wollten.
Foren sind hochgradig soziologisch beschreibbare
Gebilde. Mit allen Nachteilen des Herdentriebes.
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Resultat:
Es ist klar, dass Streit-Foren sinnlos sind.
Man halte sich von ihnen fern. Es ist vergeudete
Zeit. Was nützte denn selbst ein"Sieg"?
Einen Fortschritt in der Erkenntnis gibt es da
nicht. Man widme sich nutzbringenderen Aktivitäten.
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