- BAFÃ-G-BETRUG UND BÃ-RSE - Loki, 27.06.2003, 12:28
BAFÃ-G-BETRUG UND BÃ-RSE
-->Vom Kurssturz gleich doppelt kalt erwischt
Von Armin Himmelrath
Scharenweise sollen Studenten beim Bafög geschummelt und sich insgesamt eine halbe Milliarde Euro erschlichen haben. Manche Fälle scheinen indes bizarr. Der Dresdner Student Thomas D. etwa erlebte ein Aktien-Desaster - und möchte von den Bafög-Fahndern nicht länger"wie ein Schwerverbrecher" behandelt werden.
"Regelrecht kriminalisiert" fühlt sich Thomas D. Der 27-Jährige studiert an der TU Dresden und steht kurz vor der Diplomarbeit als Informatiker. Acht Semester lang bekam er Bafög, dann lief die Förderung während eines einjährigen Studienaufenthalts in Finnland aus."Als ich letzten Sommer zurückkam, hatte ich nichts mehr", erzählt er.
Seine Wohnung musste er auflösen, die Möbel in einem Keller unterstellen,"und seitdem lebe ich bei einem Freund auf der Couch". Gelegentliche Jobs halten ihn mehr schlecht als recht über Wasser. In dieser für ihn schwierigen Situation sei dann die Fahndung des Bafög-Amts angelaufen:"Die Briefe sind oft arrogant und in einem Ton gehalten, dass ich denke, ich werde gleich als Schwerverbrecher verhaftet", grollt Thomas D. Das Amt gehe offenbar"nur nach Schema F" vor, ohne sich um individuelle Aspekte des Falles zu kümmern.
Er jedenfalls, ist Thomas D. sicher, sei"zu Unrecht" auf die Fahndungsliste des Bafög-Amts geraten. Gleich zwei grobe Fehler der Behörde führt er an:
Als Vermögen wertete das Bafög-Amt unter anderem drei Sparbücher, die auf D.'s Namen liefen,"auf denen sich aber jeweils die Kaution befand, die ich in verschiedenen Wohngemeinschaften für den Vermieter hinterlegen musste". Thomas D. hatte die Sparbücher als Hauptmieter eingerichtet."Jetzt muss ich umständlich alle damaligen Mitbewohner ausfindig machen, um mir bestätigen zu lassen, dass mir jeweils nur ein Bruchteil des Geldes gehörte."
Anfang 2001 wollte der Student vom Börsenboom profitieren, hatte aber nur mäßigen Erfolg. Thomas D. kaufte"ein paar Aktien", deren Wert aber nie über 2000 Euro stieg. Trotzdem wurden bei der Überprüfung seiner Bafög-Anträge diese Aktien mit mehr als 4000 Euro bewertet,"weil da verrückterweise der Kurs vom 31. Dezember des Vorjahres zu Grunde gelegt wird". Zu dem Zeitpunkt habe er die Wertpapiere aber noch gar nicht besessen. Bei einzelnen Aktien sei das Missverhältnis extrem: Während sie in seinem Depot lagen, stiegen die Papiere einer Internet-Klitsche nicht über drei Euro. Angesetzt wurden sie wegen des vorherigen Höhenflugs an der Börse aber mit 40 Euro pro Stück."Das ist doch bizarr", schimpft der Student.
Grundsätzlich beziehen sich die derzeit laufenden Überprüfungen auf die Jahre 2000 und/oder 2001. Aus diesen Jahren wurden, rechtlich umstritten, die Daten des Bundesamtes für Finanzen und der örtlichen Bafög-Ämter miteinander verglichen. Die Fahnder kamen Schummeleien in großem Stil auf die Spur und trieben Millionen ein: Mehr als jeder fünfte Bafög-Empfänger hatte sein Vermögen nicht korrekt angegeben.
Studentenvertreter wehren sich allerdings gegen den Vorwurf kollektiven Betrugs. Sie halten die Freibeträge für skandalös niedrig - und sie glauben, dass Zehntausende von Studenten irrtümlich ins Visier der Prüfer geraten sind.
So tappten Thomas D. und andere in eine Falle, die durch eine Gesetzesänderung entstanden ist: Seit dem 1. April 2001 gilt für Aktienbesitz nicht mehr der Kurs der Wertpapiere am Antragstag, sondern am 31. Dezember des Vorjahres.
Kurschwankungen können auch ein Segen sein
Was im Fall des Dresdner Studenten zu Rückforderungen führte, kann andererseits für Bafög-Empfänger, die sich etwa am Dienstag dieser Woche 400 Telekom-Aktien kauften, zum Glücksfall werden. De facto hätten diese Studenten - bei einem Kurs von 13,22 Euro - ein Vermögen von 5288 Euro. Das läge über der Bafög-Grenze von 5200 Euro, die Studienförderung müsste also eigentlich zurückgezahlt oder vom Bafög-Amt abgelehnt werden. Doch mit der seit 2001 geltenden neuen Stichtagsregelung würde der Kurs von Sylvester 2002 zu Grunde gelegt. Da stand die T-Aktie nur bei 12,25 Euro, das Gesamtvermögen würde demnach auch bei einer Antragstellung heute nur mit 4900 Euro berechnet und hätte damit keinen Einfluss auf die Zahlungen.
Bei derart seltsam anmutenden Regelungen machen die Betroffenen in Internet-Foren wie dem des Studentenwerks Aachen ihrem Ärger Luft. Angesichts der Diskussion um Steuerflüchtlinge und Milliarden von Schwarzgeld im Ausland, schreibt eine Studentin, finde sie es"besonders feige", dass man sich jetzt ausgerechnet"die Studenten als relativ wehrlose Gruppe" vorknöpfe, um Geld einzutreiben.
Ein Argument freilich taucht in den hitzigen Diskussionen nur am Rande auf - dass nämlich das Bafög zwar den Lebensunterhalt sichern, nicht aber zur Geldanlage dienen soll.
Tja sowas gibt es wohl nur in Absurdistan.[img][/img]

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