- SZ:"USA = Besatzer, Kolonialherr und Schöpfergott" - Tempranillo, 21.05.2003, 00:21
- Re: @Tempranillo - Riecher - Tassie Devil, 21.05.2003, 00:55
- Re: Tassie und die sieben Schleier ;-))) - Tempranillo, 21.05.2003, 01:32
- @ Tempranillo - Turon, 21.05.2003, 02:18
- Re: @Tempranillo - no comprendo? - Tassie Devil, 21.05.2003, 03:02
- Re: Tassie und die sieben Schleier ;-))) - Tempranillo, 21.05.2003, 01:32
- Ein feiner Text.... - stocksorcerer, 21.05.2003, 08:04
- Re: Ein feiner Text.... - Emerald, 21.05.2003, 08:11
- Re: @Tempranillo - Riecher - Tassie Devil, 21.05.2003, 00:55
SZ:"USA = Besatzer, Kolonialherr und Schöpfergott"
-->Hallo,
Was ist denn in den Kommentator Stefan Ulrich gefahren, daß er in Bezug auf die USA so forsche Töne anschlägt? Er bezeichnet die großen Menschheitsbefreier frank und frei als"Besatzer", deren Rolle irgendwo zwischen"Kolonialherr und Schöpfergott" angesiedelt sei, spricht von einer"Ausbeutung der Ã-lquellen" und malt die Gefahr eines"Imperium Americanum" an die Wand, das nicht zögern wird, seine Interessen weitere Male per Angriffskrieg durchzusetzen.
Süddeutsche Zeitung vom 21.05.
Washingtons Wisch-und-weg-Konzept
Die US-Pläne zum Nachkriegs-Irak bedrohen die Grundsätze des internationalen Ordnungssystems
Von Stefan Ulrich
Der Resolutionstext, den die USA nun durch den Sicherheitsrat drücken wollen, ist wie ein großer Schwamm konzipiert. Er soll alle noch offenen Fragen zum Nachkriegs-Irak aufsaugen und die Streitigkeiten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beiseite wischen. Selbst unter den bisherigen Kriegsgegnern in aller Welt mehren sich die Stimmen, die an diesem Wisch-und-weg-Konzept gefallen finden. Denn ist die Aussicht nicht verlockend, nach den zermürbenden Querelen des vergangenen Jahres endlich reinen Tisch zu machen und einen Neuanfang zu ermöglichen zwischen der Supermacht und ihren Kritikern?
Darüber ließe sich diskutieren, wenn es ausschließlich um die Irak- Probleme ginge.Tatsächlich droht der große Schwamm aber auch ein paar Grundsätze des internationalen Ordnungssystems zu beseitigen - die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik und das Gewaltmonopol des Sicherheitsrats zum Beispiel. Wer daher heute Ja sagt zu den amerikanischen Plänen, der muss wissen, dass er damit eine Grundsatzentscheidung für die Welt von morgen trifft.
Auch der jüngste Textvorschlag aus Washington ist nämlich keineswegs so konziliant, wie er nun verkauft wird. Zwar enthält er gegenüber früheren Vorlagen kleinere Zugeständnisse an die Skeptiker im Rat; so sollen die Vereinten Nationen einen „Gesandten“ statt lediglich einen „Koordinator“ ins Post-Saddam-Reich entsenden können, und dieser Gesandte soll bei der Bildung einer irakischen Übergangsregierung „mitarbeiten“ statt nur „mitzuhelfen“. In der Substanz aber hat sich nichts geändert.
Amerika fordert für sich nach wie vor eine Rolle, die irgendwo zwischen Kolonialherr und Schöpfergott angesiedelt ist. Es will den Ã-lreichtum des Wüstenlandes ausbeuten - angeblich ausschließlich im Interesse des Mündels Irak. Und es möchte nach eigenem Gutdünken einen völlig neuen Staat formen auf dem Boden des Zweistromlandes. Diese Allmacht soll erst enden, wenn eine neue irakische Regierung die Verantwortung übernommen hat. Wann dies sein wird, läge allein im Belieben der Besatzer.
Folgt der Sicherheitsrat diesem Modell, hätte die Bush-Regierung für ihre Interventionspolitik nachträglich bekommen, was sie vor dem Krieg vergebens anstrebte: den Segen der UN und damit zumindest den Schein von Legalität und Legitimität. Die Mächtigen in Washington würden dann mit dieser Resolution wedeln und ihren Kritikern sagen: Seht her, der Sicherheitsrat hat uns als Herrscher über den Irak bestätigt. Er hat damit - implizit - unseren Feldzug anerkannt und darüber hinaus unsere ganze Präventivschlags-Doktrin. Das alte Völkerrecht ist tot, es lebe das Recht des Imperium Americanum.
Wenn der Rat das nicht will, muss er sich dem amerikanischen Ansinnen verweigern. Er sollte zwar die Irak-Resolutionen aufheben, ohne aber den Besatzungsmächten Absolution zu erteilen. Selbstbewusste Ratsstaaten würden den USA vielmehr einen Gegenvorschlag unterbreiten, der sich am einst im Kosovo gefundenen Modell orientiert: Washington erkennt die Oberaufsicht der Vereinten Nationen im Übergangsirak an und akzeptiert, dass die Bildung einer neuen, demokratischen Regierung im UN-Rahmen organisiert wird. Der Sicherheitsrat erteilt den Kriegsalliierten im Gegenzug das Mandat, mit ihren Truppen den Aufbau abzusichern.
So würde in die Neuordnung des Irak jeder einbringen, was er zu bieten hat: Der Rat Legitimität und Amerika Stärke. Die USA würden so zwar ihr Allmachtsgefühl verlieren, aber etwas Wertvolleres gewinnen: den Rückhalt der Welt bei der Neuordnung des Nahen Ostens. Das ganze kühne Projekt wäre damit allemal erfolgsversprechender.
Dass es so kommt, wird immer unwahrscheinlicher. Kriegsgegner wie Deutschland und Frankreich, die sich vor dem Feldzug als standhaft erwiesen, laufen nun Gefahr, in Feigheit vor dem Freunde einzuknicken. Sie alle lockt die vermeintlich leichte Lösung: Schwamm drüber.

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