- o.t. Frage an die Obstbauern - manolo, 16.05.2003, 11:57
- Re: o.t. Frage an die Obstbauern - McMike, 16.05.2003, 12:09
- chemie hilft immer.... - Kaddii, 16.05.2003, 12:24
- Re: chemie hilft immer.... NANA - alberich, 16.05.2003, 12:45
- Re: chemie hilft immer.... NANA - McMike, 16.05.2003, 13:00
- Gulasch aus Klärschlamm - HB, 16.05.2003, 13:45
- @HB - Wassermann, 16.05.2003, 14:03
- Du hast Post (owT) - HB, 16.05.2003, 14:31
- @HB. Da wär ich aber mal froh über den link. - rocca, 16.05.2003, 14:06
- Ich schicke dir ein Mail - HB, 16.05.2003, 14:25
- Re: Ich schicke dir ein Mail / hier bitte - rocca, 16.05.2003, 14:51
- Du hast Post (owT) - HB, 16.05.2003, 14:59
- kannst du... - wheely, 16.05.2003, 15:16
- Wird nicht angenommen - HB, 16.05.2003, 15:26
- kannst du... - wheely, 16.05.2003, 15:16
- Du hast Post (owT) - HB, 16.05.2003, 14:59
- Re: Ich schicke dir ein Mail / hier bitte - rocca, 16.05.2003, 14:51
- Ich schicke dir ein Mail - HB, 16.05.2003, 14:25
- Hans-Ulrich Grimm - ein Populist und Begriffsjongleur erster Güte - alberich, 16.05.2003, 15:49
- für mich auch bitte... - marocki4, 16.05.2003, 15:52
- Du hast Post (owT) - HB, 16.05.2003, 16:02
- @HB - Wassermann, 16.05.2003, 14:03
- Gulasch aus Klärschlamm - HB, 16.05.2003, 13:45
- Wie Apfelsaft hergestellt wird - HB, 16.05.2003, 14:29
- Das ist aber nicht allein das Problem - Yak, 16.05.2003, 14:30
- Re: Das ist aber nicht allein das Problem - alberich, 16.05.2003, 16:15
- Holzasche als Dünger - HB, 16.05.2003, 16:27
- ? und was willst Du damit sagen?? (owT) - alberich, 16.05.2003, 17:12
- Daß Holzasche in dem Buch nicht so negativ gesehen wird (owT) - HB, 16.05.2003, 18:03
- ? und was willst Du damit sagen?? (owT) - alberich, 16.05.2003, 17:12
- Holzasche als Dünger - HB, 16.05.2003, 16:27
- Re: Das ist aber nicht allein das Problem - alberich, 16.05.2003, 16:15
- Re: chemie hilft immer.... NANA - McMike, 16.05.2003, 13:00
- Re: chemie hilft immer.... und gerade in Tirol - kizkalesi, 16.05.2003, 13:01
- Ã-kokiste - NaturalBornKieler, 16.05.2003, 13:30
- Re: chemie hilft immer.... NANA - alberich, 16.05.2003, 12:45
- Re: o.t. Frage an die Obstbauern - alberich, 16.05.2003, 12:27
- Re: o.t. Frage an die Obstbauern ist das ein Wunder? - manolo, 16.05.2003, 14:33
- auf deinen letzten Absatz bezogen: Ist das ein Wunder? - alberich, 16.05.2003, 15:39
- Re: o.t. Frage an die Obstbauern ist das ein Wunder? - manolo, 16.05.2003, 14:33
Gulasch aus Klärschlamm
-->Aus"Grimm, Hans-Ulrich - Die Suppe lügt":
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10. Müll mit Maske: Aus Abfall werden
Lebensmittel prima Imitate
Die Metamorphose der Meeresbewohner: Wie sich ein
Leuchtkrebs in ein Frankfurter Würstchen verwandeln kann.
Wie aus Klärschlamm Gulasch wird. Und warum trotzdem alles
lecker schmecken kann.
Das Rezept ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Denn als
Ausgangsbasis dient: Klärschlamm. Man nehme die festen
Bestandteile der Brühe, ruhig auch das reichlich vorhandene
Toilettenpapier, verkoche es bei hohen Temperaturen zu
Granulat, mahle es sodann und füge einige Sojaproteine hinzu.
Fertig ist »Jinko Nikku«, ein neuartiger Fleischersatz.
Geschmacklich läßt die Kreation von Mitsuyuki Ikeda, einem
Wissenschaftler aus dem japanischen Okayama, noch etwas zu
wünschen übrig: Erste Testesser erinnerte sie an alte Hähnchen
mit einem leichten Hauch von Fisch. Das ließe sich aber regeln:
Die moderne Lebensmittelproduktion hat ja manches Mittel
entwickelt, um den Geschmack zu manipulieren und selbst
penetranten Hautgout zu maskieren.
Trotz kleinerer Mängel markiert die Erfindung einen neuen
Höhepunkt im Ingenieursschaffen. Doch großer Erfolg wird ihm
wohl nicht beschieden sein. Denn Herr Ikeda hat einen schweren
Fehler gemacht: Er ließ es zu, daß sein Erzeugnis öffentlich als
»Klo-Burger« geschmäht wurde, und er legte eine
unverzeihliche Offenheit an den Tag, plauderte ganz unbefangen
über seine Innovation. »Das wird sicher kein Verkaufserfolg«,
verkündete er bei der Präsentation, »wahrscheinlich werden die
Leute so was nur in Zeiten großer Hungersnot essen.« Er habe
überhaupt nur demonstrieren wollen, »daß das, was den Körper
unten verläßt, in recycelter Form oben wieder eingeführt werden
kann.«
Das klingt nicht sehr appetitlich. So produziert man keinen
Bestseller. Herr Ikeda hat die einfachsten Regeln der
Vermarktung mißachtet. Es fehlt die Eleganz und natürlich die
Diskretion. Dem Verbraucher ist das Endprodukt in den
schillerndsten Farben zu schildern, weniger der - bisweilen
unvermeidlich - unappetitliche Produktionsprozeß. Auf jeden
Fall ist zudem zu vermeiden, sich wie Herr Ikeda, der Mann aus
dem Land des Lächelns, bei der Präsentation vor der Presse mit
eher angewidertem Gesicht mit dem Produkt zu zeigen und so
für Bilder zu posieren, die dann technikfeindliche Organe wie
das Greenpeace-Magazin begierig publizieren.
Weil die Produzenten von Lebensmitteln in ähnlichen Fällen
ungleich professioneller vorgehen, sind sie beim Recycling
schon relativ fortgeschritten - ohne häßliche Negativ-Publicity.
Die Resteverwertung ist ja schließlich ein Gebot der Vernunft,
schon aus ökonomischer Sicht, weil diese Rohstoffe superbillig
sind. Zudem ist sie auch noch ökologisch sinnvoll, als
praktizierte Müllvermeidung. Mit der angemessenen Diskretion
vermarktet, werden Leckereien aus Müll schon heute zu
Bestsellern.
Man nehme beispielsweise Molke. Ein Abfallprodukt der
Landwirtschaft, es entsteht bei der Käseherstellung. Das
grünliche Abwasser wurde früher weggeschüttet oder an die
Schweine verfüttert. Vielleicht aus einer instinktiven
Abwehrreaktion: Denn neuere Studien deuten daraufhin, daß ein
Eiweißbestandteil der Molke an der Entstehung von Diabetes
beteiligt sein könnte. Andererseits hat die Molke Nährwert, und
diesen nutzt die moderne Nahrungsproduktion: Molkeneiweiß
findet sich als Zusatz-Stoff in Kindernahrung, Frischkäse,
Fertigsuppen. Oder als Ersatzeiweiß in japanischen Gelee-
Fischstäbchen. Das hat der Vorsitzende des Bundes Deutscher
Lebensmitteltechnologen höchstpersönlich erfunden: Ernst
Reimerdes, im Hauptberuf Lebensmittel-Forscher bei Nestle in
der Schweiz. Er versteht sich auch als »Food-Designer«. Und
ein »Grundprinzip des Food-Designs«, sagt Reimerdes, »besteht
darin, die Entsorgung zu gewährleisten und daraus hochwertige
Nahrungsbausteine zu gewinnen.«
Der Großmolkerei Müller im bayrischen Aretsried gebührt
das Verdienst, den flüssigen Nahrungsbaustein Molke, jenes
grünliche Abwasser, massenhaftem Genuß zugänglich gemacht
zu haben. Das war nicht ganz einfach: »Fünf Jahre lang haben
wir daran gearbeitet«, erzählte einer der Entwickler einem
Reporter vom Magazin der Süddeutschen Zeitung. Schließlich
hatten sie die Lösung: ein bißchen Molke, ein bißchen Wassser,
Coffein, Traubenzucker als Energiespender und künstliche
Süßstoffe als billigen Zucker-Ersatz.
Die Männer von Müller griffen zu Sunett, dem süßen
Kunststoff von Hoechst.
Denn Sunett ist Spezialist für solche Molkengetränke. Die,
sagt Dr. Guido Ritter von der Abteilung Lebensmitteltechnik in
der Food-Filiale des Chemieriesen, haben »ein positives Image«
beim Verbraucher. Die Herstellung ist ganz einfach, nach der
³Richtrezeptur« aus dem Hause Hoechst: Zum Molkenpulver
gebe man ein bißchen Sunett, dazu die Süßstoffe Aspartam und
Neohesperidin-DC, außerdem 0,2 Gramm Ascorbinsäure, also
das gesunde Vitamin C. Fertig ist der Fitnessdrink. Eine Prise
Geschmack kann noch hinzugefügt werden, denn Sunett
harmoniert »hervorragend mit Aromen, Geschmacksstoffen oder
Fruchtzubereitungen«. Das Abwasser erscheint dann in völlig
neuer Form, und in unerwarteten Geschmacksrichtungen, laut
Hoechst-Prospekt: »Auch bei den Aromen gilt, erlaubt ist, was
gefällt: Kirsche-, Pfirsich-, Aprikosen-, Mango- oder
Bananengeschmack.«
Die Zauberkünste der Geschmacks-Nachahmer haben die
Müllverwertung endlich von der anrüchigen Aura befreit, die sie
bisher umgab. Denn derlei Nahrungsimitate riefen in früheren
Generationen unangenehme Erinnerungen an Notzeiten wach, in
denen echtes Essen knapp war und der Magen knurrte.
Tatsächlich stammen viele der Erfindungen ja aus elendigen
Zeiten. Jenes Roggenbrot ohne Roggen beispielsweise oder die
blutgefärbte Ersatzwurst aus Soja, die sich der nachmalige
Bundeskanzler Konrad Adenauer patentieren ließ. Er hatte die
Pseudo-Produkte in der Zeit des Ersten Weltkriegs erfunden, um
kriegsbedingte Hungersnöte zu lindern.
Diese unangenehme Herkunft hing den Ersatzprodukten noch
lange nach. Auch neuere Imitate stießen deshalb nicht immer
auf die angemessene Begeisterung. Ein Patentantrag zur
»Verwertung von Nährwertabfallstoffen« wurde beispielsweise
noch im Jahre 1988 abgelehnt. Dabei sollten niedere
Ausgangsprodukte nutzbringend aufgewertet werden:
Schlachtabfälle, Blut, Federn und Borsten sollten nach dem
Willen des Erfinders als Grundstoff für die Gewinnung von
Proteinen und Fetten dienen.
Die Animositäten staatlicher Stellen scheinen mittlerweile
überwunden. Die Abfallverwertung erfreut sich neuerdings gar
aktiver öffentlicher Unterstützung. Das US-Department of
Agriculture hat beispielsweise einen neuen Fettersatzstoff
entwickelt, »Z-Trim« genannt - aus Abfallprodukten der
Landwirtschaft wie Hülsen von Hafer, Reis, Sojabohnen und
Erbsen. Sie werden getrocknet, gemahlen und zu einem
mikroskopisch feinen Pulver verarbeitet. Im Mund mit Spucke
versetzt, quillt das Zeug nach Angaben der Erfinder auf und
hinterläßt ein ähnliches Gefühl wie Fett. Nur macht es eben
nicht dick, sondern wirkt als Ballaststoff. Sehr gesund.
Doch auch Europa schläft nicht. Auch hier wühlen die
Forscher schon im Müll. Die Europäische Union hat das Projekt
»Abfallfreie Lebensmittelwirtschaft« ins Leben gerufen. Im
Rahmen dieses Unternehmens forscht etwa der
Lebensmitteltechnologe Benno Kunz an der Universität Bonn
nach Möglichkeiten der Verwertung von Preßrückständen aus
der Produktion von Karotten- und anderen Gemüsesäften. Über
100000 Tonnen dieser Reste wandern allein in Deutschland
alljährlich auf den Müll. »Zu schade zum Wegwerfen«, findet
Abfallverwerter Kunz. Auch »Rübenschnitzel,
Kartoffelnaßpülpe, Kleie oder Kakaoschalen« könnten, meint
Kunz, eigentlich noch verspeist werden, wenn sie in
ansprechender Form dargeboten würden. Der Bio-Müll könnte
beispielsweise getrocknet, gemahlen, ein bißchen aufbereitet
und handelsüblichen Fruchtsäften, Milchprodukten und
Backwaren beigemengt werden. Auch Brot ließe sich länger
frischhalten, Joghurt bekäme eine harmonische Note, wenn der
Abfall ein bißchen mit Milchsäurebakterien angesetzt würde.
Der besondere Clou: die preisgünstigen Zutaten verschaffen
dem Körper allerlei Wohltaten, die er ohnehin dringend braucht,
Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien. »Gesundheit aus der
Mülltonne« gewissermaßen, wie das Magazin Geo im
November 1996 schrieb.
Nun könnte der Mensch natürlich auch Karotten essen,
Kartoffeln oder Rote Bete. Das wäre womöglich genauso
gesund und gar noch preisgünstiger, da die teure Arbeitskraft
der Lebensmitteltechnologen eingespart werden könnte. Aber es
geht ja nicht primär um den Menschen, sondern um die
Müllmenge der Industrie und die Suche nach
»emmissionsmindernden Verfahren zur
Lebensmittelproduktion« (Kunz). Denn die
Lebensmittelproduktion folgt mittlerweile ihren eigenen
Gesetzen, sie hat sich verselbständigt und weitgehend losgelöst
von den natürlichen Produkten. Die kommen, schon aus
Preisgründen, nur noch in winzigen Dosen in die Dose, vorher
zerteilt, aufgelöst, wieder zusammengebaut und mit allerlei
Kunststoffen gestreckt. Und weil für all diese technischen,
maschinellen, automatisierten Prozesse Millionen aufgewendet
werden müssen, suchen die Ingenieure fieberhaft nach immer
billigeren Grundstoffen. Der pure Zwang zur Einsparung, die
schiere Notdurft im Konkurrenzkampf.
Und Not macht bekanntlich erfinderisch. Die wundersamen
Patente auf ungezählte Ersatz-Lebensmittel lassen erahnen, wie
groß das Elend schon ist. Ein amerikanischer Food-Ingenieur
namens Eustathios Vassiliou hat beispielsweise eine »Simulierte
Roh-Ei-Komposition« patentieren lassen, ein wahres
Wundergebilde, das unter anderem aus Magermilchpulver,
Gelatine, Eigelbfarbe und Wasser besteht - in der Pfanne aber,
wie das natürliche Vorbild, eine Spiegelei-Form bildet.
Der Chemiekonzern Hoechst hat ein Rezept zur Patentierung
eingereicht, mit dem sich Bakterien zu Kaffeesahne oder
Schmelzkäse verarbeiten lassen. Dem US-Konzern General
Foods ist es gelungen, einen Kunst-Speck aus Wasser, Fett und
Proteinen herzustellen. Und die amerikanische Firma Athlon
erhielt ein Patent für die trickreiche Verwandlung von
Vogelfedern in einen Zusatz für Konfekt und Backwaren.
Schon die DDR hatte auf diesem Gebiet Weltniveau: Das
Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung in Rostock
etwa erfand ein »Verfahren zur Herstellung körniger
Proteinformgebilde« - Kunst-Kaviar aus Schlachtblutplasma.
Der Leipziger Lebensmittelchemiker Klaus Valdeig avancierte
mit ähnlichen Innovationen gar, wie das Monatsmagazin Spiegel
spetial im April 1996 berichtete, zu einer »Stütze der einstigen
DDR-Wirtschaft«. Sein schönstes Kunststück gelang ihm mit
Konfekt: Er ersetzte die übliche Pralinenfüllung durch eine
Masse aus zähflüssig gekochten Erbsen, Zucker und Aromaten.
Noch Jahre nach dieser Pioniertat war der Mann stolz darauf, die
unscheinbare Erbse endlich ganz oben in der Hierarchie der
feinen Sachen angesiedelt zu haben: »Die Erbse ist eine
ernsthafte Konkurrenz zum Marzipan« geworden, sagte Valdeig
in vollem Bewußtsein des historischen Ranges seiner Erfindung.
Bei den sozialistischen Ersatzprodukten hatten die Erfinder
auch in anderer Hinsicht Welt-Standard erreicht: in Sachen
Diskretion. Die Zusammensetzung galt als Geheimsache, auf
dem Etikett erschienen nur analytische Daten, Fett,
Kohlehydrate, Kalorien. Ob das »kakaoähnliche Produkt« aus
roten Rüben hergestellt war (Patent-Nummer DD 226763 AI)
oder aus gezuckerten Getreidekeimen (Patent Nummer DD
245355 AI), ob gar Viehfutter oder Fischmehl beigemengt war,
das konnten die Bewohner des Arbeiter- und Bauern-Staates nur
erahnen - am Geschmack. Ein bißchen vom Ur-Stoff muffelte
indessen immer durch. Die täuschend echten Illusionen konnten
die Ost-Ingenieure noch nicht so recht erzeugen. Es fehlte das
Knowhow.
Die Avantgarde der kapitalistischen Imitatoren kann hingegen
aus nahezu beliebigen Rohstoffen nahezu jedes gewünschte
Nahrungsmittel erzeugen - und dafür sorgen, daß es so schmeckt
wie das Vorbild. So können endlich auch bislang ungenutzte
Rohstoffe in großer Vielfalt zum Einsatz kommen oder
unattraktive, von der Natur benachteiligte Lebewesen
aufgewertet werden. Aus der Tiefe des Meeres etwa kommen
enorm wandelbare Wesen. Der Mintai etwa, ein naher
Verwandter des Dorschs, führte auf dem Speisezettel bislang ein
Schattendasein. Der Krill kam gar nicht vor; die winzigen
Leuchtkrebse, die nach Schätzungen von Meeresforschern
gewichtsmäßig die Tiere mit dem weltweit größten Bestand
sind, dienten bislang vor allem dem Bartwal als
Sättigungsbeilage im Plankton. Unermüdlich arbeiten Forscher
daran, die gigantischen Bestände dem Verzehr zugänglich zu
machen. Denn durch industrielle Verarbeitung können die
Geschmähten zu ganz neuen Ehren gelangen: Zerlegt, gepreßt
und aromatisiert, heißen sie dann auch nicht mehr Mintai oder
Krill, sondern: »Surimi«. »Ziel der Surimi-Herstellung sind
standardisierte Blöcke aus zerkleinertem Fischfleisch ohne
fischtypischen Geschmack«, berichtete ganz nüchtern im Juni
1996 die Neue Zürcher Zeitung. Das Schweizer Blatt hat auch in
Erfahrung gebracht, wie die Roh-Fische in die Standard-Form
gebracht werden: »Zunächst entfernt man maschinell Kopf,
Eingeweide und den Hauptteil der Mittelgräte. Im nächsten
Arbeitsschritt wird der Fisch mehrmals gewaschen.
Wasserlösliche Proteine, verschiedene Enzyme sowie Salze und
weitere Verbindungen wie Formaldehyd, Blutfarbstoff, aber
auch Fischfett werden dabei entfernt. Nach der Entwässerung
durch eine Schraubenpresse setzt man Zucker, Sorbit und
Polyphosphat in geringen Mengen zu, damit die Masse besser
gefriert.«
Ein bißchen Gewalt muß schon sein. Aber nach der Tortur mit
Enthauptungsmaschine und Schraubenpresse können die zum
Standard-Block mutierten Meeresbewohner, gleichsam als Dank
und Ausgleich, zu einer Karriere antreten, die sie sich
ursprünglich nie hätten träumen lassen: In Salaten und Dosen
vertreten sie fortan vornehmste Meeresbewohner wie Hummer
oder Garnelen. In Amerika liegt der Surimi-Umsatz schon bei
über 500 Millionen Dollar, und auch in Deutschland treten die
Surrogate, häufig verdeckt, in Erscheinung. Bei einer Stichprobe
fand die Hamburger Bundesforschungsanstalt für Fischerei 1994
in sieben von zehn Garnelenfleisch-Proben Surimi.
Dank Aroma-Einsatz werden völlig verschüttete Talente der
Meerestiere gefördert. Denn mit Surimi lassen sich damit aber
nicht nur edle Meeresfrüchte imitieren. Mit ein paar
Kunstgriffen und veränderten Aromen kann das Zeug auch als
Rohstoff für Schweinswürste oder Frankfurter herhalten sowie
in Backwaren, Milchprodukten und Pasta zum Einsatz kommen.
»Die Möglichkeiten sind endlos«, schwärmt das Kunstnahrungs-
Fachblatt International Food Ingredients. Vor allem in
Restaurants könne das Kunstprodukt nutzbringend eingesetzt
werden, so das Blatt in schöner Offenheit, weil dort »seine
Imitat-Eigenschaft auf der Speisekarte versteckt werden kann.«
Die jeweils neuesten Surimi-Einsatzfelder werden alljährlich auf
der »Surimi-Technologie-Schule« an der amerikanischen
Oregon State University diskutiert. Studenten und erfahrene
Technologen treffen sich dort, gesponsert von Firmen wie dem
High-Tech-Pionier Monsanto, oder, das Jahr über, im Internet.
Adresse:
»http://www.orst.edu/dept/seafood/surimi.html.«
Die Verwandlung von Meeresbewohnern zu
Schweinswürstchen ist offenbar auch umkehrbar: Wie das
Journal of Food Science 1996 berichtete, können mit einem
neuen Verfahren aus Schweinefleisch Muscheln hergestellt
werden. Nur vom Nährwert gehe, aufgrund des ebenfalls
notwendigen extensiven Waschens, einiges verloren.
Die Amerikaner haben schon einen Fachausdruck für derlei
Imitate: »Fake Food«, Falschnahrung.
Die Verwendung von gefälschten Nahrungsmitteln ist
indessen nicht immer Ausdruck nackter Not oder der
verzweifelten Suche nach Einsparpotentialen im
Produktionsprozeß. Bisweilen müssen sich die Techniker ihre
Rohstoffe schlicht deshalb selber basteln, weil die fragilen
Naturerzeugnisse den harten Alltag in der Fabrik nicht
aushalten. Der liebe Gott hat die Früchte ja noch in
vorindustrieller Zeit an Bäume und Sträucher gehängt. Diese
paradiesischen Zeiten, da die Früchte frisch gepflückt in den
Mund wandern, sind indessen vorbei. Heute müssen sie erst
einmal über lange Fließbänder rollen, in Ã-fen hohe Hitze oder
im Gefrierschrank garstige Kälte ertragen. Und dann werden sie
noch in Maschinen malträtiert. Manch zartes Früchtchen
erweicht darob. Vor allem »weichere Früchte wie Erdbeeren
oder Himbeeren«, sagt der Forschungsleiter des Unilever-
Konzerns, können bei maschineller Verarbeitung »leicht
zermatschen«.
Sein Konzern hat deshalb ein Verfahren erfunden, mit dem
laut Patentschrift Nummer DE 2167271 C2 »die Absicht
verfolgt wird, natürliche Früchte vorzutäuschen«. Dazu wird
»Fruchtmaterial«, etwa »Himbeerabfälle« oder ausgepreßte
Reste von Beeren, mit einem Gelee aus Algenextrakt,
Geschmacks- und Farbstoffen zu einem bißfesten Etwas
rekonstruiert. Diesen »simulierten Früchten« (Patentschrift)
kann weder die Backhitze noch das »Eindosen« etwas anhaben.
Eigentlich eine pfiffige Idee, um stabilere Himbeeren zu
gewinnen, die auch das industrielle Milieu schon kennen und
sich davon nicht gleich erdrücken lassen. Allerdings: Der
Unilever-Konzern versichert, das Patent niemals ausgenutzt zu
haben. Das ist eigentlich schade, wenn die Geistesleistungen der
werkseigenen Ingenieure so ins Leere laufen müssen. Zumal
solche »Fruchtzubereitungen«, wie die Komposition hernach auf
dem Joghurtbecher genannt wird, ja häufig gebraucht werden.
Die Firma Rudolf Wild aus Heidelberg macht damit zum
Beispiel blendende Geschäfte. Sie setzt insgesamt 820 Millionen
Mark im Jahr um, hat 15 inländische Betriebe und 20 im
Ausland: unter anderem in Japan und Spanien, in Ungarn und
Polen, in England, Holland, in den USA. Dazu Repräsentanten
in 33 weiteren Ländern von Argentinien bis Vietnam. In aller
Welt werden die Früchte von Wild also in Quark und Joghurts
gefüllt. Doch die Kunden kriegen durchaus nicht immer das,
was sie glauben: Der Spiegel enthüllte im Herbst 1996
skandalöse Verfehlungen, vor allem hinsichtlich der
Fruchteinwaage: Zum Beispiel, so belegten »interne
Firmendokumente« (Spiegel) bestellte die Firma Südmilch, die
die Wild-Erzeugnisse unter anderem in ihre »Landliebe«-
Produkte rührt, im Jahre 1993 eine Fruchtzubereitung, die 70
Prozent Aprikosen enthalten sollte. Doch das, was »da am 14.
September bei Wild zusammengemischt wurde«, enthielt, wie
der Spiegel herausfand, »keine einzige Aprikose«, nur den
billigeren Pfirsich, und dazu Aprikosenaroma. Auch eine Mixtur
für die Kinderlieblingsnahrung »Fruchtzwerge« von Danone,
Geschmacksrichtung Erdbeere und Banane, enthielt keineswegs
die vertraglich vereinbarten 40 Prozent Fruchtanteil, sondern nur
die Hälfte. Da ward sogar der Spiegel von Mitleid ergriffen:
»Arme Fruchtzwerge«.
Arme Kinder. Denn selbst wenn die »Fruchtzubereitung« den
vertraglich vereinbarten Erdbeer- und Bananenanteil von 40
Prozent enthält, sind 60 Prozent eben keine Frucht, sondern
irgend etwas anderes. Vielleicht eine leckere Algen-Creme,
vielleicht ein bißchen Gelatine. So richtig böse waren die
betrogenen Lebensmittelhersteller nach der Enthüllung denn
auch nicht. Die Lieferverträge wurden nicht aufgekündigt, auch
von einer Anzeige wegen Betruges wußte das Blatt nicht zu
berichten. Die Marketing-Chefin von Danone meinte bloß, wenn
Wild von den vereinbarten Frucht-Anteilen abgewichen ist,
»hätte man uns das zumindest mitteilen müssen«. Und auch
Wild rechtfertigte sich, es sei durchaus üblich, bei einer
»Fruchtzubereitung« für Kirschjoghurt eventuellen
Kirschenmangel durch Traubensaft oder Röte-Bete-Saft
auszugleichen - auf Kundenwunsch. Will sagen: Wenn der
Joghurtesser und Quarkfreund schon an der Nase herumgeführt
wird, dann wollen die Joghurthersteller und Quarkproduzenten
dies gefälligst selbst tun.
Die Imitate haben unsere Kühlschränke und Gefriertruhen
erobert. Bunte Bildchen auf dem Etikett und phantasievolle
Bezeichnungen führen ein bißchen in die Irre. Nur Kundige
können die Chiffren deuten, jene subtilen Signale, die ein
Etikettendichter aussendet: »Fruchtzwerge«, das könnte
vielleicht bedeuten, daß Früchte bloß in Zwergenportiönchen
eingerührt wurden. Ansonsten gilt, was das amerikanische
Nachrichtenmagazin Newsweek schon 1985 über derlei Imitate
schrieb, für die im Amerikanischen auch ein deutsches
Lehnwort gebräuchlich ist: »Ersatz-Food: Looks Like, Tastes
Like...« Sieht aus wie, schmeckt wie: Die Eßkultur ist in die
Sphäre des Uneigentlichen entschwunden. Was wir verzehren,
wenn wir die Packungen mit den bunten Labels kaufen, ist nur
noch ein bloßes »als ob«.
In einigen seltenen Fällen fliegt der Schwindel auf. Es rollt
dann manchmal eine kleine Welle der Empörung durch das
Land. Und in noch selteneren Fällen wird ein Alsob-Erzeugnis
dann aus den Regalen genommen. Der Fleischersatz »Quorn«
beispielsweise hatte in Deutschland nur ein ganz kurzes,
unerfreuliches Dasein. Er wurde in einigen bayrischen
Testmärkten eingeführt und dann wieder abgezogen. Denn die
voralpinen Medien hatten Unschönes über das Produkt berichtet:
Das Erzeugnis, von einem englischen Chemie-Multi entwickelt,
wird aus Schimmelpilz-Kulturen gewonnen. Das wollten die
Bayern nun doch nicht.
Die Briten hingegen, einem verbreiteten Vorurteil zufolge bei
Tisch ohnehin nicht sehr verwöhnt, störten sich nicht so sehr an
dem Schimmelpilz-Image. Britische Schulkinder, so brachte das
Ã-ko-Blatt Natur in Erfahrung, halten Quorn »für
Putengeschnetzeltes«. Das ist nun nicht gerade ein Kompliment
für die gute Pute. Aber es könnte vielleicht daran liegen, daß die
Puten heutzutage in der Regel auch eher ein Imitat ihrer selbst
sind, mit einem riesigen, rucksackähnlichen Bruststück
(»Schnitzel«) im Massenstall schon fast bewegungsunfähig
dahinvegetieren, nur unter medikamentösem Dauer-Doping
existieren können und in Wahrheit eher einem wandelnden
Arzneimitteldepot ähneln: »Wer ein Putenschnitzel ißt, spart
sich den Weg zur Apotheke«, witzeln norddeutsche Veterinäre,
die häufig mit solchen Kreaturen zu tun haben.
Nun wäre es wohl verfehlt, aus Sorge um die Gesundheit
gerade diesem Rat zu folgen. Es ist indessen ratsam, bei
häufigem Verzehr von Imitaten öfter Heilkundige zu
konsultieren. Denn die neuesten Erzeugnisse der
Lebensmittelindustrie sind nicht in jedem Fall der Gesundheit
zuträglich.
Der Fett-Ersatzstoff »Olestra« beispielsweise. Er wurde
eigens auf den Markt gebracht, weil er dem Körper null Nutzen
bringt: Er soll knabbersüchtigen Amerikanern - und später auch
Europäern - ermöglichen, ohne Unterlaß Chips zu verzehren und
dabei nicht noch fetter zu werden. Denn der Fett-Ersatz Olestra,
in dem die Knabbersachen fritiert werden, besteht aus
Molekülen, die derart sperrig sind, daß sie auf dem Weg durch
den Körper nirgends andocken können: Sie flutschen grade so
durch. 200 Millionen Dollar hat der Gemischtwarenkonzern
Procter & Gamble, bei Eltern eher als Erzeuger von »Pampers«-
Windeln bekannt, für das Pseudo-Fett ausgegeben. Doch weil
der synthetische Stoff ungebremst durchs Gedärm saust, droht
Durchfall. Zudem können lebenswichtige Vitamine gleich mit
ausgeschwemmt werden: Produkte, die Olestra enthalten,
müssen deshalb in den USA einen Warnhinweis tragen: »Dieses
Produkt enthält Olestra. Olestra kann Unterleibskrämpfe und
Durchfall verursachen. Olestra behindert die Aufnahme von
Vitaminen und anderen Nährstoffen. Die Vitamine A,D,E und K
wurden hinzugefügt.«
Es scheint, als ob manche teure Innovation nur jenen zu
empfehlen sei, die hart im Nehmen sind. Empfindliche Naturen
können Schaden nehmen. Und nicht immer deutet ein
Warnhinweis auf drohende Gefahren hin. Im Gegenteil:
Besonders tückisch sind versteckte Ingredienzen. Die können
bei sensiblen Menschen nicht nur zu Durchfall führen, sondern
zu Schockreaktionen, ja sogar zum Tod.
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Inhalt..................................................................................... 2
1. Diskrete Weltmacht: Die Geschmacksindustrie............... 5
Über einen erstaunlich bescheidenen Konzern in New
York. Wozu Bäcker einen Geheimdienst brauchen.
Sinnestäuschung von früh bis spät, von Müsli bis Spinat.
Jeden Tag ein Pfand Essen mit Geschmack aus der Retorte.
2. Organisierter Etikettenschwindel: Das
Kennzeichnungsrecht......................................................... 19
Vom Segen der Natur: Über das Kunststück,
australischen Sägespänen das »natürliche« Aroma von
Erdbeeren zu entlocken. 12= 600. Welch akrobatische
Leistungen ein Etiketten-Poet vollbringen darf. Dichterische
Freiheit und die unschöne Wahrheit.
3. Die Logik des Menüs: Über die Geschichte des
Geschmacks........................................................................ 38
Das Dessert zum Schluß oder der komplizierte Weg zur
Ordnung der Speisen bei Tisch. Die Erfindung des
Geschmacks und weshalb wir heute von allem eine härtere
Dosis brauchen.
4. Das dressierte Kind: Der Kampf um die Kleinen........... 51
Das Geheimnis des grünen Büschels. Kreuzberger
Türkenkinder kennen ihre Kräuter. Warum Mickymaus für
Maggi so wichtig ist. Mehr Horrorwerbung für Kinder!
5. Doppel-Blind-Versuche: Die Ohnmacht staatlicher
Kontrolleure........................................................................ 66
Warum ein Beamter einmal während der Arbeitszeit ein
hochprozentiges Wässerchen brennen mußte. Der
freundliche Herr aus Kanada kennt die verborgenen
Geschmacksqualitäten australischer Sägespäne nicht. Je
weniger Gift, desto schlimmer?
6. Geschmacks-Verirrung: Die schleichende Legalisierung
verbotener Metzgermethoden............................................. 81
Warum das Würstchen unter die Dusche darf. Weshalb
Rauch neuerdings flüssig ist und für unsere Regierung die
Ausnahmen heute fast schon die Regel sind. Endlich nimmt
der Speck Rücksicht auf Natur und Nachbarn.
7. Die Suppe lügt: Der Betrug am Körper.......................... 93
Über die Botschaft des Bratens an Hirn und Bauch. Das
Essen als Fetisch. Fehlalarm im Verdauungstrakt: Weshalb
der Geschmack eigentlich eine wkhtige Aufgabe hat. Und
wie das Warnsystem des Körpers überlistet wird.
8. Dicker Hund: Wohlgeschmack als Masthilfsmittel...... 103
Warum Katzen Whiskas wollen. Weshalb Herr und Hund
sich zivilisatorisch angleichen und immer mehr Vierbeiner
auf Diät sind. Und: Allergische Katzen können jetzt wieder
Hoffnung schöpfen.
9. Heimlich light: Der unmerkliche Siegeszug des Süßstoffs
.......................................................................................... 115
Weshalb saure Gurken bei Mastkuren sehr zu empfehlen
sind. Warum Plastik für süße Gefühle sorgen kann. Vom
Segen der Chemie: Blühende Geschäfte in der
Lebensmittelabteilung von Hoechst.
10. Müll mit Maske: Aus Abfall werden Lebensmittel prima
Imitate............................................................................... 127
Die Metamorphose der Meeresbewohner: Wie sich ein
Leuchtkrebs in ein Frankfurter Würstchen verwandeln kann.
Wie aus Klärschlamm Gulasch wird. Und warum trotzdem
alles lecker schmecken kann.
11. Der Schock-O-Riegel: Versteckte Risiken für die
Gesundheit........................................................................ 140
Weshalb für manche Menschen eine »Lila Pause«
lebensgefährlich sein kann. Woran Sarah Redding, 17, so
plötzlich gestorben ist. Der Doktor als Detektiv: Über die
schwierige Suche nach den Krankheitsauslösern im Essen.
12. Das Geschmacks-Kartell: Der Kampf der Giganten im
Food-Business.................................................................. 154
Lebensmittelgeschäfte mit krimineller Note: Weshalb das
amerikanische FBI einen Agenten ins Aroma-Milieu
einschleusen mußte. Wie sich ein Bauchemie-Konzern ums
Ei verdient gemacht hat. Functional Food: Die gesunden
Rezepte der Pharma-Köche.
13. Lieber Lecker: Die Zukunft des Geschmacks............ 171
Wie ein ehrlicher Konzernlenker geballten
Hausfrauenzorn auf sich lenkte. Weshalb die Tütensuppe
eigentlich purer Luxus ist. Und endlich: Die Wiederkehr des
Wohlgeschmacks.
14. Literatur...................................................................... 179

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