- Träge Tropen - Ursachen für die Armut in der"3. Welt" - Thukydides, 08.06.2003, 15:56
Träge Tropen - Ursachen für die Armut in der"3. Welt"
-->[b]Zusammenfassung: Ein wichtiger Grund für die heutige Armut in Teilen der 3. Welt ist das Fehlen von Rechtssystemen. (ähnlich De Soto, wird auch erwähnt)
Aus. Merkur Nr. 650, Juni 2003
http://www.online-merkur.de/seiten/hank.htm
Von Rainer Hank
Ã-konomiekolumne
<h4>Träge Tropen</h4>
Vor vierzig Jahren ging es den Menschen in Burundi besser: Damals betrug ihr jährliches Prokopfeinkommen 300 Dollar. Seither schrumpfte das Einkommen um ein Drittel auf rund 200 Dollar. Arme werden ärmer. Dabei ist Burundi im Vergleich zu einer Reihe anderer afrikanischer Staaten noch relativ gut dran. Das Land ist gesegnet mit einer ordentlichen Bodenbeschaffenheit. Das Klima erlaubt jährlich drei Ernten, es gibt ausreichend Regen. Man erntet Kaffee, Tee, Baumwolle, Bananen, Palmöl und Reis.
In Kanada ist das Prokopfeinkommen heute exakt hundertsiebenmal höher als in Burundi. Kaum zu glauben, daß die Briten nach dem Siebenjährigen Krieg im 18. Jahrhundert ernsthaft ins Auge faßten, als Reparationsbeute lieber Guadeloupe als Kanada zu wählen. Gut, daß sie sich für Kanada entschieden haben. Lange Jahrhunderte spielte Kanada eine politisch und ökonomisch unerhebliche Rolle in der Weltgeschichte. Die Böden des Landes sind bei weitem nicht so fruchtbar wie die in Burundi. Dennoch ist das nordamerikanische Land heute nicht nur einer der größten Weizenproduzenten, sondern auch eine der führenden Industrienationen der Welt.*)
Was unterscheidet Kanada von Burundi? Welches sind die Bedingungen des wirtschaftlichen Erfolgs? Die Frage, warum es arme und reiche Nationen gibt, bleibt die große Beunruhigung der Ã-konomie.*) Für die Linke galt es lange Zeit als ausgemacht, daß der koloniale Imperialismus Europas die Hauptschuld an der ungleichen Verteilung von Erfolg und Mißerfolg der Völker trage: Jahrhundertelange Ausbeutung habe vielen Ländern auf lange Sicht die Chance geraubt, jemals selbst zu Wohlstand und Entwicklung zu kommen. So sehr sie geschröpft wurden, so sehr müßten diese Länder jetzt von ihren damaligen Ausbeutern unterstützt werden, lautete die Prämisse aller schuldgetriebenen Entwicklungshilfe. Geholfen hat es nicht.
Die Theorie kolonialer Ausbeutung greift bei Burundi und Kanada allein schon deshalb nicht, weil es sich beidemal um ehemalige europäische Kolonien - der Belgier und der Engländer - handelt. Irgend etwas ist in Kanada besser gelaufen als in Burundi. Könnte es sein, daß die Kanadier tüchtigere Menschen sind als die Hutus in Burundi? Das klingt rassistisch und ist als politökonomischer Gedanke deshalb nur in der abgemilderten Form der Klimatheorie erlaubt. Könnte es sein, daß die Menschen in Kanada es leichter haben, zu Erfolg zu kommen, weil ihnen die klimatischen Bedingungen ihres Landes entgegenkommen?
»In den Nordzonen«, schreibt Montesquieu im Geist der Gesetze, »begegnen wir Völkern mit wenig Lastern, genügend Tugenden, viel Ehrlichkeit und Offenheit. Nähern wir uns den Ländern des Südens, so haben wir den Eindruck, daß wir uns von der Moral selber entfernen: lebhaftere Leidenschaften vermehren die Verbrechen; jeder versucht, all die Vorteile über die anderen zu gewinnen, die diesen Leidenschaften günstig sein können.« Woran dieser Unterschied liegt? Eben am Klima, sagt Montesquieu. Im Süden fehle den Menschen jede Energie, die Voraussetzung wirtschaftlicher Produktivität. Dort könne die Hitze so unerträglich werden, daß der Körper überhaupt keine Kraft zur Arbeit mehr habe. »Die Abspannung greift alsbald auf den Geist selber über: keinerlei Neugier, keinerlei hochherzige Unternehmung. Alle Neigungen bleiben passiv. Nichtstun ist hier Glück. Die Knechtschaft ist nicht so unerträglich wie die zur Selbständigkeit notwendige Geistesstärke.«
Mit anderen Worten: Das Leben am Äquator ist dem Unternehmertum abträglich; der Geist des Kapitalismus kann sich erst gar nicht entfalten. Montesquieu wird zum Erfinder der Klimatheorie ökonomischer Entwicklung. Sie schiebt die Unterschiede des wirtschaftlichen Erfolgs nicht den Menschen in die Schuhe, sondern der Natur. Die Klimatheorie lebt bis heute. Der Harvard-Ã-konom Jeffrey Sachs hat sie verallgemeinert: »Die Ã-konomien tropischer Zonen sind praktisch überall arm, während jene in den gemäßigten Gebieten im allgemeinen reich sind.«*) Man kann auf einer Weltkarte den Abstand der Staaten zum Äquator in Beziehung setzen zum Prokopfeinkommen der dort lebenden Menschen und erhält eine zufriedenstellende Korrelation. Die reichen Länder liegen in den gemäßigten Zonen, insbesondere in der nördlichen Hälfte, während in den Tropen und Subtropen Armut und Unterentwicklung herrschen.
Seit Montesquieu fanden sich noch viele zusätzliche geographische Gründe für die ökonomische Trägheit der Tropen: Die Böden sind schwer zu bewirtschaften, die Pflanzenwelt ist sehr anfällig für Krankheiten und Parasiten. Der Mangel trockener oder kalter Jahreszeiten erschwert die Erholung der Ã-kozonen. Mensch und Tier leiden unter Feuchtigkeit und Hitze; Tropenkrankheiten raffen sie dahin. Die Lebenserwartung ist signifikant geringer als in den gemäßigten geographischen Zonen. Schließlich sind fehlende Bodenschätze, lange Transportwege, mangelnder Zugang zu den Häfen zusätzliche Hinweise auf die naturale Unterentwicklung der heißen Länder. Diese naturalen Einschränkungen werden sie nie mehr wettmachen.
Es ist leicht zu erkennen, welches Bedürfnis die Klimatheorie der wirtschaftlichen Entwicklung befriedigt: Es sind nicht die Menschen - die Natur ist schuld an der ungerechten Verteilung und daran, daß es wirtschaftlich erfolgreiche und erfolglose Länder rund um den Globus gibt. Die Klimatheorie landet also rasch im ökonomischen Determinismus. Weder die kolonialen Unterdrücker noch die globalen Freihändler sind ihr zufolge verantwortlich für die bleibende Armut großer Teile der Welt. Der koloniale Imperialismus könne schon deshalb nicht für das Elend der heißen Länder verantwortlich sein, sagen die Klimatheoretiker, weil auch nach dem Ende des Kolonialismus - und nach Jahrzehnten der Entwicklungshilfe - sich die Lage der armen Länder nicht gebessert habe. Vergleichbar der passiven Haltung der Menschen in den Tropen, endet auch die Klimatheorie passiv, im Fatalismus. Linderung ist in den armen Ländern laut Sachs allenfalls zu erwarten durch Einfuhr entwickelter landwirtschaftlicher Techniken oder medizinischer Hilfe.
Die Klimatheorie verliert indessen rasch von ihrem Glanz, blickt man auf die historischen Fakten. Hätten die Deterministen recht, müßten die Armen von früher auch die Armen von heute sein. Doch Mexiko, Ecuador, Guatemala, Ägypten, Marokko, der Libanon oder der Irak waren zu unterschiedlichen Zeiten der Weltgeschichte einmal reiche und erfolgreiche Länder, wiewohl sie klimatisch und geographisch alles andere als begünstigt sind. Und die heute reichsten Länder der Welt - die USA, Kanada, Singapur, Neuseeland und Australien - waren vor 500 Jahren ökonomisch unbedeutend, wiewohl sie doch wohl auch damals schon in klimatisch viel angenehmeren Breitengraden lagen. Hinzu kommt: Beide Ländergruppen waren über Jahrhunderte Kolonien der Europäer. Doch ihr ökonomisches Schicksal hat sich sehr unterschiedlich gestaltet. Könnte es sein, daß historisches und klimatisches Geschick ein etwas komplexeres Verhältnis eingehen, als es die Klimatheorie annimmt?
Es war John Locke, der bereits ein halbes Jahrhundert vor Montesquieu die Alternative zur Klimatheorie formuliert hat. Demnach sind es nicht Temperaturen und Feuchtigkeitsgrade, die über den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes entscheiden, sondern Institutionen. Damit das Land und seine Produktionsmittel überhaupt von Nutzen sein könnten, schreibt Locke, bedürfe es geeigneter »Maßnahmen«, damit die Menschen sich diese in der einen oder anderen Weise aneignen können. Die Existenz einer Regierung legitimiert sich dadurch, daß sie die das Wirtschaften begründenden Institutionen garantiert: Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit definieren - Kantisch gesprochen: transzendental - jene »Rule of Law«, ohne die kein Markt in Gang kommt, und habe sich auch noch so viel Kapital dort angehäuft.*)
»Property Rights« können geradezu als die Basis der Marktwirtschaft gelten, denn sie geben der Ã-konomie ihre Zukunft. Kein Unternehmer wird investieren, kein Banker wird ihm diese Investition finanzieren, wenn auch nur einer befürchten muß, daß er sich des Erfolgs seiner wirtschaftlichen Leistung später nicht mehr gewiß sein kann. Deshalb aber müssen die Akteure sicher sein, daß sie im Zweifelsfall den Staat auf ihrer Seite haben. Dieser muß die Eigentumsrechte für sie durchsetzen, wenn andere sie ihnen streitig machen.
Auch diese Institutionentheorie hat, ähnlich der Klimatheorie, gewichtige Nachfolger bis in das 20. und 21. Jahrhundert. Friedrich August von Hayek und Douglas North sind zwei ihrer besten. Zum institutionellen Rahmen zählen sie neben dem Kernbestand der »Rule of Law« die Möglichkeit von »Voice« und »Accountability«: Die Bürger müssen ihre Regierung in Wahlen selbst bestimmen können, das politische System muß stabil und berechenbar sein.*) Ein effizienter öffentlicher Sektor, der Korruption bekämpft und den Menschen ohne viel Regulierung freien Lauf läßt, trägt zusätzlich viel zum wirtschaftlichen Erfolg bei.
Sind diese Bedingungen gegeben, können Märkte entstehen und sich in die Zukunft entwickeln. Politische und rechtliche Institutionen sind Bedingung dafür, daß auch moralische Institutionen sich ausbilden können: Nur dort, wo Vertragsfreiheit gilt und Eigentumsrechte respektiert werden, können Eigentümer, Unternehmer und Kunden das nötige Vertrauen in ihr Wirtschaftssystem entwickeln. Deshalb ist Vertrauen auch eine ökonomische Kategorie, deren Entstehung aber weitgehend von institutionellen Voraussetzungen abhängt.
Die Institutionentheorie kann viel beitragen zur Erklärung der Armut Burundis: Seit der Unabhängigkeit vor vierzig Jahren haben drei Militärdiktatoren der Hutus das Land zugrunde regiert; eine Folge von Bürgerkriegen verhinderte, daß sich auch nur geringe Stabilität ausbreiten konnte. Selbst Ansätze einer »Rule of Law« sind nicht zu erkennen: Der »Staat« hat seine Bürger enteignet, ihren wirtschaftlichen Erfolg weggesteuert und die einflußreichen politischen und unternehmerischen Ämter den Eliten des eigenen Clans zugeteilt.
Zu den fehlenden rechtlichen Institutionen gesellt sich eine katastrophale makroökonomische Politik, welche die Verarmung des Landes zu verantworten hat. Unter solchen Bedingungen wird sich nirgendwo eine stabile Volkswirtschaft entwickeln, auf welchem Breitengrad auch immer. Dagegen hat Kanada eine lange demokratische Geschichte, keinen Bürgerkrieg und weltweit das beste »Antikorruptionsrating« (Kaufmann), mithin eine stabile »Rule of Law«.
Trägt somit die Institutionentheorie über die Klimatheorie den Sieg davon? Die Antwort heißt nein, auch wenn der Augenschein zugunsten der »Rule of Law« überwältigend ausfällt. Aber kann es denn Zufall sein, daß Burundi (und so viele andere Staaten in tropischen Klimazonen) einen derartigen Mangel an marktbegründenden Institutionen vorweisen? Warum finden sich die besseren, den wirtschaftlichen Erfolg anschiebenden Institutionen heute in Ländern der gemäßigten Klimazonen?
Staaten entstehen nicht auf dem Reißbrett. Tatsächlich haben die europäischen Kolonisatoren sehr unterschiedliche ökonomische Strategien in den von ihnen eroberten Reichen verfolgt: Länder mit gemäßigtem Klima waren es ihnen wert, dort Institutionen des Rechts zu schaffen, die dauerhaft funktionierende Märkte zulassen konnten. Dort, wo es sich für ihre Verhältnisse leben ließ, haben sich die Kolonisatoren dauerhaft eingerichtet und das eigene Recht zur Grundlage der Ã-konomie gemacht. An Orten aber, an denen die Europäer nur ungerne lebten, weil sie von unbekannten und tückischen Krankheiten bedroht wurden, haben sie gar nicht den Versuch gemacht, Recht und gute Politik einzuführen.*) Dort reichte es, die Kolonien auszubeuten - und sich im übrigen bald wieder aus dem Staub zu machen.
Kolonialismus ist nicht gleich Kolonialismus - mit weitreichenden Folgen für die Verteilung von Armut und Reichtum in der Welt von heute. Während die Vereinigten Staaten, Australien oder Neuseeland von ihren Eroberern Eigentums- und Vertragsrechte geschenkt bekamen, beließen es die Kolonisatoren in vielen Ländern Afrikas dabei, Bodenschätze auszubeuten, ohne auf längerfristige Strukturen Wert zu legen. Denn in den gemäßigten Ländern haben sie sich auf Dauer eingerichtet; sie wurden Ziel der europäischen Emigration. Wer aber will nach Burundi?
Die Liste zwischen institutionell entwickelten und unterentwickelten ehemaligen Kolonien spiegelt exakt das Ranking der Klimatheorie: je weiter weg vom Äquator, um so größer die Neigung der Kolonisatoren, dort dauerhafte Institutionen zu installieren. Nicht der exportierte Kapitalismus der Imperialisten ist schuld an der Unterentwicklung der armen Länder. Im Gegenteil: Nicht zuviel, sondern zuwenig Kapitalismus ist - auch historisch - schuld an der heutigen Armut vieler Länder. Hätten die Kolonisatoren ihnen die Marktwirtschaft eingepflanzt, anstatt sie nur auszubeuten, wären die armen Länder heute womöglich reiche Länder.
Denn bis heute leiden die Staaten in der Nachbarschaft des Äquators unter den Folgen des Imperialismus. Nicht das tropische Klima selbst, sondern die Tatsache, daß ihnen über Jahrhunderte die Einrichtung von Rechtsinstitutionen verwehrt wurde, ist der entscheidende Grund für ihre Unterentwicklung. Was die Kolonisatoren mangels Eigeninteresses versäumt hatten, schufen offenbar auch die postkolonialen Regime nicht: Folge einer Verarmungskette bis heute. Aber es gibt nicht nur Opfer, es gibt auch Profiteure des Imperialismus: Länder in klimatisch gemäßigten Zonen, deren wirtschaftlicher Erfolg bis heute auf dem Erbe der europäischen Kolonisatoren basiert. Die Vereinigten Staaten, die wirtschaftlich führende Nation des 20. und 21. Jahrhunderts, haben koloniales Glück gehabt und deshalb sogar das alte Europa überrundet. Weil das Land weit genug weg liegt von den Tropen?
Das ist noch nicht alles. Die Europäer haben offenbar nicht nur dort marktanregende Institutionen errichtet, wo es sich klimatisch aus ihrer Sicht angenehm leben ließ. Sie haben das Interesse zur Institutionenbildung dort ausgelebt, wo sie wirtschaftlich auf eine Tabula rasa stießen. Mit anderen Worten: In Staaten mit einer gut ausgebildeten und seinerzeit wirtschaftlich erfolgreichen Infrastruktur hatten die Kolonisatoren kein Interesse daran, ihre eigenen Rechtsstrukturen einzuführen. Sie begnügten sich vielmehr damit, diese Staaten wirtschaftlich auszubeuten, wofür sie meistens die dort herrschenden Strukturen nutzen konnten. Südamerikanische Hochkulturen, ganz abgesehen von China, waren fraglos im 16. Jahrhundert wirtschaftlich um ein vielfaches den unzivilisierten Weiten Nordamerikas oder Australiens überlegen. Doch gerade dort haben sich die Europäer für eine reine Ausbeutungsstrategie entschieden, während sie in den damals armen Ländern, wo es »nichts zu holen gab«, bis heute dauerhafte Rechtsstrukturen aufbauten: Bedingungen des späteren Erfolgs.*)
Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die europäische Aufklärung den Kapitalismus als Exportprodukt gerade den ehemals armen Ländern verkaufte, während ehemals reiche Länder, vom Kapitalismus gemieden, zugrunde gingen, weil ihnen die Rechtsinstitutionen des Marktes fehlten. Das Schicksal hat sich gewendet: Ehemals reiche Länder zählen heute zu den armen. Profiteure sind die Emigranten des alten Europa in den neuen Ländern USA, Australien oder Neuseeland, nicht die Aborigines in den jeweiligen Kolonien.
Die heutige Einkommensverteilung zwischen reichen und armen Ländern geht zurück auf die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Erst der Industriekapitalismus erntet den Erfolg einer gut ausgebildeten »Rule of Law«. Während bis in das frühe 19. Jahrhundert die Differenz zwischen den »alten reichen Ländern« und den neuen Siedlungsstaaten der Kolonisatoren nicht sonderlich ins Gewicht fällt, öffnet sich die Schere mit Beginn der Industrialisierung. Noch um 1750 war die Prokopfproduktion in China doppelt so hoch wie in den Vereinigten Staaten.
Der Industriekapitalismus ist in viel stärkerem Maße auf Partizipation der Wirtschaftsakteure - der Eigentümer, Manager, Arbeiter oder Finanziers - angewiesen als Agrargesellschaften, denen feudale Strukturen nicht wirklich schaden können. Der Kapitalismus hingegen braucht Partizipation. Diese wird aber nur dann gewährt, wenn dem System ein Mindestmaß an Vertrauen in seine rechtlichen Institutionen zugrunde liegt. Der Industriekapitalismus ist überdies, anders als eine agrarische Gesellschaft, angewiesen auf Zukunftshandeln. Aus Erspartem werden Investitionen nur dann, wenn Sparer und Investoren eine angemessene Rendite erwarten können. Dafür brauchen sie Rechtssicherheit, auch in der Zukunft. Je stabiler ein Staat in der Vergangenheit war, um so größer wird das Vertrauen in seine Institutionen auch in der Zukunft sein.
Gibt es eine Chance, daß sich die Verhältnisse wieder einmal ändern könnten? Die Klimatheorie macht da wenig Hoffnung, sie landet im Determinismus. Asien hat viele Beispiele, daß es geographisch nicht gottgegeben ist, daß Länder immer arm bleiben müssen. Aber auch die Institutionentheorie ist letztlich nicht wirklich befriedigend: Kann denn nur am europäischen Wesen, an europäischen Institutionen, die Welt genesen? Dann hätte der Kolonialismus zum Schluß gesiegt. Afrika bleibt - gerade entwicklungsökonomisch - die große offene Frage. Warum entwickeln sich nicht Institutionen in den gegenwärtig unterentwickelten Ländern, die den unseren wirksame Konkurrenz machen? Wenn der Wettbewerb funktioniert, dann müßte es auch institutionellen Wettbewerb geben.
Gute Institutionen allein garantieren deshalb noch lange nicht den wirtschaftlichen Erfolg, sie sind nur die Bedingung seiner Möglichkeit. Institutionen sichern, daß Anbieter und Nachfrager ein Interesse daran finden, zueinanderzukommen. Sie zeigen an, ob es sich in einem Land überhaupt zu wirtschaften lohnt. Das sind notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingungen. Denn gute Institutionen brauchen gute Politik, um zu wirken: offene Märkte, stabiles Geld und von der Administration uneingeschränkte Bedingungen für den Wettbewerb. Und das ist erst der Anfang. Denn welche Güter und Dienstleistungen von welchen Ländern im Wettbewerb der internationalen Arbeitsteilung am besten produziert werden, das kann von vornherein niemand sagen.

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