- Silber: die medialen Schlägertruppen werden vorgeschickt - kingsolomon, 24.07.2003, 21:07
- Re: Silber: die medialen Schlägertruppen werden vorgeschickt - crosswind, 24.07.2003, 21:21
- Re: Silber: die medialen Schlägertruppen werden vorgeschickt - yatri, 24.07.2003, 21:26
- warum ich glaube, dass das orchstriert ist - kingsolomon, 24.07.2003, 21:47
- Re: warum ich glaube, dass das orchstriert ist - yatri, 24.07.2003, 22:15
- Re: Mediale Schlägertruppen? - JLL, 25.07.2003, 01:29
- Re: Mediale Schlägertruppen? Bravo - Koenigin, 25.07.2003, 12:32
- warum ich glaube, dass das orchstriert ist - kingsolomon, 24.07.2003, 21:47
- 2 interessante Überlegungen zum momentanen Silberpreisanstieg... - Tofir, 25.07.2003, 00:07
- Re: 2 interessante Überlegungen zum momentanen Silberpreisanstieg... - CRASH_GURU, 25.07.2003, 06:56
Re: Mediale Schlägertruppen?
-->Ich bin da auch eher auf Deiner Seite. Das Gros der Schreiber in den Finanzmedien versteht einfach nicht, dass Marktbewegungen und bekannte Fundamentalien nicht viel miteinander zu tun haben. Das Geschreibe kommt vielmehr einem Bedürfnis des Publikums nach Argumentationsketten, die nachvollziehbar sind, entgegen - dass sie in der Regel falsch sind, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Der Klassiker in dieser Hinsicht ist der Börsenbericht in der Tageszeitung. Da weiß der Schreiber am Abend immer ganz genau, WARUM etwas gestiegen ist. VORHER - und das ist entscheident - wußte er es aber nicht und genau genommen weiß er es am Abend ebensowenig. Kurse machen vielleicht keine Nachrichten, aber nach den Kursen werden die Erklärungen zusammengeschustert.
Außerdem scheint mir in vielen Medien das"Schiefliegen" oberste Pflicht zu sein. Man orientiert sich an statischen Marken, aber die Dynamik von Marktbewegungen wird meistens verkannt. Als die Aktien-Hausse seinerzeit noch jung war - lange ist es her - kann ich mich gut erinnern, wie in Handelsblatt, FAZ und ähnlichen Medien beständig gegen die Hausse argumentiert wurde. Man identifizierte ständig irgendwelche ominösen Marken, an denen der Trend dann endgültig stoppen sollte, denn schließlich war er"fundamental" schlecht unterfüttert. Die einfache Tatsache der Kursrichtung trat vor den möglichen Endpunkten dieser Bewegung beständig in den Hintergrund. Erst als man sich einige Jahre daran gewöhnt hatte, dass Kurssteigerungen offenbar so etwas wie den"gottgegebenen Normalfall" darstellten, begann man die nun immer brüchiger werdende Aufwärtsbewegung vehement zu verteidigen. Schließlich hatte man ja nun auch während des Anstiegs zahlreiche Statistiken gewonnen, die das beständige Ansteigen der Kurse belegten. Auch die Gold-Hausse begann nach dem gleichen Muster. Erst war es die Marke von 270, dann 285, dann 290, 300, schließlich wurde die 330 sogar zur Maginot-Linie erhoben, an der der kurzlebige, weil fundamental nicht zu begründende Anstieg endgültig stoppen müsse. Keine Besonderheit der Edelmetallmärkte, sondern ein allgemeines Phänomen, dass nicht wahr sein kann, was man nicht versteht. Verstehen zu wollen, also Bewegungen mit heute bekannten Fundamentalien zu erklären, erscheint mir ohnehin eine Kardinalsünde zu sein. Dass der Anstieg konkret im Silber nunmehr zahlreiche Artikel nach diesem Muster produziert, untermauert vor allem die Ratlosigkeit der Schreiber, die - wie so oft - mit einer Bewegung konfrontiert sind, die sie nicht verstehen, weil sie nicht in ihr Weltbild passt. Sollten die Fundamentalien für Silber tatsächlich so schlecht sein, wie behauptet, dann beobachten wir nicht weniger als eine Idealkonstellation: Steigende Kurse ohne nachvollziehbare Begründung von historisch tiefem Niveau aus.
Was ich hingegen nicht glauben kann, weil mir die Vorstellung allzu absurd erscheint, dass die Autoren einen Telefonanruf erhalten, in dem sie aufgefordert werden, nun mal ordentlich gegen Silber vom Leder zu ziehen. Hingegen glaube ich sehr wohl, dass linientreues Verhalten in den Organisationen der Finanzmärkte - wie in praktisch allen anderen Bereichen auch - durch entsprechende Belohnungen honoriert wird. Das ist nun kein Kuvert mit Fiat Money, sondern vielleicht eher etwas, das in Richtung Reputation im eigenen Haus oder beim Establishment allgemein geht. Wer denkt, wie es die großen Häuser gerne sehen, also beispielsweise Aktien und Fonds propagiert, der hatte vor der jüngsten Baisse nicht nur häufig recht, er dürfte auch leichter hochkarätige Interviewpartner gewinnen, ganz allgemein wertvolle Kontakte knüpfen, was wiederum die Reputation im eigenen Hause steigert. Ein subtiles Geben und Nehmen. Nur notorische Querulanten werden in solchen Organisationen freiwillig die Rolle des Underdogs einnehmen, indem sie gegen die Hausmeinung, oder allgemein die Etablierten stänkern. Wer das dennoch wagt, hat entweder nichts mehr zu verlieren, oder ist so von sich überzeugt, dass er meint es sich leisten zu können. Er wird aber ein Vielfaches an Erfolgen nachweisen müssen, als diejenigen, die mehr oder weniger mit dem Strom schwimmen, um sich zu halten oder gar aufzusteigen. Denn gegen solche Leute werden recht gerne die Messer gewetzt und anschließend auch benutzt. Die Mehrheit holt sich am Anfang der Karriere ein-, zweimal eine blutige Nase und ist dann auf Linie, das heißt, sie weiß, wie der Chef denkt und was von Ihnen erwartet wird, um Karriere zu machen, oder zumindest nicht negativ aufzufallen. Eine Contrarian-Haltung können sich eigentlich nur freie Menschen leisten, von denen auch manche hier im Board zu finden sind.
Schließlich denke ich nicht, dass man bei Goldman Sachs, Merrill Lynch, etc. das Gold auf Dauer verteufeln wird. Die Vorliebe für Papier im Finanzestablishment ist zwar heute unübersehbar und eine liebgewonnene Gewohnheit, wenn sich die Zeiten aber ändern ("Zeitenwende"), dann werden sie aus den Edelmetallen genauso ein Geschäft machen, wie aus den Aktien, den Renten, oder weiß der Kuckuck was. Es dürfte gerade dieser Opportunismus bzw. Pragmatismus sein, der sie groß gemacht hat.
Nächtle
JLL

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