- R. Perle:"Militärschlag gegen Nord-Korea denkbar." - Tempranillo, 07.06.2003, 09:58
- Völkermordphantasien - silvereagle, 07.06.2003, 11:37
- Re: Völkermordphantasien - Standing Bear, 07.06.2003, 11:52
- Re: Der blinde Fleck der Geschichte ist das eigentlich Interessante - Tempranillo, 07.06.2003, 14:46
- Re: Der blinde Fleck der eigenen (Halb-) Bildung - Tempranillo, 07.06.2003, 15:25
- Re: Der blinde Fleck der Geschichte ist das eigentlich Interessante - silvereagle, 07.06.2003, 17:19
- Re: Schuld und Sühne, Verbrechen und Strafe, und seltsame Ausnahmen - Tempranillo, 07.06.2003, 18:50
- Re: Bert Brecht @ Silvereagle - Tempranillo, 07.06.2003, 15:10
- Völkermordphantasien - silvereagle, 07.06.2003, 11:37
Re: Der blinde Fleck der Geschichte ist das eigentlich Interessante
-->Hallo Tempranillo,
> Du möchtest doch, daß man Dir ausführliche Antworten schreibt, bei Gefahr, Dein Posting in seine Einzelteile zerlegt zu sehen. Ich werde es mal versuchen. Ob ich Dir damit einen Gefallen tun kann, sei im Moment dahingestellt.
Naja, Du wirst Dir schwer tun, ein Drei-Zeilen-Posting in seine Bestandteile zu filetieren... ;-)
> Ob Du Dir den Deschner antust, steht Dir selbstverständlich frei. Ich würde es natürlich empfehlen; so wie ich ganz grundsätzlich empfehle, sich mit den vernachlässigten Seiten der Geschichtssschreibung auseinanderzusetzen. Egal, ob das Thema Kirchengeschichte lautet (Päpste, Inquisition), Deutsches Reich von 1871, Amerika, Cäsar oder - was gestern zu sehen war - der römische Kaiser Caligula, möglicherweise ein Opfer systematischer, interessengebundener Verunglimpfung.
Das mit Caligula ist mir nicht bekannt, komme in letzter Zeit kaum dazu, hier zu lesen oder gar zu schreiben. Selbstverständlich kann es grundsätzlich nie schaden, sich mit anderen historischen Sichtweisen zu befassen. Von Deschner's"Moloch" habe ich mittlerweile wirklich genug Sekundärstoff mitbekommen, so dass ich ihn für Zeitverschwendung halte. Mich interessieren keine derart hetzenden Schwarz-Weiss-Darstellungen; höchstens, um daraus zu lernen, woran es liegt, mit solchen platten Griffen in die Demagogie schriftstellerischen Erfolg zu haben...
> Der eigentliche geistige Urheber des Zitats ist Bert Brecht, der sich mal vor dem McCarthy-Ausschuß für"Unamerikanische Umtriebe" rechtfertigen mußte.
Das ändert doch nichts daran, oder?
> Die Stelle ist sowohl bei Brecht als auch bei Deschner bewußt unscharf gehalten. Von Völkermord, erst recht von seiner Rechfertigung, zu reden, ist eine m.E. unzulässige Verengung der inhaltlichen Dimension(en).
Bei Brecht ist es mit dem (auch unzweideutigen) Kurzstatement getan; Deschner schmückt das Ganze noch recht botanisch aus, damit auch wirklich jeder versteht, was ihm vorschwebt (das hatte Brecht offenbar nicht nötig).
> Völkermord ist der eigentliche Urgrund der US-amerikanischen staatlichen Existenz.
Weißt Du, Tempranillo, mit diesem Einwand habe ich zu dausend Prozent gerechnet... ;-) Wenn Du willst, können wir auch das noch einmal ordentlich relativieren: Mir ist so gut wie kein Staat bekannt, dessen Existenz NICHT auf Massenmord und Unterdrückung gegründet wurde... (einzige zulässige Ausnahme wäre diesbezüglich die Schweiz, nach heutiger Geschichtsschreibung).
> Gesetzt den Fall, der Völkermord würde eines Tages -"Denn alle Schuld rächt sich auf Erden" (F. Schiller) - auf seine Urheber zurückfallen, was wäre so schlimm daran?
Auf die Urheber des Völkermordes an den Indianern kann und soll alles zurückfallen. Schuld ist mE nicht vererbbar. Dass Dein Ego lieber mit gleicher Münze zurückzahlt, obwohl die eigentlich Schuldigen längst auf dem Friedhof liegen, nehme ich zur Kenntnis. Es hilft, die Geschichte besser zu verstehen. Dennoch könnte ich persönlich darauf verzichten.
> Wäre die Welt ohne die USA nicht ein sehr viel schönerer, angenehmerer und sicherer Platz?
Ach was. Dann sucht man sich für seine Umtriebe ein neues Werkzeug. Die Welt als Ganzes kann nie besser oder schlechter gewesen sein als heute. Und wird es auch nie werden. Alles, was man tun kann, ist, die eigene Situation zu verbessern.
> Mich überrascht immer wieder, wie sensibel viele reagieren, wenn ausnahmsweise mal die USA mit einem ähnlichen Sprachgebrauch bedacht werden wie das im Falle D-Lands seit eh und je der Fall ist.
Das liegt vielleicht daran, dass im allgemeinen mit dem S(tar) S(prangled) Banner keine relativ frische und unverhohlene Weltkriegs- und Völkermordabsichten assoziiert werden. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der einzige Weg darin bestünde, Schuld bei den schuldigen Individuen zu belassen. Es gibt (etwa in den Kirchen) gar nicht so wenige Stimmen, die das offen fordern. Warum es praktisch kein einziger deutscher Politiker praktiziert, liegt wohl daran, dass man sich dieses netten Instruments auf der anderen Seite gar nicht entledigen möchte. Ein gewisser Tempranillo bestätigt dies mit jeder Zeile seiner von mir gern gelesenen Postings immer wieder. ;-) Ich nehme es wiederum zur Kenntnis und stelle mich entsprechend darauf ein.
> Ich sage nur Morgenthau, Kaufman, Nizer.
Ja, Deschner ist nicht allein. Jedes „Volk“ (was immer das eigentlich sein mag) hat ein Recht auf seine Faschisten (wobei ich mit „Nizer“ nichts anzufangen weiss).
> Wenn wir davor die Augen verschließen, werden wir die antideutschen Völkermordphantasien nicht aus der Welt schaffen.
So wie es aussieht, werden wir (beide) sie ohnehin nicht aus der Welt schaffen. Dazu fehlen uns die Bande, die Beziehungen, der Glaube und zuguterletzt die Erfahrung und die Verschlagenheit. Wir haben ganz andere Probleme. Und solange es bei bloßen Phantasien bleibt, soll es mir im Grunde auch recht sein.
„Glücklich ist, wer vergisst,
was doch nicht zu ändern ist.“
Gruß, silvereagle

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