- @Tempranillo/ OT Zadek Interview - Antiamerikanismus - Pudelbirne, 21.07.2003, 02:21
- Re: Im Irrgarten der Political Correctness - Tempranillo, 21.07.2003, 10:41
- Re: Danke fuer Deine Muehe - Pudelbirne, 21.07.2003, 11:21
- Re: Im Irrgarten der Political Correctness - Tempranillo, 21.07.2003, 10:41
Re: Im Irrgarten der Political Correctness
-->Hallo Pudelbirne,
den freundlichen Ton Deines Postings möchte ich gerne aufgreifen, und hoffe jetzt mal, daß meine guten Vorsätze noch ein paar Zeilen anhalten.
> ohne dass ich hier erneut"dies irae" Deinerseits heraufbeschwoeren moechte
So schnell bin ich nun auch wieder nicht auf der Palme. Da braucht´s schon Härteres. So lange ich nicht den Eindruck habe, es wird mit Verdächtigungen und persönlichen Unterstellungen gearbeitet, bewerfe ich ausschließlich Politiker und Medienschaffende, nicht aber andere Board-Mitglieder, mit Schmutz und Dreck.
> ein kleiner Nachtrag zum Thema Zadek, nicht aus meiner Feder, aber ganz interessant wegen der These, dass Antiamerikanismus heutzutage Mainstream sei.
Scheint mir sehr verwegen, die Aussage. In den Bereichen, die gesellschaftsweit den Ton angeben, weil sie, sei es über politische, wirtschaftliche oder meinungsbildende Macht verfügen, kann ich nirgendwo Antiamerikanismus erkennen, bestenfalls in homöopathischer Dosis. Der von Dir hereinkopierte Beitrag aus der taz bestätigt doch voll und ganz meine Annahme. Kaum läßt Peter Zadek mal ein paar Provokationen los, bei denen ausnahmsweise mal nicht D-Land ins Visier geommen wird, sondern die USA - ich sehe scharenweise Politiker vor mir, wie sich sich gerade drei Mal bekreuzigen -, fühlt sich die einer, wenn schon nicht revolutionären, so doch revoltierenden Tradition verpflichtete taz aufgerufen, dem wunderbar respektlosen Zadek eine mitzugeben. Und, wie ich versuchen werde zu begründen, liefert die Hauspostille der früheren Straßenkämpfer ein Stück gehirnwaschender Propaganda, bei der noch nicht einmal die Äusserungen Zadeks ohne sinnentstellende Verzerrungen wiedergegeben werden - sage ich jetzt mal aus dem Gedächtnis.
Ein noch übleres Stück der neuzeitlichen Goebbels-Propaganda habe ich kürzlich in der SZ gelesen. Im Feuilleton greift sie ebenfalls das SPIEGEL-Interview auf, erwähnt mit keiner Silbe, was denn Zadek genau gesagt habe, und nutzt die Gelegenheit, den Regisseur als dauerpubertierenden Krawallmacher zu denunzieren. Unabhängig davon, daß Zadek wirklich einen Hang hat, Theaterskandale zu provozieren, leistet sich die SZ eine nur schwer zu übertreffende doppelte Gemeinheit: Zum einen verschweigt sie, was denn genau gesagt wurde - so werden Leute mundtot gemacht -, und zum anderen verunglimpft sie Zadek als jemanden, der mit seiner Arbeit nur Eines erreichen will: auffallen um jeden Preis. Auch wenn diese Feststellung nicht von der Hand zu weisen ist, ist es unschlagbar mies, sie genau jetzt Zeitpunkt unter die Leute zu bringen. Jahrzehnte zuvor hat die SZ noch die verschrobensten Provokationen, nicht nur Zadeks, eloquent beweihräuchert. Der Verdacht, damit sollte jemandem, der es gewagt hat, gegen den gesellschaftlichen Korpsgeist zu verstoßen, eins drübergegeben werden, ist nicht so ohne weiteres in Abrede zu stellen.
> Sehe ich genauso, merkt man auch an diesem Board. (Auch wenn nun evtl. ein Aufschrei kommt, dass dieses Board meilenweit von Mainstream in D'land entfernt sei; so jedoch aus meiner Beobachtung nicht in diesem Punkt. Insbesondere in Wirtschaftskreisen und bei den"Kulturschaffenden" oder"Intelektuellen" steht Amerika-Bashing ;-) hoch im Kurs.) Uebrigens auch in dem Teil der Welt, in dem ich mich gerade befinde.
Wir müßten uns jetzt darauf verständigen, was unter Mainstream zu verstehen ist. Ich kenne, abgesehen von Deschner, Zadek und vielleicht noch dem einen oder anderen niemand, bei dem Amerika-Bashing hoch im Kurs stünde. Es gibt eine gewisse Überheblichkeit gegenüber dem amerikanischen Kommerz und dem american way of life, das ist nicht ganz falsch, aber von einer USA-Kritik, die endlich mal mit den selben Maßstäben messen würde, die von jenseits des Atlantiks auf andere angewendet werden, sind wir doch Lichtjahre entfernt.
Einer der wenigen, die das gewagt haben, war Peter Zadek! D´rum fühlen sich doch einige so auf den Schlips getreten, weil endlich mal das amerikanische Hegemonistreben (=Weltmachtambition) und die Parallelen zu Hitlerdeutschland (=Angriffskriege) benannt wurden.
Diese Zusammenhänge herzustellen, die man nur in die Vergangenheit zurückprojizieren muß, damit das Tabu von der deutschen Alleinschuld an WK1 und 2 zerbröselt wie die beiden WTC-Türme, rührt an einen sehr heiklen Punkt. Was ich gestern nacht gelesen habe - ein schöner Zufall, findest Du nicht - muß ich mal zitieren, dann wirst Du merken, welcher heiligen Kuh Zadek das Euter getätschelt hat:
"An der deutschen Literatur war für mich verwirrend, daß die erste Geschichtsschreibung nach dem Kriege unter gesetzlichen Auflagen erarbeitet worden ist, die der Forschung Grenzen auferlegten. Im Deutschlandvertrag von 1955, Artikel 7 (1) ist verbindlich festgelegt worden, daß deutsche Gerichte und Behörden... alle Entscheidungen aus den Nürnberger Prozessen in jeder Hinsicht als rechtskräftig und rechtswirksam zu behandeln haben. Zu den Entscheidungen des Gerichts gehörten die Feststellungen zum Ablauf, die zum Kriege führten.
Die Urteile konnten nach Maßgabe des Gerichts auch ohne Beweiserhebung oder gegen die Beweiserhebung der Siegermächte zustande kommen. Dadurch waren der subjektiven Sicht der Siegermächte Tür und Tor geöffnet und die besiegten Deutschen per Gerichtbeschluß verpflichtet, diese Sicht zu übernehmen. Zu den Behörden, die diese so zustande gekommenen Feststellungen in jeder Hinsicht als rechtswirksam zu behandeln haben, gehören die Kultusministerien der Länder, die die Aufsicht über den Inhalt der Geschichtsbücher an den Schulen führen. Die forschenden Beamten sind per Diensteid an diesen Artikel 7 des Deutschlandvertrages gebunden und damit an eine Lesart, von Geschichte, die in Nürnberg verbindlich festgeschrieben worden ist." (Gerd Schultze-Rhonhof, 1939 - Der Krieg, der viele Väter hatte, München, 2003)
Gegen den Geist der Nürnberger-Kriegsverbrecher-Prozesse mit ihrer Zuschreibung von"Gut" und"Böse" hat sich Zadek erlaubt zu verstoßen. Von daher das Pikiert-Sein nicht nur der taz, die sich, wie schon die SZ, nicht scheut einen in den Feuilletons landauf landab bejubelten Regisseur, der mehrfach im Wiener Burgtheater, nun wahrlich keine Krawall- und Provokationsbude inszeniert hat, und jetzt wieder, Jahre nach dem Weggang eines anderen Provokateurs, Klaus Peymanns, eine Regie macht.
Wenn Du mir noch mal eine Antwort abnötigst, Pudelbirne, die mich so viel Mühe kostet, dann muß ich meine Freundlichkeit bald mal überdenken. Ich bin schon froh, daß ich es bis hierher geschafft habe, und jetzt wartet noch der taz-Beitrag. Das wird eine Bergetappe, sag ich Dir! [img][/img]
> Der antiamerikanische Freund
> Peter Zadek ruft in der Hamburger Illustrierten"Der Spiegel" zum Kulturkampf auf
Na und. Darf er das nicht? Den alle Lebensbereiche durchdringenden Amerikanismus - lt. Emerald sogar im Management Schweizer Unternehmen - könnte man problemlos als Kultur, besser (Un-)Kulturkampf bezeichnen. Nur eben von der anderen, der Seite der"Guten" ausgehend.
> Wenn ein Kulturschaffender unbedingt unter Beweis stellen muss, dass"Mittelmaß und Wahn" als ein von Enzensberger diagnostizierter geistiger Zustand auf ihn voll zutrifft, dann kann es sich eigentlich nur um Peter Zadek handeln.
Eine Begründung wäre auch nicht schlecht, wo doch"Mittelmaß und Wahn" jahrzehnelang abgefeiert wurde, und an den renommiertesten Bühnen des deutschen Sprachraums Triumphe gefeiert hat.
> In einem Interview der Hamburger Illustrierten Der Spiegel bekennt er sich in dieser Woche offen und freizügig zum ebenso kitschigen wie klitschigen Klischee, zum Antiamerikanismus.
Den Klischees fehlt der Inhalt, eine Aussage, welche Bewertungen mit dem Antiamerikanismus verknüpft sind. So wie es dasteht, ist es kein Klischee, sondern eine Einstellung, ein Vorurteil.
> Die Amerikaner, zitiert er übereinstimmend mit einem Antikriegsdichter, seien heute mit den Nazis zu vergleichen, wobei der ganze Unterschied darin bestünde, dass die Nazis nur Europa, die Amerikaner aber die ganze Welt besiegen wollten.
Genau dieser Vergleich ist ganz und gar nicht klischeehaft. Im Gegenteil, er ist hochoriginell, ein eklatanter Verstoß gegen den Geist der Nürnberger Prozesse und des Deutschlandvertrags.
> Einen unsinnigen historischen Vergleich sollte man aus humoristischen Gründen nie verachten, aber bei dieser einfältigen Parallele kann man nur Bauklötze staunen, denn offensichtlich gehört für Zadek Afrika bereits zu Europa.
Nicht einmal die Äusserungen Zadeks kann dieser Schmierer korrekt wiedergeben. Zadek hat an keiner Stelle die USA eingemeindet.
> In Afrika jedenfalls trieb sich die deutsche Wehrmacht herum, in Asien konnte sie bloß deshalb keine größeren Verheerungen ausrichten, weil sie vorher in Stalingrad stecken blieb.
Aha, Bergvagabunden vor El-Alamein. Nur die Wehrmacht hat Verheerungen angerichtet, gut, das zu wissen. Wahrscheinlich haben die Dresdner ihre schöne Stadt selbst angezündet
> Und die Wehrmacht wäre auch in Amerika zugange gewesen, wäre die V2-Wunderwaffe rechtzeitig fertig geworden. Zadek sei Dank muss jetzt nicht nur die Geschichte neu geschrieben, sondern auch die Weltkarte neu gezeichnet werden.
Der Krieg USA/D-Land ging von Amerika und Roosevelt aus, nicht von D-Land, so wie das Afrika-Abenteuer von Italien, wo A.H. Mussolini zu Hilfe gekommen ist. Die Geschichte, vor allem die der USA, muß in der Tat neu geschrieben werden. Von einem Neuzeichnen der Weltkarte reden nur Bush und Co., sonst niemand.
>"Peinlich" findet Zadek den"Minderwertigkeitskomplex, den wir Europäer immer noch haben", wobei der"Minderwertigkeitskomplex" offenbar darin besteht, dass"wir" im ständigen"Kulturkampf" mit den Amerikanern immer den Kürzeren ziehen. Um in diesem"Kulturkampf" Punkte zu machen, würde Zadek"auch ein Schwein auf die Bühne holen".
Um die Leute ins Kino zu locken, bringen die Amis unentwegt Adolf Hitler auf die Leinwand. Da finde ich Zadek sympathischer. Ich würde ihm vielleicht sagen, daß es nicht so sinnvoll ist, ein Schwein auf die Bühne zu bringen, wenn die wahren Schweine im Reichstag sitzen.
> Aber vermutlich könnte er auch dann nicht gegen das von ihm verteufelte"schreckliche Zeug" aus Hollywood anstinken, wenn er selber auf der Bühne ginge und grunzte.
Das ist der Kulturteil der taz!
> Dummerweise ist Hollywood, was den Irakkrieg angeht, partiell gar nicht mal so sehr anderer Meinung, wie das theatralische"Shame on you, Mr. President!" von Michael Moore zeigte, für das er von Teilen der versammelten Hollywood-Elite frenetischen Beifall erhielt.
Vor dem Irakkrieg gab es kein Hollywood, interessant. Die Kriegsfilme, von denen täglich mindestens einer - unser täglich Löffelchen Lebertran, nein, Adolf - über die Glotze flimmer, kommen wahrscheinlich vom Mars.
> Diese Zustimmung aber ist Zadek eher peinlich, weswegen"diese Scheiße, die auch eine Kulturscheiße ist", seiner Meinung nach"nur offene Türen einrennt", wobei man sich fragt, was Zadek eigentlich anderes macht. Denn auch er bedient selbstverständlich den Mainstream, auch wenn er glaubt, eine fürchterlich gefährliche oppositionelle Meinung vom Stapel zu lassen, sobald er seinen antiamerikanischen Ressentiments freien Lauf lässt.
Ich erinnere an den Deutschlandvertrag.
> Führt man sich dann vor Augen, dass Zadek offensichtlich nicht zu jenen gehört, die ein vernünftiges Argument zustande bringen, ist es umso erstaunlicher, dass er selbst die dümmsten Klischees in Anspruch nimmt, die höchstens noch Kabarettisten verwenden, um ein paar müde Lacher abzustauben.
Wie so oft: Die Blinden lästern über die Einäugigen. Auf eine Beschreibung der Klischees warte ich immer noch.
> Nach dem antisemitischen Schema"Ich habe nichts gegen Juden, einige meiner besten Freunde sind Juden", sagt Zadek, der nie in Amerika war, ohne den Hauch von Ironie:"Mir ist Amerika zutiefst zuwider, auch wenn ich natürlich ein paar amerikanische Freunde habe." Natürlich? Was heißt hier natürlich? Zadek - auch einer dieser Natürlich-Sager.
Der Text ist so erbärmlich, der Autor so im argumentativen Notstand, daß er die Antisemidingsbums-Keule über derm Haupt von Zadek schwingen will.
> Als Anhänger der Appeasement-Politik hat Zadek immerhin mal einen originellen Gedanken:"Krieg entsteht dadurch, dass Leute nicht mehr im Stande sind, miteinander zu reden." Hätte man also auf Hitler nur lange genug eingequatscht, wäre er bestimmt irgendwann mal in die Knie gegangen, wobei in diesem Fall Zadek offensichtlich zu sehr von sich ausgeht.
Hätte Amerika Hitler nicht groß gemacht, hätten wir ein paar Probleme weniger. Aber es muß ja die"Nürnberger-Lesart" an den Mann gebracht werden
>Tatsächlich kann man nicht ausschließen, dass Hitler vor dem auf ihn einredenden Zadek die Waffen gestreckt hätte. Zumindest hätte er anerkennen müssen, dass Zadeks Ansichten auch nicht weniger bizarr als seine eigenen sind. Und in dieser Hinsicht sind sich Hitler und Zadek doch wirklich ähnlich, um auch mal einen kleinen Vergleich anzubringen, der nicht weniger Plausibilität für sich in Anspruch nehmen kann als Zadeks Gleichsetzung von Amerikanern und Nazis. Hitler und Zadek jedenfalls haben überzeugend nachgewiesen, dass sich aus dem Mittelmaß, dem gewöhnlichen bürgerlichen Ressentiment, ein erstaunlicher Wahn wringen lässt, wenn man den Quatsch nur lange genug knetet. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Hitler mit seinem Wahn erfolgreich war.
Retourkutschen, noch dazu so billige, waren schon im Kindergarten verpönt. Sollte man diesen Vergleich, Zadek=Hitler, nicht unter Strafe stellen? Ist das etwa kein Antisemidingsbums? Hier sind wir mitten im Irrgarten der Political Correctness. Und so ein miserabler Schmierant hält anderen"Wahn" vor. Wer hat diesen Schrott eigentlich freigegeben. Gibt es bei der taz niemand, der gegenliest?
Jetzt soll noch einer sagen, es gäbe keine Systempresse.
Tempranillo

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