- Was für eine Jahrhundert-Reform! - Svenni, 19.07.2003, 13:29
- Die beste Reform: Freiwilligkeitsprinzip - thomas, 19.07.2003, 14:03
- Re: Die beste Reform: Freiwilligkeitsprinzip - Euklid, 19.07.2003, 14:29
- Dies sind die Probleme der GKV (mit Link) - alberich, 19.07.2003, 17:09
- Re: Die beste Reform: Freiwilligkeitsprinzip - Euklid, 19.07.2003, 14:29
- Die beste Reform: Freiwilligkeitsprinzip - thomas, 19.07.2003, 14:03
Dies sind die Probleme der GKV (mit Link)
-->Hallo EUKLID,
nachdem ich auf diesen Sachverhalt bzgl. des Sozialabkommens mit der Türkei des öfteren gestoßen bin, habe ich einen Brief an die Tk geschrieben. Ich bin auf die Antwort gespannt.
Um die 'Diskussion' auf die gravierenderen Probleme der GKV zu lenken, empfehle ich die Lektüre folgender Dissertation:
Strategien für ein
zukunftsfähiges Versorgungssystem
der gesetzlichen Krankenversicherung
http://archiv.ub.uni-bielefeld.de/disshabi/2003/0016/dissertation.pdf
Sehr umfassend, lohnt die Mühe!!!
Ausschnitt: S. 51
Die sozialwissenschaftlichen Diagnosen der Gegenwart bezeichnen die
Individualisierung als einen der zentralen Trends der gesellschaftlichen Entwicklung und verweisen damit zugleich auf entsprechende Probleme der Entsolidarisierung der Gesellschaft.
Dabei ist zunächst eine Definition des Begriffes Solidarität notwendig: Nach K. Beck handelt es sich um eine „wechselseitige Verbundenheit von Menschen aufgrund einer gemeinsam empfundenen Interessenslage."
Nach dieser Definition hat Solidarität also immer etwas mit Akzeptanz, Verbundenheit und Freiwilligkeit zu tun. Aber genau diese Werte findet
man in der GKV-Solidargemeinschaft eher selten: Die Mitglieder sind zum großen
Teil Zwangsmitglieder, der Leistungskatalog ist gesetzlich definiert und die
Beitragshöhe ebenfalls fixiert.
Demzufolge ist das Kollektiv mit etwa 70 Mio. Mitgliedern auch kaum als tatsächliche Solidargemeinschaft zu betrachten. Denn unter einem helfenden und unterstützenden Handeln ist nicht gemeint, dass die Mitglieder zwangsweise in ein großes und anonymes Kollektiv einbezahlen und gleichzeitig Überlegungen anstellen, um möglichst viel von den eingezahlten Gelder wieder herauszuholen. In diesem Fall kann der Begriff der „Solidargemeinschaft“ eher gegen das Wort „Risikogemeinschaft“ ausgetauscht werden, da aufgrund der Größe und der entstehenden Anonymität unter den Teilnehmern die „interne Kontrolle“ (also die Selbststeuerung) nicht mehr funktioniert. Solidargemeinschaft bedeutet nämlich auch gleichzeitig, dass die Leistungsempfänger nur die Menge an in Anspruch nehmen, die sie auch tatsächlich benötigen.
Allerdings halten es die Bürger in unserer Gesellschaft nach wie vor im überwiegendem Maße für selbstverständlich, dass den sozial Schwachen - auch im Sinne einer gesetzlichen Krankenversicherung - geholfen werden muss. Die Kritik setzt erst dort an wo gegen diese Zielrichtung verstoßen wird, d.h. wo unter dem
„Deckmantel des Sozialen“ Gelder willkürlich umverteilt werden und wo die
Systeme durch einzelne Individuen ausgenutzt werden. Eben diese Tendenzen
lassen sich aber in großen Systemen mit relativ schwach ausgeprägter Selbststeuerung sehr häufig beobachten.
Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass mit zunehmendem Wohlstand in der
Gesellschaft auch ein ständig steigender Anspruch an die medizinische Versorgung
gestellt wird. So werden in der heutigen Zeit altersbedingte Begleiterkrankungen
selbstverständlich im Rahmen der solidarisch finanzierten GKV behandelt und dies oftmals zu einem verhältnismäßig hohen Mitteleinsatz.
Hinzu treten gesellschaftliche Trends wie Life-Science und Wellness, die ebenfalls Einfluss auf die Leistungsinanspruchnahme der GKV haben. Aufgrund der
wirtschaftlich starken Position der westeuropäischen Staaten in der Welt gehen
die Menschen einfach davon aus, dass das jeweilige Gesundheitswesen natürlich
auch zu den leistungsfähigsten Systemen gehört, mit unerschöpflichen Ressourcen
und Möglichkeiten.
Aber nicht nur auf medizinischer Ebene steigen die Ansprüche: Da die Gesellschaft insgesamt über einen höheren Lebensstandard verfügt, findet man z.B. in Krankenhäusern oder Rehabilitationszentren immer aufwendigere Ausstattungen vor, die mittlerweile starken Hotelcharakter aufweisen.
Bedingt ist das hohe Anspruchsniveau der Versicherten aber auch durch die
Kostensteigerungen im Gesundheitswesen selbst, da die Menschen für ihre
(steigenden) Beiträge auch eine ständig verbesserte Versorgungsqualität
erwarten. Gerade im Bagatellbereich haben Ärzte in dieser Situation nur
begrenzte Möglichkeiten gegenzusteuern, da bei der Verweigerung von
Leistungen mit relativ geringem therapeutischem Nutzen die Gefahr besteht, dass
der Leistungserbringer den Patienten als Nachfrager verliert.
Falls aber die steigenden Ansprüche der Menschen zu einer weiteren Ausdehnung
des GKV-Leistungskataloges führen oder zumindest eine vermehrte
Leistungsinanspruchnahme nach sich ziehen, führt genau dieses zur Vergrößerung
der in Abbildung 6 (Seite 20) gezeigten Differenz zwischen der Mortalitätsund
Morbiditätskurve.

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