- Schizophrene Anlagestrategie? Psychiater gefragt - kizkalesi, 10.05.2003, 09:00
Schizophrene Anlagestrategie? Psychiater gefragt
--><font size="5">Kapitalmärkte spalten sich in zwei verschiedene Welten auf</font>
Sicht der Aktien- und Bondanleger geht auseinander
Berlin - Zumindest die Berufsgruppe der Psychiater dürfte an der aktuellen Börsenlage ihre helle Freude haben. Denn die Märkte scheinen momentan von Schizophrenen maßgeblich geführt zu werden. Das geht los bei den Währungshütern. So sah sich Fed-Chef Alan Greenspan in dieser Woche genötigt, gleich zwei Erklärungen abzugeben. In der einen sprach er von einer Wirtschaftserholung. In der andern beschwor er die Risiken einer"unwillkommen stark abfallenden Inflation". Eine solche Deflation geht aber schwerlich mit einer nachhaltigen Konjunkturwende einher. Zwiespältig fielen auch die Statements der EZB aus. Auf der einen Seite warnte Chef Wim Duisenberg vor Inflationsrisiken. Auf der anderen Seite wurde die neue geldpolitische Strategie enthüllt, in der Mechanismen gegen Deflation enthalten sind.
Rätsel geben aber nicht nur die Notenbanker mit ihrer gespaltenen Strategie auf. Getrennte Wege gehen auch Aktien- und Rentenmarkt-Anleger. Während Erstere inzwischen von einer schnellen Erholung der Wirtschaft und damit der Unternehmensgewinne ausgehen, ist die Konjunktur aus Sicht der Anleiheinvestoren noch nicht aus dem Schlamassel heraus. Dies spiegelt sich auch in den Kursen. So legten Aktien in den vergangenen Wochen kräftig zu und gleichzeitig fielen die Renditen bei Anleihen. Boom oder Rezession, Kaufgelegenheit bei Bonds oder Verkaufsgelegenheit bei Aktien - welches Szenario ist das richtige?
"Die Divergenz zwischen Bonds- und Aktienmarkt erleben wir jetzt schon zum dritten Mal in drei Jahren", sagt Gerard Minack von ABN Amro."Die vergangenen zwei Male lagen jeweils die Rentenmarktanleger mit ihrer Einschätzung richtig. So wird es auch jetzt kommen." Konjunkturpessimist Minack rechnet damit, dass schon bald kräftige Kursverluste bei Aktien die Divergenz beendet.
Tatsächlich hatten bereits im Herbst 2001 und im Sommer 2002 Bonds- und Aktienhändler auf ein unterschiedliches Konjunkturszenario gewettet. In beiden Episoden drehten die Börsen stets nach wenigen Wochen wieder ins Minus und Anleiheexperten gingen als Sieger hervor.
Generell gelten Rentenexperten als die besseren Konjunkturschnüffler - zumal die meisten einen volkswirtschaftlichen Hintergrund haben. Doch Volkswirte stehen auch im Ruf, eher bedächtig zu agieren. Das führt dazu, dass sie wirtschaftliche Wendepunkte meistens zu spät erkennen. Gut ablesen lässt sich dies etwa an den Wirtschaftsweisen im Sachverständigenrat. Der scharfe Konjunktureinbruch 2001 traf die Professoren wie ein Blitz aus heiterem Himmel."Wer bei seinen Entscheidungen auf Volkswirte hört, kann an der Börse kein Geld verdienen", lautet nicht ohne Grund eine alte Weisheit.
Erschwerend in der Debatte kommt hinzu, dass beide Seiten gute Argumente ins Feld führen können. So verweisen die optimistisch gestimmten Aktienanleger auf die gute Quartalssaison der Unternehmen. Dagegen können Rentenhändler auf schwache Konjunkturdaten zeigen. So sind etwa die Auftragseingänge für die deutsche Industrie kaum mit einem schnellen Aufschwung vereinbar.
Wer nicht schizophren werden will, dem bieten sich zwei Wege. Entweder man legt sein Erspartes zu niedrigen Zinsen am Geldmarkt an. Wer nicht von der Seitenlinie zusehen will, kann eine schizophrene Anlagestrategie verfolgen. Ein Teil des Portfolios sollte dann in dividendenstarken, defensiven Werte angelegt werden, der Rest in zyklischen Unternehmen. hz.

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