- Nix Deflation, und wenn schon... - silvereagle, 07.06.2003, 10:33
Nix Deflation, und wenn schon...
-->... dann keine DeDe, sondern eher"GoDe - goldene Deflation"... ;-)
Unter den sich mir zeigenden, gegenwärtigen Umständen erscheint mir das Abdriften in deflatorisch-depressive Zustände a la 1929 ff eigentlich völlig aus der Luft gegriffen. Ich gebe zu, dass die Argumente von dottore, Elli usw. solide sind und große Anziehungskraft ausüben, dennoch wird hier mE in erster Linie etwas konstruiert, was mit den vorder- wie hintergründigen Entwicklungen (soweit ich sie beurteilen kann) nicht in Einklang zu bringen ist.
Ein Beispiel aus meiner - zugegebenermaßen subjektiv-eingeschränkten - täglichen Erfahrung: Ich beobachte - aus einer gewissen Passion heraus - schon seit etlichen Jahren den Automarkt, insbesondere den Gebrauchtwagenmarkt. Ich kann mich nicht erinnern, dabei irgendwann das Gefühl gehabt zu haben, dass es"immer billiger werden" würde, auch heute nicht. Ganz im Gegenteil: Sogar gebrauchte Luxuskarossen werden immer teurer, obwohl man meinen könnte, dass diese unwirtschaftlichen Benzin- und Steuerfresser in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation (von wirklicher, spürbarer Rezession kann man hierzulande ja auch wirklich nicht sprechen) immer schwieriger loszuschlagen wären.
Konkretes Beispiel: 1995 war ein BMW 535i, sechs Jahre alt, Vollausstattung, um ca. 7.000 EUR zu haben. Heute bekommt man für dieses Geld vielleicht einen besseren Vectra gleichen Alters.
In letzter Zeit habe ich beobachtet, dass sich in meiner Umgebung sogar einige Gebrauchtwagenhändler regelrecht auf diese Kategorie zu spezialisieren scheinen - kollektive Realitätsverweigerung oder gesunder Geschäftssinn, das ist hier die Frage...
Wenn wir schon beim Thema Autos sind, dann sei auch auf folgendes hingewiesen: Selbstverständlich befinden sich auch Neuwagen im"Warenkorb" zur Ermittlung der "amtlichen Inflationsrate". Meines Wissens befindet sich darunter in Ã-sterreich jeweils der einfachste, billigste VW-Golf, ohne jegliche Zusatzausstattung. Nur: Wer kauft sich denn heute noch den billigsten, schwächst-motorisierten Golf, ohne jede Extras? Dass gerade die Zusatzausstattungen sicher nicht gerade billiger geworden sind im Laufe der Jahre, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten können, wie auch unser EUKLID vor kurzem dargelegt hat. Offenbar ein geradezu klassisches Schulbeispiel, wie man Inflation nach aussen hin herunterzufrisieren vermag.
Ich gebe zu, dass dies nur Spotlights sind in einem sehr, sehr weiten, sicher auch nicht allzu positiven allgemeinen Marktumfeld, dennoch sind diese Beobachtungen per se nicht zu entkräften oder zu widerlegen.
Dazu kommt, dass gerade auf der politisch-institutionellen Ebene niemand ein Interesse an deflatorischen oder gar depressiven Zuständen haben kann. Von Seiten der"DeDe-Fraktion" ;-) wird zwar gerne behauptet, dass"niemand diese Deflation aufhalten" könne, jedoch muss unumwunden zugegeben werden, dass es zumindest bis jetzt ausserordentlich gut zu gelingen scheint... ;-) Die kürzlich vorgenommene Zinssenkung der EZB wird möglicherweise nicht die letzte gewesen sein.
Und schliesslich überzeugt mich auch die Vorstellung, dass auf breiter Basis falllende Preise zu Elend und Zusammenbruch führen sollen, immer weniger. Dafür lässt gerade das von der"Gegenseite" gern erwähnte Japan heranziehen: Von"Depression" ist dort offenbar wirklich nichts zu spüren. Die Werbemaschinerie läuft auf Hochtouren, der Konsumwille (man denke nur an die PS II) ist alles andere als hoffnungslos eingebrochen. Wer in diesem Umfeld eine wirklich gute Geschäftsidee oder ein revolutionierendes technisches Verfahren entwickelt, hat alle nur denkbaren Chancen, hoch hinauszukommen, wenn die Kredite praktisch zum Nulltarif zu haben sind.
Ich will nicht verhehlen, dass es in J große Probleme gibt, insbesondere der Bankensektor ist ein ständiger Damokles-Kandidat, aber zu behaupten, dass dieses Land"tot" wäre, das geht jedenfalls zu weit.
Damit soll beileibe nichts schöngeredet werden, schon deshalb nicht, als ein altes Sprichwort sagt: Seien wir uns ehrlich, das Leben ist immer lebensgefährlich. ;-) Einer der Boardteilnehmer hat mal gesagt, für den Fall der Fälle genügt es, zwei bis drei Monatsgehälter in bar zu Hause deponiert zu haben. Das wäre sozusagen die"eiserne Reserve", wenn es wirklich zu crashartigen Szenen a la Argentinien kommen sollte, die jedoch aus vielerlei Gründen nicht zu erwarten sind. Man bedenke, wie lange dieses Land aufgrund seiner horrenden Wirtschafts- und Schuldensituation schon in den internationalen Schlagzeilen war - für die Menschen vor Ort war das alles seit Jahr und Tag gang und gäbe. Ich gehe davon aus, dass gerade in einem solchen Umfeld die Meisten zumindest eine gewisse Reserve zur Seite gelegt hatten. Wie anders ist es zu erklären, dass es bislang zu keinen Hungersnöten und Epidemien gekommen ist? Die Katastrophenbilder mit schweren Ausschreitungen und einigen Toten haben wohl ein (wie für die Medien nun mal übliches) falsches, weil völlig überzogenes Bild gezeichnet.
Fazit:
Von depressiver Stimmung, Stichwort 1929, ist hierzulande ganz einfach nichts zu spüren; es besteht auch nirgends Interesse an solchen Zuständen. Dementsprechend besteht für den Einzelnen kaum ein vernünftiger Grund, in auch nur annähernd absehbarer Zeit mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen. Vorsicht und Vorsorge sind sowieso nie ein Fehler. Solange in den Steh-Cafés nach wie vor hauptsächlich über den nächsten Urlaub, das nächste Auto oder die neue TV-Soap getratscht wird, ist Depressivität jedenfalls eindeutig fehl am Platze... ;-)
Gruß, silvereagle

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