- Spekulation über Wertpapierkäufe der Fed - FAZ - Popeye, 09.05.2003, 06:56
Spekulation über Wertpapierkäufe der Fed - FAZ
-->Spekulation über Wertpapierkäufe der Fed
Deflationswarnung löst Hausse bei amerikanischen Anleihen aus / Kapitalmarktrenditen fallen
ctg. WASHINGTON, 8. Mai. Die Warnung der amerikanischen Notenbank vor einer möglichen Deflation hat ihre Wirkung an den Finanzmärkten nicht verfehlt: Seit dem Hinweis der Federal Reserve (Fed) vom Dienstag auf die Risiken eines weiteren, unerwünschten Rückgangs der Inflation steigen an den Anleihemärkten die Kurse. Die Rendite der als Meßlatte geltenden amerikanischen Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit fiel zwischen Dienstag und Donnerstag von 3,78 auf 3,64 Prozent. Das ist das niedrigste Renditeniveau seit rund zwei Monaten. Im März hatten die zehnjährigen Treasuries zwischenzeitlich eine Rendite von nur noch 3,56 Prozent abgeworfen; das war das niedrigste Niveau seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Anleihehändler und Ã-konomen erklärten den Kurssprung damit, daß sich die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinssenkung erhöht habe."Sollten sich die Hinweise auf einen drohenden Rückgang des allgemeinen Preisniveaus verstärken, wird die Fed nicht zögern, den Leitzins zu verringern", sagte ein Marktteilnehmer in New York. Selbst wenn sich die Hoffnungen der Fed auf eine Beschleunigung des Wachstums in der zweiten Jahreshälfte erfüllen sollten, sei vermutlich bis ins kommende Jahr hinein nicht mit einer Zinserhöhung zu rechnen. Derzeit beträgt der Zielzinssatz, mit dessen Hilfe die Fed das Zinsniveau auf dem Geldmarkt steuert, 1,25 Prozent.
Für den jüngsten Renditerutsch an den Anleihemärkten spielt zugleich eine Rolle, daß die Fed selbst als Käufer von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten auftreten könnte. Sie könnte das in der Absicht tun, zusätzliche Liquidität in die Wirtschaft zu pumpen. Ein solches Vorgehen hat Ben Bernanke, eines der Mitglieder im Direktorium (Board) der Fed, für den Fall in Aussicht gestellt, daß die Notenbank die Gefahr einer die Wirtschaft lähmenden Deflation abwenden müsse. Bernanke und auch Notenbankchairman Alan Greenspan haben in der jüngeren Vergangenheit mehrfach bekräftigt, daß die Geldpolitik nicht machtlos sei, selbst wenn der Leitzins schon auf Null gesenkt wäre. Zu den"unkonventionellen" Mitteln der Fed in dem Bemühen, Deflationsängste zu vertreiben und Inflationserwartungen zu schüren, zählt der Aufkauf von Staatsschulden gegen die Ausgabe neuen Geldes.
Unter dem Eindruck sinkender Anleiherenditen in den Vereinigten Staaten hat auch der Dollar weiter an Wert verloren. Für einen Euro mußten am Donnerstag im Handelsverlauf 1,1421 Dollar bezahlt werden, so viel wie seit vier Jahren nicht mehr. Am Mittwoch war der Euro noch zu 1,1358 Dollar zu haben gewesen. Nach Einschätzung von Jim O'Neill, Chefvolkswirt und Währungsstratege von Goldman Sachs, ist der Kursrutsch des Dollar noch nicht beendet. O'Neill hält ein Kursniveau von 1,16 Dollar je Euro für"angemessen", sagt aber voraus, daß die Kursentwicklung zunächst viel weiter gehen könnte. Ausländer seien auf Dauer nicht bereit, Amerika rund 2 Milliarden Dollar Kapital am Tag zur Finanzierung des hohen Leistungsbilanzdefizits zur Verfügung zu stellen, argumentiert O'Neill, der sogar Kurse von 1,30 oder 1,40 Dollar je Euro nicht für ausgeschlossen hält. Nach Auskunft des Finanzministeriums in Washington sind die Nettokapitalzuflüsse nach Amerika in den vergangenen Monaten erheblich gesunken. Im Februar, dem jüngsten in der Statistik verfügbaren Monat, sanken die Nettokapitalzuflüsse gegenüber Januar um 31 Prozent auf das niedrigste Niveau seit einem Jahr.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.05.2003, Nr. 107 / Seite 21

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