- Ostern, Zeit für"Brot für die Welt" - ÄTHIOPIEN - DER INSZENIERTE HUNGER - Herbi, dem Bremser, 18.04.2003, 20:29
- kann ich bestätigen! - Unabhängiger, 18.04.2003, 23:33
kann ich bestätigen!
-->die fetten, neuen, klimatisierten Jeeps der Hilfsorganisationen haben mich während meines Westafrika-Aufenthaltes auch immer genervt. Da geht also das schöne Geld der wohlmeinenden Spender hin, würde mich erstaunen, wenn die tatsächliche Ausschüttungsquote über 50% läge.... mal ganz abgesehen davon, was diese tolle Verteilmethode soziokulturell alles bewirkt (siehe Beitrag aus Äthiopien).
Während eines Aufenthaltes in Ouagadougou/Burkina Faso stieß ich in der Zeitung auf ein Inserat, das ich zuerst nicht glauben konnte, Getreide aus Hilfslieferungen wurden zu lächerlich, aber wirklich lächerlichsten Preisen angeboten. Die Großisten deckten sich natürlich ein und verkauften es unter Einstandspreis des lokalen Getreides, drängte somit die eigenen Bauern aus dem Markt, und voilà , da haben wir sie: die <font color="red">echte</font> Hungersnot!!! Daß die kranken westlichen (Überschuß-)landwirtschaften dadurch ihren Gentechmüll und ihre Überschüsse loswerden ist nur die andere Seite der Medaille, Zambia wollten sie ja kürzlich zwingen, Gentech-Mais als Hilfslieferung anzunehmen (aus den USA...). Malawi wurde vom IWF nahegelegt, seine Nahrungsvorräte zwecks Bedienung der Schulden zu verkaufen, worauf sich im Folgejahr - durch Dürreperiode noch verschärft - eine Hungersnot einstellte...
In diesem Zusammenhang sehr, sehr empfehlenswert zu lesen:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/357050025X/qid=1050700637/sr=2-1/ref=sr_aps_prod_1_1/028-6837864-2813365
Grüße
Unabhängiger, der aufgebracht ist, obwohl er das alles ja schon lange weiß...
>[Unterstreichungen von mir]
>[Auszüge aus:]
>ÄTHIOPIEN
>Der inszenierte Hunger
>In Äthiopien gibt es Wasser genug - doch die Entwicklungshelfer der UN reden der Welt eine Dürrekatastrophe ein
>Von Lutz Mükke
>Die drei Minuten vom Empfangstresen im Parterre bis zu seinem Büro im sechsten Stock des UN-Hochhauses in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba genügen Wagdi Othman, um alles Wichtige zur aktuellen Ernährungslage des Landes zu sagen:
>Ausbleibender Regen führe bei den Bauern im Hochland zu Dürre und Missernten, bei den Nomaden im Flachland zu hohen Verlusten unter den Viehbeständen. „Wenn wir nichts tun, werden in diesem Jahr Millionen Äthiopier verhungern.“
>...
>Im WFP-Papier wird die karge, von Dornenbüschen überzogene Somali-Region als eines von der Hungersnot am schlimmsten gebeutelten Gebiete beschrieben. 1,1 Millionen Menschen seien davon betroffen. Allein im Gebiet um Jigjiga sollen 264000 vom Hungertod gefährdete Somali auf Hilfe hoffen. Von ausgezehrten Kühen und Kamelen ist die Rede. „Die gegenwärtige Wassersituation ist für Mensch und Tier wegen zweier ausgefallener Regenzeiten alarmierend“, heißt es.
>Zu sehen ist davon weit und breit nichts. Trotz Trockenzeit ziehen Tausende kräftiger Rinder, Kamele, Ziegen und Schafe durch die flimmernde Ebene der Halbwüste. Wie in einer biblischen Szenerie sammeln sich um die gut gefüllte Wasserstelle „Oman“ viele hundert Tiere in guter Verfassung und mit prallen Höckern. Bauern und Nomaden aus dem Umkreis zweier Tagesmärsche berichten, es gebe keine wirkliche Not.
>...
>„Sie schreiben über die derzeitige Hungerkatastrophe? Da sind Sie hier falsch.“ Beul nippt am Mineralwasser. „Ich habe in den letzten beiden Monaten den Ogaden durchquert. Es gibt hier und da Probleme, aber von einer Katastrophe habe ich nichts gesehen.“
>...
>„Schreiben Sie doch über die da!“
>Zwei gut gekleidete Herren steigen aus dem Cruiser. „Die fahren die größten Autos, stecken die dicksten Gehälter ein, und die wenigsten haben auch nur annähernd eine Ahnung vom Leben der Nomaden.“
>Beul ist voller Verachtung für die Hilfsorganisationen, die seit Jahren in so genannten Feeding Centers kostenlos Getreide an nomadisch lebende Somali seines Clans verteilen. „Das führt mittlerweile dazu, dass die Nomaden ihre Wanderrouten ändern und dort hinziehen, wo gerade kostenlos Getreide verteilt wird. Das meiste davon wird an die Tiere verfüttert oder weiterverkauft. Außerdem gewöhnen sich meine Leute an Getreide als Nahrung. Das Zeug ist wie eine Droge für sie. Es zerstört ihre Ernährungsweise, denn früher haben sie ausschließlich von ihren Tieren gelebt.“
>Plötzlich fängt Beul an zu lachen: „Hören Sie das? Ihre Hungerkatastrophe fällt gerade ins Wasser.“ Laut krachen schwere Regentropfen auf das Vordach des Hotels. Es regnet die ganze Nacht, den kommenden Morgen und die nächsten Tage. Kein Stern ist mehr zu sehen.
>...
>Hier arbeitet Doktor Paulo Pironti , der in der Entwicklungshelfer-Community Äthiopiens als ausgewiesener Nomadenspezialist gilt. Der hagere Italiener lebt seit 18 Jahren in Äthiopien. Von einem kleinen schmucklosen Arbeitszimmer aus regiert der Agrarwissenschaftler zusammen mit dem ansässigen Bischof über 80 Entwicklungshelfer, die sowohl mit Nomaden im Tiefland als auch mit Bauern im Hochland arbeiten.
>„Eine Hungerkatastrophe haben wir hier im Tiefland nicht. Das sind dramatisch zugespitzte Prognosen, die eintreten können oder auch nicht .“ Pironti schüttelt den Kopf. „Das Problem ist, dass viele der so genannten Experten und Politiker in Addis nie aus ihren klimatisierten Büros herauskommen. Sie haben keine Ahnung vom Leben der Nomaden und geben deshalb jedes kranke Kamel gleich für eine Katastrophe aus.“
>Eine Renaissance des Islams, mit Geld aus Saudi-Arabien
>Pirontis Gesicht nimmt wütende Züge an. Er holt tief Luft, zündet sich eine Zigarette an, dann sagt er: „Seit mehr als zwanzig Jahren wird Getreide nicht nur hergebracht, um Bedürftigen zu helfen, sondern um die Produktionsüberschüsse der hoch subventionierten Bauern in den USA, Kanada und Westeuropa abzubauen . Oder warum sonst gibt man uns nicht Bargeld? Dafür könnte ich hier in der Region doppelt so viel Getreide kaufen, weil die Preise niedriger sind und die langen Transportwege wegfallen würden.“ Immer wilder gestikuliert er. Warum engagiere sich der Westen denn so für Äthiopien? Weil das Land ein strategisches Bollwerk sei zwischen dem islamischen Sudan und Somalia und gegenüber der arabischen Halbinsel!
>Doch auch Äthiopien scheint bedroht: Während der christlich-orthodoxe Bevölkerungsanteil im Land schwindet, erlebt der Islam hier eine Renaissance. Den Bau zahlreicher neuer Moscheen, islamischer Schulen und Krankenhäuser in vielen Landesteilen ermöglicht vor allem Geld aus Saudi-Arabien. Was die offiziellen Statistiken lange verschwiegen, wird nun offensichtlich: Etwa die Hälfte aller Äthiopier sind Muslime.
>„Grund genug für die USA, nach dem 11. September noch mehr Militär- und Nahrungsmittelhilfe nach Äthiopien zu pumpen, um die christliche Regierung zu stützen . Da achtet niemand so genau darauf, wo diese Hilfsgüter dann landen.“ Pironti kommt hinter seinem Schreibtisch hervor und greift zur nächsten Zigarette. „Gar keine Zweifel, es gibt hier hungernde Menschen und große Not. Die Frage muss aber lauten, warum das noch immer so ist .
>Wenn Sie Ihre Hungergeschichte haben wollen, dann fahren Sie doch weiter nach Mieso. Dort hatten einige Dörfer Totalausfälle bei der letzten Ernte. Denen geht es wirklich schlecht. Von dort kommen die Hungerbilder im Fernsehen. In diese Gegend fahren die meisten Journalisten, auch der Präsident war schon für ein paar Stunden da.“
>Draußen regnet es Blasen, die Straßen sind leer gefegt, die Leute haben in Cafés Unterschlupf gefunden oder stehen dicht gedrängt in Hauseingängen und unter Vordächern. Es riecht nach feuchter Erde.
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>Über die Hilfslieferungen, die sie erhalten, sagt einer: „Pro Kopf kriegen wir zehn Kilo Mais im Monat. Wir essen seit Monaten nichts anderes. Aber das Schlimmste daran ist, dass man diesen komischen Mais aus dem Ausland nicht säen kann. Er ist steril!“
>Aliyes Nachbarn beginnen zu schimpfen: Ohne Saatgut seien sie dauerhaft von den Hilfslieferungen abhängig.
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>Getreide, das als Nahrungsmittelhilfe nach Äthiopien geliefert wird, ist aus verschiedenen Gründen kaum keimfähig. Manche Sorten sind generell nicht zur Aussaat geeignet, andere sind aus so alten Lagerbeständen, dass ihre Keimfähigkeit verloren ging, wieder andere sind thermisch vorbehandelt.
>Die äthiopische Regierung hat das Saatgutproblem zwar erkannt, aber sie macht daraus ein Geschäft . Sie hat ein „Landwirtschaftliches Paket-Programm“ aufgelegt, das den Bauern Saatgut und Dünger auf Kreditbasis verkauft. Doch gerade den Bauern, die wirklich Not leiden, hilft das Paket wenig. Nicht nur durch die Rückzahlungsraten begeben sie sich in gefährliche Abhängigkeiten, sondern auch mit dem Saatgut. Denn dabei handelt es sich um hochgezüchteten Hybridsamen von der amerikanischen Firma Pioneer Hi-Bred International, der gerade mal für eine Saison reichlich Ernte verspricht. Er kann sich nicht selbst vermehren und muss Jahr für Jahr neu angekauft werden.
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>Das Wetter sei nicht schuld an der momentanen Nahrungsmittelknappheit, sagt Bekele, vielmehr seien „nach Jahrzehnten der Nahrungsmittelhilfe mittlerweile fünf bis sechs Millionen Äthiopier permanent abhängig davon. Das hat in Süd-Gondar zu einer Nehmermentalität unter den Bauern geführt, die zerstörerisch ist. Wir haben uns an die Hilfe gewöhnt wie an die aufgehende Sonne. Unter den Bauern hier kursiert seit Jahren der Spruch:
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>Wir beten für Regen in Kanada.“
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>In ihren öffentlichen Verlautbarungen und Konferenzen beteuern die Regierungsvertreter in Addis Abeba immer wieder, dass man von der Nahrungsmittelhilfe loskommen müsse. Doch stattdessen wird die Hilfsindustrie immer perfekter kontrolliert. Denn für die derzeitige Regierungspartei EPRDF, die unangefochten allein herrscht und über ein weit verzweigtes Wirtschaftsimperium verfügt, ist Nahrungsmittelhilfe keine Notlösung, sondern ein wahrer Segen. Von den seit 1984 bis heute importierten 14 Millionen Tonnen Getreide profitierten die Machthaber.
>Große Handels- und Transportfirmen, die die Nahrungsmittelhilfe im Land verteilen und sich im Besitz der Regierungspartei befinden, verdienen an jeder Tonne Nahrungsmittel bis zu 150 Dollar. Je nach Ausmaß der proklamierten Notsituation fließen so oft dreistellige Millionensummen Jahr für Jahr in die Kassen der Partei. Zudem nutzt die EPRDF Nahrungsmittelhilfe als ein Belohnungssystem, um ihre Anhänger bei der Stange zu halten.
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