- Wie steigern die System-Magazine ihre Auflagen? - dottore, 23.06.2003, 11:56
- So richtig fett wäre das: Bekenntnisse erwünscht - rocca, 23.06.2003, 14:08
- Re: Wie steigern die System-Magazine ihre Auflagen?@dottore: dazu interessantes - doppelknoten, 23.06.2003, 14:36
- @dottore: Eine höfliche Frage: Hab' ich unsere Wette gewonnen? ;-))) Gruß (owT) - Galiani, 24.06.2003, 00:21
Re: Wie steigern die System-Magazine ihre Auflagen?@dottore: dazu interessantes
-->dazu,dottore,
ein interessanter beitrag aus der gestrigen wams, auf welchen gleisen die macher des neuen"Neon" (alles die früheren"jetzt-macher")unter dem stern-dach ein neues blatt kreierenn sollen, wollen, vermeindlich fahren müssen.
interssant auch abseits des reinen blattmachens mit einem blick auf den zustand der generation der 20 bis 30jährigen.
müsste sie interessieren. als vollblutjournalist
vÃel vergnügen,
ein amüsanter beitrag über nachwuchs - wie ich fand
kneric
<font size="4">Unisex, nicht zwangship</font>
Die früheren"jetzt"-Macher bringen unter dem Dach des"Stern" ein Heft für junge Menschen raus:"Neon". Kann das gut gehen?
von Sigrid Liebig
Wer gern Gäste hat, kommt eines Tages in den Parmesanreibekonflikt. Man steht in der Stadt, überlegt, was es abends gibt, und sieht eine Parmesanreibe im Schaufenster. Einerseits will man überhaupt nicht so küchenperfekt eingerichtet sein wie die ganzen Home-Shopping-Europe-Kunden, die alles haben: drei Sorten Glasputzmittel, Antiwespentrinkhauben oder die Stöpsel-Garage aus der"Modernen Hausfrau".
Andererseits ist eine Parmesanreibe schlicht praktisch. Wird man jetzt alt, weil man Vernunftgründe anführt, um Küchenklimbim kaufen zu können? Bleibt man jetzt jung, weil man auf Teufel komm raus weiter improvisiert, ohne dass es funktional nötig wäre? Was ist klemmiger? Parmesanreibenbesitzertum oder Dogmafesthalterei?
Timm Klotzek und Michael Ebert waren früher beim"jetzt"-Magazin. Im vergangenen Jahr wurde das Supplement der"Süddeutschen Zeitung" eingestellt. Unter selten lautem Protest seiner Leser. Die"Stern"-Redaktion bat darauf die beiden und ein kleines Grüppchen, eine Zeitschrift zu entwickeln, die erstens den Geist von"jetzt" nicht verrät und sich zweitens auch noch verkauft. Jetzt, am 23. Juni, kommt das Heft auf den Markt.
"Neon" ist 180 Seiten dick, kostet 2,50 Euro und wird, wenn es sich mehr als 70 000-mal verkauft, in Serie gehen: monatlich, gelumbeckt, multithematisch, unisex, Zielgruppenalter 25 bis 35, kosmopolitisch, nicht zwangship, aber modern. Und empfindlich gegen die Langeweile der Routine. Es ist ein Heft, das Pippi Langstrumpf gefallen würde, oder Monaco Franze. Weil beide gegen eine bürgerliche Stereotypisierung waren. Und trotzdem lebten. Oder deshalb.
Es gibt einen Ordner, den einen. Meist bekommt man ihn von seinem Vater geschenkt, und"Wichtige Dokumente" steht drauf. Da kommt dann alles rein, was wichtig ist, aber zu unwichtig für den Augenblick: GEZ-Anmeldeformulare, Riester-Rentenbroschüren, Einwohnermeldeamtformulare, Waschmaschinengarantiezettel.
Man beschäftigt sich mit diesen Themen nicht, obwohl man weiß, dass sie wichtig sind. Das Ritual des Abheftens stammt noch aus Uni-Zeiten: Aufsätze musste man nicht unbedingt lesen, wohl aber kopiert besitzen. So verbrachte man Tage im Copy-Shop, um das Gewissen zu beruhigten: Notfalls kann ich's nachlesen.
"Jede Zeit hat ihren Claim", sagt Timm Klotzek,"in den Siebzigern war es,Ho Ho Ho-Tschi-Minh", in den Achtzigern war es,Atomkraft, nein danke" in den Neunzigern waren es oft Sprüche wie,Eure Armut kotzt mich an" und heute sagen wir,Eigentlich sollten wir erwachsen werden"." Sein Kollege Michael Ebert ergänzt:"Vor ein paar Jahren war es doch so, dass jeder einen Job bekam, der Excel konnte. Diese Sicherheit ist nun vorbei, es zählen andere Werte."
Der Wert von"Neon"? Dass es Larmoyanz konstruktiv ästhetisiert.
Die Geschichten im Heft, (Wie organisiert man eine Beerdigung, welche Kniffe sollte ich vor einem Umzug kennen, wackelt eigentlich die Erde, wenn alle Chinesen auf einmal in die Luft springen würden, wie manipuliert das Musikfernsehen unser Liebesleben?) sind auf eine moderne Art politisch, wenn sie es brauchen, und auf eine konservative Art unhip, uncool, unsexy, wenn sie es sein wollen."In manchen Bereichen ist der,Neon"-Leser schon erwachsen", sagt Michael Ebert,"in manchen noch nicht. Das macht die Komplexität dieses Lebensalters aus. Und das soll sich auch in,Neon" wiederfinden."
Die Misere beginnt mit einer glücklichen Partnerschaft. Man ist verliebt. Zieht zusammen. Findet seinen Partner toll, stark, witzig. Die Freundinnen neiden, die Freunde kumpeln. Und dann: der Stachel. Soll es das jetzt gewesen sein? Für den Rest deines Lebens? Die Gier auf einen Seitensprung ist ähnlich wie die nach Griesbrei. Natürlich wird man davon nicht satt, man isst ja auch nicht Schokolade, wenn man Hunger hat. Aber verzehrender als Hungerhunger ist Gierhunger.
Man weiß, dass man mit dem jetzigen Partner schon einen ziemlichen Hauptgewinn gezogen hat, aber die Vorstellung, dass man jetzt nie wieder auf anderer Leute Teller starren soll, macht wahnsinnig hungrig. Einerseits findet man ja Omas lange Ehe supertoll, romantisch, voller Poesie - aber Mutters Ehe ist schon wieder spießig, langweilig, zu kompromissreich.
Wird man jetzt durch die Partnerschaft alt, oder hält man sich mit Tür-offen-Optionen das Leben frisch?
"Viel in,Neon" erklärt sich durch unsere Bildsprache", sagt Timm Klotzek,"wir wollten eine authentische, die lapidar und ernsthaft ist. Wieder erkennbar und aufgeräumt. Wobei wir glauben, dass Aufgeräumtheit nicht das Gegenteil von jung ist. Wenn wir Nacktbilder im Heft haben, sollen sie nur Bilder von nackten Menschen zeigen, die ein Lebensgefühl transportieren, sonst nichts. Kein,Das habe ich für mich gemacht",,Also, ich finde die Fotos sehr ästhetisch",,meine Kinder sollen später mal sehen, wie ich in jung aussah" und erst recht kein Möchtegern-Porno. Denn das wollen Frauen nicht lesen und viele Männer in der Massivität, wie es in den Medien gezeigt wird, auch nicht. Man müsste also die Zielgruppe trennen. Und eine getrennte Geschlechterzeitschrift hat immer etwas Peinliches, das man vom Couchtisch verräumt, wenn sich wichtiger Besuch anmeldet."
Klassentreffen sind der soziologische GAU. Weil man sich einerseits darauf freut, alle einmal wieder zu sehen. Weil man andererseits kotzt bei so viel"Und was machst du so?"-Geschwätz, Furcht erregend etabliert. Die Klassenschöne, für die man früher schwärmte, hat heute Besenreißer und drei Kinder. Der Primus arbeitet erfolgreich in einer Kreissparkasse und spielt nebenher, an freien Abenden, Kniffel. Diese Freude-Kotzen-Ambivalenz stört einen natürlich erst recht.
Weil man sich abhängig macht von Äußerlichkeiten. Weil man selbst Teil eines Älterwerdens ist, das es zu meiden gilt: weil man beweglich sein will, improvisieren möchte, fit sein sollte. Weil man noch nicht gesiezt werden will. Und dabei längst in einem Alter ist, in dem man gesiezt wird.
"Neon" hat keine Ähnlichkeiten mit dem Supplement"jetzt" - und ganz viele. Das"jetzt"-Team arbeitete früher in einer Art medialem Naturschutzgebiet, daher waren die Themen"oft selbstverliebter, radikaler und auch isolierter", sagt Klotzek,"und in Bezug auf die Zielgruppe galt: Die wollte auf gar keinen Fall erwachsen werden.,Neon" muss sich auf dem freien Markt behaupten, viele Themen würden da gar nicht funktionieren."
Andererseits gibt es auch bei"Neon" die Rubrik"Wofür es sich zu leben lohnt", nur heißt die jetzt"Das wird mein Sommer. 20 Leser schreiben, was sie sich für die kommenden Wochen vorgenommen haben". Raider heißt jetzt Twix
Ratgeber wie"Von A bis Z: der Umzug" und"Gesundheitsmythen, die einfach Quatsch sind" wären vor einem Jahr bei"jetzt" nicht aus der Reihe getanzt. Und die Rausschmeißer-Seite ist eine Hommage an den Brötchengeber:"Was wird eigentlich aus...?" Aber das ist wahrscheinlich das Medien-Dilemma: Zwischen Parmesanreibe und Fremdgehlust. Zwischen Klassentreffen und Aufhebwahn. Zwischen"jetzt" und"Stern": Das ist"Neon."
dazu noch ein kurzinterview mit Elke Wenzel von"zukunftsinstitut":
"ein neues blatt,das auflagenstark eine eigene linie des unterhaltsamen jammerns kreieren soll - da muss man eher skeptisch sein....."
hier
http://www.wams.de/data/2003/06/22/122342.html
<ul> ~ hier das interview mit e.wenzel ''hang zum selbstmitlied''</ul>

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