- Heute ist Gesundheitstag: Fälschung auf Rezept - alberich, 20.07.2003, 17:28
- Re: Heute ist Gesundheitstag: Fälschung auf Rezept - Euklid, 20.07.2003, 17:41
- Re: Heute ist Gesundheitstag: Fälschung auf Rezept - alberich, 20.07.2003, 18:25
- ich vergaß: wer bezahlt, sollte die Musik bestimmen!!!! (owT) - alberich, 20.07.2003, 18:28
- biste GKV-versichert, haste völlig ausgekichert/ Geldverdienen mit alternat. - Baldur der Ketzer, 20.07.2003, 19:13
- Re: Heute ist Gesundheitstag: Fälschung auf Rezept - alberich, 20.07.2003, 18:25
- Re: Heute ist Gesundheitstag: was es nit jibt für Ärzte, Genickolouge..usw. ;-) - Baldur der Ketzer, 20.07.2003, 20:01
- Neue Märkte für die arme Pharmalobby - Stephan, 20.07.2003, 23:52
- Re: Neue Märkte für die arme Pharmalobby - Euklid, 21.07.2003, 06:53
- Re: Heute ist Gesundheitstag: Fälschung auf Rezept - Euklid, 20.07.2003, 17:41
Neue Märkte für die arme Pharmalobby
-->JungeWelt / 21.07.2003 / Michael Stoeter
<h3>Bundesregierung und Pharmalobby wollen Medikamententests an Minderjährigen erleichtern</h3>
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Das deutsche Arzneimittelgesetz (AMG) soll zum zwölften Mal novelliert werden. Hierzu wurde kürzlich vom Bundesgesundheitsministerium ein Referentenentwurf veröffentlicht, der unangenehme Überraschungen für die Zukunft der Arzneimittelforschung birgt. Es geht um die Forschung an Kindern und Jugendlichen.
Nach bisheriger Rechtslage dürfen Minderjährige nur dann an Arzneimittelstudien teilnehmen, wenn sie selbst einen medizinischen Nutzen davon haben. In Zukunft soll es jedoch nach dem Willen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) genügen, wenn andere Kinder und Jugendliche von den Forschungsergebnissen profitieren könnten.
Die geplante »Neueinführung« der sogenannten fremdnützigen Forschung an Minderjährigen bricht mit der bislang gültigen Auffassung von Recht und Ethik. So hat die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer im Jahre 1997 zu diesem Problemfeld Stellung genommen und auf das Verbot hingewiesen, »eine Person ohne ihre Einwilligung einer Maßnahme zugunsten anderer zu unterziehen, die nicht auch ihrem eigenen Interesse dient«. Angesichts dieses aus dem Grundgesetz abgeleiteten »Instrumentalisierungsverbots« kann die Forschung an Minderjährigen nach Ansicht der Zentralen Ethikkommission nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen ethisch vertretbar sein.
Viele Beispiele belegen die Bedenklichkeit der fremdnützigen Forschung mit Minderjährigen oder Behinderten, die nicht selbst in ein Forschungsprojekt einwilligen können. Eben deswegen wurde die Europäische Konvention für Menschenrechte in der biomedizinischen Forschung bislang durch den Deutschen Bundestag nicht ratifiziert. Der Grund dafür liegt genau darin, daß die Konvention eine Klausel enthält, die unter Einschränkungen diese Form der Forschung mit nicht Einwilligungsfähigen gestatten würde. Bislang vertrat der Bundestag die Auffassung, eine solche Regelung sei mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Wie die Forschung an Minderjährigen nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums in Zukunft aussehen soll, dazu liefert die offizielle Begründung des Referentenentwurfs ein ebenso markantes wie makaberes Beispiel: die Ermittlung des »pharmakokinetischen Profils« bei Kleinkindern. Ein solches pharmakokinetisches Profil erhält man, wenn man über mehrere Tage verteilt immer wieder Blut entnimmt und in diesem danach die Konzentration des Arzneimittelwirkstoffs im zeitlichen Verlauf laborchemisch bestimmt. Diese Vision bedeutet nichts anderes, als zwei- bis vierjährigen Kindern einen erheblichen Teil ihres Blutes zum Nutzen von Wissenschaft (und Pharmaindustrie) zu entnehmen. Größere Kinder oder gar Jugendliche wären für ein solches Vorhaben uninteressant, denn bei ihnen weist die Pharmakokinetik allenfalls marginale Unterschiede zu Erwachsenen auf.
Eigentlich müßte eine unabhängige Ethikkommission bereits in der Planungsphase derartige Studien überprüfen und untersagen. Doch eine solche Überprüfung wird durch den Referentenentwurf faktisch behindert: Laut ministerialem Willen darf die Ethikkommission ihre Zustimmung in Zukunft nur dann verweigern, wenn allgemeine Voraussetzungen für die Studiendurchführung nicht erfüllt sind. Wenn jedoch die speziellen, für die Forschung an Minderjährigen relevanten Vorschriften unberücksichtigt bleiben, wäre dies kein Grund, die Zustimmung zu verweigern.
Was veranlaßt das Bundesgesundheitsministerium nun dazu, die fremdnützige Forschung mit Minderjährigen gewissermaßen durch die Hintertür des Arzneimittelgesetzes legalisieren zu wollen? In seiner Begründung beruft sich das Ministerium auf eine EU-Richtlinie von Anfang April 2001. In der Tat würde diese Richtlinie, ähnlich der europäischen Bioethik-Konvention, eine solche Forschung unter Auflagen gestatten. Gleichzeitig stellt dieselbe Richtlinie aber fest, daß bestehende strengere Bestimmungen in den Mitgliedsstaaten Vorrang haben. Die Richtlinie will also gerade nicht dafür herhalten, daß in den Mitgliedsländern der EU ein bereits bestehendes Schutzniveau abgesenkt wird.
Aufschlußreicher im Hinblick auf die Motivation des Ministeriums könnten da die einschlägigen Veröffentlichungen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. sein. Bereits im November 2001 und erneut im Juni diesen Jahres machte sich der Verband für den Anspruch von Kindern und Jugendlichen stark, »mit Arzneimitteln versorgt zu werden, die ihren Bedürfnissen entsprechen und bei denen adäquate Daten für die Anwendung in der spezifischen Altersgruppe vorliegen«, und klagte dazu die Schaffung »infrastruktureller, technischer und rechtlicher Verbesserungen« ein. Selbstverständlich müßten »Belastungen und Risiken so minimal wie möglich« gehalten werden - gemeint ist wahrscheinlich: wie möglich, gemessen am wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt. Keine Rede mehr davon, was einst die Zentrale Ethikkommission festhielt: Daß nur absolut geringfügige Risiken und Belastungen überhaupt vertretbar sind.
Erika Feyerabend vom Bochumer Expertenverband BioSkop e.V. verweist auf das geltende Arzneimittelgesetz, das »genügend Spielraum für Arzneimittelforschung gibt«. In Artikel 40 des Textes würden »Tests mit speziellen Präparaten« zugelassen, sofern »die gesetzlichen Vertreter einwilligen«. Warum im Gesundheitsministerium gerade jetzt Interessen zum Zug kommen, diese Regelung potentiell zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen aufzuweichen, sei einfach erklärt: »Bei vielen alten Medikamenten läuft der Patentschutz aus«, so Feyerabend. Komme der Referentenentwurf durch, so hätte die Pharmaindustrie einen breiteren Spielraum für Forschung »und damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen, die strengeren Regelungen unterworfen sind«. Ein Beispiel für dieses Interesse sei der rheinische Pharmakonzern Focus. Hier, so Feyerabend, sei unlängst ein Programm zur Medikamentenforschung für japanische Wissenschaftler angeboten worden, weil die entsprechenden Gesetze in Japan noch strenger gefaßt seien.
Das Interesse der pharmazeutischen Industrie an komplexen Forschungsprogrammen kommt nicht von ungefähr. Bei den Verhandlungen mit Bundeswirtschaftsministerium und Bundesgesundheitsministerium um die behördliche Festsetzung der zukünftigen Arzneimittelpreise wird schließlich jeder Euro für die Entwicklung in die Waagschale geworfen. In Anbetracht dieses ökonomischen Drucks steht zu befürchten, daß der Zugriff auf Kinder als entscheidender Vorteil für die Industrie betrachtet wird.
Euklid, langsam verstehe ich Deine zynischen Kommentare. Es wird jeden Monat immmer doller...
Gruß
Stephan
<ul> ~ Versuchskaninchen</ul>

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