- Frühe Spekulationskatastrophen: Der Tulpenwahn in Holland - HZingel, 13.07.2003, 08:39
- Kostolany: Die Tulpenkatastrophe im 17. Jahrhundert - HB, 13.07.2003, 09:45
- kostolany hatte in einem seiner bücher auch vor den"neuen markt"gewarnt.o.t. - orwell, 13.07.2003, 18:16
- Re: kostolany hatte... / @orwell - -- Elli --, 13.07.2003, 19:36
- Re: kostolany hatte... / @orwell - vladtepes, 13.07.2003, 19:47
- Re: kostolany hatte... / @orwell - -- Elli --, 13.07.2003, 19:36
- kostolany hatte in einem seiner bücher auch vor den"neuen markt"gewarnt.o.t. - orwell, 13.07.2003, 18:16
- Die Neuzeit kennt ausserdem die Zündholz-Blase - Emerald, 13.07.2003, 09:57
- Kostolany: Die Kreuger-Tragödie - HB, 13.07.2003, 11:28
- was ist mit Missisippi Gesellschaft und South Sea Bubble?! - kingsolomon, 13.07.2003, 13:49
- Dazu gibt es im BWL-Boten auch Beiträge: - HZingel, 13.07.2003, 18:34
- Re: Buch dazu: - dottore, 14.07.2003, 10:25
- Kostolany: Die Tulpenkatastrophe im 17. Jahrhundert - HB, 13.07.2003, 09:45
Kostolany: Die Kreuger-Tragödie
-->Andre Kostolany schreibt darüber in"Kostolanys beste Geldgeschichten":
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Ein Reicher unter Armen und die Kreuger−Tragödie
Ich war bekanntlich Anfang der dreißiger Jahre, zur Zeit der großen Wirtschaftskrise, eingefleischter Baissier − eine
Angelegenheit, die sich als sehr lukrativ erwies. Ich war von meinen Erfolgen wie berauscht. Nicht so sehr von dem
Geld wie von der Bestätigung meiner Voraussagen. Meine Kollegen besuchten mich. Sie sahen in mir geradezu einen
Propheten, der die Entwicklung − gegen die allgemeine Meinung — richtig beurteilt hatte. »Wie konnte
dies nur geschehen?« fragten sie mich. »Alles ist möglich an der Börse, sogar das, was logisch ist« war meine Antwort.
Denn für mich war der Zusammenbruch der Oustric−und Devilder−Spielsyndikate genauso logisch, ja fast
selbstverständlich, wie vierzig Jahre später der Zusammenbruch von IOS, Gramco etc. Das einzige, was mich erstaunte,
war das Erstaunen der anderen.
Da ich jetzt die Mittel dazu hatte, wollte ich auch die Annehmlichkeiten des Lebens genießen. Dabei machte ich aber
eine peinliche Entdeckung. Mein philosophischer Rationalismus und mein Börsenspürsinn hatten dazu geführt, daß ich
viel verdiente, während die anderen verloren. Ein Vers von Wilhelm Busch kam mir damals oft in den Sinn: »Höchst
fatal, bemerkte Schlich, hebe − aber nicht für mich.« Mein Wunsch war in Erfüllung gegangen, aber das Schauspiel, das
ich vor Augen hatte, betrübte mich aufs höchste.
Meine Freunde, meine Kameraden, alle, die ich gern hatte, waren ruiniert. Sie hatten in dieser Krise entweder ihr Geld
oder ihre Stellung verloren und wußten nicht, was ihnen die Zukunft
bringen würde. Ich hingegen konnte mir jetzt jeden Luxus leisten und jedes Vergnügen, von dem ich je geträumt hatte.
Die eleganten Hotels und Restaurants standen mir offen, denn meine Brieftasche war gefüllt, aber − und jetzt kommt
das große Aber: Die anderen waren nicht dabei. Die gute Atmosphäre war dahin, das fröhliche Lachen verklungen, an
seine Stelle waren Verbitterung und schlechte Laune getreten. Ich war allein, allein mit mir selbst. Überall wurde etwas
zum Verkauf angeboten, aber ich hatte keinen Spaß mehr am Kaufen. Ich begriff, daß Champagner und Kaviar kein
Vergnügen machen, wenn die Freunde sich mit einer Tasse Kaffee begnügen müssen.
Ich wagte nicht, glücklich zu sein, und konnte es auch gar nicht. Ich kam mir schlechter vor, als ich war.
Eine Idee drängte sich mir auf. Wäre es nicht schöner, gleichzeitig mit den anderen zu verdienen − natürlich immer
etwas mehr als die anderen −, aber doch im gleichen Strom zu schwimmen wie sie? Mein Erfolg bedrückte mich
beinahe. Ich begann an meiner Baisse−Philosophie zu zweifeln. Man kann nicht immer nur lachen, wenn die anderen
weinen. »Der Baissier wird von Gott verachtet, weil er nach fremdem Gelde trachtet«, heißt es im Börsenkatechismus.
Und eines Tages trat das fatale Ereignis ein, das mich völlig verwandelte. Es war eine Tragödie, bei deren Schluß sich
die Schauspieler nicht mehr erheben konnten.
Es war an einem Samstagnachmittag. In tiefem Ernst hatten sich die Pariser zum Staatsbegräbnis für Aristide Briand
(der große Freund Stresemanns) auf den Champs−Elysees eingefunden. Nach der Zeremonie zerstreute sich die
Menge. Ich wußte nicht recht, was anfangen, und um die Zeit zu vertreiben, ging ich zum Plaudern in das Büro eines
Freundes, eines amerikanischen Börsenmaklers. Natürlich warf ich einen Blick auf die letzten Börsenkurse.
Damals gab es an Samstagen nur eine sehr kurze Nachmittagsbörse − zwei Stunden. Bei einem sehr ruhigen Markt hatte
sich jedoch etwas Merkwürdiges ereignet. Ein einziger Wert war
Gegenstand riesiger Transaktionen. Hunderttausende von Kreuger&Toll−Aktien des großen schwedischen
Streichholztrusts wurden gehandelt − während der ganzen Börsenzeit zu ein und demselben Kurs, dem gleichen wie
am Vorabend. Ich war sofort neugierig, da ich mit Kreuger−Aktien auf Baisse spekuliert hatte.
Die Idee von lvar Kreuger, dem schwedischen Streichholzkönig, war ebenso einfach wie gescheit.
Die mittel− und osteuropäischen Länder brauchten Geld, und Kreuger war bereit, es ihnen zu besorgen. Als Entgelt ließ
er sich das Streichholzmonopol einräumen, das ihm einen interessanten Gewinn sicherte. Nur besaß Kreuger nicht die
großen Summen, die zum Beispiel Deutschland brauchte.
So emittierte seine Firma Anleihen, und den Gegenwert stellte er den kapitalbedürftigen Ländern zur Verfügung. Der
größte Teil dieser Anleihen wurde in den Vereinigten Staaten gezeichnet − oder hätte gezeichnet werden sollen.
Kreuger wollte nicht an den Differenzen im Zinssatz zwischen dem verliehenen und dem geborgten Geld, sondern
lediglich an den Gewinnen aus der Streichholzfabrikation verdienen. Die Methode war nicht neu, sie war die große
Spezialität der Fugger im 16. Jahrhundert gewesen, nämlich die Gewährung von Krediten im Austausch gegen ein
Monopol.
Die Fugger hatten den in Schwierigkeiten geratenen Fürsten Geld geliehen und dafür das Privileg eines Handels oder
die Ausbeutung von Bodenschätzen erhalten. Der König von Portugal räumte ihnen eine Zeit lang das Monopol des
Pfefferhandels ein, und der spanische König überließ ihnen die Ausbeutung seiner Silber−und Kupferminen.
Kreuger hatte dieses System wieder aufgegriffen und es der modernen Zeit angepaßt. Er bediente sich der Effekten, der
Inhaber−Obligationen, um amerikanisches Kapital nach Mittel−und Osteuropa zu schleusen.
Die Schuldnerländer waren Ungarn, Rumänien, Deutschland, Jugoslawien, Polen und einige südamerikanische
Staaten. Zu den Gläubigern gehörten in erster Linie die Vereinigten Staaten, die
Niederlande, die Schweiz, Großbritannien, Frankreich, also die kapitalkräftigen Länder des Westens.
Die Sache schien vernünftig und auch durchführbar. Sie hätte es sein können, wenn die Schuldnerländer solvent
geblieben wären. Zum Zusammenbruch führte sicherlich keine Unanständigkeit lvar Kreugers; die für Mitteleuropa
ungünstigen politischen Ereignisse lösten die Katastrophe aus.
Kreuger hatte die finanzielle Struktur und die wirtschaftliche Zukunft dieser Länder falsch beurteilt. Er war Ingenieur,
Industrieller, aber gewiß kein erfahrener Bankier oder Spekulant. Sonst hätte er sich nie auf eine solche Sache
eingelassen. Aber da er weder die Qualitäten des einen noch des anderen besaß, endete alles tragisch.
Deutschland, Rumänien, Ungarn und die anderen Schuldnerländer stellten eines Tages die Zahlung der Zinsen und der
Amortisierungsbeträge ein. Diese Tatsache allein hätte aber den Zusammenbruch des Kreugerschen Industriereiches
noch nicht herbeigeführt, wären die herausgegebenen Obligationen tatsächlich beim Publikum untergebracht gewesen.
In diesem Falle hätten die Inhaber der Obligationen ihren Einsatz oder einen Teil ihres Einsatzes verloren, die
Emissionsgesellschaft wäre aber nicht wegen Zahlungsunfähigkeit der Schuldner pleite gegangen. Der Credit Lyonnais,
der die Unterbringung der russischen Renten besorgt hatte, ging nicht zugrunde, als die UdSSR sich weigerte, die
Anleihen des zaristischen Rußland anzuerkennen − wenn auch die Inhaber der Obligationen dabei ihr Geld verloren.
Und die Bank Rothschild ist auch nicht umgefallen, als eine große Zahl ausländischer Anleihen, die sie beim Publikum
untergebracht hatte, faul wurden.
Aber Kreuger verfügte weder über Tausende von Bankschaltern wie die großen Kreditinstitute, noch hatte er den Ruf
der Rothschilds. Er hatte nicht alle Obligationen unterbringen können, ein großer Teil war an ihm hängen geblieben.
Diese Papiere gab er bei verschiedenen Banken »in Pension« (das heißt als Deckung). Dafür erhielt er kurzfristige
Kredite, und diese Kredite brauchte er wiederum für die mitteleuropäischen Länder.
Für einen scharfsichtigen Spekulanten, der die Einzelheiten einer finanziellen Operation übersieht, war die Affäre
Kreuger klar. Außerdem erfuhr ich, daß der Syndikus des Verbandes der offiziellen Börsenmakler durch ein geheimes
Rundschreiben die siebzig gemeinschaftlich haftenden Verbandsmitglieder aufgefordert hatte, die Zahl der
Kreuger−Obligationen zu begrenzen, für die sie Kredite garantierten.
Damals erreichte die Wirtschaftskrise in Amerika ihren Höhepunkt. Es bestand auch keine Hoffnung auf eine Besserung
der politischen Lage in Mitteleuropa. Infolgedessen war auch niemand interessiert, sein Geld in Kreuger−Obligationen
anzulegen − die Situationschien mir kritisch. Ich hatte keine Bedenken, mit den schwedischen Streichhölzern auf Baisse zu
spekulieren. Die Kurse gaben bereits etwas nach, aber Kreuger stützte sie offensichtlich, um die Kreditfähigkeit seiner
verschiedenen »Pensionen« bei den Banken und Börsenmaklern nicht zu gefährden. In Paris arbeitete die Bank von
Schweden für Kreuger, in New York war es das Bankhaus Lee Higginson, und seine wachsamen Bevollmächtigten
kauften ständig, um die Kurse zu halten.
Wahrscheinlich bestand bei gewissen Banken ein Dauerauftrag, koste es, was es wolle, den Preis von 5,25 Dollar zu
halten, selbst wenn dies den Erwerb einer großen Menge von Papieren erfordern sollte. Damit erklärte ich mir die
zahlreichen Verkäufe vom Samstag. An jenem Nachmittag, als mich das Begräbnis Briands auf die Champs−Elysees
geführt hatte, waren von geheimnisvoller Seite innerhalb von zwei Stunden Hunderttausende von Papieren auf den
Markt geworfen worden. Ich zerbrach mir den Kopf, woher diese Aufträge kamen.
Natürlich konnte ich nicht wissen, daß ein paar Häuser weiter lvar Kreugers Leiche in seiner Wohnung in der Avenue
Victor Emmanuel III lag. Als die Börse nachmittags in Wall Street
eröffnet wurde, war er bereits tot. Aber auch die Banken, die Kreugers Interessen vertraten, wußten es nicht. Sonst
hätten sie die Kauforder ihres Klienten nicht ausgeführt.
lvar Kreuger hatte am Samstag morgen um 11 Uhr Selbstmord begangen. Unter Berücksichtigung des Zeitunterschiedes
hätte die Nachricht vor Eröffnung der Börse in New York sein können. Sie wurde aber erst sehr spät am Samstag
abend bekanntgegeben.
Ein paar Personen kannten das Geheimnis. Einer von Kreugers Teilhabern, der gleichzeitig sein bester Freund war, die
Privatsekretärin und die Aufwartefrau, die beim Reinemachen die gräßliche Entdeckung machte. Die beiden Frauen
bewahrten Stillschweigen.
Kreugers Teilhaber setzte geschickt bei der Polizeipräfektur durch, daß die Nachricht vom Selbstmord nicht vor dem
Abend bekanntgegeben wurde. Es gelang ihm sogar, die beeindruckten Beamten davon zu überzeugen, daß es sonst
eine Weltkatastrophe gäbe, an der sie die Schuld trügen.
Schließlich verlangte der Rang des Verstorbenen, der Grand Officier der Ehrenlegion gewesen war, gewisse
Rücksichtnahmen. Außerdem waren die Dienststellen der Präfektur wegen des Staatsbegräbnisses für Briand, und weil
Wochenende war, spärlich besetzt. In gutem Glauben und überzeugt, das Rad der Geschichte aufzuhalten, fanden sich
die Beamten der Präfektur also bereit, das Geheimnis zu wahren.
Es war eine Farce mit unheilvollen Folgen. Denn wem hatten die »so lebenswichtige« zwölf Stunden Aufschub genützt?
Den Gang der Geschichte haben sie gewiß nicht aufgehalten. Dafür haben eine Handvoll Spekulanten, die noch
annähernd fünfhunderttausend Titel verkaufen konnten, sehr schön davon profitiert.
Unter denen, die das Geheimnis kannten, befand sich auch ein hoher Beamter der Polizeipräfektur. Zum Mittagessen
hatte er den Verlobten seiner Tochter, den amerikanischen Journalisten Mike W., zu Gast.
»lch habe eine sensationelle Nachricht für Sie, und Sie werden sicher wissen, wie Sie sie verwenden oder sogar Nutzen
daraus ziehen können. Nur müssen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie sie nicht vor dem Abend weitergeben. Stellen
Sie sich vor, der schwedische Streichholzkönig lvar Kreuger hat heute morgen in seiner Wohnung Selbstmord
begangen.
Der junge Mann gab sein Ehrenwort. Als gewissenhafter Journalist begab er sich in das Archiv seiner Zeitung, um dort
Material über den Lebenslauf des Finanzmannes zu sammeln. Dann ging er nach Hause, schrieb einen langen Artikel
und kabelte ihn noch am selben Abend an seine Redaktion.
Am nächsten Morgen brachten alle Zeitungen die sensationelle Nachricht in riesigen Balkenüberschriften. »Selbstmord
des Finanziers Kreuger!« Als ich meine Morgenzeitung entfaltete, bekam ich einen Schock. Die Nachricht wirkte auf
mich wie ein Schlag mit dem Holzhammer. Mit einem mal war mir der große Wirbel mit den Aktien am Vortag klar.
Ich hatte wieder verdient, diesmal aber auf Kosten eines Menschenlebens. Dieser Schlag traf auf einen psychisch
bereits vorbereiteten Boden und verleidete mir die Baissespekulation. Ich fühlte mich geradezu schuldig am Tod lvar
Kreugers. Jedenfalls hatte ich mir einen gewissen Mangel an Moral zuschulden kommen lassen.
Ich wußte noch nicht, daß Kreugers Tod meine Lebensphilosophie ändern würde. Durch diesen Schock wurde ich zum
Optimisten und Haussespekulanten.
Am Montagmorgen stürzten die Kreuger−Werte und konnten kaum noch notiert werden. Ich begann einzudecken.
Mehrere amerikanische Banken stellten als Folge der massiven Käufe vom Samstag ihre Zahlungen ein.
Der Schock traf mich um so mehr, als ich lvar Kreuger zutiefst nicht für den Betrüger hielt, als den ihn die Weltpresse
hinstellte. Der Grundgedanke seiner Geschäfte war anständig und korrekt. Er täuschte sich nur in der Beurteilung der
wirtschaftlichen und politischen Lage und wurde das Opfer unglücklicher Umstände.
Als sein Gebäude ins Rutschen kam, versuchte er, sich überall festzuhalten, gleichgültig, wo, wie es jeder Stürzende
tut. So ließ er sich von einem Ausweg zum anderen treiben, immer weiter, ohne die Trennungslinie genau zu beachten
zwischen dem, was noch legal war und was nicht mehr. Gewiß, das Publikum verlor Milliarden, aber die Verantwortung
dafür sollte nicht allein dem gesetzwidrigen Vorgehen Kreugers zugeschrieben werden, sondern auch den politischen
Ereignissen und den finanziellen Verhältnissen in Mitteleuropa. Und mit etwas Toleranz, glaube ich, sollte man
lvar Kreuger mildernde Umstände zubilligen. An diesem Tag kam auch der Journalist wieder zu seiner
Verlobten. »Nun, haben Sie aus meiner Mitteilung Nutzen gezogen?«
fragte ihn der Vater.
»Ja, natürlich« antwortete der junge Mann, »der Direktor unserer Zeitung hat mich zu meinem Artikel beglückwünscht,
weil ich, dank Ihnen, der erste war, der die Nachricht übermittelte«
»So, und weiter haben Sie nichts getan!!!!« Der junge Mann mußte seine Einfalt teuer bezahlen. Er bekam die Hand der
Tochter nicht, denn für den Existenzkampf in dieser Welt war er entschieden zu unreif.
Andere Leute hatten die Mitteilung − vielleicht aus der gleichen Quelle − offenbar besser verwerten können. So gut, daß
die New Yorker Börse ein Komitee ernannte, das darüber Aufklärung schaffen sollte, wer die massiven Verkäufe vom
Samstag veranlaßt hatte. Man entdeckte nie eine Spur.
Das Kreuger−Drama hatte mich innerlich verwandelt. Es gab mir einen menschlicheren und entsprechend gesünderen
Blickwinkel und machte mich von der bösen Galligkeit des Pessimisten frei. Ich entledigte mich all meiner
Baisse−Verpflichtungen. Abgesehen von meiner veränderten seelischen Grundhaltung sagte mir auch mein Instinkt
−oder war es meine Logik −, daß die Depression in der ganzen Welt ihren Tiefpunkt überschritten hatte. Dafür gab es
mancherlei Anzeichen. Die Börsentendenz
schwenkte allenthalben tatsächlich um. Im Frühling begann mit Roosevelts Amtsübernahme und den Reformen des
New Deal eine neue Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Börsenhausse in den Vereinigten Staaten.
Damals wurde, so möchte ich sagen, die Chance meines Lebens geboren. Mein eigenes Leben glich sich
gewissermaßen dem Lauf der Weltgeschichte an: Meine persönliche Entwicklung hatte eine günstige Wendung
genommen, und zwar im richtigen Augenblick. Aus dem Sturm, der mich erfaßt hatte, war ich als ein neues Wesen
hervorgegangen. Und zur gleichen Zeit erlebte zufällig ein großer Teil der Welt ebenfalls eine Erneuerung.
Amerika löste sich aus einer tödlichen Umklammerung. Die gefährliche Krise des Kapitalismus, die ihn für immer hätte
ersticken können, war überwunden, und nie wieder konnte eine ähnliche Katastrophe eintreten. Es war die erste ihrer
Art und gleichzeitig die letzte.
Von dieser Depression, der Millionen Menschen zum Opfer gefallen waren, hatte ich viel profitiert. Aber der
Nachgeschmack war bitter. Diesmal hatte ich − endgültig − begriffen, daß es schöner ist, durch die
Hochkonjunktur zu verdienen. Jetzt empfand ich Verachtung für das Geld, weil ich alle anderen Werte, die ich mißachtet
hatte, wieder höher schätzte − einschließlich der Börsenwerte. Mein Glück war, daß diese Werte nicht nur in meinen
Augen, sondern auch an der Börse stiegen. In der Roosevelt−Ära kam es zu einer stürmischen Hausse.
Ich hatte begriffen, daß es andere Dinge im Leben gibt, die man sich mit Hilfe des Geldes zwar leichter beschaffen kann,
die aber das Geld nicht ersetzen können.
Das änderte natürlich nichts daran, daß ich mir den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrach, wie ich an der Börse einen
neuen Coup landen konnte. Doch man halte mir zugute, daß mich bei einer gelungenen Spekulation die Bestätigung
meiner richtigen Voraussage ebenso freute wie der materielle Gewinn.

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