- Achtung vor zu vielen Optimisten - tuni, 16.07.2003, 15:49
- Re: Achtung vor zu vielen Optimisten - Goldfinger, 17.07.2003, 00:19
Achtung vor zu vielen Optimisten
-->Achtung vor zu vielen Optimisten
Die amerikanischen Investoren sind für Aktien so zuverischtlich wie seit fünfzehn Jahren nicht mehr. Höchste Zeit, sich von der Börse zu verabschieden.
Von Daniel Hedinger / Tages Anzeiger vom 16.07.03
Seit Mitte März hat der S&P-500-Index, der die fünfhundert grössten amerikanischen Unternehmen umfasst, über 25 Prozent an Wert gewonnen. Die drei Monate nach dem Sturz von Saddam Hussein waren das beste Aktienquartal der letzten drei Jahre. Gemäss den amerikanischen Marktteilnehmern wird der Aufschwung anhalten: Ende Juni glaubten drei Viertel der Anleger an steigende Aktienkurse. Damit sind die Investoren so optimistisch wie seit über fünfzehn Jahren nicht mehr. Selbst während des Technologiebooms der späten 90er-Jahre gingen höchstens 70 Prozent der Marktteilnehmer von steigenden Kursen aus.
Vor fallenden Aktienkursen fürchten sich laut dem amerikanischen Anlegermagazin «Barron’s» nur 16 Prozent der Anleger - so wenige waren es das letzte Mal im Frühling 1987. Damals folgte auf die Euphorie der Börsencrash: Nachdem im Sommer die Aktienpreise weiter angestiegen waren, halbierten sich diese im Herbst.
Optimisten als potenzielle Verkäufer
Auch heute mahnt der vorherrschende Optimismus zur Vorsicht. Wieso die Euphorie der Börse langfristig keinen Schub verleihen wird, zeigt folgende Überlegung: Optimistisch gestimmt sind meist diejenigen Anleger, die bereits in Aktien investiert haben. Sie hoffen auf steigende Kurse, um ihre Titel mit Gewinn verkaufen zu können. So gesehen, sind Optimisten potenzielle Verkäufer.
Pessimistisch geben sich dagegen diejenigen Investoren, die Wertpapiere kaufen möchten, denen aber die Kurse zu hoch sind. Sie warten auf einen günstigeren Zeitpunkt, um in Aktien zu investieren. Vereinfacht gesagt, sind Pessimisten potenzielle Käufer. Wenn momentan drei Viertel der amerikanischen Anleger optimistisch gestimmt sind, so tummeln sich an den US-Börsen viele potenzielle Verkäufer. Die wenigen Pessimisten möchten vielleicht in Aktien investieren, doch werden sie auf tiefere Kurse warten. Damit stehen wenigen Käufern viele potenzielle Verkäufer gegenüber. Die geringe Nachfrage nach Wertpapieren wird langfristig die Aktienpreise drücken.
Ein Blick auf den Kursverlauf des S&P-500-Index der letzten fünfzehn Jahre bestätigt, dass auf extremen Optimismus der Anleger jedesmal Kurseinbrüche folgten. Die schwarzen Pfeile markieren Marktsituationen, in denen über 65 Prozent der Investoren von steigenden Aktienpreisen ausgingen. Wie der Kursverlauf zeigt, befand sich der Index zu diesem Zeitpunkt meist nahe einem Höchststand. Anleger, die dann ihre Papiere abstiessen, blieben von der folgenden Kurskorrektur verschont. Die schwarzen Pfeile, die Phasen mit extremem Optimismus bezeichnen, sind somit zuverlässige Verkaufssignale.
Dagegen markieren die blauen Pfeile Momente, in denen an der Börse Pessimismus dominierte. Dann glauben weniger als 35 Prozent der Anleger an ein Aufwärtspotenzial der Aktien. Die blau-weissen Pfeile stehen für eine neutrale Stimmung, wenn weniger als 55 Prozent der Anleger von steigenden Kursen ausgehen. Blaue und blau-weisse Pfeile waren in den letzten fünfzehn Jahren meist Kaufgelegenheiten.
Seit Mitte der 90er-Jahre schätzen die Marktteilnehmer die Börsenaussichten sehr rosig ein. Pessimistisch war die Stimmung zum letzten Mal 1994, obwohl die Kursentwicklung in den letzten drei Jahren viel Anlass zur Sorge gab.
Hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis
Auch die Fundamentaldaten widersprechen dem vorherrschenden Optimismus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P-500-Index beträgt 33. Es ist damit doppelt so hoch wie im historischen Durchschnitt. Selbst während des Technologiebooms belief sich das KGV auf höchstens 31. Damit werden Aktien heute teurer gehandelt als vor drei Jahren.
In Amerika ist momentan ein alte Börsenregel in Vergessenheit geraten: Ein anhaltender Bullenmarkt klettert stets eine Wand aus Angst und Unsicherheit empor. In einem solchen Markt, hat es für Optimisten keinen Platz.

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