- OT: Und wer macht sauber? Mutti? Des nachts? / Familienpolitik - Sascha, 26.05.2003, 21:06
- Der ist gut! ;-) (owT) - Praxedis, 26.05.2003, 22:04
OT: Und wer macht sauber? Mutti? Des nachts? / Familienpolitik
-->A G E N D A D E U T S C H L A N D ( 1 9 )
<font size=5>Und wer macht sauber? Mutti? Des nachts?</font>
<font color="#FF0000">In Deutschland leben rund sechs Millionen Kinder weniger als vor 30 Jahren</font>. Trotz aller Familienpolitik sieht die Lage so aus: Niedrige Geburtenraten, hohe Armutsquoten in den Familien und viele unerfüllte Wünsche nach Kindern. Warum nur?
Von Susanne Mayer
Jeder kann es tun. Wer wissen will, was familienpolitisch Not tut, macht die Augen einfach zu, und schon ist es zu sehen, wie eine Welt für Menschen und ihre Kinder <font color="#FF0000">sein müsste</font>. Man sieht: viel Platz gleich vor dem Haus und die Kinder von nebenan, wie sie sich treffen und palavern, Fußball spielen oder herumjagen. Da ist verwildertes Gebüsch, mit Höhlen drin, die Kinder werkeln irgendwas, was keiner sieht, kein Erwachsener jedenfalls. Die Kinder streifen durch die Gegend, überall sind sie.
Dann macht man die Augen wieder auf und sieht eine Welt, wie sie für Kinder kaum ungeeigneter sein könnte: Autos überall, Gehupe und Gestank, Asphalt und Beton. Und man versteht, was zu tun ist: Die Autos müssen weg von dort, wo Kinder wohnen, die Spielplätze sind zu befreien von Wackelpferd und Co., die Kinder brauchen ein Abenteuergelände, das auch Schule heißen kann. Vor allen Dingen brauchen Kinder viele Kinder. Wenn man wissen will, woher die kommen sollen, na, das weiß nun wirklich jedes Kind, woher die kleinen Kinder kommen.
<font color="#FF0000">Die meisten Menschen wollen Kinder, da hat die Familienpolitik Glück gehabt</font>. Man stelle sich vor, es gäbe Familienpolitik, <font color="#FF0000">und keiner wollte Kinder haben. Das ist aber nicht so. Die meisten Menschen wollen Kinder</font>. Familienpolitik muss nur die Welt so einrichten, dass die Menschen mit Kindern <font color="#FF0000">dort gut leben können</font>. Kinderleicht die Aufgabe, sollte man meinen, wo jeder weiß, was Kinder brauchen; selbst die Kinder wissen es ja: <font color="#FF0000">Platz zum Spielen, mehr Zeit mit Mama und Papa, sagen sie und - endlich einen großen Bruder</font>.
Wenn alles so kinderleicht und klar ist, muss man sich fragen, was Familienpolitiker eigentlich so schwierig an ihrer Aufgabe finden. Familienpolitik gibt es in diesem Land seit etwa einem halben Jahrhundert. Und dann liest man, im Sommer des Jahres 2002, von Kindergärten, die Kinder zu Tode langweilen, von Schulen, in denen Kinder weniger lernen als in fast allen anderen Schulen Europas. <font color="#FF0000">Man blickt auf Armutsstatistiken und sieht, wie bei der Rubrik"Kinder und Jugendliche" die Kurve steil nach oben schießt, ähnlich wie die Statistiken über Unfallopfer in der Stadt</font>. Man denkt an Vogelkolonien und Bisamhöhlen und fragt sich, ob den Menschen hierzulande vollkommen der Instinkt abhanden gekommen ist, Brutstätten für ihre Kinder zu schaffen.
<font color="#FF0000">Aber man sieht ja auch kaum Kinder. Und das ist kein Wunder, denn in Deutschland gibt es so wenige Kinder wie nie zuvor. Irgendwas ist schief gelaufen, trotz Familienpolitik. Oder wegen der Familienpolitik</font>?
In Deutschland leben heute sechs Millionen Kinder weniger als noch vor dreißig Jahren. <font color="#FF0000">Das ist ein Rückgang von über 25 Prozent. Dies ist ein Land, arm an Kindern, und besonders ärmlich geht es in den Städten zu, da sind die Kinder besonders arm</font>.
Kinder sind keine Chiffre mehr für Glück
<font color="#FF0000">Es leben, in Frankfurt am Main, knapp 40 Prozent der Familien mit zwei Kindern von weniger als 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens, bei den Dreikinderfamilien sind es über 70 Prozent</font>. Nicht selten sind das Menschen dunklerer Hautfarbe, von deren Kindern die Rentenpolitiker so gern träumen. Und diesen armen Familien gegenüber stehen Wohlhabende, oft Menschen ohne Kinder, weiß in der Mehrheit, <font color="#FF0000">sie haben das meiste Geld, die größten Wohnungen, sie haben, so scheint es, alle Chancen auf ihrer Seite, außer dass sie keine Kinder haben</font>. Aber für immer mehr Menschen bedeuten Kinder, selbst wenn sie sich Kinder wünschen, offenbar gar nicht mehr die Zukunft, sind keine Chiffre mehr für Glück, <font color="#FF0000">dies ist vielleicht die größte Tragödie</font>.
<font color="#FF0000">Kann man den Menschen von heute klar machen, dass es nicht Emanzipation bedeutet, sondern nur tragisch ist, wenn 40 Prozent der Akademikerinnen erfahren, dass ihr Leben mit Mutterschaft nicht zu vereinbaren ist, wenn sie deshalb auf Kinder verzichten</font>? Dass es traurig stimmen kann, wenn man in diesen Wochen die Bilder der strahlenden Abiturienten sieht und weiß: Womöglich die Hälfte unserer Kinder wird keine Kinder haben, <font color="#FF0000">wenn das Leben mit Kindern in diesem Land bleibt, wie es ist - schwierig für die meisten, stressig im Alltag, mit der Aura von Bedürftigkeit und Verzicht behaftet, und auf jeden Fall überhaupt keine Selbstverständlichkeit mehr</font>.
Dabei wissen doch heute die meisten, dass der deutsche Sozialstaat für eine Gesellschaft konzipiert ist, <font color="#FF0000">in der junge Menschen in der Mehrheit sein müssten, dass er nicht mehr funktionieren wird, wenn Rentner in der Mehrheit sind, dass er schon angefangen hat, nicht mehr zu funktionieren</font>. Qualifizierte Arbeitskräfte sind bereits rar, in einigen Gegenden ist die ärztliche Versorgung nicht mehr sicher. Ein Drittel der Stellen in der Altenpflege ist unbesetzt, <font color="#FF0000">heute schon, bevor es richtig viele Alte gibt</font>.
Wirtschaftliche Aufschwünge sind nicht nur durch Rationalisierung zu haben, es geht nicht ohne Ideen, also nicht ohne Menschen, die Ideen haben. Die Energien werden erlahmen in einer überalterten Gesellschaft, es wird eine sich dahinschleppende Welt sein, eine ohne beflügelndes Chaos."Dann könnt ihr Deutschland dichtmachen", sagt Trond Waage, der Kinderbeauftragte Norwegens, und erwähnt, dass es in seinem Land einen Trend zum Drittkind gibt.
Was machen wir falsch? Warum? Leben wir nicht in einer Hochleistungsgesellschaft, in der die Ziele weiträumig mit satellitengesteuerten Navigationssystemen angepeilt und nanotechnologische Entwicklungen beherzt vorangetrieben werden, in der die schnittigsten Autos vom Band laufen und wir willens sind, die blutigsten Konflikte abzustellen, weltweit? <font color="#FF0000">An der Kinder-Front aber versagen wir</font>. Hier scheint schon alle Innovationskraft verpufft. Der Wahlkampf zeigt es: keine einzige wirklich neue Idee. Da reden die Grünen von einer Kindergrundsicherung, Herr Stoiber spricht von Elterngeld, oder war es Familiengeld? Und immer wieder reden viele, allen voran die Familienministerin, von Ganztagskinderbetreuung, na klar, das fordern fast alle seit zwei Jahrzehnten, damit wir da endlich europäischen Standard erreichen.
Aber ein Ganztagskindergarten oder eine Ganztagsschule macht noch keine Familienpolitik. Kindergärten und Schulen sind Stätten der Bildung, in diesem Zusammenhang das Wort"Betreuung" in den Mund zu nehmen sollte verboten sein. Es geht um Förderung und die von Erwachsenen zu spät gelernte Einsicht, dass unsere Kinder nicht an einem Vormittag all das aufnehmen können, wozu die Kinder in den Nachbarländern bis nachmittags Zeit haben.
Es geht aber auch um die Frage, ob Familien, die von den versprochenen Reformen erst in einigen Jahren erreicht werden <font color="#FF0000">und die in der Zwischenzeit ihre Kinder auf eigene Kosten fördern - wahlweise durch Aufgabe eines Jobs, macht durchschnittlich 30 000 Euro pro Jahr, oder durch Beschäftigung einer Kinderfrau, macht nach Schwarzmarktpreisen bei vier Stunden an fünf Wochentagen monatlich 1200 Euro -, ob diese Familien eine Kostenerstattung bekommen; das wäre eine familienpolitische Frage!</font>[Kommentar von mir: RICHTIG! Kindergeld rauf! Drastisch! Sonst gibt's bald gar keine Kinder mehr...24% der Familien mit mindestens einem Kind sind überschuldet! Es ist schon schlimm genug]
Der Spendiergestus der Wahlkämpfer hat etwas Missgelauntes, etwas von"Wenn's denn nicht anders geht". Und kaum einer versteht, was in welchem Geschenkpäckchen drin ist, ob 600 Euro Elterngeld pro Monat für junge Eltern ganz viel sind oder zu wenig, ob es verdientes Geld ist oder geschenktes. Kaum einer wagt noch zu fragen, was denn gemeint ist, wenn Eltern in Zukunft ihre bedrängte finanzielle Situation durch zusätzliche Arbeit verbessern sollen. <font color="#FF0000">Arbeiten Eltern denn zu wenig? Sind sie deshalb arm? Wie sieht wohl Familienleben aus, wenn alle Eltern mehr arbeiten, ganztags womöglich, und was bedeutet das dann für die Erziehung der Kinder?</font>
Hat jemand schon mal eine Vision davon entwickelt, wie das Zusammenleben der Generationen nach dem Wahltag aussehen soll, Alltag im Global Village, wie viel Platz und Zeit da für Kinder vorgesehen sind? Und wer einkauft, putzt, die Wäsche macht? Vielleicht die illegale Filipina? Oder, wie üblich, Mutti, des nachts? Solche Fragen werden natürlich nicht diskutiert. <font color="#FF0000">Es ist, als sollte Klarheit vermieden werden</font>.
Klarheit ist aber die Basis aller Entscheidungsprozesse in der Demokratie. Ohne Klarheit keine Freiheit der Entscheidung. Ohne Transparenz kein Rechtsstaat, und so ist festzustellen, dass die mangelnde Transparenz aller familienpolitischen Maßnahmen der Vergangenheit diese Gesellschaft auf vielfache Weise unterminiert hat.
Die behauptete Subvention der Familien erzeugt Misstrauen zwischen den einzelnen Gruppen der Gesellschaft, <font color="#FF0000">jeder fühlt sich ausgebeutet. Man hat sie gegeneinander in Front gebracht, obwohl alle darauf angewiesen sind, sich gegenseitig solidarisch zu unterstützen</font>: jetzt und später, im Sinne des Generationenvertrags. Der besteht ja keinesfalls nur zwischen jungen Arbeitnehmern und Rentnern, sondern zwischen allen Menschen derselben Generation, in der die einen hoch belastet Kinder aufziehen und die anderen nicht, aber Letztere einmal von diesen Kindern Hilfe erwarten, so wie deren Eltern heute von ihnen.
<font color="#FF0000">Die beobachtete Bedrängnis der Familien steht im Gegensatz zu der behaupteten generösen Förderung, und, darauf hat der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof wiederholt hingewiesen, beschränkt die Freiheit des Bürgers, sich in seiner Lebensplanung für die Option Familie zu entscheiden</font>. <font color="#FF0000">Wer wählt schon freiwillig eine hoch komplizierte und belastende Lebensweise?</font> Und wer doch mit Kindern lebt, stellt fest, dass er nun einer Minderheit angehört, die ihre Interessen, die von Familien, kaum mehr durchsetzen kann: weil es zu wenige Familien gibt und weil Kinder bei Wahlen nicht vertreten sind, rund 20 Millionen Bürger haben keine Stimme, weil sie angeblich zu wenig Sachverstand haben, ein Argument, das viele Bürger ihr Wahlrecht kosten könnte, würde man es ernsthaft verfolgen.
Wo also müsste Familienpolitik ansetzen? Es gibt schon so viele Vorschläge, dass man verzweifeln könnte. Alle Jahre wieder wurden dem Parlament 500-Seiten-Pakete über die Situation der Familien vorgelegt, dazu fette Expertisen von Enquetekommissionen verteilt, mit klangvollen Namen wie Gerechtigkeit für Familien. Kinderbeauftragte der Länder und Kommunen haben an Strategiepapieren gefeilt, nicht zu vergessen ganze Serien von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe <font color="#FF0000">mit scharfen Vorgaben an die jeweiligen Regierungen, die Situation der Familien zu verbessern</font>.
<font color="#FF0000">Die Politik hat diese Vorlagen so beharrlich ignoriert, dass es einer Verhöhnung des Rechtsstaates gleichkommt</font>. Wer in drei Monaten das Familienressort übernimmt, müsste als Erstes den Kollegen im Parlament eine Nachsitzungsperiode verordnen. Eine große Debatte gehört angesetzt, und wir wünschen uns eine eifrige Beteiligung, wie in der Debatte über Kriegseinsätze der Bundeswehr oder über den Schutz des ungeborenen Lebens.
Debatten sind das Ferment der Demokratie. Es ist die Aufgabe von Familienpolitik, solche Debatten anzustoßen, und sie nicht, wie wir es erleben, <font color="#FF0000">nach dem Kalkül des parteipolitisch Wünschenswerten platt zu machen bis zum Niveau von Reklameslogans</font>. Es geht darum, Vorurteile aufzugreifen."Familien müssen verzichten"? <font color="#FF0000">Ohne Frage - das tun sie: auf Nachtschlaf, Freizeit, Einkommen, auf politisch durchschlagende Einflussnahme</font>.
Und wie steht es mit dem Satz:"Wer keine Kinder hat, muss verzichten." Stimmt's? Nein? Und wenn ja, auf was sollte er oder sie verzichten? <font color="#FF0000">Auf die halbe Rente, weil es die ganze nur für Bürger gibt, die einzahlen und Kinder erziehen? Oder auf Freizeit? Sollten Menschen ohne Unterhaltspflichten einen Bürgerdienst leisten, in der Altenpflege zum Beispiel? Zur Entlastung der Mütter, die diese Arbeit heutzutage in der Regel auch noch übernehmen?</font>
Die nötige große Debatte muss <font color="#FF0000">Denkblockaden überwinden</font>, die in der Vergangenheit jeden Fortschritt verhindert haben. Sie betreffen vor allem die <font color="#FF0000">Bewertung der Frauenarbeit und die Stellung des Kindes</font>.
<font color="#FF0000">Arbeit, die man konventionellerweise Frauen zuschreibt, wird nicht wertgeschätzt, eben weil Frauen sie leisten: Fürsorge für andere, Kindererziehung und Altenpflege, Haushalt und die Verknüpfung von Nachbarschaft</font>. Die männlichen Eliten dieses Landes zeigen sich resistent gegenüber der Erkenntnis, <font color="#FF0000">dass alle Rechnungen falsch sind, solange diese Fürsorge nicht in die Bilanzen der Volkswirtschaft miteingeflossen ist</font>. <font color="#FF0000">Der Fünfte Familienbericht hat vorgerechnet, dass ein einziger Geburtsjahrgang eine Fürsorgeleistung von 250 Milliarden Mark erfordert - Mittel, die hauptsächlich Familien aufbringen, bis aus Kleinkindern tüchtige Arbeitnehmer geworden sind</font>. <font color="#FF0000">Das würde es also kosten, müsste der Staat einen Heimplatz für jedes Kind stellen</font>.
Wie viele Gemeindeschwestern brauchten wir wohl zusätzlich, wenn alle Nachbarn vollberufstätig wären und niemand dann mehr Zeit fände, sich um die alte Dame von nebenan zu kümmern, nach ihr zu schauen, ihr den Einkauf nach Hause zu tragen? Was könnte es kosten, wenn 100 Prozent der Bedürftigen öffentlich zu pflegen wären, weil ihre Kinder dafür keine Zeit haben oder es keine Kinder gibt?
Selbst heute, wo offenkundig ist, dass alle Rechnungen nicht mehr aufgehen, weigern wir uns, die männliche Berufsbiografie als Maßstab aller Leistung und Sicherung aufzugeben. Noch immer wird hilflos retuschiert, bei der Rente, der Krankenkasse. Aber es wird sich nicht vermeiden lassen, allen eine Grundsicherung zu bieten, die Fürsorgearbeit leisten. Noch in der Forderung, dass man Beruf und Familie unbedingt vereinbaren können müsse, steckt ja eine Geringschätzung der Familie. Es heißt dann gern, da müsse man eben"mal fünf gerade sein lassen", und damit ist natürlich nie die Erwerbsarbeit gemeint, sondern immer der Arbeitsplatz zu Hause, der bei den Kindern, da komme es ja nicht so drauf an. Ausgerechnet da!
<font color="#FF0000">Kinder, so die zweite Denkblockade, seien Privatsache. Welch ein Irrtum! Kinder sind nie Sachen</font>. Sie sind Bürger, Träger von unveräußerlichen Rechten, dem Recht auf Menschenwürde etwa oder dem Schutz vor Diskriminierung. Diese Erkenntnis gewinnt erst langsam Raum, aber es hat auch ein Jahrhundert gebraucht, bis klar war, dass sich die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte nicht nur auf Männer erstreckt, sondern auch auf Frauen. Die UN-Charta für die Rechte der Kinder, die das Recht auf Unterhalt, Leben, Ausbildung festschreibt, oder die Novellierung des deutschen Jugendhilferechts, das dem Kind ein eigenes Recht auf Umgang mit den Eltern zubilligt, weisen die Richtung.
<font color="#FF0000">Wann immer Kindern angeblich Sonderrechte eingeräumt werden - steuerliche Freibeträge für das Existenzminimum zum Beispiel oder für die Ausbildung - sind es in der Regel Beträge, die weit unter denen liegen, die Erwachsene genießen</font>. <font color="#FF0000">Wer nicht genau hinschaut, merkt gar nicht, wie oft Kinder übersehen werden, zum Beispiel in Haushalten, die Sozialversicherungsbeträge nach einem Bruttoeinkommen abführen müssen, ungeachtet der Frage, wie viele Menschen vom Haushaltseinkommen leben müssen</font>. Oder wenn Städte so angelegt sind, als gäbe es Kinder gar nicht - und so ihr Leben gefährden. In der Summe führt das zu einer Bedrängnis der Familien durch <font color="#FF0000">zusätzliche Aufgaben, Zeitmangel, Geldknappheit</font>.
Unfallsichere Fußwege zur Schule und zum Kindergarten
Um jene kinderleichte Art des Seins zu ermöglichen, die gerade Menschen brauchen, die Kinder ins Leben begleiten, muss Familienpolitik sich professionalisieren und wie jeder Betrieb, der vorwärts kommen will, eine Liste mit Zielen vorgeben. Damit ist keine Aufzählung von Ausgaben gemeint, wir glauben schließlich auch nicht, dass sich die Kraft einer Armee erhöht, wenn wir jedem Soldaten 30 Euro in die Hand drücken.
<font color="#FF0000">Erstes Ziel: Halbierung der überdurchschnittlich hohen Armutsquote von Kindern auf das durchschnittliche Armutsniveau aller Bundesbürger. In drei Jahren!</font>
Zweites Ziel: Abbau aller Diskriminierung von Kindern und Familien im deutschen Recht. <font color="#FF0000">Das bedeutet auch die Berücksichtigung von Fürsorgearbeit zu ihrem realen Zeit- und Geldwert in allen Systemen der sozialen Sicherung. Es bedeutet auch den Abbau aller Privilegien von Menschen, die keine Kinder erziehen</font>.
Noch ein Ziel: Unfallsichere Fußwege zur Schule und zum Kindergarten.
Natürlich: Jedes Kind erhält eine Ausbildung, entsprechend dem höchstem Niveau der europäischen Staaten, ohne Ganztagsschule als Regelschule ist das nicht zu haben.
Nicht zuletzt: <font color="#FF0000">Die Familien politisch stärken</font>. Wer die Interessen von Familien wirksamer vertreten sehen möchte, wird über den Ausschluss jedes fünften Bundesbürgers vom Wahlrecht nachdenken. Stimmt es tatsächlich, dass ein Vierzehnjähriger weniger politische Einsicht hat als ältere Menschen? Sollten Eltern, die schon viele verantwortungsvolle Entscheidungen für ihre Kinder treffen, nicht vielleicht das Wahlrecht für ihre Kinder treuhänderisch wahrnehmen dürfen, wie es die ehemalige Hamburger Justizsenatorin Lore Peschel-Gutzeit schon vor Jahren vorgeschlagen hat?
Wer Ziele vorgibt, erzwingt Querschnittsdenken und vernetzte Lösungen. Das Steuerrecht, das Arbeitsrecht, das Wahlrecht - alles auf den Prüfstand! Wenn Familienarbeit in alle Bilanzen gleichberechtigt einbezogen wird, bedeutet das eine Neuordnung aller Sozialversicherungen und eine reduzierte Erwerbsarbeit für Eltern - einen Sechsstundenarbeitstag mit Lohnausgleich. Und was für ein Land, in dem die Universitätsbesuche gratis sind, die Kindergartenplätze aber die Eltern ein Vermögen kosten, auch das muss sich ändern!
Eine Überprüfung jeder Verkehrsplanung ist nötig, aller Kommunen, jedes Stadtteils, eine Rückeroberung des öffentlichen Raumes für Kinder. Wir brauchen Fußgängerzonen nicht nur zum Shopping, sondern zum Wohlfühlen, und zwar in jedem Wohngebiet.
Wer Ziele mit Zeitvorgaben verbindet, verpflichtet sich zum Handeln. Alles ergäbe einen unendlichen Gewinn für Kinder und ihre Eltern. Wie gesagt: Die Vorarbeiten sind getan, man muss sie umsetzen. Und ob es geklappt hat, sieht man. Augen auf!
Quelle: (c) DIE ZEIT 29/2002 2002-07-11
http://www.zeit.de/2002/29/Leben/200229_neu-agenda2.html

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