- Der"Bankier Gottes" ist von der Mafia getötet worden - Sonne, 24.07.2003, 23:22
- ...und es hat nur 20 Jahre gedauert, bis das bewiesen wurde - HB, 24.07.2003, 23:47
- Teaser - HB, 25.07.2003, 00:09
- Zitat: Britische Behörden hatten zunächst von Selbstmord gesprochen..... - Tofir, 25.07.2003, 00:00
- ...und es hat nur 20 Jahre gedauert, bis das bewiesen wurde - HB, 24.07.2003, 23:47
Teaser
-->Aus"Im Namen des Staates" von Andreas von Bülow:
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Bereits in seiner Zeit als hoher Würdenträger und Kardinal der
Diözese Venetien hatte Albino Luciani, der spätere Papst, mitansehen
müssen, wie es dem in vielerlei kriminelle Machenschaften verstrickten
Bankier Calvi, der später in London erhängt aufgefunden
werden sollte, gelungen war, sich unter Mithilfe des für die Vatikan-Bank
zuständigen Bischofs Marcinkus die Aktien der Banca Cattolica
Venetia zu verschaffen. Eigentümer der Bank waren an sich die
venetischen Diözesen. Zur Absicherung der für Kirchen- und
Gemeindebauten vergebenen Darlehen hatten die Gemeinden jedoch
jeweils ihre Geschäftsanteile bei der Vatikan-Bank hinterlegen müssen.
Somit im Besitz der Anteilsscheine, konnte Marcinkus nach
außen unanfechtbar über das Vermögen der Gemeinden verfugen.
Weder wurden die Gemeinden als Eigentümer der Bank vom Verkauf
benachrichtigt noch der zuständige Kardinal Albino Luciani.
Die Empörung war gewaltig, zumal auch die bisherigen Vorzugszinsen
für Priester und Gemeinden vom neuen Eigentümer kräftig
erhöht wurden. Der Kardinal sprach im Vatikan vor und protestierte,
dennoch war an der Transaktion nichts mehr zu ändern.
Mit dem Erwerb der Bank war es Calvi gelungen, in die Finanzsphäre
des Vatikans einzubrechen, die ihm zusätzliches Renommee,
vor allem aber religiös verbrämte Seriosität verschaffte. Seit dieser
Zeit konnte der spätere Papst aus eigener böser Erfahrung die
Finanztransaktionen des Vatikans mit Skepsis und Unbehagen verfolgen.
Auf Pecorellis Liste fand der Papst den Namen seines persönlichen
Sekretärs, Kardinal Jean Villot, ebenso wieder wie den des für
die Finanzen der Vatikan-Bank zuständigen Bischofs Marcinkus aus
Chicago. Alle vom neuen Pontifex maximus für die Ablösung vorgesehenen
Funktionsträger des Vatikans gehörten der Loge P2 an. Von
daher war intrakurialer wie extrakurialer Widerstand vorprogrammiert.
Doch der eigentliche, das Mittel des Mordes offensichtlich
nicht scheuende Widerstand erwuchs aus der personellen Verflechtung
der Finanzverantwortlichen des Vatikans mit weltweit agierenden
Wirtschaftskriminellen, deren Verbindungen zu Politik und
Geheimdiensten und den aus einer schonungslosen Revision der Ver-hältnisse
zu erwartenden weltweiten Enthüllungen.
Die drei Figuren, die außerhalb des Vatikans die Fäden in der
Hand hielten, waren die mit verschiedenen Zweit- und Dritt-Staats-angehörigkeiten
und -pässen ausgestatteten Italiener Sindona, Calvi
und Gelli.
Michele Sindona
Der Sizilianer Michele Sindona betrieb vor der Landung der Amerikaner
in Sizilien im Zweiten Weltkrieg Schwarzmarktgeschäfte mit
Lebensmitteln, deren Produktpalette er nach der Landung mit zahlreichen
Artikeln aus amerikanischen Heeresbeständen wesentlich
ausweiten konnte. Die Tätigkeit führte ihn in das innere Beziehungsgeflecht
der sizilianischen Mafia, der vor allem daran gelegen war,
die Bareinnahmen aus kriminellen Geschäften durch Geldwäsche
unantastbar zu machen und auf die so unverfänglichen Bankkonten
jederzeit ungehindert Zugriff zu haben 734.
Später fand Sindona, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben
des Erzbischofs von Messina, in Mailand Beschäftigung, wo er
sich darauf spezialisierte, amerikanischen Nachkriegsinvestoren an
den italienischen Steuer- und Devisengesetzen vorbei Geldanlagen
zu vermitteln. So kam die Verbindung zu den Mafiafamilien Gambino
und Inzerillo zustande, deren Clanmitglieder in New York und
Palermo ihrem Verbrecherhandwerk nachgingen. Das Hauptgeschäft
war schon damals Heroin, das diese Familien in 30 Schiffen, teils als
Rohmasse zur Veredelung, teils als Endprodukt nach Sizilien brachten.
Von dort wurde die verkaufsfertige Ware, in Koffern verpackt,
als Fluggepäck aufgegeben und in New York für 50 000 Dollar je Koffer
am Flughafen abgeholt. Jährlich fielen Gewinne von 600 Millionen
US-Dollar an, die gewaschen und angelegt werden mußten.
Michele Sindona kaufte daher 1959, anderthalb Jahre nach einer Gipfelkonferenz
der Mafiaclans von Palermo im November 1957, mit
Geldern der Mafia eine Mailänder Bank auf, die Banca Privata
Finanziaria, die zuvor einem faschistischen Ideologen des Mussolini-
Regimes gehört hatte und für Spezialtransaktionen genutzt wor-
den war. Die Bank wird allerdings nicht direkt, sondern über den
Umweg einer Holding, der Fasco AG in Liechtenstein, gekauft. Kurz
darauf übernahm Sindona auch die Banco di Messina, die mit ihren
Dienstleistungen kundennah den Geldwaschbedürfnissen der Mafiaclans
Siziliens entgegenkommen konnte. In Mailand machte sich
Sindona bei Kardinal Giovanni Battista Montini, dem nachmaligen
Papst Paul VI., beliebt, indem er die Kosten eines neuerbauten kirchlichen
Altersheimes übernahm. Wie der ehemalige Mitarbeiter der
CIA, Victor Marchetti, später feststellte, handelte es sich bei Sindonas
Spende in Wahrheit um Gelder der CIA, die einflußreichen Italienern
zukommen sollten, die in der Lage waren, die Wahlerfolge
der Kommunistischen Partei Italiens in Grenzen zu halten. Die CIA
bediente sich der Dienste Michele Sindonas im übrigen auch, um
Gelder zur Unterstützung rechtsgerichteter Gruppen in Italien verdeckt
einzuschleusen.
Das Wohlwollen des örtlichen Kardinals begleitete Sindona beim
Ausbau seiner Kirchenkontakte. So kam er persönlich wie geschäftlich
mit dem Geschäftsführer des Instituts für die religiösen Werke
des Vatikans (IOR) in Verbindung, dem Kern der Vatikan-Bank.
Massimo Spada, der Geschäftsführer des IOR (der Vatikan-Bank)
wiederum saß im Aufsichtsrat von 24 italienischen Großunternehmen.
Enge Kontakte konnte Sindona auch mit Luigi Mennini, einem
Spitzenmann der Vatikan-Bank, anbahnen. Schließlich hielt er Verbindung
zu Pater Macchi, dem Sekretär des Kardinals. Freundschaftlich
verbunden war Sindona mit dem Sektionsleiter des Vatikans für
besondere Finanzfragen, Monsignore Sergio Guerri. Die Sektion
geht auf das Konkordat des Pacelli-Papstes Pius XII. mit dem italienischen
Diktator Mussolini aus dem Jahre 1929 zurück. In diesem
Konkordat überschrieb die Republik Italien dem Vatikan einen Geldbetrag
von 750 Millionen Lire sowie Staatspapiere im Werte von
einer Milliarde Lire, nach heutiger Kaufkraft rund 500 Millionen
Dollar. Die Verwaltung der Gelder wurde Bernardino Nogera übertragen.
Im Sektionsvorstand saß der Bruder des Papstes, Francesco
Pacelli. Die Gelder sollten ohne Rücksicht auf religiöse oder doktrinäre
Gesichtspunkte angelegt werden und wurden im wesentlichen
für Spekulation mit Devisen, Edelmetallen und Anlagen im Warenterminhandel
verwendet. Zur Abwicklung konnten die vatikaneige-nen
Banken Banco di Roma, Banco di Santo Spiritu und die Cassa
di Risparmio di Roma eingesetzt werden. Als die Banco di Roma
zahlungsunfähig zu werden drohte, schoß Mussolini nochmals nach,
indem er die Bank für 630 Millionen Lire in die staatseigene Holding
I.R.I. übernahm.
Mit der engen Verbindung zur Vatikan-Bank, dem IOR, hatte Sindona
nun Zugang zu einem weltumspannenden Bankennetz gewon-nen,
das die Rothschild-Banken in Paris und London, den Credit
Suisse in der Schweiz, die Hambros Bank in London, die Morgan
Bank und die Chase Manhattan Bank in New York, die First National
und die Continental Bank of Illinois sowie die Bankers Trust Company
New York umfaßte. Sindona gelang es, an seiner Banca Privata
in Mailand mit je 22 Prozent die Hambros Bank in London, die seit
alters über enge Beziehungen zum Vatikan verfügte, sowie die Continental
Bank of Illinois zu beteiligen, die seit jeher die Geldanlagen
des Vatikans in den USA besorgte und auf das engste mit dem Erzbischof
von Chicago, John Cody, verbunden war.
Roberto Calvi
Ein weiterer Pfeiler in dem Geflecht von Bankenwelt, organisierter
Kriminalität, Geheimdiensten und der Kirche war der Mailänder
Bankier Roberto Calvi, der sich einst brüstete, zusammen mit
Michele Sindona die Mailänder Börse zu beherrschen. Doch ihr
Arm reichte weiter, im Verein mit dem Dritten im Bunde, Licio Gelli,
und dessen P2 genannter geheimer Freimaurerloge konnte das Trio
einen gewaltigen Einfluß auf das wirtschaftliche und politische
Geschehen Italiens ausüben. Roberto Calvi war mit Sindonas Hilfe
Teileigentümer der Banco Ambrosiano in Mailand geworden 735.
Unter Mithilfe von Sindona kaufte Calvi, wie bereits dargelegt, die
der Diözese Venetien und deren Gemeinden gehörende Banca Catto-lica
von Bischof Marcinkus.
Weitere strategische Schritte zum weltweiten Geldwäsche- und
Transaktionsimperium war die Gründung von Zweigbanken in
Steuer- und Fluchtgeldparadiesen außerhalb Italiens. In Nassau auf
den Bahamas gründete Calvi die Banco Ambrosiano Overseas, in
Buenos Aires die Banco Ambrosiano del Sud, in Peru die Banco
Ambrosiano Andino und schließlich in Luxemburg die Banco
Ambrosiano Holdings. Den für die Vatikan-Bank zuständigen
Bischof Marcinkus setzte Calvi gar in der Ambrosiano-Bank auf
den Bahamas zum Direktor ein 736. Von daher fanden in Nassau lau-fend
Sitzungen des Vorstandes unter Teilnahme von Marcinkus statt.
Demzufolge verbrachte der Bischof auch zahlreiche Urlaube auf den
Inseln. Der Vatikan-Bank bot Calvi für Geldeinlagen stets ein Pro-zent
höhere Habenzinsen als seinen übrigen Kunden, so daß sich
die Geldanlage bei der Ambrosiano-Bank auch aus der Sicht der
Finanzstrategen des Vatikans stets rechnete und somit auch rechtfer-tigen
ließ 737. Roberto Calvi war ebenso wie Michele Sindona mehr
oder weniger als Folge der Wahl des früheren Kardinals von Mailand
zum Papst Paul VI. zu Ratgebern des Vatikans bei Geldanlagen
geworden.
Calvi war zudem Kämmerer der Loge P2 und wurde von deren
Großmeister Gelli regelmäßig zur Zahlung größerer Summen an
das Netzwerk der Loge aufgefordert. Wie Sindona und Gelli stand
Calvi politisch nicht nur stark rechts, er war überzeugter Anhänger
des Faschismus. Zusammen mit seinem Bruder hatte er für den Mili-tärputsch
General Francos gegen die spanische Republik gekämpft.
Zunächst Mitglied der Schwarzhemden, schloß er sich später der
Waffen-SS an, in deren Reihen er in Rußland gegen die Rote Armee
kämpfte.
Im Bankgeschäft spielte Calvi mit Michele Sindona zusammen,
dessen Funktionen als Vertrauensbanker der Mafia er im Begriffe
war zu übernehmen. Er war Spezialist für alle denkbaren Arten des
rechtswidrigen Kapitaltransfers, der Steuerhinterziehung, der Bör-senmanipulation,
der Bestechung und nicht zuletzt, falls erforder-lich,
raffinierter Mordarrangements.
Licio Gelli
Als Dritter im Bunde ist nochmals auf Licio Gelli einzugehen, der
wie die Spinne im Netz die weltweit agierende Loge P2 führte. In Ita-lien
hatte er den Spitznamen »Burattinaio«, der Mann, der die Pup-pen
tanzen läßt. In seinem Panzerschrank fand die Polizei die Liste
der 962 Mitglieder der Loge P2 738, dazu geheime Regierungsdoku-mente
und Dossiers über zahlreiche Persönlichkeiten des öffentli-chen
Lebens. Gelli war Offizier des italienischen Geheimdienstes
SID und Mitarbeiter der CIA. Der italienische Innenminister Scalfaro
hielt ihn, solange er nicht hinter Schloß und Riegel gebracht sei, für
eine Gefahr für die italienische Demokratie. Auch Gelli kommt aus
dem rechtsradikalen, faschistischen Lager 739.1954 setzte er sich nach
Südamerika ab. Dort schloß er sich einer rechtsradikalen Grup-pierung
an, die den argentinischen General und Staatschef Juan
Perön unterstützte 740. Als dessen Macht schwächer wurde, unter-stützte
er einen erfolgreichen Militärputsch und baute von Argenti-nien
aus sein Netzwerk auf, das vor allem Paraguay, Brasilien, Boli-vien,
Kolumbien, Venezuela und Nicaragua umspannte (vgl S.
233 f.). Bei seinen Aktivitäten bereitete es ihm kaum Schwierigkei-ten,
mal ein Empfehlungsschreiben der italienischen Kommunisti-schen
Partei vorzuweisen oder ein Telefonbuch mit Nummern und
Namen der CIA zur Erhöhung der Glaub- und Förderungswürdigkeit
einzusetzen.
1972 ernannte ihn die argentinische Regierung zu ihrem Wirt-schaftsberater
und sandte ihn zur Vertretung argentinischer Wirt-schaftsinteressen
nach Italien. Im Schwerpunkt widmete er sich
dem Waffenhandel. Die von ihm nach den italienischen Bestimmun-gen
rechtswidrig, weil geheim gegründete Loge Propaganda Due,
genoß von der Startphase an die massive Unterstützung der CIA-Ver-tretung
in Italien 741. Aktive Ableger der Loge wurden in der Folgezeit in
Venezuela, Paraguay, Bolivien, Frankreich, Spanien, Portugal und
Nicaragua gegründet, mit einigen Mitgliedern auch in der Schweiz
und den USA. Die Loge war ebenso mit den Spitzen der Mafia in Ita-lien,
Kuba und den USA wie mit den Militärregierungen Lateiname-rikas
und zahlreichen neofaschistischen Gruppen verzahnt. Hinzu
kam die alte Verbindung zur CIA und dem Vatikan. Zu seinen Freun-den
zählte er die Gruppe um Stefane Delle Chiaie, Pierluigi Foghera
und Joachim Fiebelkorn, die als »Bräute des Todes« vor allem in
Südamerika ihre Mordtaten gegen tatsächlich oder vermeintlich
linksgerichtete Kräfte begingen. Mit von der Partie war dort die
Gruppe um Barbie, den Gestapochef von Lyon und späteren CIC-Mitarbeiter,
den Gelli mit Hilfe eines kroatischen Priesters nach
Kriegsende über die sogenannte Rattenlinie der Nazi- und SS-Grö-
ßen nach Südamerika geschmuggelt hatte. Barbie widmete sich der
Aufgabe, gegen beträchtliche Konkurrenz eine Kokain-Großindu-strie
aufzubauen, um durch weltweite Transaktionen höchste Ge-winne
ziehen zu können 742.
Gelli erhielt von Zeit zu Zeit Audienzen bei Papst Paul VI. und
speiste nicht selten mit dem für die Finanzen des Vatikans zuständi-gen
Bischof Marcinkus.
Synergieeffekte: Geistliche Finanzen
und kriminelle Transaktionen
Dank den guten Verbindungen zwischen Vatikan-Bank und dem Drei-gespann
Gelli, Sindona, Calvi konnten nun die geistlich-finanziellen
mit den kriminellen Elementen zu Synergieeffekten gekoppelt wer-den.
Die als international über jeden Zweifel erhabene, hochreputier-liche,
jedoch außerhalb der nationalen italienischen Bankenaufsicht
stehende Vatikan-Bank wurde zeitweilig Drehscheibe nicht kontrol-lierter,
dem Bankaufsichts- und Strafverfolgungssystem Italiens auf-grund
der Extraterritorialität des Vatikans entzogener krimineller
Geschäfte 743. Zusätzlich von Vorteil war dabei der Status der Vatikan-Bank
als international anerkannte Nationalbank, vergleichbar der
Federal Reserve in den USA oder der Deutschen Bundesbank. Als
Zentralbank wird sie zwangsläufig in alle internationalen Bemü-hungen
zur Eindämmung krimineller Handlungen einbezogen, wird
entsprechend informiert, zu Tagungen eingeladen und erhält Zugang
zu den Datenbanken. Marcinkus steht mit dieser Bank dem kriminel-len
Netzwerk zur Verfügung, Gelli und Calvi sorgen für die Abdek-kung
durch die italienischen Geheimdienste und die CIA. Kardinal
Villot schirmt die Bank gegenüber dem Papst und dessen unmittelba-rer
Umgebung, aber auch nach außen ab, indem er den Nachstellun-gen
der italienischen Notenbank, des Finanzministeriums sowie aus-ländischer
Strafverfolgungsbehörden im Namen der Souveränität des
Vatikans entgegentritt. Und so beginnen die dunklen Geschäfte um
den Globus zu laufen, die die Strafverfolgungsbehörden der USA, Ita-liens,
der Schweiz, aber auch die Währungsüberwachungsbehörden
und die Finanzministerien allenfalls rudimentär ermitteln konnten.
Italienische Staatsanwälte, Richter und Konkursverwalter, die dem
Team allzu gefahrlich wurden, sind entweder umgelegt oder massiv
eingeschüchtert worden. Die weltlichen Beteiligten werden samt und
sonders wegen Mordes verfolgt, können sich jedoch stets aufs neue
mit ihren meist auf Aliasnamen ausgestellten Diplomatenpässen
zahlreicher Länder der Verfolgung entziehen. Die Bestechung von
Politikern und Beamten in welchem Land auch immer bringt die
Strafverfolgung an den Rand des Scheiterns.
Die Geschäfte, die »gedreht« wurden, können nur in den bekannt-gewordenen
Fällen exemplarisch dargelegt werden. So scheute Gelli
keine Mühe, zum Beispiel laufend Koffer mit Bargeld aus dem natio-nal-
italienischen Teil der Stadt Rom in den Vatikanstaat zu transpor-tieren
und dort die Bankenverbindungen mit kriminell erworbenem
Bargeld zur Geldwäsche zu füttern. Insgesamt dürfte nur ein Bruch-teil
der kriminellen Handlungen an das Licht der Ã-ffentlichkeit ge-kommen
sein, und das nur dort, wo es hartnäckigen Strafverfolgern
gelang, Täter und Spuren über Kontinente hinweg zu verfolgen und
sich durch das Dickicht von Banken, Zweigbanken, Scheingeschäf-ten,
Scheinfirmen, gefälschten Dokumenten, aussageunwilligen
oder vor der Aussage per Mord beseitigten oder durch Bedrohung
schweigsam gemachten Zeugen hindurchzuarbeiten.
So gelang es Gelli im Zusammenwirken mit Sindona und der Vati-kan-
Bank, ein Geschäft mit steuerbefreitem Heizöl zu organisieren.
Ein italienischer Ã-lmagnat und P2-Mitglied wird veranlaßt, dem als
Heizöl deklarierten Dieselölkraftstoff gesetzwidrig den vorgeschrie-benen
Farbstoff nicht beizumischen und den gewaltigen Preisunter-schied
in die eigenen Kassen zu lenken. Der Chef der italienischen
Finanzpolizei, General Raffaele Giudice, ebenfalls bei der P2 regi-striert,
sorgt für die Unterlassung der Einfärbung und die Fälschung
der Papiere. Der Gewinn beträgt zweieinhalb Milliarden Dollar, die
über die Vatikan-Bank auf Geheimkonten bei der Finabank einge-hen.
General Giudice war zuvor auf Empfehlung des Kardinalvikars
Polerti von Ministerpräsident Andreotti für dieses Amt bestimmt
worden.
Ein weiteres Geschäftsfeld galt der Kapitalflucht aus Italien. Um
den rechtswidrigen Kapitalexport zu ermöglichen, werden bei Ex-und
Importgeschäften überhöhte oder kostenwidrig niedrige Preise
vereinbart. Die Differenz wird unter Umgehung der Devisengesetze
des Landes Italien auf ausländischen Bankkonten eingezahlt. Ent-sprechend
fließen beim Einkauf ausländischer Ware überhöhte Lira-beträge
aus dem Land und werden im Ausland in Schweizer Franken,
Dollar oder D-Mark umgetauscht und auf Konten in der Schweiz
oder Luxemburg angelegt. Bei der Ausfuhr werden die Waren gegen-über
der italienischen Devisenaufsicht und Steuerverwaltung schein-bar
unter Wert verkauft. Entsprechend niedrig fallen die Steuern in
Italien aus, dafür sind die schwarzen Devisen im Ausland um so
höher. Die illegalen Gelder wandern in die Fluchtgeldparadiese und
werden von dort zur Geldanlage weltweit eingesetzt.
Neben der Geldwäsche machen sich Calvi und Sindona, stets
unter Gewährung von Provision für die Vatikan-Bank, als Mittler
und Geldgeber an die betrügerische Aussaugung von Banken und
Geldanlegern. Dies geschieht über das künstliche Hochtreiben und
Manipulieren von Aktienkursen und Immobilien. Im Kettenverkauf
von Bank zu Bank, zum Teil über Strohmänner, um die letztliche
Identität von Verkäufer und Käufer bei diesen Geschäften zu ver-schleiern,
werden die Börsenwerte und Immobilienpreise auf das
Mehrfache des Marktwertes getrieben. Nicht selten wird bei der Be-gleichung
der kontinuierlich und spekulativ steigenden Kaufpreise
zugleich das Bargeld aus Geldwäscheoperationen zum Einsatz ge-bracht.
Die Operationen werden in der Regel nie mit Eigenkapital
finanziert. Mindestens 95 Prozent des erforderlichen Kapitals stam-men
aus anvertrauten Fremdgeldern. Findet man einen letzten Käu-fer,
der über den aufgeblähten Preis schließlich in die Pleite stolpert,
so bleiben die Manipulateure von den Folgen verschont.
Als die Aktien-, Unternehmensbeteiligungs- und Immobilienblase
schließlich bei Sindona und Calvi selbst platzt, scheint ihnen dies
keinen oder nur einen geringfügigen Verlust beigefügt zu haben, haf-tete
doch zum Beispiel die Banco Ambrosiano Overseas auf den
Bahamas nur mit dem eingezahlten Eigenkapital von nicht mehr als
5000 Dollar. Folglich traf der Verlust diejenigen Banken, die ihr
Geld der windigen Konstruktion auf den Bahamas anvertraut hatten.
Und dort wiederum ließen sich die naiven globalen Geldanleger ganz
offensichtlich mit Hilfe des blendenden Aushängeschildes eines
Chefs der Vatikan-Bank im Vorstand über die geringe Eigenkapital-und
damit Haftungsdecke der Bank hinwegtäuschen. Der Vatikan-Bankier
Marcinkus war folglich für die Ganoven-Banker Calvi und
Sindona Gold wert. Dafür lohnte sich der Aufwand eines ordentli-chen
Gehaltes auf einem Privatkonto des Geistlichen ebenso wie die
Beteiligung der Vatikan-Bank an der Banco Ambrosiano selbst in
Höhe von zunächst zwei, später acht Prozent. Einer solchen Kon-struktion
Geld anvertraut zu haben konnte weltweit gegenüber Ban-kenaufsicht
und Aufsichtsgremien nicht als leichtfertig und verant-wortungslos
bezeichnet werden.
Zusammenbruch des
Sindona-Imperiums
Als das Finanzimperium Sindonas Mitte der siebziger Jahre zusam-menbrach,
war ein Schaden von mehreren Milliarden Dollar entstan-den.
Das Fiasko zog eine Reihe von Banken Europas und der USA
mit in den Abgrund. In Deutschland waren dies die Bankhäuser
Wolff aus Hamburg und Herstatt aus Köln.
Sindona hatte sich 1970 mit großen Fremdgeldbeträgen, teils kri-minellen
teils geistlichen Ursprungs, an die Übernahme der amerika-nischen
Franklin Bank herangewagt, die in der US-Rangfolge an 20.
Stelle stand. Die Bank war bereits vor dem Kauf konkursverdächtig.
Sindona kaufte die Bank zu einem überhöhten Preis wohl in der
Annahme, daß das Jonglieren mit Geldmassen über Ketten von Ban-ken
hinweg nicht viel mehr benötige als eine gute Adresse und ein
ordentliches Telexgerät. Als kurz nach der Übernahme das letzte
Halbjahresergebnis ein Absacken des Umsatzes um 28 Prozent an-zeigte,
verließ sich Sindona auf seine Verbindungen in alle Finanz-zentren
der Welt und meinte, wer mit Sindona Geschäfte tätige, der
werde dies auch mit der Franklin Bank tun. Doch hier liefen die
Dinge nicht mehr wie gewünscht. Die amerikanische Bankenaufsicht
ging der Sache auf den Grund. Eine Sonderkommission des Finanz-und
Justizministeriums, des FBI und der Börsenaufsicht leitete ein
formelles Untersuchungsverfahren ein, als die zahlungsunfähige
Bank zur Absicherung ihrer Kunden die amerikanische Bankeneinla-gensicherung
mit zunächst zwei Milliarden Dollar in Anspruch neh-men
mußte. Das Geld war, nachdem die Bank dann später in Konkurs
gegangen war, unwiederbringlich verloren. Doch darüber später.
Ein weiteres Geschäft bezog sich auf die Fälschung von Wertpa-pieren,
die bei der New Yorker Mafia in Auftrag gegeben worden
war. Es handelte sich um ein Paket von Aktien im Börsenwert von
rund einer Milliarde Dollar. Auftraggeber, so später das FBI, soll eine
hochgestellte Persönlichkeit im Vatikan mit Entscheidungsbefugnis
in Finanzangelegenheiten gewesen sein. Mit dem Aktienpaket sollte
der italienische Mischkonzern Bastogi aufgekauft werden. Die Vati-kan-
Bank sollte für die gefälschten Papiere einen Kaufpreis von 625
Millionen Dollar entrichten, von dem 150 Millionen Sindona als Pro-vision
zustehen sollten. Den Fälschern der Mafia sollten folglich 475
Millionen Dollar verbleiben. Die Vatikan-Bank hätte ein Aktienpa-ket
im Werte von einer Milliarde Dollar in Händen gehalten 744. Um
die Gutgläubigkeit des Marktes hinsichtlich der Echtheit der Papiere
zu testen, wurden Papiere im Werte von eineinhalb Millionen Dollar
der Zürcher Handelsbank und der Banco di Roma zur Überprüfung
gegeben. Von beiden Banken kam die Bestätigung der Echtheit.
Doch beide Banken reichten die Wertpapiere weiter an die Bankers
Association in New York, die die Papiere für gefälscht erklärte und
die Strafverfolgungsbehörde einschaltete. Eine Abordnung amerika-nischer
Justiz- und FBI-Beamter erschien im Vatikan, um den Sach-verhalt
aufzuklären. Bei der Ermittlung hatten zwei notorische Be-trüger
geholfen, deren Aussagen, Behauptungen und Hinweise die
Abordnung aus den USA überprüfen wollte. Nach der Vernehmung
äußerten die amerikanischen Beamten, die Herren, die ihnen unter
Leitung von Marcinkus gegenüber gesessen und verhandelt hätten,
hätten den Eindruck einer verschworenen Gemeinschaft erweckt.
Weder seien sie bereit gewesen, die Liste der gefälschten Papiere her-auszugeben,
noch sei man geneigt gewesen, eigene Nachforschun-gen
anzustellen. Die Bankvertreter hätten die Vorwürfe für so lächer-lich
gehalten, daß man deretwegen das Bankgeheimnis nicht
verletzen könne und wolle.
Die Finabank Lausanne
Dem Ausschleusen von Fluchtkapital aus Italien diente vor allem die
Banque de Financement Lausanne, kurz Finabank genannt, an der
der Vatikan mit 29 Prozent beteiligt war. Gleichfalls beteiligt an den
Geschäften waren die Banca Privata Finanziaria (BPF) in Mailand im
Zusammenspiel mit der Continental Bank Illinois und der Hambros
Bank in London. Nach Aussagen des Zeugen Bordoni liefen über die
Konten der Vatikan-Bank gigantische Spekulationsgeschäfte, die
letztlich in kollossalen Verlusten endeten. Hier war es insbesondere
die Scheinfirma Liberfinco (Liberian Financial Company), die zu
Verlusten von zunächst 35 Millionen Dollar, nach späteren Fest-stellungen
der schweizerischen Bankenaufsicht von 45 Millionen
Dollar führten. Die Schweizer Aufsichtsbeamten stellten die Teilha-ber
Sindona, die Vatikan-Bank, die Hambros Bank in London und
die Continental Bank of Illinois vor die Entscheidung, die Liberfinco
entweder selbst zu liquidieren, oder die Finabank amtlicherseits für
bankrott erklären zu lassen. Sindona schoß mit geliehenem Geld in
die Finabank nach, so daß wenigstens auf Zeit der Fortbestand gesi-chert
war.
Carlo Bordoni, der bei der amerikanischen Bankenaufsicht über
die Spekulationsgeschäfte ausgepackt hatte, war bei der Mailänder
Niederlassung der First National City Bank of New York beschäftigt
gewesen, bevor er von Sindona abgeworben und mit der Geschäfts-führung
einer Maklerfirma namens Moneyrex betraut wurde, die
sich ausschließlich der Vermittlung von Devisengeschäften widmete.
Als er sich aus dem Sindona-Unternehmen später wieder verabschie-den
wollte, erpreßte Sindona den Banker zum Bleiben mit der Dro-hung,
er werde der italienischen Bankenaufsicht von den 45 Millio-nen
Dollar Mitteilung machen, die sich auf Geheimkonten in der
Schweiz befänden.
Für die CIA hilfreich in
Griechenland und Italien
Für die CIA war Sindona in vielfältiger Weise tätig. So verwaltete
und verteilte er nicht nur in der Umbruchszeit nach dem Zweiten
Weltkrieg Gelder an rechtsradikale Gruppen, sondern auch in der
Folgezeit unter anderem in Griechenland. Im Auftrag der CIA zeich-nete
Sindona eine jugoslawische Staatsanleihe in Höhe von zwei
Millionen Dollar. Die Staatspapiere wurden an Persönlichkeiten im
Jugoslawien Marschall Titos weiterverteilt, deren Kontakt und Ein-fluß
für die CIA bedeutsam war.
Auch in anderer Weise half Sindona der CIA. Den umstrittenen
Betrieb einer in Italien erscheinenden amerikanischen Tageszeitung,
des bislang von der CIA finanzierten Daily American, kaufte Sin-dona
der Agency ab. Die CIA konnte das Unternehmen in »bewährte
Hände« geben und sich damit zugleich vor den immer bedrohlicher
werdenden Auseinandersetzungen in der amerikanischen Ã-ffentlich-keit
über Sinn, Unsinn und Rechtswidrigkeit des Engagements der
CIA in allen nur denkbaren Staaten der Welt in Sicherheit bringen.
In Italien erwarb Sindona, ohne daß allerdings ein CIA-Auftrag
nachweisbar wäre, die Verlagsgruppe, die den Corriere de la Sera
herausgibt (vgl. S. 309), die größte und einflußreichste Tageszeitung
Italiens. Er ließ den politischen Parteien Italiens - den Christdemo-kraten,
den Sozialisten und teilweise sogar den Kommunisten -beachtliche
Gelder zukommen. Den Parteien wurden bei seiner Fina-bank
Konten eingerichtet. Nachdem die illegalen Kapitaltransaktio-nen
ins Ausland die Lira schwer geschädigt hatten, beteiligte er sich
an Spekulationen zu ihrer Stützung und wurde dafür von Minister-präsident
Andreotti in einer Rede in New York zum Retter der italie-nischen
Währung erklärt.
US-Botschafter in Rom:
Sindona Mann des Jahres 1973
Der amerikanische Botschafter in Rom überreicht Sindona im Jahre
1973 die Ehrung als Mann des Jahres. Dabei gibt es eine Akte über
Sindona, die ihn in enge Verbindung mit den 253 Familienmitglie-dern
und über 1147 Mitarbeitern der Gambino-Familie bringt. Zu
fünf Mafiafamilien in New York, den Colombos, den Bonannos, den
Gambinos, den Luccheses und den Genoveses, pflege er beste Bezie-hungen.
Zusammen mit diesen Familien handele Sindona mit Heroin,
Kokain, Marihuana, Prostitution, Glücksspiel, Pornographie, be-treibe
Kreditwucher, Schutzgelderpressung, Unterwanderung der
Gewerkschaften, Großbetrügereien, Unterschlagung und Veruntreu-ung
von Bankeinlagen und Pensionskassen. Diese Erkenntnisse fan-den
sich interessanterweise nicht in den Computern des FBI oder von
Interpol, sondern in den Unterlagen der CIA, die Sindona als Werk-zeug
für vielfältige Aktivitäten eingesetzt hatte 745. Das Finanzimpe-rium
Sindonas brach 1974 nahezu zeitgleich mit dem Rücktritt des
mit Sindona eng befreundeten amerikanischen Präsidenten Nixon
aus Anlaß der Watergate-Affäre zusammen 746.
Turboeffekte: Geheimdienst
und organisierte Kriminalität
Der organisierten Kriminalität steht zur Beseitigung und Abstrafung
geschwätziger Partner, zur Ermordung hartnäckiger Strafermittler
oder unerschrockener Richter ein ungehemmtes Machtpotential zur
Verfügung. Der 33-Tage-Papst mag ein Beispiel unter vielen sein.
Das Schicksal des Bankiers Calvi ist ein weiteres. So bedrohte die
mafiose SuperStruktur einen Staatsanwalt in New York, auf dessen
Tod die Ganovenwelt 5 000 Dollar ausgelobt hatte. Der Mord fand
zu diesem Preis offenbar keinen Täter. Als Sindona selbst keinen
Ausweg mehr sah und sowohl in den USA als auch in Italien mit
lebenslänglicher Haft zu rechnen hatte, war er bereit, vor einem
Gericht seiner italienischen Heimat auszupacken. Doch wenige
Tage vor seiner Vernehmung durch Vertreter der amerikanischen
Justiz brach er trotz lückenloser Videoüberwachung und trotz
Ernährung mit eigens hergestellten und für den Transport plombier-ter
Speisen nach einem Schluck aus der Kaffeetasse mit dem Aus-spruch,
»Man hat mich vergiftet«, tödlich zusammen 747. Sein Partner
Calvi wurde in London an der Blackfriars-Brücke erhängt
aufgefunden, acht Tage nachdem ihn der Autor des Buches über
die Hintergründe des frühen Papsttodes angerufen und um Informa-tionen
gebeten hatte. Nur wenige Stunden vor dem Tod des Bankers
wiederum war dessen Sekretärin aus dem vierten Stock der Zentrale
der Ambrosiano-Bank in Mailand gestürzt. Das gleiche Schicksal
ereilte einen weiteren leitenden Mitarbeiter. Der Mailänder Richter,
der das Zusammenspiel von Vatikan-Bank und Banco Ambrosiano
beim Waschen von Mafiageldern durchleuchtet hatte und uner-schrocken
der Finanzierung der Loge P2 und anderen Aktivitäten
nachgegangen war, wurde bei der morgendlichen Fahrt ins Gericht
von Kugeln durchsiebt. Die Ermittlungen gehen von fünf gedunge-nen
und auf das Opfer angesetzten Mördern aus. Die Verantwortung
für die Tat übernahm eine angeblich linke terroristische Vereini-gung.
In Wirklichkeit war es eine mafiose Auftragsarbeit zur Aus-schaltung
einer für die Unterwelt gefährlichen, nicht korrumpierba-ren
Persönlichkeit.
Nach dem Konkurs des Sindona-Finanzimperiums wurde der
Wirtschaftsanwalt Ambrosoli Giogio als Konkursverwalter der
Banca Privata Italiana eingesetzt. Nach vier Jahren Arbeit hatte er
den Fall Sindona auf 100000 Blatt Papier einschließlich zahlreicher
Fotokopien dokumentiert und war nun von dem New Yorker Richter
zur Endvernehmung geladen. Doch dieser Auftritt wurde verhindert.
Der Anwalt wurde vor den Augen seiner Frau beim Verlassen des
Hauses erschossen. Die Mörder entkamen in die Schweiz, wo sie sich
von einem der Konten Sindonas bei der Banca del Gottardo, einer
Bank aus dem Calvi-Imperium, 100000 Dollar abholten.
Dem Journalisten Pecorelli, der dem frisch gewählten Papst die
Liste der im Vatikan tätigen Mitglieder der Loge P2 übermittelt hatte,
bot Gelli nach dem Tod des Papstes Schweigegeld an. Doch Pecorelli
versuchte den Preis des Schweigens in die Höhe zu treiben und
drohte mit Enthüllung 748. Gelli lud daraufhin den Journalisten zu
einem guten Essen ein. Doch die Mahlzeit fand nicht statt, da der
Journalist auf der Fahrt zum Treff auf dem Vordersitz seines Wagens
erschossen wurde. Die Tötungsart weist auf die sizilianische sasso in
bocca (Stein im Mund) hin, die für Menschen bestimmt ist, die
zuviel reden. 1983 wird der Täter, der ebenfalls der Loge P2 ange-hört,
wegen Mordes an dem italienischen Geheimdienstoffizier
Antonio Viezzer verhaftet 749.
Carboni, Doyen der römischen Unterwelt, hatte, wie ein abgehör-tes
Telefonat ergab, den Auftrag, auch den Stellvertreter Calvis bei
der Banco Ambrosiano umzulegen, der sich offensichtlich entschlos-sen
hatte, bei der Aufklärung der Hintergründe des zusammengebro-chenen
Geldinstituts mit einer Gruppe geschädigter Aktionäre
zusammenzuarbeiten. Die geprellten Ambrosiano-Aktionäre hatten
sich schriftlich, in polnischer Sprache, an Papst Johannes Paul II.
gewandt und ihn darauf hingewiesen, daß die Vatikan-Bank IOR
(Istituto per le Opere Religiöse) nicht nur Aktionär der Banco
Ambrosiano sei. Sie sei zudem mit Roberto Calvi eng verbunden.
Calvi sitze als Erbe Sindonas an einer der wichtigsten Schaltstellen
zwischen einem Freimaurertum der verkommensten Art (P2) und
Kreisen der Mafia. Dies geschehe unter Einbeziehung von Personen
wie beispielsweise Ortolani, der vom Vatikan großzügig gepäppelt
und umhegt werde und zwischen dem Vatikan und mächtigen Grup-pen
der internationalen Unterwelt Verbindung halte. Geschäftspart-ner
Calvis zu sein bedeute zugleich Geschäftspartner Gellis und
Ortolanis zu sein, unter deren gebieterischem Einfluß Calvi stehe.
Der Vatikan sei somit, ob es ihm gefalle oder nicht, aufgrund seiner
Verbindung mit Calvi ein aktiver Partner von Gelli und Ortolani. Der
Brief schloß mit der Bitte um Rat und Hilfe, blieb jedoch trotz unmit-telbarer
Zustellung ohne Antwort.
Daß sich das Netzwerk von Mafia, Geheimdiensten und Vatikan-Finanzen
auch im Waffenhandel verdingte, versteht sich am Rande.
Sowohl Gelli als auch Calvi waren unter Einschaltung von Vatikan-abhängigen
Firmen bei der Beschaffung von französischen Exocet-Raketen
für die argentinische Regierung im Falklandkrieg beteiligt.
Als Calvi in London erhängt aufgefunden wurde, war er gerade
damit beschäftigt, weitere Exocets an die argentinischen Streitkräfte
zu vermitteln. Die letzten Exocets trafen allerdings zu spät ein, um
das Kriegsglück noch für die Argentinier zu wenden. Hierfür wurde
von argentinischer Seite insbesondere Calvi verantwortlich gemacht.
Zu der Gruppe derer, die an einer möglichst umgehenden Beseiti-gung
des Papstes seinerzeit großes Interesse hatten, zählt Yallop im
übrigen auch den inzwischen verstorbenen Kardinal von Chicago,
John Cody. Cody leitete die reiche Diözese Chicago, deren Geldan-lagen
er der Continental Bank of Illinois anvertraut hatte. Im Auf-sichtsrat
dieser Bank saß David Kennedy, der spätere Finanzminister
des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon, auf den das Finanz-genie
Sindona einen nachhaltigen Eindruck gemacht hatte. Kardinal
Cody hatte als Oberhirte der stark polnisch bestimmten Diözese Chi-cago
engste Verbindungen zu polnischen Kardinalen und zudem
beste Beziehungen in den Vatikan hinein. Nach Yallop soll er sich
dank regelmäßigen Bargeldgeschenken an führende Vertreter des
Vatikan-Klerus dort einer außerordentlichen Beliebtheit erfreut
haben. Mit seinem eigenen Klerus ging er weniger pfleglieh um. So
wurden binnen eines Jahrzehnts rund 30 Prozent aller Priester der
Diözese Chicago zur Niederlegung ihres Amtes gedrängt. Die Über-wachung
der Priesterschaft mit Hilfe von Dossiers war eine Speziali-tät
des Kardinals.
Die Bestandteile des hier wie auch an anderer Stelle immer wieder
aufscheinenden Netzwerkes sind einigermaßen phantastisch. Alte
Faschisten, Angehörige der Mafia, Drogenhändler, Geldwäscher,
allesamt verquickt mit terroristischen, wenn auch stets antikommuni-stischen
Militärregimen Süd- und Mittelamerikas. In diesem un-durchsichtigen
Gewebe tauchen im Wechsel von Schuß und Faden
an entscheidenden Stellen Geheimdienste auf-vor allem die Meister-regie
der CIA mit rechts- oder linksradikalen Terrorgruppen, die wie-derum
in großem Umfang geheimdienstunterwandert sind- sowie ein
halbkriminelles Bankensystem unter Mitwirkung der Finanzabtei-lung
des Vatikans. Das Ganze, so abenteuerlich es klingen mag, war
offensichtlich kein Zufall, sondern hatte Methode und kehrt über die
Jahrzehnte hinweg in der einen oder anderen Form und Kombination
wieder. Dabei wechselten die Institutionen, vielleicht auch hier und
da die Methoden. Doch das Zusammenspiel der beteiligten Kräfte
blieb sich gleich. Das Zusammengehen von Geheimdiensten mit der
organisierten Kriminalität, insbesondere des Drogenhandels, aber
auch jeder sonstigen Form des kriminellen Gelderwerbes, diente als
Schmier- und Finanzierungsmittel mancher hochverdeckt gehaltenen
geheimdienstlichen Aktivität. Dabei korrumpierte die Methode
zwangsläufig die Angehörigen und Mitspieler der Geheimdienste in
höchstem Maße selbst.
An den Untersuchungen über den unerwarteten Tod des Papstes ist
neben der Verschränkung von Kriminalität, Finanzwelt und Terror
die Instrumentalisierung einer Freimaurerloge von Interesse, die
systematische Durchdringung der obersten Exekutivorgane eines
Staates, insbesondere des inneren, äußeren und militärischen Ge-heimdienstes,
der Polizei und der Finanzverwaltung, die Steuerung
dieser Einrichtungen zur verdeckten Förderung von Links- und
Rechtsterrorismus und die Verbindung zur NATO-Einrichtung Gla-dio.
Hinzu kommt der tiefe Einblick in die Verkettung dieses staats-durchdringenden,
teils staatsparallelen Netzes mit dem der italie-nisch-
amerikanischen Mafia, deren Beteiligung am Drogenhandel
und deren Bankenverbindungen zum Waschen krimineller Gelder
unter Einbeziehung der genialen Waschanlage mit dem Aushänge-schild
des Vatikans, hinter dem keine Geldaufsichtsbehörde der Welt
kriminelle Machenschaften je vermutet hätte. Über ihren Großmei-ster
Gelli verband die Loge P2 das gesamte auf Italien abgestützte,
stark mafiadurchsetzte System mit dem Gladio-System der NATO
und den Bedürfnissen des amerikanischen Geheimdienstes CIA nicht
nur in Italien und Europa, sondern zugleich in Lateinamerika, wo es
galt, der Linkstendenz verdächtige Regierungen durch staatsterrori-stische
Militärregime zu ersetzen 750. In der jeweiligen Vorbereitung
auf den Putsch wie in der Ausbeutung der gewonnenen Machtposi-tion
kommt es durchweg zu einer breit angelegten Beteiligung am
internationalen Drogenhandel in die USA und nach Westeuropa.
734. Eine Darstellung des kontinenteweiten Skandalsystems aus der Sicht
des in den USA wie Italien zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteil
ten Michele Sindona findet sich in Tosches, Geschäfte mit dem Vatikan
- Die Affäre Sindona
735. Yallop, Im Namen Gottes, S. 198 ff.
736. Zur Rolle der Vatikan-Bank IOR beim Devisenschmuggel und der Ein
schätzung der Person Marcinkus vgl. Tosches, Geschäfte mit dem Vati
kan, S. 140 ff.
737. Nach Bensky finanzierte die Bank das Netzwerk rechtsradikaler inter
nationaler Terroristen und deren politischer Hintermänner. Vgl. Larry
Bensky, The Vatican Bag, The Nation, 2. 6. 1984, S. 679
738. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß zur Loge P2 hat die
Liste für authentisch gehalten. Vgl. Philip Willan, Puppetmasters,
S. 12
739. Yallop, David A., Im Namen Gottes, S. 159
740. Unmittelbar nach der Machtübernahme Peröns in Argentinien organi
sierten Gestapoagenten aus Deutschland die Verfolgung, Folterung
und Einsperrung von Gewerkschaftern, Führern politischer Parteien
und Menschen mit jüdischen, polnischen oder russischen Namen in
neu errichtete Konzentrationslager. John White, The Nation,
3.3.1945. Zum Transfer und Einfluß der Nazieliten vgl. auch Stanley
Ross, Perön: South American Hitler, The Nation, 16.2.1946
741. Propaganda Due (P2) war von der Freimaurerhierarchie nicht aner
kannt. Vgl. Tosches, Geschäfte mit dem Vatikan, S. 185 f.
742. Fiebelkorn wurde wegen Drogenhandels an die westdeutsche Justiz
ausgeliefert. Zu seiner Verteidigung verwies er darauf, daß die Zusam
menarbeit mit den Drogengeneralen Teil seines Dienstauftrages der US
Drug Enforcement Agency gewesen sei. Vgl. Kai Hermann: Klaus Bar
bie: A Killer's Career, CAIB 25, S. 17
743. Nach italienischem Recht verbotene Schwarzgeldgeschäfte über hohe
Dollarbeträge konnten schon in den späten vierziger Jahren über den
Vatikan vorgenommen werden. Vgl. Donald Downes, What Do We
Want in Italy, The Nation, 12.1.1948
744. Yallop, Im Namen Gottes, S. 66
745. Die Frage der italienischen Polizei nach Hinweisen zum Verkehr mit
Drogen zwjschen den USA und möglichen anderen europäischen Län
dern wurde von Interpol negativ beantwortet. Krüger, The Great Heroin
Coup, S.225
746. Philip Willan, Puppetmasters, S. 103
747. Die amtliche Todesursache lautet auf Selbstmord, Philip Willan,
a.a.O., S. 104, nimmt Mord auf Veranlassung der italienischen oder
amerikanischen Geheimdienste an.
748. Zum Hintergrund Pecorellis und seiner Erpressungen und Erpressungs
versuche vgl. Philip Willan, a. a. O., S. 84 ff.
749. Yallop, Im Namen Gottes, S. 376
750. Auf die enge Verbindung Gellis und der P2 mit der amerikanischen
Mafia stieß auch Richard Brenneke, Philip Willan, Puppetmasters,
S. 78

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