- Die pervertierte Pressefreieheit - Tempranillo, 09.06.2003, 19:25
- Re: Die pervertierte Pressefreieheit.Recht hast du! Da kann dottore schreiben - Josef, 09.06.2003, 19:38
- hat doch schon einer versucht.. - ottoasta, 09.06.2003, 20:43
- wünsche mir auch oppositionelle Rundfunks. etc. oder kann mir - nasowas, 09.06.2003, 20:56
- Re: wünsche mir auch oppositionelle Rundfunks. etc. oder kann mir - Emerald, 09.06.2003, 21:02
- Die ungeschminkte Wahrheit, wie immer treffend ausgedrückt!!! (owT) - Albrecht, 09.06.2003, 21:10
- Bravo. Vollste Zustimmung, nur wie ändern? (owt.) - Lichtenberg, 09.06.2003, 22:30
- Re: Was also tun? Link und Text - Stephan, 09.06.2003, 23:28
- Re: Was also tun? Link und Text - Stephan, 09.06.2003, 23:31
- Re: Was zu tun ist, weiß ich auch nicht - Tempranillo, 10.06.2003, 00:11
- Subverting The Media [E] - HB, 10.06.2003, 00:35
- Re: Die pervertierte Pressefreieheit - stocksorcerer, 10.06.2003, 00:52
- Re: Die pervertierte Pressefreieheit - Sushicat, 10.06.2003, 00:56
- Re: @Sushicat, Albrecht, Stephan, Lichtenberg, Josef und - Tempranillo, 10.06.2003, 01:27
- @ Tempranillo - Sushicat, 10.06.2003, 08:32
- Re: @Sushicat, Albrecht, Stephan, Lichtenberg, Josef und - Tempranillo, 10.06.2003, 01:27
- Re: Noch jemand, der... - Reikianer, 10.06.2003, 21:08
- Re: Noch jemand, der... - Euklid, 11.06.2003, 07:42
- Re: Die pervertierte Pressefreieheit.Recht hast du! Da kann dottore schreiben - Josef, 09.06.2003, 19:38
Re: Was also tun? Link und Text
-->Danke für die wunderbaren Ausführungen, Tempranillo. Was sollen wir - was können wir also tun?
Ich glaube für das Forum sagen zu können: Wir alle hier bewegen uns täglich im Netz. Wir stossen auf viele Informationen.Ein Teil läßt sich hier bündeln. Wir diuskutieren über Witschaft, Börse, Finanzen aber auch Politik & manchmal sogar ein wenig über Boulevard.
Als erstes möchte ich eine Linkempfehlung aussprechen:
Eine kleine Site die Nachrichten bündelt. Der Vorteil. Jeder kann eigene Links eingeben! Ein junges Pflänzchen, frech, unkonventionell, und manchmal sogar ein bißchen ketzerisch. Aber schaut doch selbst:
<font color=red>http://www.feldpolitik.de</font color=red>
Hier noch ein Text, passend zu unserer Diskussion.
erschienen in der Wochendausgabe der Süddeutschen Zeitung:
<h1>Es existiert gar nicht </h1>
<h2>Kampf der Matrix in der Politik / Von Timothy Garton Ash </h2>
Sieht ganz so aus, dass wir doch in einer „Matrix“ leben. Wohin wir auch unsere Aufmerksamkeit lenken, wir stoßen auf eine Politik der künstlichen Wirklichkeit, die jener des Kultfilms ähnelt. Können wir, einfache Bürger, uns überhaupt noch von dem System abstöpseln und gegen es kämpfen?
Greifen wir nur drei Geschichten heraus, auf die sich die Medien diese Woche warfen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass wir in den Krieg gegen Saddam auf der Basis von anglo-amerikanischen Geheimdienstberichten gezogen sind, die (im besten Fall) politisch fahrlässig verwertet oder (im schlechtesten Fall) schlicht gefälscht waren. Beim Treffen der führenden Politiker der Welt in Evian inszenierten Bush und Schröder vor den Kameras eine Show des gegenseitigen Anlächelns, das so ziemlich das exakte Gegenteil des wahren Verhältnisses der beiden widergab. Und die konservative britische Presse malt das Bild eines europäischen Superstaats aus, der wie eine Dampfwalze die Länder plattdrückt - ein Bild, das die Realität des Geschehens beim Verfassungskonvent in Brüssel etwa so genau spiegelt wie eine Skulptur von Salvador Dalà eine simple Bratpfanne.
Diese systematischen Versuche, die meisten Leute die meiste Zeit für dumm zu verkaufen, werden von einigen der intelligentesten, bestinformierten und höchstbezahlten Männern und Frauen der westlichen Gesellschaften unternommen: Spin-Doktoren, PR-Beratern, Ghostwritern und Geheimagenten. Wie jenes Parteimitglied O’Brien in George Orwells „1984“ wissen sie natürlich, was sie tun. Die Fotografien, Tonbandmitschnitte und Transkripte, die die öffentlich aufgestellte Behauptung widerlegen, kennen sie, aber diese Beweise haben sie - wie O’Brien - tief im schwarzen Loch ihres Gedächtnisses versenkt. „Asche“, bemerkte er, „noch nicht einmal identifizierbare Asche. Staub. Es existiert gar nicht. Es hat nie existiert.“
In diesem Jahr, das Orwells hundertsten Geburtstag feiert, verpflanzt uns der „Krieg gegen den Terrorismus“ auf gänzlich unerwartete Weise in eine Orwellsche Welt. Man machte uns weis, dass geheimdienstlichen Erkenntnisse uns Ozeanier (Amerika, Großbritannien, Australien) in den Krieg gegen den Irak (Orwells Eurasien) zwingen. Zu den stärksten Passagen in Blairs machtvoller Rede im Unterhaus, mit der er den Krieg rechtfertigte, gehörte seine Rhetorik des „Ich weiß... Ich weiß...“, mit der er seine Behauptung unterstrich, dass mittlerweile eine Reihe von Diktaturen „unmittelbar vor dem Besitz einsatzfähiger Nuklearwaffen“ stünden - auch wenn diese Kenntnisse leider kein Normalbürger überprüfen könne.
Unsere große Mission
Ich glaube nicht, dass britische Geheimdienste oder auch deren Koordinatoren und Kontrolleure im „Joint Intelligence Committee“ den Premierminister vorsätzlich mit falschen Berichten versorgt haben. Sie müssen nun einmal warnen. Und warnen, das bedeutet, dass die Agenten - zumal bei Bedrohungen, die von Diktatoren oder Terroristen ausgehen, die Massenvernichtungswaffen besitzen - dass also diese Agenten „worst-case“- Szenarien voraussehen müssen, selbst wenn sie sich nur auf eine einzige Quelle stützen können. Ebenso wenig glaube ich, dass Tony Blair bewusst falsche Erklärungen abgab. Ganz so sicher bin ich mir allerdings nicht, was die beiden Büros des Pentagons betrifft, das Büro für „Spezielle Pläne“ und jenes für „Strategischen Einfluss“. Und ins Feuer legen würde ich meine Hand auch nicht für jene Spin-Doktoren, die das zweite „Downing Street Dossier“ angefertigt haben.
Keiner kann mehr die Augen davor verschließen, dass sich die demokratische Politik des 21. Jahrhunderts in einer Medienwelt der virtuellen Realität entfaltet, in der Auftritt und Schein den Vorrang vor der Wirklichkeit genießen. Das zeitgemäße Genre der Politik ist weder das Faktum noch die Fiktion, sondern die „Faktion“: Dokumentieren und Dramatisieren in einem, rund um die Uhr. Es ist nicht die Welt des Newspeak, sondern der News- Konzerne. Und sie wird nicht beherrscht von einer totalitären Bürokratie, sondern von einem vertraulichen, habituellen Zusammenspiel von Politikern, Spin-Doktoren, PR-Experten und Journalisten der Medienkonzerne, ein Spiel, das in London so funktioniert wie in Berlin, Paris oder Washington. Auf der Website von Rupert Murdochs News Corporation (www.newscorp.com) findet sich das Manifest der großen Mission:„So wie unsere Unternehmen die Welt umspannen, umspannt unsere Vision Kunst und Humor, Kühnheit und Mitgefühl, Information und Innovation... Jeden Tag erfüllen unsere Autoren und Schauspieler, Drucker und Hersteller, Reporter und Direktoren, indem sie Hunderte von Millionen Leute unterhalten und aufklären, unsere Mission“. Aufklärung, in der Tat.
Auf diese Weise wird das kleine geheimdienstliche Indiz, auf das ein einsamer Mitarbeiter des Büros in Bagdad vielleicht nur in einer Nebenbemerkung das Pentagon, den CIA oder das MI6 hinweist, aufgebauscht und zu den Spin-Doktoren der Regierungschefs hochgeredet, wo es mächtig angereichert wird, um es von hier auf die sensationslüsterne Titelseite eines Millionen-Boulevardblattes zu schaffen. Am Ende der Nahrungskette steht alles andere, nur nicht mehr das ursprüngliche kleine Indiz. Aus dem Faktum wurde Faktion.
Gibt es ein Mittel gegen diese Matrix des realen Lebens? Im Prinzip nur das schlichteste: finde die Fakten und berichte sie. „Die Tatsachen“, proklamierte der große amerikanische Journalist Isador F. Stone, „die Tatsachen sind subversiv“. Die Tatsachen, nicht die Wahrheit - wer kennt die letztere schon? Darum traf es alle, die noch an die amerikanische seriöse Presse als Leitstern in der Dunkelheit glaubten, so hart, dass auch in der New York Times - wohl die beste Zeitung weltweit, die gegen Geld zu tauschen ist - Geschichten erfunden werden.
George, Gerhard, Jacques, Doris
Wie auch immer, der Trend in den Medien und der Politik entfernt sich von den Fakten, hin zu einer Neo-Orwellschen Welt der fabrizierten Wirklichkeit. Das ist nicht dasselbe wie eine Welt der Lügen, wenn es ihr auch nahe kommt. Auf dem Gipfel in Evian trat zum Beispiel Schröder auf die Hotelterrasse, auf der sich soeben - eher linkisch und ver legen - Bush und Chirac unterhielten. Schröder sprach in sein Handy. Schließlich reichte er es Chirac mit dem Signal weiter, es handle sich um einen bedeutenden Anruf; Chirac trat mit dem Telefon zur Seite. Bush blieb nun keine andere Wahl als gemeinsam mit Schröder, dessen forciert aufforderndes Lachen im weitem Umkreis unüberhörbar war, im freundschaftlich anmutenden Gespräch gesehen zu werden. So kam Schröder zu seinem „Deutschland-und-die- USAturteln-wieder-miteinander-Foto“ in den deutschen Medien des nächsten Tages. Später stellte sich heraus, dass der Anrufer mit seiner weltpolitisch so dringlichen Botschaft für Chirac...Schröders Frau Doris war. Reinste Bühnenshow. Leute in einer Position, die es wissen müssen, vertrauen einem an, die Wahrheit hinter dem Bild sei, dass Bush es Schröder auf Dauer übel nehme und niemals verzeihen werde, dass dieser ihm zur Irakfrage ein persönliches Versprechen gegeben habe.
„Zwei Millionen Arbeitsplätze gefährdet“, trompetete die Sun am Dienstag, den 27. Mai. „Die EU ist darauf aus, unsere Wirtschaft zu kapern. “ Und so wurde diese „news story“ eingeleitet: „Sollte Tony Blair, befürchtete man gestern Abend, das neue Vertragswerk mit der EU unterzeichnen, werden zwei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.“ Weiter hinten in der Ausgabe war dann für die, die es bis dahin schaffen, zu lesen, dass diese Zahl von zwei Millionen nichts als eine Vermutung des euroskeptischen Ã-konomen Patrick Minford ist. Willkommen in einer weiteren Ecke der Matrix.
Und so geht es weiter. Der beste Ort, den Kampf gegen das Neo- Orwellsche Universum aufzunehmen, sind die Medien. Werden Sie also Journalist, wenn Sie in den Kampf einsteigen möchten. Die Fakten finden und berichten, nicht mehr, nicht weniger. Wie Orwell.
Der Autor lehrt Zeitgeschichte an den Universitäten Oxford und Stanford.
Gruß
Stephan
<ul> ~ Feldpolitik</ul>

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