- Das Dilemma des Pokerspielers - Stephan, 19.06.2003, 13:45
Das Dilemma des Pokerspielers
-->Die Welt,19.06.2003
Die US-Wirtschaft hat noch lange nicht zu ihrer alten Form zurückgefunden. Das aber ist nötig, will George W. Bush 2004 die Wahl gewinnen, meint Martin Halusa - Analyse
Wirtschaftsforscher in den USA singen seit drei Jahren das gleiche Lied: Anfang 2001 prognostizierten sie, in der zweiten Jahreshälfte werde die Wirtschaft wachsen. Stattdessen folgte eine Rezession. Zu Beginn des Jahres 2002 sagten sie eine deutliche Verbesserung in den zweiten sechs Monaten voraus. Daraus wurde ebenfalls nichts. Und auch in diesem Jahr streuen sie die Hoffnung, dass in der zweiten Hälfte 2003 ein Ruck durch die Konjunktur gehe. Auch wenn die Vorzeichen dieses Mal besser stehen - die USA sind aus dem Gröbsten noch lange nicht heraus; vor allem auf dem Arbeitsmarkt dürfte es in den nächsten Monaten noch düsterer aussehen.
In den vergangenen drei Jahren sind in Amerika 2,1 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen: Erst platzte die Blase an der Börse, dann folgten die Terroranschläge, und schließlich kam die Rezession. Seither hat sich der Arbeitsmarkt nicht erholt, auch wenn es mit dem Wachstum zaghaft nach oben ging. Fast zehn Millionen Amerikaner suchen derzeit einen Job, die Arbeitslosenquote steht auf 6,1 Prozent. Dort war sie schon seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr. Doch die Arbeitslosigkeit wird zunehmen, weil die Unternehmen weiter Personal abbauen - um ihre Produktivität zu erhöhen und um den Ballast der Boomjahre abzuwerfen. Im Sommer dürfte die Quote mit 6,5 Prozent einen vorläufigen Höhepunkt erreichen.
Die anhaltenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt sind Gift für die Regierung von George W. Bush, der im kommenden Jahr wiedergewählt werden möchte. Anders als sein Vater, der wegen mangelnden Engagements für die Konjunktur eine zweite Amtszeit verspielte, will Bush junior den"Supertanker USA" (Goldman Sachs) wieder mit aller Kraft auf Kurs bringen. Mit einem gigantischen Steuerprogramm, das erst kürzlich die Hürden im Kongress nahm, will der Präsident die Wirtschaft ankurbeln. 350 Milliarden Dollar schwer ist das Paket; ebenso groß ist die Lücke, die das Steuerprogramm und höhere Rüstungsausgaben in den Haushalt reißen.
Doch Bush II fährt volles Risiko. Er weiß, dass er den Fehler von Bush I nicht wiederholen darf. Dabei dürfte ihm in der kommenden Woche der Chairman der Federal Reserve zu Hilfe kommen. Ein Dutzend Mal hat Alan Greenspan die Zinsen schon gesenkt, derzeit steht die Federal Funds Rate auf 1,25 Prozent - so tief wie seit 41 Jahren nicht mehr. Am 25. Juni könnte Greenspan den Zins auf ein historisches Tief bringen, Wall Street erwartet eine Senkung um ganze 50 Basispunkte. Die Fed spielt dann ebenfalls einen ihrer letzten Joker aus, viel tiefer geht es bei den Zinsen nicht.
Neben der Fiskalpolitik des Präsidenten und der Geldpolitik der Notenbank assistiert derzeit der Dollar dem Aufschwung. Die US-Währung befindet sich im Verhältnis zu Euro und Yen auf Tiefständen. George W. Bush gibt offen zu, dass seine Regierung einen schwachen Dollar unterstütze, weil dies den amerikanischen Exporteuren nützt. Fraglich ist jedoch, wie lange der Dollar und mit ihm amerikanische Waren noch für einen derart niedrigen Kurs zu haben sind. Fraglich ebenso, ob die Krisen im Nahen Osten sowie die ungeklärte Lage in Nordkorea und im Iran das Vertrauen der Verbraucher dämpfen könnten. Denn: Auch wenn der Aktienmarkt in den vergangenen drei Monaten auf Höhenflug ging - das Vertrauen der Amerikaner ist zuletzt gesunken. Ein Viertel der Bevölkerung glaubt, die wirtschaftliche Lage sei gut; zwei Drittel glauben, dies sei nicht der Fall.
Wenn George W. Bush die Wiederwahl schaffen will, müssen sich der Prognosen der Ã-konomen in diesem Jahr erfüllen. Der Präsident muss beweisen, dass er nicht nur den Kampf gegen den Terrorismus gewinnen, sondern auch das Gespenst von Rezession und Arbeitslosigkeit vertreiben kann. Spätestens Ende dieses Jahres muss die Wachstumsmaschine USA deshalb wieder auf Hochtouren laufen.
Gruß
Stephan
<ul> ~ Mit halber Kraft voraus </ul>

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