- Anfang vom Ende der ganzen Mannheimer Versicherung? - Rossi, 16.07.2003, 19:36
Anfang vom Ende der ganzen Mannheimer Versicherung?
--> Markt und Politik vom 16.7.2003
Anfang vom Ende der ganzen Mannheimer?
Der hauseigene Außendienst der Mannheimer AG Holding geht in die Offensive: Vorgestern hat der Hausverein beschlossen, kurzfristig eine Lösung mit dem Vorstand des Unternehmens zu verhandeln, die den Ausschließlichkeits-Agenturen eine Überlebens-Perspektive bietet.
Dieser Beschluss der Gemeinschaft der selbständigen Versicherungskaufleute der Mannheimer Versicherungsgesellschaften e.V. (GSVM) kam auf der außerordentlichen Jahres-Hauptversammlung in Fulda nahezu einstimmig zustande.
Kurzfristige Entscheidung der Mannheimer gefordert
Der Hausverein der Mannheimer hatte sich vor allem getroffen, um die Konsequenzen auszuloten, die die vorerst durch Einstellung des Neugeschäfts der Mannheimer Leben ab 26. Juni 2003 gipfelnde Krise der Mannheimer mit sich bringt.
Als Optionen gaben die anwesenden rund 200 Agentur-Inhaber dem GSVM-Vorstand mit auf den Weg:
· Erhaltung der Mannheimer Gruppe samt Mannheimer Leben als altem und neuem Risikoträger für Lebens-Policen oder
· Änderung der bisherigen Ausschließlichkeits-Verträge und Umwandlung in Mehrfach-Generalagenten-Verträge für alle Sparten.
Alternative: Massen-Kündigung?
Sollte keine kurzfristige Lösung möglich sein, ist die Mehrzahl der Handelsvertreter entschlossen, ihre Agentur-Verträge fristgerecht zu kündigen und Ausgleichs-Ansprüche geltend zu machen.
Auf der Hausvereins-Tagung hatten sich 183 der 200 Teilnehmer für diese Konsequenz ausgesprochen, falls die Verhandlungen zwischen GSVM und der Mannheimer Holding scheitern sollten.
Eine ganze Reihe bisheriger Mannheimer Einfirmen-Vertreter hat dieser Ankündigung gleich Taten folgen lassen. Wie von Tagungs-Teilnehmern zu hören war, seien die ersten Kündigungen dem Vorstand des Hausvereins schon an Ort und Stelle der Versammlung zugeleitet worden.
Gerät die Ausschließlichkeit ins Abseits?
Damit kommt das neue Management der Mannheimer Holding, aber auch die gesamte Branche und nicht zuletzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter Druck.
Im Raum steht die gemeinsame ordentliche Kündigung der Verträge von rund 210 Agentur-Inhabern mit der Mannheimer Versicherung AG, Mannheimer Lebensversicherung AG und Mannheimer Krankenversicherung AG.
Käme es dazu, würde im Extremfall der hauseigene Außendienst mit insgesamt 420 Verkäufern zusammenbrechen (VersicherungsJournal 30.6.2003). Dies käme die Holding wahrscheinlich teuer zu stehen.
Alle Gesellschaften haften
Denn die Kündigungen dürften Ausgleichs-Verbindlichkeiten auslösen, für die nach der Vertrags-Konstellation der Mannheimer alle drei Versicherungs-Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften. Zum anderen käme nicht mehr genug Neugeschäft herein.
Nach eigenen Angaben schrieben die Handelsvertreter rund 60 Prozent des Geschäfts im Sach-, 35 Prozent im Lebens- und gut 20 Prozent im PKV-Bereich. Den Rest besorgten Makler.
Ausgleichs-Ansprüche würden Holding treffen
Damit dürften auch die Sach- und die Krankensparte massive Solvabilitäts-Probleme bekommen.
Dann wäre auch die erste Einschätzung der BaFin Makulatur, wonach die Ansprüche aus diesen Verträgen nicht gefährdet seien und die Behörde deshalb in diesen Bereichen „keinen Anlass für aufsichtsrechtliche Maßnahmen“ sehe.
Der Untergang eines Lebens-Versicherers könnte in der Konsequenz den Untergang eines ganzen Konzerns bedeuten.
Damit würde sich die gescheiterte Rettung der Mannheimer Leben durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schneller als gedacht rächen. Dem GDV war es am 25. Juni 2003 nicht gelungen, alle Lebens-Versicherer mit ins Boot für die Kapital-Spritze zu bekommen.
Teures Scheitern der Branchen-Lösung
Dagegen hatten auch namhafte Anbieter wie die AXA gestimmt, die im Vertrieb ebenfalls auf Ausschließlichkeits-Organisationen bauen (VersicherungsJournal 27.6.2003). Wäre es zu einer Branchen-Lösung gekommen, hätte es auch einen Ausweg für die in ihrer Existenz bedrohten Agenturen gegeben.
Jetzt fordert der Hausverein den GDV indirekt auf, doch noch auf Protektor zu verzichten und einen letzten Rettungs-Versuch der Branche zu initiieren. Dahinter steht die Hoffnung, in einem zweiten Anlauf doch noch die erforderliche Mehrheit von 90 Prozent der Versicherer für eine Branchen-Lösung zur Rettung der Mannheimer Leben zu gewinnen.
Kommt es zu einem zweiten Rettungs-Versuch durch den GDV?
„Sonst sehen viele Agenturen keine Möglichkeit mehr für eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Mannheimer“, sagte ein Agentur-Inhaber auf der Tagung. Inzwischen ist jedoch der Vertrag der Mannheimer Holding mit Protektor unterschriftsreif.
Protektor wird nach gegenwärtigem Stand Rechte und Pflichten der Vermittler nicht übernehmen.
Genau dies fordert aber der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). „Wenn das nicht gelingt, müssen die Agenten um Folge-Provisionen ebenso fürchten wie um den Ausgleichs-Anspruch“, so BVK-Präsident Ludger Theilmeier.
Die Befürchtungen sind wohl berechtigt. Denn inzwischen wurde bekannt, dass Protektor sogar künftige Gewinne aus der Sach- und PKV-Sparte der Mannheimer erhalten soll, um die stillen Lasten der Lebens-Sparte Stück für Stück abzutragen.
Vertreter reiben sich auf
Derweil werden die Einfirmen-Vertreter der Mannheimer im Chaos zerrieben.
Zwar könnten sie im Sach- und Krankengeschäft noch weiterhin die Mannheimer vertreten. Für das Lebens-Geschäft müssten die Agenten aber auf Risikoträger außerhalb der Mannheimer-Gruppe zurückgreifen.
Dass dem Außendienst diese Möglichkeit eingeräumt wurde, hilft wenig: Der Status als Exklusiv-Agent ist verloren.
Vertreter in der Zwickmühle
Hinzu komme der Image-Schaden: Vertreter verlieren die Glaubwürdigkeit bei den Kunden, wenn plötzlich Tarife anderer Lebens-Versicherer angeboten werden müssen, die bis dato gegenüber den Mannheimer-Tarifen vom Außendienst abqualifiziert werden mussten, war auf der Tagung zu hören.
Es sei den Kunden nicht zu vermitteln, dass ein Exklusiv-Agent der Mannheimer im Lebens-Geschäft konzernfremde Gesellschaften akquiriert, während er im Sach- und Kranken-Geschäft ausschließlich an die Mannheimer gebunden ist.
Daher auch die zweite Option des Hausvereins, die Exklusiv-Vertreter zu Mehrfach-Agenten zu machen. Damit verlöre die Mannheimer jedoch enorm an Vertriebs-Kraft.
Angriff auf die Bestände hat schon begonnen
Schon jetzt seien die Agenturen nahezu ausschließlich damit beschäftigt, Kunden zu beruhigen und sie von der Kündigung der Verträge abzuhalten, so ein GSVM-Vorstandsmitglied. Hinzu komme, dass die Konkurrenz die Situation ausnutze.
Nicht nur große Makler hätten bereits zur Kündigung der Mannheimer Sach-Verträge aufgefordert. Auch Ausschließlichkeits-Organisationen würden zur Umdeckung animieren. Dabei käme insbesondere der Hamburg-Mannheimer die Namens-Ähnlichkeit zupass.
Experte hält Ausgleichs-Anspruch für legitim
Sollten am Ende statt praktikabler Lösungen nur Kündigungen stehen, müssten der Kranken- und der Sachversicherer Ausgleichs-Ansprüche passivieren, prophezeite Rechtsanwalt Jürgen Evers auf seinem Tagungs-Vortrag.
Denn es sei anerkannt, dass ein Verhalten des vertretenen Unternehmens, „das den Handels-Vertreter in eine nach Treu und Glauben unhaltbare Lage bringt, zur Kündigung mit Ausgleich erhaltender Wirkung berechtigt“, sagte der Vertriebsrechts-Experte der Kanzlei Blanke, Meier & Evers auf der GSVM-Tagung.
Ausschließlichkeit als Haftungs-Risiko?
Der Domino-Effekt - eine Gesellschaft strauchelt und reißt auch die anderen Versicherer des Konzerns in den Strudel - stellt das Prinzip der Ausschließlichkeit in Deutschland in Frage. Bislang hätten zahlreiche Branchen-Kräfte den Ausschließlichkeits-Vertrieb immer wieder gestärkt.
Jetzt habe die Assekuranz erstmals eine interne Lösung verweigert.
Folge: Sollten die Kündigungen mit Ausgleichs-Ansprüchen berechtigt sein, wird das Prinzip Ausschließlichkeit zur existenziellen Gefahr für die Unternehmen jeder Versicherungs-Gruppe, die mit diesem hauptsächlichen Vertriebsweg arbeitet.
Damit hätten sich auch einige Verweigerer der Branchen-Lösung ein Eigentor geschossen. Und die Aufsicht müsste künftig sehr viel höhere Solvabilitäts-Anforderungen stellen.
Detlef Pohl
http://www.versicherungsjournal.de/mehr_fs.asp?Nummer=5931
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